Es war einmal...

Khanor

Dungeon-Boss
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"Ich habs", sagte der Stift, "lass mich einfach Worte wählen, die jeder versteht und die es ganz einfach machen."

Er schwang seinen Unterleib freudig grinsend und mit der Überzeugung, dass seine Idee überall auf der Welt Anklang finden würde. Was er nicht bedacht hatte war, dass das Papier seitdem es Chlorfrei gebleicht wurde sich stets für etwas besseres hielt.

"Hör mal, lieber Stift, du glaubst wirklich, dass ich das zulassen kann?" fragte es entgeistert. "Versteh doch, ich habe ein so tolles Format, dass man ihm einen eigenen Namen geben sollte. Dieses Format sollten alle gängigen Papiere haben, Traummaße für das Auge. Nach mir sollte sich alles richten, das weißt du genau. Und du willst einfache Worte auf mich kritzeln? Mein schönes weiß mit buchstäblicher Langeweile beschmutzen? Das kann ich nicht zulassen!"

"Och bitte, liebes Papier, du weißt doch genau, dass das nur zu Missstimmung führen wird. Man wird dich verfluchen, zusammenknüllen und vielleicht sogar zerreißen", sagte der Stift.

"Das wird man auch so, also will ich vorher wenigstens Würdevoll beschrieben werden. Was soll denn das dort auf meinem Kopf sein? Wieso schreibst du so lange und dumme Erklärungen auf mich? Der Mensch muss wissen, was gemeint ist, also gibt es keinen Grund irgendetwas zu erklären. Nimm den wertvollen Platz auf meinem Bauch lieber für gehobenere Sprache, benutze viele schwierige Worte. Schließlich haben die Menschen eine so komplizierte Grammatik entwickelt, sie werden sie also auch anzuwenden und verstehen wissen."

Der Stift schaute traurig aus dem Gehäuse, doch wusste er, dass die Arbeit niemals erledigt werden könnte, wenn er sich nicht dem Ego des Papieres beugte, so schwang er sich in unverständlicher Weise über das Gewand des Papieres, verbesserte sich hier, verkomplizierte den Satz dort und ließ sich vom Duden noch ganz viele unbekannte Worte zuflüstern, bis das Papier zufrieden mit ihm war.

So ging es tagein tagaus, bis irgendwann in einem kleinen Büro jemand gefallen daran fand und sich diese Formalien durchsetzten und ein jeder Stift, eine jede Druckerpatrone und so manch anderes Schreibgerät auf diese Weise die Papiere beschrieben, welche sich allesamt an ihrem großen Vorbild, dem DIN A4 orientierten.

Und so, liebe Kinder, entstanden die Anträge und Formulare, wie ihr sie heute in jedem Amt und jeder Behörde vorfinden könnt.

Klingt zwar komisch, ist aber so.



Und so kommt es auch, dass nun ein 25-jähriger Herr in der Nähe von Hannover an seinem Schreibtisch sitzt und über einem großen Stapel Papier brütet, obwohl er doch eigentlich nur einen Dreizeiler an die Wohnungsgesellschaft geschickt hatte um in der nächsten Woche einen Besichtigungstermin zu erhalten.

Denn ihr müsst wissen, dass diese Gesellschaft gerne einen Wohnberechtigungsschein von dem jungen Mann haben möchte, welcher nicht jedem zusteht und so sitzt er da, rauft sich das Haar und hat nicht übel Lust, das Papier, welches sich so wunderschön und eitel für ihn vorbereitet hat, in kleine, ganz winzige Stücke zu reißen.

Doch er wird sich wundern, denn auf diesen Antrag werden weitere folgen, sich mehr und mehr Bäume aufmachen und sich in Papier verarbeiten lassen um in jeden Haushalt getragen zu werden und einen jeden Schrank und Ordner und Mappen zu füllen.

Denn Papiere sind nicht gern allein.





Anmerkung des Verfassers:
ICH RASTE GLEICH AUS!!!
 
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