Die Koch'sche Bildung

Khanor

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Als es letztes Jahr an die Neuwahlen in Hessen ging hat wohl jeder Student, der nicht von Haus aus "schwarz" geprägt ist kräftig gebangt. Was ist, wenn Herr Koch wieder das Ruder übernimmt? Schließlich ist er kein Freund von "freier Bildung", also quasi einer Bildung, die für jeden zugänglich ist. Er hatte zwar bei der Wahl versprochen, dass die Studiengebühren nicht wiederkehren werden, allerdings hatte er dieses Versprechen in keinen zeitlichen Rahmen gebettet. Niemand wusste, ob sie nicht vielleicht doch eines Tages von ihm wieder angestrebt werden.

Nun ist das schon einige Tage her und die Studiengebühr ist immernoch nicht zurück. So weit, so gut. Vor zwei Wochen, am Montag, erhielt ich eine Mail über den Verteiler der Hochschule, in dem angekündigt wurde, dass am darauf folgenden Dienstag wieder einmal von der Studentenseite gestreikt wird, da der hessische Haushalt in Sachen Hochschulen und Universitäten um 79 Millionen Euro gekürzt werden soll.

Wenn Studenten streiken ist festgelegt, dass die Professoren keinen prüfungsrelevanten Stoff behandeln. Dennoch: einfach so wegbleiben? Ich bin ein sehr schlechter Autodidakt und daher um jedes Stückchen Beispiel dankbar. Und daran halten tut sich nicht jeder Prof.

Während nun also einige Studenten um 13:30 Uhr ihren Protestmarsch am Hauptbahnhof Darmstadt starteten saß ich also in einer Geotechnikvorlesung und wir behandelten das Thema Pfahlgründungen.

Wie die Beteiligung allgemein war kann ich nicht beurteilen (ich war ja nicht da) aber gebracht hat das ganze wohl nicht sonderlich viel. Heute teilte mir ein Kommilitone mit, dass die Kürzungen durchgesetzt worden seien. Und zwar nicht irgendwelche Kürzungen, sondern fallen die "QV-Mittel" für die Hochschule weg. Die QV-Mittel (Mittel zur Qualitätsverbesserung) sind unter anderem für Anschaffungen abgestellt, die das Lernen angenehmer oder anschaulicher machen. Z.B. kleinere Dinge für die Labore, die Unterstützung für die Fachschaft und das Fachschaftscafé (obwohl da das meiste schon in Eigenregie abläuft) und unter anderem auch die Bezahlung der studentischen Hilfskräfte.

Ich verstehe ganz bestimmt, dass durch den Wegfall der Studienbeiträge große Löcher im Haushalt aufgetreten sind, die niemand zu stopfen weiß. Aber trotzdem muss man sich fragen, ob es nicht sinnvollere Ecken gegeben hätte, um die Sparungen durchzusetzen. Fragt mich nicht wo man da anfangen soll, ich hab schließlich keine Ahnung von politischem Tagesgeschehen und letzten Endes spart man gern bei den anderen und schaut nie, wo man sich selbst Einsparungen abringen kann.

Aber vielleicht ist genau das der Hintergedanke der Politiker. Getreu dem Motto "ich hab meine Bildung schon und mich interessiert künftig nur noch das Thema Rente und Autofahren ohne Nachprüfung". Und ich, wo ich noch jung bin sage auch ganz selbstverständlich, dass ich mit keiner sonderlich großen Rente mehr zu rechnen habe und das Thema noch mindestens 35 Jahre entfernt liegt, also liegt mir das Thema Bildung natürlich mehr am Herzen.

Wo ist der Mittelweg? Und warum fällt es so schwer einen für alle akzeptablen Kompromis zu schließen? Warum gehen nur noch 50 % der Deutschen wählen und warum kommt immer das dabei heraus, was am Ende doch nicht klappt?

Die Antwort liegt auf der Hand und ist irgendwie erschreckend: Es interessiert niemanden mehr, was die Politik so zu sagen hat oder zu erarbeiten vorgibt, alles ist untransparent geworden und der Bürger meint sein Mitspracherecht verloren zu haben. Denn was kann er schon machen, außer alle 4 Jahr mitanzusehen, wie sich Politiker im Fernsehen gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben aber dennoch alle Pateien mit den gleichen Wahlsprüchen werben, die sie gerade vom Puls der Bevölkerung abgegriffen haben. Erschwert wird das ganze dadurch, dass die Politik immer nur in vier-Jahres-Zyklen denkt. Aber was sollen die Herrschaften auch anderes machen? Langfristig wird in diesem Land nichts angepackt werden können, weil niemand bereit ist den Gürtel für 10 oder mehr Jahre enger zu schnallen. Der Mensch lebt nur im heute und sieht, dass er heute keine Neuanschaffungen mehr tätigen kann - darum will er heute mehr Geld bzw. weniger Abgaben - und so wählt er dann auch.

Der Sozialstaat funktioniert einfach nicht so. Irgendwo muss angefangen werden und wenn ich wüsste, dass es sich dadurch bessert würde ich die Kürzungen auch hinnehmen können. Selbst wenn das heißt, dass die Toiletten in unserer Hochschule noch lange Jahre defekt und verstopft bleiben, oder die Fenster niemals ausgetauscht werden und man im Winter eigentlich nur heizt, damit die Scheiben nicht zufrieren, oder die gesamte Hochschule in dreckigen Teppichen, kaputten Stühlen und einer viel zu unausgewogenen Technik versinkt.

Aber was kann ein Staat denn schon mit 79 Millionen anfangen? Nach dem letzten Winter würde dieser Betrag ja gerademal ausreichen, um einen kleinen Teil von Darmstadts Straßen wieder herzurichten - aber Stadtstraßen sind ja nicht Ländersache. 79 Millionen... Klingt für mich nach 2 km neuem Fahrbahnbelag auf der Autobahn. Oder nach drei Treffen der hessischen Obrigkeit mit Hotelunterbringung, Chauffeurservice, Kaffee und Kuchen satt und dem Pay-TV-Kanal im Hotel. Oder nach ein paar neuen Dienstwagen.

In den USA könnte das alles nicht passieren. Da würde der Patriotismus wahrscheinlich alle Zweifel im Keim ersticken und man würde einfach weiterhin glauben, dass es schon den für das Volk bestmöglichen Sinn ergibt.

"Saddam tried to kill my Dad!" - Oh shit, lasst uns Krieg machen.



Tja, worauf ich hinaus will hab ich schon lang vergessen. Ich glaube einfach, dass die Art und Weise der Einsparung etwas schlecht ist. Es hieß wohl, dass die Hochschulen einstimmig akzeptiert hätten. Sie standen nämlich vor der Wahl die QV-Mittel gestrichen zu bekommen oder aber sie noch ein bis zwei Jahre zu behalten und dann massive und intensive Kürzungen hinnehmen zu müssen. Wie die dann ausgesehen hätten frag ich mich sowieso, denn auch heute schon ist unser Professorensalon ein wenig unterbesetzt und es gibt nicht in jedem Modul genug Sitzplätze für die Besuchswilligen (was eigentlich laut hessischer Hochschulverordnung gar nicht sein darf).

Ich persönlich bin ja noch immer Verfechter der Theorie, dass die Sparmaßnahmen, die Onkel Schröder damals vorgeschlagen und eingeführt hat, funktioniert hätten, wenn man dem Ganzen nur mal etwas Zeit gegeben hätte und mit ein wenig Patriotismus in die Zukunft geblickt hätte. Was nach Schröder geschah ist Geschichte, es wurde weitestgehend alles zurück genommen um den Wähler an sich zu binden, nur um dann an anderer Stelle Hähne zuzudrehen. Salopp gesagt standen wir mit dem linken Bein in einem Kuhfladen und haben uns entschlossen dort wegzuhüpfen. Und zwar mit dem Rechten direkt in einen Hundehaufen. Für mich beschreibt das eigentlich die Situation "deutsche Wahlen" am besten: ich habe die Wahl zwischen zwei verschiedenen Duftnoten, aber beide sind Scheiße.

Was wähle ich dann also? Sofern ich nicht von Natur aus einer Patei Treue bis in den Tod geschworen habe suche ich mir doch dann wieder das aus, was im Moment am plausibelsten klingt. Und das wiederum widerspricht dem Patriotismus, den ich mir eigentlich für dieses Land wünschen würde.

Wir sehen also: die Welt dreht sich im Kreis, ganz besonders meine eigene. Ein Weg hinaus ist für mich nicht in Sicht und ich kann - so ungern ich das auch öffentlich zugebe - nur hoffen, dass ich meinen Kindern genug bieten kann, dass sie gleich eine Chance auf ein Leben deutlich oberhalb der Armutsgrenze haben und darauf eines Tages eine gut ausgepolsterte Hinterlassenschaft von mir zu bekommen, damit sie nicht auf das sozialfinanzielle Netzwerk des Vaterlandes angewiesen sind - damit geht es spiralförmig abwärts. Und wie das bei Spiralen nunmal so ist: je weiter man sich der Mitte nähert um so größer werden die Geschwindigkeiten und Fliehkräfte - und dabei geht eine Menge über Bord.

Ich wär für einen Ich-Staat. Ein Staat in dem ich auch mal mitbekomme, was alles aktuell ist. Ein Staat in dem auch mal die Masse nicht nur im TV mit fünf Stimmen (eine Pro, eine Contra, drei Ahnungslos) repräsentiert wird sondern es wirklich mehr als alle vier Jahre auf die Meinung des Bürgers ankommt. Und wenn wir schonmal dabei sind wünsche ich mir einen Staat, in dem jeder erst einmal vor seiner eigenen Haustür kehrt, anstatt einfach nur darbüber hinwegzusteigen um dem Nachbarn zu sagen, dass seine Fenster dreckig sind.
 
Der hat wohl gestern abend meinen Blog gelesen, oder warum hat er heute morgen geschmissen? ^^
 
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