Khanor
Dungeon-Boss
- Mitglied seit
- 09.01.2008
- Beiträge
- 672
- Reaktionspunkte
- 0
- Kommentare
- 1.795
- Buffs erhalten
- 162
Ich mag Industriegebiete.
Gut, diese Aussage verfälscht die Wahrheit wohl etwas stark, grenzen wir das etwas ein:
Ich mag alte Industriegebiete wie sie oft in Bahnhofsnähe zu finden sind. Während es überall um das Moderne und Ästhetische geht sind es diese kleinen Hochburgen der vergangenen Tage, denen ich ein kleinwenig Romantik abgewinnen kann.
Ich kann es nicht genau erklären, ich schätze einfach dieser herunter gekommene Anblick und das rostbraune Aussehen der Hallen und Betriebe lässt mich ein wenig die Zeit genießen, die ich selbst habe.
Zugegeben, es mag eine seltsame Formulierung sein.
Viele der Hallen stehen leer und verfallen langsam vor sich hin, bieten Obdachlosen manchmal Schutz und Jugendlichen einen Ort sich ihrem letzten verbliebenen Bisschen kundlicher Abenteuerlust hinzugeben. Heutige Bauwerke tragen oft den Wellblech in die Lande oder werden auf andere sehr kostengünstige Weise hochgezogen und zumindest für mich geht der Charme verloren, den ein aus Brennziegeln gemauerte Halle auf mich ausübt.
Mag sein, dass es nur mir so geht.
Wenn ich so zurück denke, was vor einigen Jahren war kann ich noch immer Schmunzeln, wie begeistert ich mit einem Kumpel durch ein Abrisshaus bei uns im Dorf gekrakselt bin. Walkman mit einer kleinen Box dabei hallten meine ersten Erfahrngen mit den Ärzten durch die Bruchbude.
Die Treppe ins zweite Obergeschoss war derart von Gerümpel und zerstörten Einrichtungsgegenständen versperrt, dass uns ein Besuch dort oben verwehrt blieb, das die erste Etage, das Erdgeschoss und der Keller allerdings verbreiteten Entdeckerlaune genug.
Die Zeitungen, die wir im Keller fanden waren teilweise bis 1967 datiert, was mich damals schon faszinierte. Heute frage ich mich eher, wie es in unserem kleinen Dörfchen, wo eigentlich jedes Stück Baugrund gern und teuer ge- und verkauft wird ein ganzes Grundstück in relativ zentraler Lage so ungenutzt verkommt.
Und warum nicht einfach irgendjemand mal diese Bude abreißt.
Eigentlich kein Platz für Kinder um sich auszutoben, eben genau da liegt wohl der Reiz. Eingangstüren mit Brettern vernagelt, Fenster zerstört und ebenfalls provisorisch teilweise wieder verschlossen, welchen Jugendlichen stört da schon das Schild an der Eingangstür "Betreten verboten, Einsturzgefahr"?
Das ist doch eher wie eine Einladung.
Durch die Hecke an der Bank, ganz flink nachdem man sich umgeschaut hat, dass auch wirklich niemand da ist. Durch den Garten, der überfüllt mit Matrazen und zerstörten Möbeln ist, um den etwa 1,5 Meter durchmessenden Brunnen herum, die kurze Kellertreppe hinunter und gleich die Treppe hinauf in das, was schließlich unsere "Küche" werden sollte.
Nun gut, Küche lediglich insofern, weil es der einzige Raum war, den schon andere Generationen von Indiana Jones' vor uns freigeschaufelt hatten und wir uns dort mit einem alten Campingkocher unsere Ravioli und die Bohnen heiß machten. Den Rest des Hauses konnte man kaum betreten, allerdings hin und wieder ein kleiner Streifzug durch den Jahrzente alten Schrott, ob nicht vielleicht doch eine Kleinigkeit zu verwerten sei.
Die heimlichen Blicke durch die Fenster der Frontseite hin und wieder und das schnelle verstecken, wenn zufällig doch jemand vorbei kam.
Was mit den Besitzern geschehen sein mag fragten wir uns öfter, allerdings waren wir langsam aus dem Alter heraus, dass wir uns immer auf Mordtheorien beriefen.
Unsere Besuche dort nahmen ein jähes Ende, als besagter Kumpel irgendwann einmal auf die Idee käme, dass wir ein bisschen rumzündeln könnten. Schließlich sind die Brunnenwände so hoch, dass nichts weiter passieren könnte. Ärgerlich nur, dass die Matraze, die er anzündete nicht ganz bis auf den Boden fiel, sondern sich nach gut zwei Metern verkantete und der teilweise modernde Stoff einige mächtige Qualmwolken in die Luft zauberte, dass uns nichts anders übrig blieb als die Flucht zu ergreifen, das Rufen der Feuerwehr hatte wohl bereits ein Nachbar übernommen.
Kinder.
Mit selbigem Kumpel war es auch einfach praktisch die etwas weitere Gegend zu erkunden, da er einen Führerschein für 80ccm hatte und ein entsprechendes Gefährt dazu machten wir auch damit irgendwann einige Entdeckungen ähnlicher Natur, allerdings ohne Kokeleien.
Diese Bekanntschaft verlief allerdings irgendwann im Sande, seine Aufenthalte und seine THC-Konsumfreudigkeit bei der Antifa in Wennigsen waren für mich eher uninteressant und entnervend, da es dort, in diesen Räumlichkeiten, zwar genauso wie in den anderen Häusern ausgesehen hat in denen wir uns herumgetrieben hatten, dieser Zustand allerdings absichtilich in kürzester Zeit mit neuen relativ neuen Möbeln herbeigeführt wurde.
Früher, also als ich noch ein ganz kleiner Schurke war, haben wir auf unsere nachmittäglichen Verabredungen zum Spielen hin und wieder unsere sogenannten "Mutproben" gemacht. Gar nichts weltbewegendes, aber für einen 6- oder 8-Jährigen wahnsinnig aufregend.
Es begann meist an der gleichen Stelle, vor dem Wasserrad des Heimatmuseums. Fahrräder abstellen und bestimmen wer vorran läuft. Der Rest folgt.
Auf der Außenseite der Treppe, die zum Ententeich führt entlang, zwischen den HEcken, dann durch diesen oder jenen Garten, dort durch die Büsche, hier ein wenig klettern, dort ein wenig springen. Wir fühlten uns wie Helden.
In dem Dorf, nein, die Definition wäre maßlos übertrieben: an dem Fleck mit drei Häusern im Sauerland, an dem meine Mutter aufgewachsen ist und ich bis zu meinem 15. Lebensjahr annähernd jede Ferien verbracht habe hat ein (glaube ich) Großonkel einen Betrieb. Ich habe keine Ahnung, was dort hergestellt wird, ich weiß es beim besten Willen nicht, allerdings die dazugehörige Werkhalle spornte uns auch zu so mancher Entdeckungstour an, meine Brüder und mich.
Woher auch immer diese vier oder fünf verschiedenen Tonnen mit Metallspänen und Drehresten ihren Inhalt bekamen, mit derlei Schrott konnten wir auch immer etwas anfangen.
Einige Jahre später war auch diese Lagerhalle ein Ort in der eines unserer selbstausgedachten Abenteuer spielte. Wir hatten mit meinem Cousin die "KRT" gegründet, die Kinderrettungstruppe. Auch hier, Aufnahmeprüfungen für weitere Mitglieder (die wir niemals hatten, darum wurden derlei Geschichtchen immer an meinem kleinen Bruder ausprobiert).
Besonderes Highlight: Somer und das Schlafen im Zelt. Ein Freifahrtschein mehr oder weniger uns auch im Stockfinsteren durch Büsche und Gärten zu schlagen.
Was war'n wir Jung.
7:28 Uhr, wir fahren durch die Tunnel der Kasseler Berge. Meine Gedanken schweifen zum "Druidentor", dem ersten Roman, den ich von Hohlbein gelesen habe. Während ich gerade darüber nachdenke, dass ich noch nie bewusst durch einen Eisenbahntunnel gefahren bin und mir dementsprechend die spärliche Sicherheitsbeleuchtung an den Wänden auffällt überlege ich wie das Buch überhaupt ausgegangen ist und was mit den Menschen in dem ICE geschehen ist.
Ob ich das aber wirklich wissen will, während ich ebenfalls in einer Bahn sitze weiß ich noch nicht genau.
7:34 Uhr, wir fahren aus einem weiteren Tunnel und ich genieße ein wenig den Blick auf den Fluss unter der Eisenbahnbrücke. Mein Blick schweift aus dem Fenster der anderen Seite und ich sehe eine weitere Bahnbrücke, schmal und alt, rostig und mit der allgemein Bahn-üblichen ausgeblichenen grünen Farbe führt sie wie as dem nichts aus dem Berg und wird schräg in unseren Tunnel miteinmünden.
Wieder ein wenig Eisenbahnromantik, die Bahn ist allerdings Stimmungskiller und weiß, wie sie die eigens erzeugte Stimmung zerstören kann.
"Meine Damen und Herren, wir informieren Sie, dass wir leider Aufgrund eines verspäteten ICE selbst eine Verspätung von 7 Minuten aufgenommen haben. Wir erreichen in Kürze Kassel-Wilhelmshöhe und werden Sie über Ihre weiteren Reisemöglichkeiten informieren.
Wir bitten um Entschuldigung für Ihre Unannehmlichkeiten."
Perfekt.
Im hessischen Friedberg habe ich 9 Minuten zum Umsteigen, bei 7 Minuten Verspätung wird das eng.
Ich kenne den Bahnhof nicht und habe Gepäck.
Und die Bahnangestellten waren bisher noch immer nicht in der Lage mir mitzuteilen auf welchem Gleis dieser Zug überhaupt abfahren wird.
7:42 Uhr, die Akkuleistung wird mit 42 % und 41 Minuten angegeben, ich bin gespannt ob das noch ausreicht um den Laptop noch einmal hochzufahren.
Wahrscheinlich nicht.
I'm coming home.
Edit:
7:49 Uhr. Der Kerl hinter mir, gerade zugestiegen, entzündet sich eine Zigarette, erinnert sich an das Rauchverbot und löscht sie unter leisem Fluchen aus bevor der Wagen in Rauch aufgeht und ein Lynchmob Nichtraucher einen Raid auf seine Kehle startet.
Statt dessen verschwindet er nach kurzem Überlegen auf einer der Bordtoiletten.
Wie damals, in der 8. Klasse...
7:51 Uhr. Die Nase von dem Herren drei Reihen links hinter mir piepst und pfeift. Es nervt.
7:53 Uhr. Ich habe hunger.
7:54 Uhr. Ich habe hunger und es verlangt mir nach einem Kaffee.
7:55 Uhr. Jemand flitzt durch den Zug und erfragt höflich die eventuellen Wünsche der Reisenden aus dem Sortiment des Bordrestaurants.
Ich lehne ab.
Ich habe zwar hunger und hätte gern einen Kaffee, habe aber meinen Lottogewinn noch nicht abgeholt und bin nicht flüssig.
8:01 Uhr. Die Nase pfeift unaufhörlich, vielleicht bitte ich ihn das Atmen einzustellen.
8:10 Uhr. Die Kontrolleurin fragt nach den Fahrscheinen der neu zugestiegenen Fahrgäste, besteht allerdings das 4. Mal auf die Sichtung meines Scheinchens.
Jeder braucht ein Hobby.
8:12 Uhr. Mir fallen die Augen zu.
8:14 Uhr. Ich reiche dem Herrn drei Reihen links hinter mir eine Packung Taschentücher, nachdem ich ihm die Nase aus dem Gesicht gerissen habe.
Gut, diese Aussage verfälscht die Wahrheit wohl etwas stark, grenzen wir das etwas ein:
Ich mag alte Industriegebiete wie sie oft in Bahnhofsnähe zu finden sind. Während es überall um das Moderne und Ästhetische geht sind es diese kleinen Hochburgen der vergangenen Tage, denen ich ein kleinwenig Romantik abgewinnen kann.
Ich kann es nicht genau erklären, ich schätze einfach dieser herunter gekommene Anblick und das rostbraune Aussehen der Hallen und Betriebe lässt mich ein wenig die Zeit genießen, die ich selbst habe.
Zugegeben, es mag eine seltsame Formulierung sein.
Viele der Hallen stehen leer und verfallen langsam vor sich hin, bieten Obdachlosen manchmal Schutz und Jugendlichen einen Ort sich ihrem letzten verbliebenen Bisschen kundlicher Abenteuerlust hinzugeben. Heutige Bauwerke tragen oft den Wellblech in die Lande oder werden auf andere sehr kostengünstige Weise hochgezogen und zumindest für mich geht der Charme verloren, den ein aus Brennziegeln gemauerte Halle auf mich ausübt.
Mag sein, dass es nur mir so geht.
Wenn ich so zurück denke, was vor einigen Jahren war kann ich noch immer Schmunzeln, wie begeistert ich mit einem Kumpel durch ein Abrisshaus bei uns im Dorf gekrakselt bin. Walkman mit einer kleinen Box dabei hallten meine ersten Erfahrngen mit den Ärzten durch die Bruchbude.
Die Treppe ins zweite Obergeschoss war derart von Gerümpel und zerstörten Einrichtungsgegenständen versperrt, dass uns ein Besuch dort oben verwehrt blieb, das die erste Etage, das Erdgeschoss und der Keller allerdings verbreiteten Entdeckerlaune genug.
Die Zeitungen, die wir im Keller fanden waren teilweise bis 1967 datiert, was mich damals schon faszinierte. Heute frage ich mich eher, wie es in unserem kleinen Dörfchen, wo eigentlich jedes Stück Baugrund gern und teuer ge- und verkauft wird ein ganzes Grundstück in relativ zentraler Lage so ungenutzt verkommt.
Und warum nicht einfach irgendjemand mal diese Bude abreißt.
Eigentlich kein Platz für Kinder um sich auszutoben, eben genau da liegt wohl der Reiz. Eingangstüren mit Brettern vernagelt, Fenster zerstört und ebenfalls provisorisch teilweise wieder verschlossen, welchen Jugendlichen stört da schon das Schild an der Eingangstür "Betreten verboten, Einsturzgefahr"?
Das ist doch eher wie eine Einladung.
Durch die Hecke an der Bank, ganz flink nachdem man sich umgeschaut hat, dass auch wirklich niemand da ist. Durch den Garten, der überfüllt mit Matrazen und zerstörten Möbeln ist, um den etwa 1,5 Meter durchmessenden Brunnen herum, die kurze Kellertreppe hinunter und gleich die Treppe hinauf in das, was schließlich unsere "Küche" werden sollte.
Nun gut, Küche lediglich insofern, weil es der einzige Raum war, den schon andere Generationen von Indiana Jones' vor uns freigeschaufelt hatten und wir uns dort mit einem alten Campingkocher unsere Ravioli und die Bohnen heiß machten. Den Rest des Hauses konnte man kaum betreten, allerdings hin und wieder ein kleiner Streifzug durch den Jahrzente alten Schrott, ob nicht vielleicht doch eine Kleinigkeit zu verwerten sei.
Die heimlichen Blicke durch die Fenster der Frontseite hin und wieder und das schnelle verstecken, wenn zufällig doch jemand vorbei kam.
Was mit den Besitzern geschehen sein mag fragten wir uns öfter, allerdings waren wir langsam aus dem Alter heraus, dass wir uns immer auf Mordtheorien beriefen.
Unsere Besuche dort nahmen ein jähes Ende, als besagter Kumpel irgendwann einmal auf die Idee käme, dass wir ein bisschen rumzündeln könnten. Schließlich sind die Brunnenwände so hoch, dass nichts weiter passieren könnte. Ärgerlich nur, dass die Matraze, die er anzündete nicht ganz bis auf den Boden fiel, sondern sich nach gut zwei Metern verkantete und der teilweise modernde Stoff einige mächtige Qualmwolken in die Luft zauberte, dass uns nichts anders übrig blieb als die Flucht zu ergreifen, das Rufen der Feuerwehr hatte wohl bereits ein Nachbar übernommen.
Kinder.
Mit selbigem Kumpel war es auch einfach praktisch die etwas weitere Gegend zu erkunden, da er einen Führerschein für 80ccm hatte und ein entsprechendes Gefährt dazu machten wir auch damit irgendwann einige Entdeckungen ähnlicher Natur, allerdings ohne Kokeleien.
Diese Bekanntschaft verlief allerdings irgendwann im Sande, seine Aufenthalte und seine THC-Konsumfreudigkeit bei der Antifa in Wennigsen waren für mich eher uninteressant und entnervend, da es dort, in diesen Räumlichkeiten, zwar genauso wie in den anderen Häusern ausgesehen hat in denen wir uns herumgetrieben hatten, dieser Zustand allerdings absichtilich in kürzester Zeit mit neuen relativ neuen Möbeln herbeigeführt wurde.
Früher, also als ich noch ein ganz kleiner Schurke war, haben wir auf unsere nachmittäglichen Verabredungen zum Spielen hin und wieder unsere sogenannten "Mutproben" gemacht. Gar nichts weltbewegendes, aber für einen 6- oder 8-Jährigen wahnsinnig aufregend.
Es begann meist an der gleichen Stelle, vor dem Wasserrad des Heimatmuseums. Fahrräder abstellen und bestimmen wer vorran läuft. Der Rest folgt.
Auf der Außenseite der Treppe, die zum Ententeich führt entlang, zwischen den HEcken, dann durch diesen oder jenen Garten, dort durch die Büsche, hier ein wenig klettern, dort ein wenig springen. Wir fühlten uns wie Helden.
In dem Dorf, nein, die Definition wäre maßlos übertrieben: an dem Fleck mit drei Häusern im Sauerland, an dem meine Mutter aufgewachsen ist und ich bis zu meinem 15. Lebensjahr annähernd jede Ferien verbracht habe hat ein (glaube ich) Großonkel einen Betrieb. Ich habe keine Ahnung, was dort hergestellt wird, ich weiß es beim besten Willen nicht, allerdings die dazugehörige Werkhalle spornte uns auch zu so mancher Entdeckungstour an, meine Brüder und mich.
Woher auch immer diese vier oder fünf verschiedenen Tonnen mit Metallspänen und Drehresten ihren Inhalt bekamen, mit derlei Schrott konnten wir auch immer etwas anfangen.
Einige Jahre später war auch diese Lagerhalle ein Ort in der eines unserer selbstausgedachten Abenteuer spielte. Wir hatten mit meinem Cousin die "KRT" gegründet, die Kinderrettungstruppe. Auch hier, Aufnahmeprüfungen für weitere Mitglieder (die wir niemals hatten, darum wurden derlei Geschichtchen immer an meinem kleinen Bruder ausprobiert).
Besonderes Highlight: Somer und das Schlafen im Zelt. Ein Freifahrtschein mehr oder weniger uns auch im Stockfinsteren durch Büsche und Gärten zu schlagen.
Was war'n wir Jung.
7:28 Uhr, wir fahren durch die Tunnel der Kasseler Berge. Meine Gedanken schweifen zum "Druidentor", dem ersten Roman, den ich von Hohlbein gelesen habe. Während ich gerade darüber nachdenke, dass ich noch nie bewusst durch einen Eisenbahntunnel gefahren bin und mir dementsprechend die spärliche Sicherheitsbeleuchtung an den Wänden auffällt überlege ich wie das Buch überhaupt ausgegangen ist und was mit den Menschen in dem ICE geschehen ist.
Ob ich das aber wirklich wissen will, während ich ebenfalls in einer Bahn sitze weiß ich noch nicht genau.
7:34 Uhr, wir fahren aus einem weiteren Tunnel und ich genieße ein wenig den Blick auf den Fluss unter der Eisenbahnbrücke. Mein Blick schweift aus dem Fenster der anderen Seite und ich sehe eine weitere Bahnbrücke, schmal und alt, rostig und mit der allgemein Bahn-üblichen ausgeblichenen grünen Farbe führt sie wie as dem nichts aus dem Berg und wird schräg in unseren Tunnel miteinmünden.
Wieder ein wenig Eisenbahnromantik, die Bahn ist allerdings Stimmungskiller und weiß, wie sie die eigens erzeugte Stimmung zerstören kann.
"Meine Damen und Herren, wir informieren Sie, dass wir leider Aufgrund eines verspäteten ICE selbst eine Verspätung von 7 Minuten aufgenommen haben. Wir erreichen in Kürze Kassel-Wilhelmshöhe und werden Sie über Ihre weiteren Reisemöglichkeiten informieren.
Wir bitten um Entschuldigung für Ihre Unannehmlichkeiten."
Perfekt.
Im hessischen Friedberg habe ich 9 Minuten zum Umsteigen, bei 7 Minuten Verspätung wird das eng.
Ich kenne den Bahnhof nicht und habe Gepäck.
Und die Bahnangestellten waren bisher noch immer nicht in der Lage mir mitzuteilen auf welchem Gleis dieser Zug überhaupt abfahren wird.
7:42 Uhr, die Akkuleistung wird mit 42 % und 41 Minuten angegeben, ich bin gespannt ob das noch ausreicht um den Laptop noch einmal hochzufahren.
Wahrscheinlich nicht.
I'm coming home.
Edit:
7:49 Uhr. Der Kerl hinter mir, gerade zugestiegen, entzündet sich eine Zigarette, erinnert sich an das Rauchverbot und löscht sie unter leisem Fluchen aus bevor der Wagen in Rauch aufgeht und ein Lynchmob Nichtraucher einen Raid auf seine Kehle startet.
Statt dessen verschwindet er nach kurzem Überlegen auf einer der Bordtoiletten.
Wie damals, in der 8. Klasse...
7:51 Uhr. Die Nase von dem Herren drei Reihen links hinter mir piepst und pfeift. Es nervt.
7:53 Uhr. Ich habe hunger.
7:54 Uhr. Ich habe hunger und es verlangt mir nach einem Kaffee.
7:55 Uhr. Jemand flitzt durch den Zug und erfragt höflich die eventuellen Wünsche der Reisenden aus dem Sortiment des Bordrestaurants.
Ich lehne ab.
Ich habe zwar hunger und hätte gern einen Kaffee, habe aber meinen Lottogewinn noch nicht abgeholt und bin nicht flüssig.
8:01 Uhr. Die Nase pfeift unaufhörlich, vielleicht bitte ich ihn das Atmen einzustellen.
8:10 Uhr. Die Kontrolleurin fragt nach den Fahrscheinen der neu zugestiegenen Fahrgäste, besteht allerdings das 4. Mal auf die Sichtung meines Scheinchens.
Jeder braucht ein Hobby.
8:12 Uhr. Mir fallen die Augen zu.
8:14 Uhr. Ich reiche dem Herrn drei Reihen links hinter mir eine Packung Taschentücher, nachdem ich ihm die Nase aus dem Gesicht gerissen habe.