Ana

Mailînn

Quest-Mob
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13.09.2007
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Auch ich habe vor geraumer Zeit einmal eine Geschichte für meinen damaligen Main-Char, die Jägerin Anadyiá geschrieben. Kritik und Anregungen erwünscht




Reglos hockt die zierliche Elfe im Hüfthohen Gras, sich mit den Händen vorab auf dem trockenen, lehmigen Boden abstützend. Die Ohren hat sie angelegt und die Augen zu zwei schmalen Schlitzen verengt, angestrengt in die Ferne spähend. Lediglich ihr Brustkorb hebt und senkt sich bei jedem Atemzug kaum merklich. Sie verweilt schon seit geraumer Zeit in dieser Position ohne sich zu rühren, lauernd und abwartend.
Ein Geräusch lässt ihre Ohrspitzen unruhig aufzucken, jeder einzelne Muskel ihres kleinen Körpers scheint zum zerreissen gespannt. Sie dreht den Kopf leicht in die Richtung, aus der nun deutlicher ein leises rascheln zu hören ist. Ihre Lippen werden von einem überlegenen Grinsen umspielt während sie sich in noch immer geduckter Haltung lautlos und geschmeidig durch das hohe Gras fortwärts bewegt. Langsam lässt sie sich auf den Bauch sinken, robbt - schmale Schneisen im Gras hinterlassend - weiter in die Richtung des immer lauter werdenden Raschelns.
Einen kurzen Augenblick hält sie inne, streicht sich eine widerspenstige Haarsträhne des wüst abstehenden blauen Haares aus der Stirn ehe sie die Arme in den Boden stemmt und den Oberkörper langsam über das Gras hinweg anhebt. Ein Funkeln geht durch ihre Augen, das Grinsen welches ihre Lippen umspielt wird breiter, wirkt nun beinahe wie eine starre Grimasse.
Sie bewegt sich geduckt, im hohen Gras verborgen ein Stück zur Seite und sucht dann schnellen Schrittes Schutz im Schatten eines großen Baumes, dessen ausladende Baumkrone im seichten Wind dunkle Kreise auf dem rissigen, trockenen Wüstenboden tanzen lässt. Von hier aus hat sie einen wunderbaren Blick auf den weissen Löwen, der sich nur einige Fuss von ihr entfernt auf dem Boden liegend über den leblosen, halb verwesten und schon leicht säuerlich riechenden Kadaver einer - offensichtlich zum Zeitpunkt des Todes noch sehr jungen - Brachlandgiraffe hermacht.

Seine Schnauze tief in den Innereien des toten Tieres verborgen stillt der Löwe im schützenden Schatten des Baumes seinen schier unstillbaren Hunger, ohne die Gestalt die sich nun langsam aus dem Verborgenen auf ihn zubewegt auch nur zu bemerken...

--

Dunkelheit ist bereits über das Brachland hereingebrochen, ein kühler Wind weht über den staubigen Wüstenboden und hat die brennende, stickige Luft des Tages beinahe vollends vertrieben. Der Himmel hat sein stahlblau gegen ein tiefes schwarz eingetauscht, sanfte Wolkenschleier ziehen ab und an ihre Schatten über den vollen Mond und die Sterne funkeln und glitzern um die Wette, das man meinen könnte sie würden einem in einer neckischen Geste zuzwinkern. Die meisten Tiere dieser Gegend haben sich ins schützende Dunkel ihrer Höhlen und Baue zurückgezogen oder dösen im Schatten der großen Bäume vor sich hin. Das geschäftige wuseln, kreuchen und fleuchen das man des Tages beobachten kann ist einer nahezu unheimlichen Stille gewichen - lediglich einige bucklige Hyänen und das eifrige zirpen der Grillen lassen noch Leben in der ausgetrockneten Landschaft vermuten.

Mitten in dieser ruhigen Nachtidylle hockt die junge Elfe an einem knisternden Lagerfeuer, die Beine angezogen und den Blick ruhig auf den Baum ihr gegenüber gerichtet, an welchem der weisse Löwe gegen einen Zaum aus Lederriemen und einem massiven Strick, welcher um den Baum gelegt wurde, ankämpft.
Immer wieder wirft das Raubtier den massigen Kopf in den Nacken, verlagert sein gesamtes Körpergewicht nach hinten um den Strick zum reissen zu bringen. Vor seinem Maul hat sich bereits Schaum gebildet, die Augen des Tieres sind vor entsetzen unnatürlich geweitet - sodass man deutlich das weisse darin ausmachen kann.
Für den Bruchteil einer Sekunde legt sich ein schmerzerfüllter Ausdruck in den Blick der Elfe, welchen sie jedoch durch ein knappes Kopfschütteln schleunigst wieder abzulegen versucht. Ihr ist klar, das sie keinen Mitleid mit dem Tier haben darf. Der Wille des Löwen - den sie Barayasho taufte - muss gebrochen werden, damit sie überhaupt erst einmal anfangen kann, mit dem Tier zu 'arbeiten'.
Sie seufzt leise, steckt sich ein Stück Brot in den Mund und kaut lustlos darauf herum, den Blick nicht von dem verzweifelt kämpfendem Barayasho abwendend. Wieder legt sich der wehmütige Ausdruck in ihren Blick, während sie den Löwen dabei beobachtet wie er versucht sich mit den riesigen Pranken den auf seinem Nasenrücken drückenden Zaum vom Kopf zu streifen.
Würde sie sich dem Tier nun nähern, würde er wohl versuchen sie mit einem einzigen Prankenhieb zu töten. Die Krallen des Tieres sind Messerscharf, das durfte sie bereits am Tage spüren als sie sich auf ihn stürzte und mit aller Kraft versuchte ihm das Zaum über den Kopf zu streifen. Der Überraschungsmoment war ihr dabei zugute gekommen. Doch die unbändige kraft und agilität der Raubkatze hatte letzendlich doch dazu geführt, das sie trotz ihrer Schnelligkeit einige tiefere Wunden davongetragen hatte.
So muss sie nun dabei zusehen, wie er sich unerbittlich gegen seine Gefangenschaft wehrt, sich womöglich selbst dabei verletzt - sie muss abwarten, das Barayasho aufgibt, sich seinem Schicksal ergibt und sich ihr unterwirft...

--

Tage sind ins Land gezogen. Tage in denen die Elfe sich kaum von ihrem Lager hatte fortbewegen können.
Barayasho hatte in diesen Tagen verbittert gekämpft. Hatte immer wieder versucht, sich von seinem Zaum und dem fesselnden Strick loszureissen. Sein Nasenrücken ist vom ständigen Druck und der unablässlichen Reibung des Leders mehr eine offene Fleischwunde denn alles andere. Das Fressen hatte er über den gesamten Zeitraum verwehrt. Lediglich das Wasser welches die Elfe ihm hingestellt hatte, hat er zwischendurch getrunken.
Doch nun ist Barayasho mit seinen Kräften am Ende. Kraftlos liegt der einst stolze Löwe auf der Seite, die eingefallenen Flanken des Tieres heben und senken sich nur noch schwach.
Diese Tage sind auch an der Elfe nicht spurlos vorbei gegangen. Die Wunden die sie an jenem Tag davongetragen hatte, haben sich größtenteils entzündet. Die trockene Luft und die beissend heisse Sonne der Wüste haben ihre Haut trocken und rissig werden lassen. Auf ihrer schmalen Nase pellt sich die dunkelrot gefärbte Haut, die vollen Lippen sind aufgesprungen und blutig. Doch all jenes scheint sie nicht zu stören. Man könnte meinen, sie würde das alles nicht einmal wirklich wahr nehmen.
Alles was für sie zählt, ist das sie mit all der aufgebrachten Geduld der letzten Tage nun endlich kurz vor ihrem Ziel steht. Barayasho ist willenlos, durch die verweigerung des essens kraftlos und nicht mehr im Stande seine 'Peinigerin' ernsthaft zu verletzen. Er hat sich seinem Schicksal ergeben, wird sich ihr ergeben und irgendwann wird er auch lernen, sie - trotz alledem was sie ihm angetan hat - zu lieben. Er wird ihr ein getreuer Freund werden, ihr ständiger Begleiter sein. Er wird lernen, das er zwar seine einstige Freiheit verlor, jedoch eine andere Freiheit dafür wiederbekommt.
Es wird ein langer Weg bis dahin, das ist ihr klar - doch noch während die sich langsam auf Barayashos entkräfteten Körper zubewegt, sich hinter ihm niederlässt und behutsam ihre Hand auf seine warme Flanke legt weiss sie, das sich all diese Mühen lohnen werden, gleichermaßen für sie wie auch für ihn.

Die Dunkelheit ist bereits über sie hereingebrochen und noch immer kniet sie hinter dem Tier, ihm sanft über den ausgemergelten Körper streichelnd - leise Worte zu ihm sprechend.
Sie hatte versucht, ihn zum Fressen zu bewegen - jedoch liegt der Hase den sie ihm gejagt hatte noch immer unangerührt vor seinen Pranken. Der Boden vor ihnen hat sich vom ausblutenden Körper des kleinen pelzigen Tieres in ein dunkles, dreckiges Braun verfärbt und der schwere Geruch von geronnenem Blut hängt wie ein Schleier in der für die Abendstunden erstaunlich schwülen Luft. Sicher wird dieser Geruch schon bald neugierige und hungrige Hyänen anlocken - vielleicht sogar andere ungebetene Gäste.
Ächzend erhebt die Elfe sich, sammelt wie so oft die letzten Tage, einige dürre Äste und Zweige um den Baum herum ein und klemmt sich diese unter ihre Arme. Einen kurzen Seitenblick auf Barayasho werfend stellt sie schmunzelnd fest, das dieser seinen Kopf in Richtung des toten Hasen gereckt hat und vorsichtig an dem toten Tier schnuppert. Der Hunger wird mittlerweile zu groß sein, ihn zu ignorieren und tatsächlich beginnt er, zaghaft über das Fell des Hasen zu lecken ehe er gierig seine Zähne in dessen Leib rammt und ein großes Stück Fleisch aus ihm herausreisst. Zufrieden lässt die Elfe sich vor der Feuerstelle nieder, häuft gesammelte Äste darauf auf und entzündet das Allabendlich knisternde Feuer ehe sie sich daran macht, ihr weniges Hab und Gut welches im ganzen Lager zerstreut liegt, einzusammeln und zu einem Bündel zusammenzufassen. Ordnung war nie ihre Stärke gewesen. Schon als Kind nicht. Nun, im zarten Jugendalter, scheint sich der Hang zum Chaos nur noch mehr verstärkt zu haben.
Das war einer der 'Fehler' an ihr gewesen, den ihre Mutter - wenn sie sich sonst auch wenig um sie scherte - immer am lautesten bemängelt hatte.
Beim Gedanken an ihre Mutter muss die Elfe hart schlucken, doch der Kloß der sich in ihrem Hals gebildet hat und ihr das Gefühl gibt, sie müsse daran ersticken, lässt sich nicht einfach hinunterschlucken. Zu tief ist der Schmerz den sie empfindet, wenn sie an die Frau denkt, sie sich einst ihre Mutter schimpfte. Zu groß der Hass der sich in ihr breit macht beim Gedanken an die Frau, um dessen Liebe sie immer hart hatte kämpfen müssen - ein Kampf den sie nie hatte gewinnen können. In den Augen ihrer Mutter war sie immer nur eine Last gewesen, ein Nichtsnutz - ein unerwünschtes Etwas von dem man immer froh war, wenn man es schnellstmöglichst wieder los wurde. Die Frau die ihre Mutter einmal gewesen sein muss, ist vor langer Zeit gestorben und an deren Platz ist eine verbitterte, hasserfüllte Person gerutscht, die ihre Lagergefährten im Wochentakt wechselte, dem Trollkraut und Alkohol verfallen war und ihre eigene Tochter ansah, als wäre sie der letzte Abschaum.
Nicht selten hatte die junge Elfe ihr Haus nicht betreten dürfen - Nächtelang - weil ihre Mutter sich herinnen mit den Männern des Dorfes vergnügte oder ihren Rausch ausschlief.
Durfte sie in den seltenen lichten Momenten im Bewusstsein der Mutter dann doch einmal herein, so liess sie ihre Tochter nur spüren, wie unerwünscht sie war - schon vom Tage ihrer Geburt an - und wie klein und nichtig sie in den Augen ihrer Mutter sein musste.
Die einzige Aufmerksamkeit die diese Frau - die den Namen Enyala trug - ihrem Kind schenkte, lag darin es zu schlagen, zu beschimpfen und ihr Schuldzuweisungen zu machen für all das Leid was ihr im Leben widerfahren war. Am meisten hasste Enyala sie dafür, das der Vater, den die Elfe nie kennengelernt hatte, sich still und heimlich davonstahl, als er erfuhr, das Enyala ein Kind von ihm erwartete.
Abermals versucht die Elfe, den Kloß in ihrem Hals herunter zu schlucken doch auch diesmal gelingt es ihr nicht.
Bilder schiessen ihr durch den Kopf aus längst vergangenen Zeiten - Bilder die sich in ihr Gedächtnis eingebrannt haben und die sie wohl niemals wieder vergessen wird.
Sie schliesst die Augen, in der Hoffnung diese Bilder so vertreiben zu können, doch auch jetzt sieht sie ihre Mutter noch vor sich, wie sie auf dem Tisch liegt - über ihr zwei Männer die sich mit ihr vergnügen und laut grunzend Grog über Enyalas nackten Leib schütten. Bilder, wie ihre Mutter mehr tot als lebendig und benebelt vom Trollkraut auf ihrem Lager liegt und wüste Beschimpfungen von sich gibt.
Die Hand der Mutter, die sich immer wieder auf ihr Gesicht herabsenkt um sie mit harten Schlägen für ihre Unordnung zu strafen.
Ein ersticktes stöhnen entringt der Kehle der Elfe ehe sie die Augen wieder aufreisst und den Kopf schüttelt, als könne sie all diese Bilder so vertreiben.

Mit einer plötzlich großen Eile zurrt sie nun die Schnüre um das Bündel fest und schaufelt mit beiden Händen den sandigen Wüstenboden auf das eben erst entfachte Feuer, welches langsam erlischt. Sie erhebt sich, schultert das Bündel mit einem Ruck und greift sich prüfend an ihr Waffenhalfter - mit einem Kopfnicken registrierend das sich ihr Messer noch dort befindet.
Barayasho nimmt die Hektik mit einem nervösen hin - und herpeitschen des Schweifes zur Kenntnis und legt die Ohren an. Unbeeindruckt dessen stapft die Elfe auf ihn zu, löst den Strick von dem Baum und lässt ihren Blick ein letztes Mal über das Lager schweifen.

"Komm", murmelt sie Barayasho zu, "wir müssen los..."

Zügigen Schrittes entfernt sich die Elfe von ihrem Lager, den sich sträubenden Löwen unter leisem keuchen hinter sich herschleifend. Man könnte beinahe meinen, das überstürzte aufbrechen wäre ein Fluchtversuch vor den unliebsamen Gedanken - vielleicht ist es jedoch auch nur die Angst vor tatsächlich auftauchenden unerwünschten Gästen.


--

Die ganze Nacht hindurch sind sie und Barayasho nun quer durch das Brachland gelaufen.
Immer wieder musste sie innehalten und verschnaufen.
Barayasho folgt ihr noch immer nur widerwillig, zeigt sich aber zunehmend kooperativer und trottet ihr mittlerweile mit hängendem Haupt hinterher, ohne das sie wie zuvor kräftig an dem Strick zerren muss um ihn überhaupt in Bewegung setzen zu können. An der Umgebung kann sie kaum abschätzen, ob sie auf dem richtigen Weg sind und auch die zusammengefaltete Karte die sie sich in ihren Hosenbund gesteckt hat hilft ihr wenig sich zu orientieren. Zwar kann sie die Karte im grellen Licht des Mondes gut lesen, doch hat sie nicht die geringste Ahnung, wo sie sich derzeit befindet. So hofft sie, im stillen über ihre nicht vorhande Orientierung fluchend, das sie den richtigen Weg zur Grenze nach Ashenvale eingeschlagen hat. Von dort aus will sie weiter bis zur Dunkelküste und das nächste Ziel würde Menethil sein, weg von diesem Kontinent - in die östlichen Königreiche.
Dieser Gedanke lässt ihr Herz einen Sprung machen und sie erhöht ihr Schritttempo unweigerlich.

--

Sie waren Tage unterwegs, rasteten nur selten und selbst zum schlafen schlug die Elfe ihr Lager nicht auf. Unermüdlich wanderten sie zügigen Schrittes durch die Wälder Ashenvales, durchkreuzten die Wälder der Dunkelküste.
Die ganze Zeit über sprach die Elfe leise Worte zu ihrem neuen Begleiter. Sie erzählte ihm von Orten, die sie bereits besucht hatte, von Abenteuern die sie bestritten hatte oder von ihrer Mutter. Sie redete sich all ihr Leid von der Seele, erzählte ihm Witze die sie irgendwo aufgeschnappt hatte - Träume die sie geträumt hatte oder Legenden und Erzählungen die sie irgendwann einmal gelesen hatte. Selbst wenn sie sich etwas zu essen machte oder sich etwas zu trinken besorgte kommentierte sie auch das mit Worten. Dabei war der Sinn des Gesagten egal, es musste keinen Zusammenhang haben. Wichtig war ihr nur, das Barayasho sich an den Klang ihrer Stimme gewöhnte, ihn richtig deuten lernte.

Als jedoch nach tagelanger Reise nun endlich die Dächer Auberdines vor ihnen auftauchen, schluckt sie alles was sie zuvor noch hatte sagen wollen hinunter, bleibt abrupt stehen und starrt mit offenem Mund auf das vor ihnen liegende, ruhige Dörfchen hinab. Sie sind ihrem Ziel ein beträchtliches Stück näher gekommen und nur mit Mühe gelingt es der Elfe einen Freudeschrei zu unterdrücken.

--

~Jahre sind ins Land gezogen.~

Die junge Elfe sitzt in Stormwind auf einem Mauervorsprung, die Augen geschlossen haltend und das Gesicht der über den Stadttoren aufgehenden Sonne entgegenstreckend. Vor ihr auf dem gepflasterten Boden der Strassen Stormwinds liegt Barayasho, träge vor sich hinbrummend. Momente wie dieser sind selten geworden im Leben der jungen Frau. Momente der Ruhe und des Friedens. Und selbst jetzt, wo die gesamte Stadt noch im tiefen Schlummer zu versinken scheint sieht man ihr doch deutlich ihre innere Anspannung an. Zwar sitzt sie völlig regungslos, doch hinter den geschlossenen Lidern sieht man wie ihre Augen unentwegt umherschweifen, als würde vor ihrem inneren Auge ein Film ablaufen den sie zu verfolgen versucht. Das einst jugendlich und unberührt wirkende Gesicht ist mittlerweile gezeichnet von vielen Kämpfen. Verhärmte Züge haben sich um ihre vollen Lippen gelegt. Den silbern leuchtenden Augen sieht man die Spuren des Gesehenen an.
An Körpergröße hat sie in den vergangenen Jahren kaum zugenommen. Der Körper ist zwar sehniger und muskulöser geworden, doch ist sie für eine Vertreterin des Volkes der Kaldorei von erstaunlich geringer Größe.
Seufzend öffnet sie ihre Augen und lässt sich von dem Vorsprung gleiten. Lange würde es hier nicht mehr ruhig bleiben und sie braucht diese Ruhe. Braucht sie zum nachdenken, zum grübeln - ja - vielleicht sogar zum Träumen.
Mit einem sanften Klaps auf die Flanke des Löwen bedeutet sie diesem das sie aufbrechen will. Barayasho erhebt sich sogleich, reibt zaghaft seinen wuchtigen Kopf an ihrem Bein und trottet ihr dann schließlich ergeben hinterher. Wie sooft die letzten Tage schlägt sie auch heute den Weg in die Wälder von Elwynn ein um von dort aus dann Richtung Westfall und schliesslich Duskwood weiter zu ziehen, denn dort befindet sich einer ihrer Lieblingsplätze. Ihr Zufluchtsort.

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Nur wenige Stunden später steigt sie am ehemaligen Bettlerschlupfwinkel in der Nähe des Dorfes in Duskwood von ihrem Reitwidder Zottel. Ein Erbstück ihres ehemaligen Lehrers der sich ihrer nach ihrer Ankunft in Ironforge angenommen hatte. Es war nicht einfach gewesen, den Zwergen davon zu überzeugen das er eine Elfe in der Kunst des Jagens ausbilden sollte. Doch mit hartnäckigkeit und Fleiss hatte sie es schließlich geschafft ihn vom Gegenteil zu überzeugen.
Wehmütig betrachtet sie das bereits in die Jahre gekommene, graue Tier. Er war sein ganzer Stolz gewesen. Ein kräftiger, schneller Widder mit ungewöhnlich riesigen Hörnern. Schnell war Zottel mittlerweile schon nicht mehr, aber an Anmut und Stolz mangelte es dem Tier dennoch nicht.
Oft machten sich andere Kaldorei über sie lustig, das sie ein Zwergenreittier zur Fortbewegung nutzte. Doch ihr war das gleich. Es war für sie selbstverständlich gewesen, Zottel nach Rumboldt's Tod zu übernehmen, sich um ihn zu kümmern und ihn in Ehren zu halten, so wie ihr Lehrer es sich sicher auch gewünscht hätte.
Beim Gedanken an ihren Rummy krampft sich ihr Herz schmerzhaft zusammen. Sie beisst sich auf die Unterlippe und wendet sich ab. Wendet sich dem kleinen See zu, der Gedenkstätte die hier erbaut wurde für irgendeinen - wohl bedeutungsvollen - Menschen.
Langsamen Schrittes geht sie auf das Ufer des Sees zu, lässt sich schließlich zu Boden sinken, den Kopf in die Hände gestützt und weint stille Tränen. Weint um Rumboldt, den einzigen Freund den sie nach ihrer Ankunft in den östlichen Königreichen gehabt hatte. Erinnerungen ziehen an ihrem Inneren Auge vorbei. Erinnerungen an den Zwergen der ihr soviel beigebracht, sie sovieles gelehrt hatte. Sie sieht ihn nun vor sich, fast so als könne sie die Hand ausstrecken und ihn berühren. Sie sieht sein rundes, gutmütiges Gesicht welches umrahmt wird von roten Haaren. Sieht den zotteligen, langen roten Bart welcher sein Kinn schmückt, den runden, zwergentypischen Bierbauch. Die rauhen großen Hände sie so geschickt mit Schusswaffen umgehen konnten, die ihr sooft tröstend die Schulter geklopft hatten.
Nie wieder würde er das tun können. Sie würde nie wieder mit ihm lachen, mit ihm jagen gehen können. Würde nie wieder gemeinsam mit ihm Würfelspiele in einer stickigen Taverne spielen und sich auch nicht mehr mit ihm streiten. Nie wieder würde sie seine rauhe, einem Donnergrollen gleichkommende Stimme hören in der oft auch soviel Sanftmut mitgeschwungen hatte.
Sein Tod hatte in ihr eine merkwürdige Leere hinterlassen und es war seitdem kein Tag vergangen, an dem sie nicht an ihn dachte und im stillen um ihn weinte. Mit ihm war ein Teil von ihr gegangen. Er war ihre Familie gewesen. Er war ihr in all den Jahren mehr ein Vater denn ein Lehrer und Freund gewesen. Einer der zwei wichtigsten Personen in ihrem Leben.
Sie hatte viele vermeintliche Freunde kommen und gehen sehen. Doch nur zwei derer hatten sie geprägt, hatten einen festen Platz in ihrem Herzen welches nun förmlich vor Schmerz schrie, denn alle beide hatte sie verloren.

Zusammengekauert dasitzend entführen ihre Gedanken sie zurück in die Vergangenheit, in eine Zeit die ihr vorkommt, als wäre es bereits eine Ewigkeit her...eine Zeit, in der sie das Lachen noch nicht verlent hatte...

--

Es war für sie nicht einfach gewesen, in der Zwergenstadt Fuß zu fassen. Zum einen verstand sie die Sprache der Zwerge nicht und auch ihre Gemeinsprache ließ noch schwer zu wünschen übrig und zum anderen betrachteten die kleinen Vertreter des Volkes der Zwerge sie mit einer beträchtlichen Portion argwohn.
Die erste Zeit in den östlichen Königreichen brachte sie also damit zu, sich mit diversen kleineren Aufträgen ein wenig Sold zu verdienen - denn dazu schien sie den bäuchigen Zwergen gerade noch gut genug. Oft erledigte sie Botengänge oder jagte für einen in die Jahre gekommen Lederverarbeitungskünstler einige Tiere dessen Balg sie ihm zum verarbeiten mitbrachte.Neben all diesen Aufträgen gab sie sich stets die allergrößte Mühe, so schnell wie möglich auch sprachliche Fortschritte zu verzeichnen. Und doch ließen die Zwerge von ihren Vorurteilen der Kaldorei gegenüber zunächst nicht ab.
Lediglich einer von ihnen sah in ihr etwas anderes als den Laufburschen für unliebsame Arbeiten.
Er hatte schnell ihr Talent in der Jagd erkannt, die Geschmeidig - und Lautlosigkeit ihrer Bewegungen und vor allem aber auch den Eifer mit welchem sie versuchte sich den Respekt seiner Brüder zu verschaffen.Zudem fand er hatte sie für eine Elfe eine erfrischende Andersartigkeit an sich. Sie war zum einen nicht so hochgewachsen wie andere ihres Volkes und auch bei weitem nicht so elegant, zum anderen sprach sie oft in einem sehr barschen, hart klingenden Tonfall und drückte sich auch keinesfalls sonderlich gepflegt aus. Oft brachte sie ihn im heimlichen mit ihrer Art zu sprechen zum lachen - die anderen Zwerge jedoch verhöhnten sie dafür.
Dennoch entschied er sich letzendlich dafür, sich ihrer anzunehmen. Nicht zuletzt, weil sie schnell gemerkt hatte, das er sie aus anderen Augen betrachtete als die anderen und ihn deswegen unentwegt nervte, sie unter seine Fittische zu nehmen.
Sie machte sich gut, lernte schnell und war ihm des öfteren auch bei seinen Arbeiten eine große Hilfe. Mit wachsender Begeisterung stellte er fest, das sie, je länger sie in dieser Stadt zubrachte sich auch mehr und mehr die Eigenschaften und Angewohnheiten der Zwerge aneignete. So kam es nicht selten vor, das sie bis spät in die hinein Nacht mit ihm in einer der zahlreichen Tavernen Würfelspiele um Met ausknobelte und dann morgens nicht aus dem Bett kam.

"ANAAAAAAAAAAAA!" grollte Rummys wütende Stimme durch die steinigen, engen Räume seines Hauses.
Stöhnend wälzte sie sich auf die andere Seite ihres Bettes und zog sich die löchrige, graue Decke über den Kopf.
"ANADYIÀ!" donnerte es erneut von unten zu ihr herauf.
Genervt drehte Anadyiá sich auf den Rücken und versuchte sich aus der Decke heraus zu strampeln, beide Hände wütend zu Fäusten geballt neben sich auf die Matratze schlagend.
"Verdammt nochmal Rummy kann man in diesem Haus eigentlich nicht EINMAL ausschlafen?!" rief sie ihm zur Antwort entgegen ehe sie sich dann doch seufzend endgültig aus der Decke schälte und wankend vor dem Bett zum stehen kam.Stöhnend griff sie sich an die Schläfen in denen ein Kater sich hämmernden Schmerzes bemerkbar machte. War wohl doch wieder ein Met zuviel gewesen.Leise grummelnd schlüpfte sie in ihre Lederhose und schnürte sich den ledernen Harnisch um die Brust ehe sie wehleidig dreinschauend die Treppe hinunter in die Wohnstube schlurfte.Rummy saß bereits an dem riesigen Holztisch welcher mit metallenen Tellern und Bechern gedeckt war. Auf dessen Mitte stand ein weiterer Teller mit einem riesigen Stück Käse, daneben lag ein Laib Brot und in dem Becher auf Ana's Platz dampfte die heisse Milch die sie gerne zum Frühstück trank.
Rummys Gesicht drückte verärgerung aus über seine faule Schülerin. Er versuchte stets ihr einzutrichtern, das wenn sie saufen könne sie auch früh aufstehen und ihre Arbeit verrichten müsse. Das jedoch viel ihr nicht immer so leicht wie so manchem Zwerg.
Schweigend setzte sie sich zu ihm und nahm ihren Becher vom Tisch, ihn mit beiden Händen fest umklammernd und die davon ausgehende Wärme genießend.
"Gut geschlafen?" brummte der nun schon etwas sanftmütiger gestimmte Zwerg ihr fragend zu und musterte sie eingehend. Während er das tat schürzte er die schmalen Lippen und zog seine buschige rote Augenbraue in die Höhe.
Ana sah auf und nickte knapp.
"Was hast Du heute vor, Rum?" fragte sie ihn schließlich, nachdem sie einige kleinere Schlucke von ihrer Milch genommen hatte.
"ICH muss heute in der Schmiede die Aufträge für Rhartek erledigen. Und DU, meine Liebe..." er hielt inne und sah seine Schülerin mahnend an ehe er weitersprach:
"...Du wirst dich heute bei Blarsale melden und dir dort deine nächste Lektion in der Lederverarbeitung abholen. Ich hab sie gestern getroffen, Ana. Sie hat gesagt du wärst seit mehr als 2 Wochen nimmer da gewesen!?"
Ana schoß die Röte in die Wangen. Erwischt, dachte sie sich während sie krampfhaft versuchte sich eine Ausrede für ihr Fehlen in Blarsale's Unterricht zu überlegen. Immerhin konnte sie Rummy ja schlecht erzählen, das sie sich mit einem Krieger angefreundet hatte mit welchem sie nun beinahe täglich um die Häuser zog.
Unter Rummys strengen Blicken wollte ihr jedoch zu allem übel keine gescheite Ausrede einfallen und so senkte sie bloß den Kopf und wich seinem Blick somit aus. Sie wußte, wieviel Wert Rummy darauf legte, das sie ein Handwerk erlernte, mit welchem sie sich einmal ihr täglich Brot verdienen könne.Man konnte Zwergen ja vieles nachsagen, aber definitiv nicht, das sie faul waren.
Mit gesenkt haltendem Kopf ließ sie dann schließlich eine Standpauke über sich ergehen, die sich gewaschen hatte. Es fielen sogar ein paar böse Wörter, doch das war sie von Rummy ja gewohnt und sie wusste auch, das er nicht alles so meinte, wie er sagte.
Als sie nach dem frühstück dann beide das Haus verließen wandte er sich ihr noch einmal zu.
"Bring mir keine Schande, Mädchen. Sowas spricht sich schnell rum und faule Weiber werden unter den Zwergen noch weniger geduldet als Spitzohren, haste' verstanden?!"
Ana nickte und registrierte mit einem Lächeln das versöhnliche Zwinkern in seinen Augen. Dann machte sie sich auf den Weg zu Blarsales kleiner Lederei.

Blarsales Unterricht war wie immer schrecklich langweilig. Immer wieder schweiften Ana's Gedanken ab und die üppige Zwergendame musste sie mehr als einmal ermahnen, gefälligst aufzupassen.
"Hör ma', Fräulein... ich mach dat hier nicht aus Spaß an der Dollerei." schalt sie Ana als diese erneut gedankenverloren aus dem Fenster starrte und Blarsales Fragen einfach überhörte.Die Zwergin hatte sich mit einem wütenden Gesichtsausdruck vor Ana aufgebaut, die Hände in die speckigen Hüften gestemmt. Als sie sich zu ihr vorbeugte wippte ihre ebenso wie der Rest üppige Oberweite leicht auf und ab. Ana wich instinktiv zurück und sah Blarsales aus ihren silbernen Augen unschuldig an. Diese zog eine Braue hoch und rümpfte die Nase.
"Sach'ma...wo biste eigentlich schon wieder mit deinen Gedanken, hä?" wollte sie von Ana wissen und betrachtete das schlanke Gesicht vor sich voller argwohn.
"Entschuldige Blarsale. Ich verspreche das ich jetzt aufmerksamer sein werde." versprach Ana, damit ihre Lehrerin nicht weiter nachbohrte.
Immerhin ging es Blarsale einen feuchten Dreck an, das Ana unentwegt daran dachte das es wohl viel lustiger wäre mit ihrem neuen Freund dem Krieger umher zu streifen und Hordler zu ärgern oder dergleichen.
Sie hatte ihn bei einem Überfall auf ein Hordenlager kennengelernt welches in der Nähe Astranaars aufgeschlagen worden war. Er hatte ihr mehr oder weniger den Hintern gerettet als ein Ork sich von hinten an die im Gebüsch verborgene Jägerin herangeschlichen hatte, das Messer bereits zum Angriff gehoben.
Ana jedoch beharrte stets darauf, das sie dem Angriff des Orks auch aus eigenen Stücken hätte ausweichen können wenn dieses Thema zur Sprache kam. Ihre Sinne waren immerhin scharf und sie selber war schnell und beweglich.
Dazu jedoch hatte es überhaupt nicht mehr kommen können, denn mit der Eleganz eines übergewichtigen Elekks hatte sich schließlich Fatoh - so hieß der Krieger - auf den angreifenden Ork gestürzt und ihn mit sich zu Boden gerissen.
Da Ana die ewigen Diskussionen mit Fatoh satt hatte - ihm immer erklären zu müssen, das sie den Ork auch alleine besiegt hätte - ließ sie ihm schliesslich den Glauben daran, ihr Lebensretter zu sein. Seine stolzgeschwellte Brust wenn er damit angab fand sie ohnehin ziemlich niedlich und so gab sie es auf, ihm zu widersprechen.
Seufzend riss sie sich schließlich aus ihren Gedanken los und schaute auf die einzelnen Lederteile welche ausgebreitet vor ihr auf dem Tisch lagen. Daraus sollte sie einen Harnisch nähen. Ana legte die Stirn in tiefe Falten. Handwerklich war sie gänzlich ungeschickt und trotz Blarsales geduldigen Erläuterungen, wie sie diese Teile zusammennähen sollte hatte Ana nicht mehr die geringste Ahnung davon, welches der Lederteile nun wohin sollte.Also versuchte sie es einfach 'frei nach Schnauze' ...

....Ein wütender Schrei hallte durch die dunkle Gasse in der sich Blarsales Lederei befand, gefolgt von einem ohrenbetäubenden gepolter und einer eiligst die Treppe hinunterstolpernden Kaldorei.
"Du bist`n Taugenichts Anadyiá Fathrahs! Jaaaaawohl, TAUGENICHTS!" schrie Blarsale wütend die ebenfalls auf die Treppe hinausgetreten war, in der Hand ein merkwürdiges Etwas aus Leder haltend. Das sollte wohl der Harnisch sein, den Ana hatte nähen sollen. Als Harnisch war dieses Ding jedoch nicht zu erkennen. Da, wo eigentlich einmal der Kopf des Trägers herausschauen sollte, war ein Ärmel angebracht - noch dazu krumm und schief und der Rest des merkwürdigen Kleidungsstückes war durch das falsche zusammennähen so verzogen, das man es nicht mehr hätte retten und anderweitig verwerten können.
"Ich erwarte das du mir bis morgen zwei neue Bälge bringst, ansonsten war es das mit deinem Unterricht bei mir, haste' kapiert?!"
Mit diesen Worten drehte Blarsale sich auf dem Absatz um und verschwand wieder in den dunklen Räumen des Hauses.
Seufzend betrachtete Ana ihre von den dicken Nadeln zerstochenen Finger. Langsam fragte sie sich, ob sie überhaupt jemals ein Handwerk finden würde, welches ihr lag. Vor einiger Zeit war sie sogar schon aus Rhartek's Schmiede geflogen, und das wo Rhartek sonst so ein geduldiger und Verständnisvoller Lehrer war. Doch Ana's Ungeschick hatte er nicht lange ertragen.
Immerhin hatte sie nun Zeit sich mit Fatoh zu treffen und so schob sie die trüben Gedanken beiseite und machte sich auf die Suche nach ihren Freund.

Es dauerte nicht lange bis sie ihren Freund gefunden hatte. Er trieb sich, wie er es eigentlich meistens tat wenn er nicht kämpfte, in einem der zahlreichen Waffenläden im Händlerviertel der Stadt herum und betrachtete die auf hochglanz polierten Klingen die auf der Theke auslagen. Sündhaft teure Klingen und Äxte, Wurfmesser und Dolche und alles was das Kämpferherz sonst noch begehrte. Doch keiner der beiden war auch nur annähernd in der Lage, sich eine solche Kostbarkeit zu leisten.
Ana grinste als sie den breiten Rücken des Nachtelfen erkannte. Sie schlich sich an ihn ran, sprang ihm schließlich an den Rücken, die Beine um seine Taille schlingend und hielt ihm mit beiden Händen die Augen zu. Fatoh taumelte einige Schritte zurück und griff nach ihren Händen um sich diese von seinen Augen zu zerren, doch Ana ließ nicht von ihm ab.
"Geld oder Leben!" rief sie und knuffte ihn unablässlich mit ihren Füßen in die Seiten als wäre er ein Pferd welches sie antreiben wollte.
Der Händler hinter dem Thresen zwinkerte ihr bloß freundlich zu und beschäftigte sich wieder eifrig mit dem polieren einer besonders schmuckvollen und langen Klinge.Ana kannte den Zwerg. Er hatte bereits ein paar Würfelspiele gegen sie verloren.
"ANA!!" rief Fatoh nun doch ein wenig verärgert und schließlich zeigte sie Gnade und sprang von seinem Rücken.
"Musst du dich eigentlich immer benehmen, wie ein kleines Kind?" raunte er ihr zornig zu, doch auf ihr unschuldiges Achselzucken hin musste er dann doch schmunzeln.
"Hast du denn keinen Schneiderunterricht?" erkundigte Fatoh sich und wandte sich wieder den Waffen zu. Sie schienen ihn scheinbar mehr zu interessieren als die Antwort seiner Freundin.
"Doch...eigentlich...also..." sie kratzte sich am Hinterkopf und überlegte kurz, fuhr dann rasch fort: "..ich hatte heute früher frei!" Grinsend sah sie ihn an. "Also... ich hab den ganzen Tag Zeit! Was wollen wir anstellen?"
Fatoh drehte sich nun doch endlich zu Ana um und schüttelte den Kopf.
"Ich muss gleich los. Wir haben heute ein Treffen der Gemeinschaft." entschuldigend sah er sie an.Das enttäuschte Stirnrunzeln entging ihm dann jedoch auch nicht und so fügte er eilig hinzu: "Wenn du willst, nehm ich dich mit!"
Ana zog nachdenklich die Stirn in Falten, legte den Kopf schief und sah zu ihm auf. Ihre Lippen bildeten eine schmale Linie. Das taten sie immer, wenn sie grübelte.Letzendlich nickte sie dann doch. Besser als allein um die Häuser ziehen und sich zu langweilen war das wohl alle Male.Ausserdem war sie ohnehin schon neugierig auf die Gemeinschaft von der er so oft sprach. "Pfad des Mondes" nannte sich diese und sie bestand wohl zum größten Teil aus Nachtelfen, wenn nicht sogar ausschließlich. Ganz genau wusste sie es nicht mehr.

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Später am Tage fanden sich Fatoh und Ana in Darnassus wieder. Anadyiá hatte beim passieren des Portales welches ein freundlicher Magier ihnen geöffnet hatte ihren Hut verloren und war nun dementsprechend schlecht gelaunt. Fatoh hatte einige Mühen seine wild fluchende Freundin zu beruhigen. Er war vor Scham über ihr auffälliges Verhalten knallrot geworden und auch einige der Schildwachen blickten ihr kopfschüttelnd hinterher. Zu seiner Erleichterung schaffte er es jedoch, sie zu besänftigen ehe sie an dem kleinen Weiher hinter dem Zirkel des Cenarius ankamen und stiess erleichtert die Luft zwischen den Zähnen aus.
"Naja... groß ist sie ja nicht... deine Gemeinschaft!" bemerkte Ana trocken als sie die kleine, um ein Lagerfeuer sitzende Gruppe von Nachtelfen erblickte.
Fatoh stiess ihr zur antwort lediglich den Ellebogen in die Rippen und wandte sich dann seinen Kameraden zu, sich tief verbeugend und einige Worte in seiner Sprache murmelnd.Ana blieb etwas abseits stehen und betrachtete das kleine Ründchen erst einmal prüfend. Am Feuer saßen zwei Frauen und 3 Männer. Alles Kaldorei und alle trugen sie edle Gewänder aus feinen Stoffen. Sie kam sich in ihren abgetragenen Ledersachen schon beinahe ein wenig schäbig vor,doch kam sie nicht mehr dazu sich weiter Gedanken über Äusserlichkeiten zu machen denn eine Bewegung zu ihrer rechten erregte ihre Aufmerksamkeit.
Ein hochgewachsener Nachtelf trat langsam auf die Runde zu. Sein helles, blaues Haar stand ihm wüst zu allen Seiten vom Kopf ab und selbst von ihrer Position abseits der Gruppe konnte sie das lustige Funkeln seiner Augen ausmachen. Sie hielt kurz die Luft an und wünschte sich in diesem Moment, unsichtbar zu sein. Auch dieser Elf war edel gekleidet und alleine seine Bewegungen zeugten von einer hohen Eleganz, auch wenn diese nicht so recht zu seinem Erscheinungsbild passen wollte. Als er in die Runde seiner Brüder und Schwestern lächelte erkannte sie, das ihm ein Eck des Schneidezahns fehlte, was sein Lächeln irgendwie frech wirken liess. Zumindest wirkte es auf sie so.
Die Gespräche in der Runde verstummten und alle Blicke waren auf ihn gerichtet.Sie hörte, wie leise Grußformeln gemurmelt wurden und spitzte die Ohren. Vielleicht fiel ja der Name des Elfen und es interessierte sie brennend, wie er wohl heissen würde.Doch anstatt den Namen des Unbekannten aufzuschnappen hörte sie plötzlich nur, wie Fatoh ihren eigenen Namen rief.
Verwundert sah sie zu ihrem Freund, der sie lächelnd heranwinkte.
"Sch....." fluchte sie und trat langsam auf die Runde zu, ein unsicheres Lächeln umspielte ihre Lippen. Alle Blicke waren auf sie gerichtet. Auch die des Elfen welcher sie so fasziniert hatte.
"Das ist Anadyiá. Ich habe ihr das Leben gerettet!" verkündete Fatoh stolz.
Ana spürte wie ihr Gesicht heiss wurde und ihr die Röte in die Wangen schoß. Auch ihre Ohren wurden knallrot. Schnell senkte sie den Blick und fixierte einen scheinbar sehr interessanten Punkt zu ihren Füßen. Wieder wurden leise Grußformeln gemurmelt, nur Ana schwieg. Sie beschloß, sich besser aus dem Staub zu machen ehe Fatoh noch auf die glorreiche Idee kam, zu erläutern wie er ihr genau das Leben gerettet hatte und so verabschiedete sich knapp, sah jedoch noch einmal kurz zu dem Elfen auf. Mit einem schiefen Grinsen aus den Lippen zwinkerte sie diesem zu. Der Elf zog zur Antwort lediglich verwundert eine Braue in die Höhe, doch das sah Ana schon gar nicht mehr. Sie hatte sich bereits abgewandt und war gegangen....

Zurück in Ironforge hatte die junge Jägerin eine gewaltige Standpauke gehalten bekommen.Blarsale hatte Rummy natürlich sofort von der unaufmerksamen Schülerin berichtet, und dieser war - zu Recht - stinksauer. Zum einen, weil er für den Unterricht bei Blarsale bezahlt hatte und zum anderen weil er einfach nicht verstehen konnte, wie eine Frau in keinem Handwerk auch nur ansatzweise Geschick zeigte. Feststellen zu müssen, das in dieser Richtung bei Ana Hopfen und Malz verloren waren zerstörten einen Teil seines Weltbildes.
Zur Strafe nahm er Ana an diesem Abend nicht mit auf den allabendlichen Tavernenrundgang. Sie sollte im Haus bleiben und Rummys zahlreiche Schiesseisen säubern. Normalerweise hätte sie die Tatsache, nicht mit zu dürfen ärgerlich gestimmt, stand sie doch egal wo sie mit ihrem Lehrer aufkreuzte stets im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit - und diesen Zustand genoß sie in vollen Zügen. Sie mochte es, wenn alle Blicke auf sie gerichtet waren, wenn sie davon berichten konnte wie sie ihren Barayasho gezähmt und sich ganz alleine auf den Weg in die östlichen Königreiche gemacht hatte. Sie war mehr als stolz, das ihr der Respekt vieler der Zwerge nun ebenso galt wie ihn Rummy gebührte und er war immerhin bekannt als einer der besten Jäger in ganz Ironforge. Beliebt als Ausbilder und begnadet als Schütze.
Doch an diesem Abend störte sie es nicht, das sie zurück bleiben und Drecksarbeiten verrichten musste. Immerhin würde sicher bald Fatoh aufkreuzen und ihr Vorwürfe machen, so schnell verschwunden zu sein und das würde ihr eine wunderbare Gelegenheit geben, sich nach dem Namen des Nachtelfen zu erkunden, welcher sie so in seinen Bann gezogen hatte.

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"Xanadu Rosebud" kam die verwunderte Antwort Fatohs auf die Frage seiner Freundin hin während diese ihn zur Tür hinausschob.
"Du musst jetzt gehen! Wenn Rum dich hier erwischt wird eines dieser Dinger deinen Hintern von innen erkunden können!" sagte sie eilig während sie auf einen Gewehrlauf deutete.Mit diesen Worten knallte sie dem verdutzten Fatoh auch schon die schwere Holztür vor der Nase zu.

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"Xanadu Rosebud, nicht wahr?" fragte Ana die hinter dem Elfen vom Weiher aufgetaucht war. Dieser wandte sich zu ihr um, sie verwundert musternd und nickte.
Ana hatte schnell herausfinden können, wo sich der Leiter der Gemeinschaft des Pfades oft aufhielt und hatte sich aus diesem Grunde seit Tagen im Wald von Elwynn auf die Lauer nach ihm gelegt. Manchmal wunderte sie sich doch sehr über sich selbst, war es ja nicht so, dass es ihr an Männerbekanntschaften mangelte. Sie spielte für ihr Leben gern mit dieser Spezies, sie waren so schön einfach gestrickt. Ein fröhlicher Flirt hier, ein Küsschen dort - und schneller als der Mann schauen konnte hatte sie sich auch schon wieder aus seinem Leben zurück gezogen.
Es machte ihr Spaß die Blicke der Männer auf sich ruhen zu wissen - sie forderte es durch ihren offenherzigen Kleidungsstil oft geradezu heraus.
Doch bei Xanadu war das plötzlich irgendwie anders. Niemals wäre sie vorher auf die Idee gekommen einem Mann hinter her zu laufen, nach ihm jedoch suchte sie seit Tagen, suchte seine Nähe. Er wirkte unnahbar auf sie und das hatte ihr Interesse geweckt.
"Anadyiá!" stellte sie sich breit grinsend bei ihm vor und hielt ihm, ganz nach Zwergenmanier die Hand hin zum Gruße.

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In den darauffolgenden Wochen trafen Xanadu und Ana sich immer regelmäßiger. Meistens saßen sie gemeinsam am Kristallsee oder an dem kleinen Weiher in Darnassus und unterhielten sich. In einer Nacht reisten sie sogar gemeinsam nach Mulgore, zum Dunkelmondjahrmarkt.
Jener Ausflug hatte sich tief in die Erinnerungen der Jägerin eingebrannt. Noch nie in ihrem Leben hatte Ana einen Nachthimmel gesehen, der so beeindruckend, so wunderschön gewesen war, wie der in Mulgore. Selbst Jahre danach konnte Ana sich an jedes noch so kleine Detail dieser Nacht erinnern. Es war beinahe so, als könne sie sogar die Gerüche erneut wahrnehmen, die dort damals in der Luft hingen und den Wind spüren welcher ihr beim Ritt durch die Graslandschaft durch`s Haar gestrichen und ihr Gesicht liebkost hatte. Der Himmel über Mulgore war in jener Nacht von einem tiefen blau gewesen. Einem so tiefen blau, das ein ungeschultes Auge es wohl schwarz geschimpft hätte. Der Mond hatte voll und von gewaltiger Größe am Himmel gestanden und alles unter ihm in sein silbernes Licht getaucht. Keine einzige Wolke hatte das verspielte glitzern und blinkern der Sterne unterbrochen und selbst die Tiere die sonst des Nachts hier ihr Unwesen trieben schienen andächtig zum Himmel zu blicken, denn es war nicht das leiseste Geräusch zu vernehmen. Kein Käuzchen schrie, kein Nachtvogel sang sein übliches allabendliches Lied. Alles was man hören konnte war das sanfte rascheln des im Wind tanzendes Grases.

Mit der Zeit hatte sich zwischen ihnen ein zartes Band der Zuneigung geknüpft an welchem sie sich Stück für Stück aufeinander zutasteten. Enthaltsam, vorsichtig und stets darauf bedacht, es nicht zu zerreissen.
Wobei ihre Schritte an diesem Band entlang stets mutiger und kraftvoller waren, als die seinen - war er doch vor nicht all zu langer Zeit von einer Frau bitter enttäuscht worden. Für Ana jedoch waren diese unbekannten Gefühle neu und aufregend und sie war derer unersättlich.
'Zufällige' Berührungen wurden häufiger, die Gespräche vertrauter und die Blicke welche sie einander zuwarfen zärtlicher bis schließlich ihre Lippen zum ersten Mal zu einem sanften Kuß zueinander fanden.
Zu diesem Zeitpunkt hätte wohl noch keiner der beiden geglaubt, das jenes Band mal zu einem festen Strick werden und die beiden fest aneinander binden würde.

Mit Xanadu schien die Zeit wie im Fluge zu vergehen. Wenn die beiden nicht zusammen waren, dachte sie unentwegt an ihn, schrieb ihm Briefe oder malte sich aus, was sie wohl beim nächsten Treffen unternehmen würden. Sie war von ihren Gefühlen wie beflügelt. Sie lernte schneller, mit viel mehr Eifer und selbst die Lektionen bei Blarsale gingen ihr plötzlich viel leichter von der Hand - sehr zur entzückung Rummy's. Der eigentliche Grund für ihre plötzliche Eile und Motivation beim lernen war jedoch nicht, das sie das alles plötzlich mehr interessierte als vorher sondern lediglich das sie, wenn sie zügig vorran kam mehr Zeit hatte um sich mit Xanadu zu treffen.
Die Berührungen zwischen ihnen waren noch immer verhalten und zaghaft, getränkt von einer unendlichen Zärtlichkeit, doch waren sie häufiger geworden.
Oftmals schliefen sie gemeinsam ein und Ana liebte es im Morgengrauen in seinen Armen zu erwachen, in sein verschlafenes Gesicht zu blicken, seine strubbeligen Haare zu streicheln. Sie liebte es, wie er roch, liebte es wie er sich anfühlte, wie seine Stimme klang. Sie liebte seine oft recht dämlichen Witze und am meisten liebte sie es, mit ihm zu streiten. Wenn seine sonst so lustig funkelnden Augen einen zornigen Ausdruck annahmen, das spitzbübische Lächeln von seinen Lippen verschwand - in solchen Momenten hatte sie stets das Bedürfnis ihm um den Hals zu fallen und ihn fest an sich zu drücken - auch wenn sie dieses Bedürfnis meistens durch Bockigkeit und Sturheit überspielte.
Als ihre Körper sich zum ersten Mal miteinander vereinigten, miteinander verschmolzen, hatte sie das Gefühl vor Glück zerreissen zu müssen. Ein Akt der so voller Zärtlichkeit und Hingabe gesteckt hatte das es beinahe hätte weh tun müssen. Zu diesem Zeitpunkt wusste sie bereits, das sie ihn liebte. Dies auszudrücken hätte keiner Worte bedurft, man sah es ihr an. Sah es an den zärtlichen Blicken die sie ihm zuwarf, an den Berührungen die sie ihm zuteil werden ließ - man sah es sogar wenn sie wieder einmal stritten. Xanadu hatte ein wenig länger gebraucht, sich diese Liebe einzugestehen. Die Wunden in seiner Seele waren einfach zu tief gewesen. Doch letzendlich hätte auch er es nicht mehr leugnen können.
Auch Rummy war nicht entgangen das seine Schülerin sich verändert hatte. Zunächst betrachtete er diese Veränderung mit einer beträchtlichen Portion Argwohn, doch merkte er schnell das diese sich eher positiv auf ihr Lernverhalten auswirkte und somit schluckte er all den Groll, den er gegen den Unbekannten der ihr Herz gestohlen hatte, herunter. Doch eines schwor er sich: Würde dieser Mann 'seiner' Ana jemals das Herz brechen, so würde er losziehen, ihn finden und in tausend kleine Stücke hacken, so wie jeder andere Vater es für seine Tochter auch getan hätte. Denn das war es, was er mittlerweile in sich sah; er war der Vater einer Kaldorei welche die Seele eines Zwerges in sich trug.

Die Liebe der beiden hatte vielen Prüfungen stand halten müssen. Sie hatte lange überdauert, hatte die schrecklichsten Schlachten überlebt, die größten Krisen überwunden - jeder einzelne Rückschlag, jedes noch so grausame Schicksal hatte die beiden nur noch enger aneinander geschweißt. Doch nun, nach Jahren, drohte diese auseinander zu brechen. Nicht, weil sie sich nicht mehr liebten, ganz im Gegenteil, die Liebe zwischen ihnen war stärker als jemals zuvor. Sie hatte sich verändert, war zu etwas Vetrautem geworden, etwas, worauf man sich verlassen konnte - etwas, was bestand hatte.
Dennoch schafften sie es nicht mehr, sich an ihrem Band aufeinander zu zu bewegen. Es war, als wäre der andere meilenweit entfernt, selbst wenn er einem gegenüberstand und je mehr sie ihre Hände nach dem anderen ausstreckten um ihn ergreifen zu können, desto größer wurde die Kluft zwischen ihnen.

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Der schrei eines Käuzchens reisst Ana aus ihren Gedanken. Sie hebt das tränennasse Gesicht und stellt fest, das es bereits stockfinster geworden ist. Sie macht anstalten sich zu erheben und auf den Heimweg zu machen ehe sie sich ins Gedächtnis ruft, das sie eigentlich gar kein zu Hause mehr hat. Rummy ist tot und Xanadu verweilt seit Monaten im smaragdgrünen Traum. Eine Gemeinschaft hat sie nicht mehr - die hatte sie vor kurzem ja verlassen denn auch dort hatte sie sich nie wirklich zu Hause gefühlt.
Sie schluckt hart, lässt sich zurück ins Gras sinken und starrt leeren Blickes auf den Boden zu ihren Füßen.
Diese Erkenntnis erneut machen zu müssen schmerzt plötzlich nicht mehr. Es tut nicht mehr weh - denn in diesem Moment starb etwas in ihr und würde wohl nie wieder zum Leben erwachen....
 
Fast ein ganzes Kurz-Roman :). Es bereitet Freude es zu lesen!
 
Geil,nett geschrieben. So gut wie als ob man ein Buch im Handel gekauft hätte :)
 
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