Expedition ins Tal der Ahnungslosen

The Dude

Dungeon-Boss
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Ich nehme mir ja immer vor, mich über die zahlreichen unqualifizierten Flames und Aussagen an den öffentlichen (vor allem den quasi anonym nutzbaren) Tummelplätzen unserer Subkultur nicht aufzuregen - gut, eigentlich nehme ich mir sogar vor den Schund gar nicht erst zu lesen - aber ich kriege sowohl das Eine als auch das Andere nicht hin.
Und wenn ich mich dann wieder dazu hinreißen lasse mir das X-te "OMFG meine Klasse wurde bis zur Unspielbarkeit generft", "Klasse XY kann nicht heilen/ tanken/ DD machen und zwar (oftmals über Edit Funktion angeglichen) spätestens ab Kara/Gruul/Shrine/[Instanz n+1]" oder "Nihilum/der Poster über mir/Herr Kaiser von der Hamburg Mannheimer ist arbeitslos, hat kein RL und vergeht sich nebenher an minderjährigen Nougathörnchen" durchzulesen, kann ich mich immerhin soweit zurückhalten, daß ich den entsprechenden Poster nicht noch in seinem Bestreben Aufmerksamkeit zu erregen unterstütze, indem ich solche Aussagen kommentiere.

Letztlich habe ich nun aber doch das Bedürfnis dieser speziellen Ausprägung des Deutschen liebster Freizeitbeschäftigung im Fokus unser aller bevorzugten Zeitvertreibs teils analytisch und (grolß)teils zynisch auf den Grund zu gehen - und wer weiterliest muss da mit durch.
Im übrigen bin ich der meinung dass, obwohl oft und gerne zitiert, die wenigsten wirklich "auf hohem Nieveau jammern" - was bedeutet das eigentlich? Nach dem Wortsinn ein "Jammern auf gehobener Stufe" oder in anderer Lesart "Ein Jammern mit Niveau"... die meisten der notorischen Nörgler in unserer Community kriegen weder das eine, noch das andere Zustande.
Genaugenommen liegt in meinen Augen die Ursache dieser mit der Konstanz der Gezeiten vorgetragenen Arien der frustrierenden Galligkeit im mangel an Niveau bzw. dem fehlenden Hintergrundwissen und der mangelnden Bereitschaft dieses zu Erlangen.

Willkommen im Tal der Ahnungslosen, wo keiner etwas weiß, dafür aber alles besser als sein Nachbar (das Tal der Ahnungslosen liegt übrigens gerüchteweise in unmittelbarer geographischer Nachbarschaft zum seichten Rand des Genpools).

Mein liebstes Anschauungsmaterial zur Theorie dass die Spaßverderber, die unverbesserlichen "Jammerer um des Jammerns Willen" diejenigen sind, die absolut nicht wissen (wollen?) wovon sie eigentlich reden sind die offiziellen Klassenforen bei Blizzard vor und nach Änderungen an Klassensetups durch Patch.
Bei den Paladinen zum Beispiel machte sich Pre 2.1 die Nerfageddon Stimmung breit. Holy Palas heulten wegen dem Illu-Nerf, Tankadine interessanterweise auch und die lieben Vergelter beteiligten sich (vermutlich aus Solidarität oder guter Gelegenheit) mit allgemeinem Geheule weil sie ja eh niemand lieb hat.
Wenn man das (vor allem ohne volle Kenntnisnahme der Patchnotes) so gelesen hat, mußte man zwangsläufig davon ausgehen, dass mit 40% Recover von Illumination auch gleichzeitig der Manabalken der Klasse Paladin komplett weggekürzt und das Benutzen von Pots und Wasser komplett gestrichen wird.
Dann kam der Patch, offensichtlich haben doch nicht alle Ihren Account gekündigt/ Selbstmord begangen/ sich entschieden einen Nachtelfen Hunter hochzuspielen und das ganze ausprobiert und... Schweigen in den weiten des Forums (Gut, eventuell gabs dann doch den klassenweiten Seppuku... aber ich denke da hätten die Nachrichten und ein gewisser Herr Beckstein aus Bayern doch bestimmt vernehmlich Laut gegeben). Schweigen bis auf einige einsame Rufer in der Weite, die immernoch vom tödlichen Nerf predigen, während einige andere Stimmen mitteilen, dass die Klasse im Großen und Ganzen im Praxiseinsatz noch sehr gut spielbar ist und nun offensichtlich auch einige positive Aspekte des Patches bemerkt.

Analoges konnte ich übrigens auch im Druidenforum beobachten...

Eine ehrenvolle Erwähnung sollte hier auch derjenige Warrior in einem Fanseitenforum finden, welcher beständig darauf beharrte, dass Paladine nicht tanken können, zumindest ab Kharazan nicht mehr. Als ihm schließlich mehrere andere User mitteilten, dies bereits erfolgreich getan zu haben, schraubte sich der von ihm gesetzte Cap bis Hydross in Dampfkammer/ heroisch hoch - ich habe keine Ahnung, wo er inzwischen angekommen ist.
Immerhin war er offensichtlich Nihilum Fan, weil er sich recht angestrengt auf deren Standard Aufstellungen (mit krieger Maintank) berief.

Da haben wir nicht nur ein schönes Beispiel für die unsachgemäße (oder besser unvollständige) Nutzung von Halbwissen, sondern auch eine hübsche Überleitung auf das nächste Reizthema: Elite Gilden und das generelle "Ihr habt doch alle kein RL eineins11" Gespamme.

Zunächst will ich ein bißchen weiter ausholen... versucht man Sachverhalte mit dem Ziel, eine objektive und disskussionsnützliche Argumentation aufzubauen zu betrachten, bietet es sich an, die betriebswirtschaftliche Komponente des Controllings zu bemühen. Controller tun im Kern nichts anderes, als Systeme zu überwachen und haben damit eigentlich den gleichen Job wie jemand, der im Leitungssystem eines komplexen Schienenverkehrsnetzes die Fahrpläne erstellt. Sie versuchen ein komplexes System (ein Unternehmen) in seine verschiedenen Komponenten und Abhängigkeiten zu zerlegen (ein holistisches Bild des Systems zu erlangen), bewerten und sammeln die Ergebnisse der jeweiligen Weichenpositionen (anhand von Kennzahlen) und erarbeiten so die optimalen Weichenstellungen für einen gewünschten Output.

Wendet man dieses Vorgehen nun auf die beliebte "Aber EliteGilde XY sagt..." Argumentation an, kann man nun entweder ganz platt die eigenen Eltern mit "...wenn Paul von einer Klippe springt, springst Du dann auch?" zitieren oder erst einmal analysieren in welchem Kontext die Aufstellungen der Elitegilden zu sehen sind.
Als wichtiger Punkt sei hier exemplarisch aufgeführt, dass deren strukturen "gewachsen" sind. Diese Leute sind nicht erst seit gestern damit erfolgreich und haben die beste Spielpraxis mit einem DefKrieger MT Setup. Das Beispiel Nihilum ist hier besonders plakativ, da es sich bei den Jungs um eine Hordegilde handelt... nach kurzem Nachdenken wird klar, dass dort gar keine "gewachsenen Strukturen" mit Protpalas existieren können.
Ganz wichtig: es geht hier gar nicht darum, ob Paladine tatsächlich irgendwann nicht mehr in der Lage sind Highend Content zu tanken, oder ob eine der drei Tankklassen "am besten tankt" - es geht darum die eigenen Argumente zu hinterfragen, somit möglichst wenig "an den Haaren herbei zu ziehen" und damit wertvolle Diskussionsbeiträge zu leisten.
Der "LeetGuild" Verweis in allen möglichen und unmöglichen Lebenslagen hingegen ist das klassische Totschlageargument (das heißt so, weil man damit meistens jede sinnvolle Diskussion totschlägt) von Leuten, welche eigentlich nur für die berühmten 2 Sekunden virtuelle Aufmerksamkeit überhaupt in Foren posten.

Das andere hochfrequentierte Totschlageargument ist natürlich "Ihr habt doch kein RL" oder die gleichsam beliebtere minimal subtilere Variante "Wenigstens hab ich ein RL". Dabei drängt sich mir absolut das Sprichwort "getroffener Hund bellt" ins Gehirn. In meinen Augen liegt schon allein bei der Verwendung dieser Floskel eine typische Form menschlichen Selbstbetrugs vor. Indem ich anderen (ohne die Chance sinnvoller Gegenwehr des angegriffenen, denn solche Aussagen finden sich typischerweise in anonymen "Shoutboxes", deren reiner Nachrichtentakt eine sinnvolle Auseinandersetzung schon unmöglich macht) ein Defizit vorwerfe beruhige ich mein eigenes Gewissen, was den gleichen Vorwurf angeht. Das nennt man Projektion. So etwas tritt beispielsweise auch im auffällig (und vor allem öffentlichkeitswirksam zur Schau getragenen) "homophoben" Verhalten von Menschen zu Tage, welche sich unsicher in der eigenen sexuellen Orientierung sind.

Versucht man nun den "Kein RL" Vorwurf im Bezug auf die berühmten Elitegilden (übrigens ganz hervorragende "Opfer" für oben beschriebene Projektion - "die Gilde" ist per se mindestens genauso wenig Person wie "die Gesellschaft", "der Staat" oder "Blizzard") controllerisch zu analysieren stößt man auf ein zusätzliches Problem... Man weiß recht wenig über diese Leute. Man handelt mit Schlagworten wie "Vorraussetzung: Raidfähigkeit an mindestens 6 Tagen die Woche, besser wären 7", der Rest bleibt im elitären Dunst verborgen.
Mich zum Beispiel täte ja mal wahnsinnig interessieren, wie das Leben eines solchen EliteguildMembers aussieht... und ob "Pro Gilde" wörtlich zu nehmen ist. Unter dem Kürzel "Pro" (wie "Professionell") versteht man nämlich gemeinhin jemanden, der eine Sache so gut beherrscht, dass er damit seinen Lebensunterhalt bestreiten kann (wie Profisportler, Profikiller oder Profipokerspieler).
Sollte dem so sein, dann wäre es vollkommen nachvollziehbar, dass diese Leute 6 Tage die Woche Leistungen erwarten - das tun nämlich inzwischen recht viele Arbeitgeber, zumal die Jungs dann eindeutig einem Saisongeschäft nachgehen. (Hier mal eine kleine Anregung, falls sich jemand vom buffed Team hierher verirrt: Macht doch mal ne Reportage über die große Unbekannte "EliteGilde")

Auch hier stellt man fest, dass es den eigenen Horizont erweitern kann, nicht nur blind zu flamen und zu jammern, sondern sich zu bemühen, zumindest die Dinge verstanden, geprüft und danach neu bewertet zu haben, bevor man sich damit öffentlich lächerlich oder unbeliebt macht. Freilich reicht es so manchem Zeitgenossen, negative Publicity zu erlangen, solange er nur für kurze zeit im Mittelpunkt steht... damit geht es ihm so ähnlich wie den netten Damen, die in einigen Städten des Nachts unter roten Laternen angetroffen werden können - die holen sich auch Aufmerksamkeit mit Dingen und Vorgehensweisen, welche im grunde ziemlich erniedrigend für sie selbst sein dürften.

Zum Abschluß dieses kleinen Blogs zum Unsinn des ahnungslosen Jammerns noch ein kleiner Denkansatz für einen weiteren Hit aus der liste der "Evergreens of Whine":

Blizzard ist ein Weltunternehmen und seit über 10 Jahren im Softwaregeschäft. Die Leute verdienen damit nicht nur ne Menge Kohle, am Maßstab funktionierende und für eine Mehrheit der Spieler interessante Spiele zu entwickeln und zu supporten hängen eine gute Menge an Jobs und damit Existenzen (wo sowas enden kann? googelt bei Zeiten mal nach "Sigil"). Dementsprechend ist davon auszugehen, dass sie die drei Grundsäulen erfolgreicher Softwareentwicklung auch fest und stabil im Unternehmen verankert haben: Entwicklung, Qualitätssicherung, Kundenbetreuung.
Nebenbei ist Gamedesign und die Untersparte "Balancing" auch weniger komplexer Spiele als WoW ein Ausbildungsberuf, kann afaik sogar studiert werden und ist dementsprechend alles andere als trivial.
Es lohnt sich das zu bedenken, wenn vor oder nach Patchday die welt mal wieder ungerecht zu sein scheint und man sich um seine 12 Euro im Monat betrogen fühlt.
Wiederum sage ich nicht: es ist alles perfekt so (das dürfte angesichts der Komplexität des Systems unmöglich sein), sondern erst testen, dann meckern (es ist wie mit dem guten alten Spinat)

So, nun freu ich mich aber auf den Mittmoons Abend und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
 
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