Die Sterne über Dalaran - Zweiter Abschnitt, Teil 8 (2.8)

Melian

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Wo Daireans Drachenfalke in punkto Eleganz den Flügelschlägen der Greifen definitiv überlegen waren, hatten sie einen bedeutenden Vorteil, als es darum ging, die erforderlichen Höhen zu erklimmen, die sie heute anpeilten. Sie mussten den Gebirgszug überqueren. Phönix war zwar kräftig, aber bald schon hatten die anderen ihn abgehängt. Die kräftigen Flügelschläge der Wildhammergreifen waren sich die immer kälter werdende Luft in den Höhen besser gewöhnt und ihr Körper konnte die Wärme, die sie im Flug und mit ihren Muskeln produzierten, besser speichern. Ylarias Greif schien sich hierbei besonders hervorzutun, und übernahm bald die Spitze.
Dairean schmunzelte, als sein Blick auf Ylarias Greif und den Rücken der schönen Quel'dorei fiel. In der kurzen Pause, die sie vor dem Aufstieg noch eingelegt hatten, hatte ihr Blick auf ihm geruht. Dairean hatte es gespürt, ohne sich grossartig danach umsehen zu müssen. Er hatte sich bemühen müssen, sein Schmunzeln für sich zu behalten und neutral zu blicken. Langsam ging sein Plan auf. Bald hatte er sie da, wo er sie haben wollte.

Dairean gab Imenia ein zuvor definiertes Zeichen. Er hatte gewusst, Phönix würde etwas länger brauchen, um die Höhe zu gewinnen, und hatte Imenia davon berichtet. Sie wussten, wo der Weg hinführen würde, und gemeinsam hatten sie beschlossen, am Fusse der Gebirgskette eine Pause einzulegen, und auf ihn zu warten, ehe sie alle gemeinsam in die Feste Wintergarde weiterflogen.
Als die anderen fast ausser Sichtweite waren, legte Dairean Phönix die Hand auf den langen, gebogenen Hals. Drachenfalken existierten nur im Reiche der Sin'dorei. In ihnen wohnte – genau wie in den Blutelfen selber – ein Teil Magie, der sie am Leben hielt und sie nährte. Genau wusste Dairean natürlich nicht darüber Bescheid, doch reichte sein Wissen aus, um den Drachenfalken mit Magie aus der Umgebung zu füllen, im Stärke zu verleihen und schliesslich einen Schutz um sie zu legen, der dem Tier half. Erneut verfluchte er sich, dass er nicht mehr Zeit gehabt hatte, sich auf diese Mission vorzubereiten. Dann hätte er mit Hathorel üben können, diese Magie besser abzustimmen, so dass es nicht auffiel. Schliesslich war er ja 'nur' ein Späher.

Als die Sonne am höchsten stand, überquerte auch Phönix den Pass und begann mit einem Sinkflug. Dairean fühlte eine gewisse Übelkeit in seinem Bauch aufsteigen, als das Tier etwas zu schnell und zu übereifrig versuchte, wieder in 'wärmere' Luftschichten zu kommen. Der Wind oben auf dem Pass war tatsächlich so kalt und unerbittlich gewesen, wie Dairean sich dies ausgemalt hatte. Immerhin waren sie von Schnee verschont geblieben.
Bald schon erkannte er in einer gewissen Distanz vor sich auf dem Boden die anderen, die auf ihn warteten. Als sie ihn sahen, wurden die Greifen in seine Richtung gedreht, obwohl sie auf dem Boden sassen. Dairean erkannte Ylaria und schmunzelte.

Die Trainingsstunde am Abend zuvor war interessant gewesen. Er beherrschte das Spiel der Verführung offensichtlich noch, und er musste sich selber eingestehen, dass es an ihm auch nicht spurlos vorüberging. Sie war eine wahrliche Schönheit, und entgegen einiger anderer hatte sie tatsächlich auch etwas im Kopf. Vermutlich hatte er sie deswegen ausgesucht, ihm zu Nutzen zu sein. Noch wusste er nicht, ob sie das überhaupt sein würde, aber selbst wenn.. Spass machte es ihm auf jeden Fall, etwas zu spielen, um sie herumzuschleichen wie ein Luchs, und sie zu verführen. Er würde dies hoffentlich am heutigen Abend weiterführen können. Bald würde er sie da haben, wo er sie haben wollte.

Phönix war nun nicht mehr weit über der Gruppe, es würde wohl noch zwei oder drei Minuten dauern bis er neben ihnen landen konnte. Noch während seine Gedanken auf Ylaria gerichtet waren, und er überlegte, wie er weiter vorgehen würde, kam ihm eine Idee. Er grinste. Warum war er bloss nicht vorher darauf gekommen?

„Phönix. Sturzflug“, sagte er zu seinem Tier, und setzte dann nach. „Feind.“ Diese Worte lösten eine Kettenreaktion in dem stolzen Drachenfalken aus. Es war ein Manöver, das sie schon oft geübt hatten. Heute würde er es verwenden, um Theater zu spielen. Dairean schlang die Zügel enger um die Finger und übte mehr Druck auf die Steigbügel aus.

Phönix stellte sich in der Luft plötzlich auf, hob beide Flügel gegen den Wind, so dass es für jeden Beobachter so aussehen musste, als würde er von einer starken Windböe erfasst. Dann liess er sich seitlich schräg nach hinten fallen, und trudelte ungehindert gen Boden, korrigierte die Lage nur ab und zu geschickt mit einem verzweifelt wirkenden Flügelschlag.

Wie Stein – so musste es aussehen – sanken die beiden zu Boden, und verschwanden für die Reisegruppe im Schnee hinter einem Hügel. Phönix war im letzten Moment für ihn und für sich geeignet gelandet, nur um sogleich sich in den Schnee zu legen, und „verletzter Drachenfalke“ zu spielen, während Dairean im letzten Moment abgesprungen war und nun im Schnee lag.

Als sich Ylaria nur wenige Momente später mit schreckgeweiteten Augen über ihn beugte, ihn versuchte zu wecken, und der Priesterin kaum Platz liess, ihn zu untersuchen, musste er innerlich grinsen.
Er rappelte sich nur nach wenigen Momenten auf, täuschte einen Schwindel vor, und murmelte: „Alles in Ordnung, nichts verletzt.“ Während er sich pflichtbewusst um den vermeintlich abgestürzten Drachenfalken kümmerte, sah er aus einem Augenwinkel, wie sich Ylaria über die Augen wischte, nachdem sie sich von ihm abgewandt hatte.
Oh ja. Er hatte sie da, wo er sie haben wollte.

Dairean grinste. Weibliches Mitleid war so berechenbar.
 
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