Die Geschichte von Ninva Schattenschreiter 8

Tayury

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m Inneren des Zeltes erwartet Ninva der gleiche, organisch-warme Geruch wie im ersten Lazarett.
Fiebrige Augen richten sich bei ihrem Eintreten mit vagem Interesse auf sie, eine schwache Stimme lässt einen dummen Witz von wegen „Der Tote unter den Halbtoten“ erklingen, dünnes Gelächter ist die Folge und erstirbt so schnell wieder wie es gekommen ist.
Ninva atmet tief aus, hüllt sich eine Aure kühler Unantastbarkeit ehe sie das Zelt vollends betritt.
Viele der Gesichter hier kennt sie gut, der Anblick von so mancher Wunde oder blutigem Stumpf schmerzt ihr in der Seele. Viele versuchen den Schmerz und ihre Schwäche herunter zu spielen, so mancher Krieger hat sich sein grimmiges Antlitz bewahrt und sei es nur deswegen weil ihr Stolz einfach das einzige ist was sie im Moment noch ihr Eigen nennen können.
Ein orkischer Krieger mit gebrochenen Beinen funkelt Ninva aus fiebrigen Augen düster an, ein gewaltiges Schwert, groß wie ein ausgewachsener Mensch, lehnt neben seiner Pritsche, die scharfe Klinge schartig und von getrockneten Blut verschmiert.
Ninva geht weiter, lässt ihren suchenden Blick über die Reihen der Verletzten gleiten, richtet hier und dort ein paar tröstende Worte an ihr näher bekannte Krieger ehe sie endlich fündig wird.
Im hintersten Winkel des Zeltes entdeckt sie Azaet, mit dem Rücken zu ihr auf einem Hocker sitzend, einen Priester, der gerade den rechten Arm des Untoten verbindet, bei sich.
Geschickt bannt Ninva sich ihren Weg durch das überfüllte Zelt, steigt geschmeidig über Verwundete hinweg um ein paar Augenblicke später ihr Ziel zu erreichen.
Der Priester, ein blassblauer Troll mit schneeweißem Haar, entdeckt sie als erstes, betrachtet sie einen Moment lang mit einem leicht unschlüssigen Blick um ihr dann knapp zuzunicken. Dies veranlasst Azaet sich zu ihr umzudrehen…und Ninvas Gesichtsausdruck wird von einem Moment zum anderen zu Stein.

Azaets Blick ist derselbe wie immer. Eine einzigartige Mischung aus Distanziertheit, Kühle und vagem Interesse alles und jedem gegenüber, ein Blick den er sein eigen nennt seit Ninva ihm das erste Mal begegnet ist.
Ein kleines Stückchen Normalität in dieser turbulenten Zeit…und doch kann es nichts daran ändern…dieses kleine Stück Gewohnheit…es kann nicht verbergen, nicht darüber hinweg täuschen, dass das ihr so bekannte Gesicht, in das sie nun blickt, nur noch zur Hälfte vorhanden ist.
Knapp unterhalb der Nase endet Azaets Gesicht, eine Ruine aus gräulichem Fleisch erstreckt sich stattdessen bis zu seinem Hals hinab. Ein leises Pfeifen erklingt in regelmäßigen Abständen…Azaets Atem der aus seinem geöffneten Hals strömt…jedes Geräusch ist wie ein Dolchstoß in Ninvas Selbst.
Noch während Ninva mit dem ihr dargebotenen Anblick kämpft, fährt der Priester ruhig damit fort ein bissförmiges, faustgroßes Loch in Azaets rechtem Unterarm zu verbinden.
Starren Blickes sieht Ninva Azaet ins verbliebene Antlitz, sucht in den glimmenden Augen ihres Gegenübers nach Zorn oder Anschuldigung, nach Hass oder Entsetzen ihr gegenüber. Ihre Suche bleibt jedoch erfolglos…nichts von alledem findet sie im Blick ihres Freundes.
Schwer ausatmend wendet Ninva sich von ihm ab, starrt auf den erdigen, festgestampften Boden zu ihren Füßen.
Das Rascheln von wieder angelegter Kleidung dringt dabei an ihre Ohren und als die Untote den Kopf wieder hebt, ist dessen Gesicht hinter seiner blutrot-schwarzen Kapuzenmaske verschwunden.
Eine behandschuhte Hand legt sich auf ihren Arm, Azaet zieht sie sanft aber doch bestimmt aus dem Zelt, Ninva folgt ihm widerstandslos.

Etwas später findet sie sich, zusammen mit Azaet, auf den Resten eines Verteidigungswalls sitzend wieder. Ein erhöhter, einsamer Platz von dem aus sie das, was im Moment das orkische Lager darstellt, vollends überblicken kann.
Die Stille die sie dort beide umgibt ist erdrückend wenn auch von beiden gewollt. Beiden scheinen nachzudenken während sie auf das graue Bild vor sich starren.
„Der Sieg war teuer...“, sagt Ninva schließlich nach endloser Zeit des Schweigens langsam.
Azaet nickt als Antwort.
„Er war zu teuer…“
Nicken.
„Haben wir ihn verdient…?“
Schulterzucken.
Ninva lächelt bitter doch ihr Gesicht wird schnell wieder ernst.
„Azaet…“, fährt sie langsam fort. „Hast du schon mal aus Wut getötet…?“
Nicken
„Ist es gerecht aus Zorn zu töten?“
Kopfschütteln.
Ninva lächelt wieder.
„Ja, ich wei߅“
Sie atmet tief aus.
„Azaet…“, ihre Stimme schwankt, wird dünn und leise, „…verachtest du mich für das was im Wald war…?“
Kopfschütteln.
„Hättest du mich aufgehalten wenn es dir möglich gewesen wäre…?“
Nicken.
„Ich hätte dich vielleicht angegriffen…“
Schulterzucken.
Ninva schweigt einen Augenblick lang, dann löst sich ein leises, tonloses Lachen aus ihrer Kehle.
„Du bist verrückt, Azaet.“
Schulterzucken.
Ninva lacht wieder leise, stößt dabei mit der Stiefelspitze gegen einen gesplitterten Holzpfosten.
Etwas klickt bei der Bewegung in ihrer Tasche, ein Schauer schießt durch ihren Körper hindurch. Fröstelnd zieht sie ihr lederndes Wams enger um sich, es ist so kalt, wieso sieht sie ihren Atem nicht…

„Azaet…“, murmelt sie leise. „Erinnerst du dich…erinnerst du dich noch an dein Leben vor den Verlassenen…?“
„Azaet schüttelt, nach einer kurzen Pause, den Kopf.
„An gar nichts…?“
Kopfschütteln.
„Hast du dir trotzdem jemals gewünscht von Neuem zu beginnen…?“
Eine lange Pause folgt, dann nickt Azaet langsam.
„Und würdest du die Gelegenheit dazu ergreifen wenn sie vor dir läge…?“
Azaet blinzelt, dreht den Kopf zu Ninva, sieht sie lange und durchdringend an. Dann schüttelt er erneut den Kopf.
„Warum?“, fragt Ninva sichtlich verwirrt.
Azaet sieht auf den Boden, hebt dann einen Zweig auf mit dem er etwas in die Asche zu seinen Füßen zu kritzeln beginnt.
Ninva neigt sich nach vor um lesen zu können was Azaet geschrieben hat. Die Schrift ihres Freundes ist unverkennbar, geschwungen und zugleich krakelig, überall würde sie diese Schrift wieder erkennen.

Weil es Vergangenheit ist.

-steht dort nun in die Asche geschrieben.
Ninva sieht sich diese Worte sehr lange an, scheint darauf zu warten, dass sie sich verändern wenn sie sie nur lange genug anstarrt. Erst als Azaet ihr eine Hand auf die Schulter legt, schreckt sie aus ihren Gedanken hoch, der Flakon in ihrer Tasche klickt erneut bei der Bewegung, scheint an Gewicht zugenommen zu haben.
Sich wieder fassend atmet sie seufzend aus.
„Du meinst also…du willst nicht in der Vergangenheit leben.“
Nicken.
„Vermutlich hast du damit Recht…“

Ninva steht auf, richtet ihr Gewand.
„Ich werde noch etwas ruhen…“, murmelt sie leise. „Ich fühle mich immer noch erschöpft…“
Azaet nickt zustimmend, Ninva bei seinem Anblick ein Lächeln auf ihre Lippen.
„Danke, Azaet.“
Ein fragender Blick trifft sie als Antwort.
„Für alles.“, antwortet sie, den Schurken zu sich ziehend und ihm einen flüchtigen Kuss auf die Stirn hauchend.
Ohne eine Reaktion abzuwarten wendet Ninva sich hierauf ab, Azaet sieht ihr nach als sie zurückgeht.
Nach einer Weile setzt er sich wieder, sieht auf die von ihm geschriebenen Worte in der Asche. Den Kopf schief legend nimmt er noch mal den Zweig zur Hand um damit das Wort Vergangenheit einzukreisen.
 
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