Garnalem
Rare-Mob
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Guten Morgen!
Habe soeben auf tagesschau.de ein interessantes Interview mit einem Jugendpsychiater über Mediensucht mit Bezug auf WoW gefunden.
Quelle: http://www.tagesschau.de/inland/interviewcomputersucht2.html
Hier auch noch mal das Interview als Text-Datei:
Jugendpsychiater zur Mediensucht
"Davon kann ein ganzes Leben kaputtgehen"
Ärzte, Psychologen und Drogenbeauftragte treffen sich am Freitag und Samstag in Berlin zur Konferenz "Mediensucht: Computer, Fernsehen, Handy… moderne Gefahren". Warum Kinder und Jugendliche durch Spiele wie "World of Warcraft" in ihrer Entwicklung gestört werden könnten, erklärt der Kinder- und Jugendpsychiater Oliver Bilke im tagesschau.de-Interview.
tagesschau.de: Herr Bilke, ist Mediensucht ein wachsendes Problem?
Oliver Bilke: Ja. In kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken gab es noch vor fünf, sechs Jahren vielleicht ein oder zwei Jugendliche, die Probleme mit dem Konsum von Computerspielen oder dem Fernsehen haben. Mittlerweile gibt es bundesweit pro Klinik zwei, drei Fälle im Jahr, bei denen man von starker Abhängigkeit sprechen muss.
tagesschau.de: Wann tut man das?
Bilke: Wenn der Jugendliche sich seelisch und körperlich zugunsten der Spielwelt vernachlässigt. Zum Beispiel: Es wird kaum noch etwas Vernünftiges gegessen, Bewegung spielt auch keine große Rolle mehr, Kontakte zur Familie und zu Freunden verringern sich deutlich. Irgendwann kippt dann das System. Es treten alle Zeichen einer Abhängigkeit auf, wie man sie bei Cannabis oder Heroin kennt.
tagesschau.de: Was sind das für Zeichen?
Bilke: Aggressionen beim Verlust des Suchtmittels, aber auch klar erkennbare körperliche Symptome. Wir haben Jugendliche in der Klinik, die kaum an unserem Stationscomputer vorbeigehen können. Die schwitzen, werden unruhig, kriegen Angst. Blutdruck und Puls gehen rauf - also die klassischen Entzugszeichen.
tagesschau.de: Was kann am Computer süchtig machen?
Bilke: Gefährlich sind vor allem Online-Spiele. Sie laufen immer weiter, egal, ob ich gerade dabei bin oder nicht. Bin ich nicht dabei, läuft das Spiel eben im Hinterkopf ab, die ganze Zeit. Die Gedanken kreisen nur noch darum. Wir hatten schon Patienten, die sich freiwillig und hoch motiviert aufnehmen ließen, und zwei, drei Freunde vorher genau instruiert haben, für sie weiter zu spielen.
Folgen: Realitätsverlust und Entwicklungsstörungen
[Bildunterschrift: Spielfigur Blutelfe aus "World of Warcraft" ]
tagesschau.de: Warum sind Süchte wie die nach dem Computer, dem Handy und dem Fernsehen eher ein Jugendphänomen?
Bilke: Ältere Menschen betrifft das allein wegen der technischen Hürden kaum. Jugendliche haben zu den meisten jungen Medien leichter Zugang. Dazu kommt das Ausblenden der eigenen Schwächen und Ängste. Jugendliche bewerten einander ja gegenseitig ziemlich stark. Das setzt sie sehr unter Druck. Das alles kann ich umgehen, wenn ich in andere Rollen schlüpfe, zum Beispiel in Online-Spielen wie "World of Warcraft" oder "Second Life". Dann wird das Ganze gefährlich.
tagesschau.de: Was sind die Gefahren?
Bilke: Konflikte und Chancen, die das normale Leben zu bieten hat, gehen verloren. Vieles wird nicht mehr geübt: Die Jugendlichen blenden aus, dass Bindungen und Beziehungen Zeit brauchen und reifen müssen. Und dass Kommunikation auch ohne Worte stattfinden kann. Zwei Jungen, die gemeinsam angeln und kein Wort dabei sagen, können sich ja trotzdem super verstanden haben. Die Kommunikation in Chats oder per Handy wird auf vereinfachte Sprache reduziert. Da schickt man lieber Smileys.
tagesschau.de: Auch die Persönlichkeitsentwicklung leidet nach Ansicht von Experten.
[Bildunterschrift: Ein abstraktes Objekt in "Second Life" (Quelle: Linden Labs) ]
Bilke: Ganz eindeutig. Die typischen Fragen: "Wer bin ich, wie sehen mich die anderen, wer will ich sein?", kann man durch Rollenspiele umgehen. Sie sind aber notwendig für den Reifeprozess. Außerdem kann das Belohnungssystem des Menschen durch Computerspiele beeinflusst werden. Ein Spieler kann sich selbst belohnen, indem er etwa Schwierigkeitsgrade verändert. Damit wird gerade das ältere Kind in die völlig unrealistische Situation versetzt, dass es seine Belohnung selbst steuern kann. Aber das ist eigentlich die große Entwicklungsaufgabe im Alter von acht bis 18: dass man seine Belohnungswünsche den Regeln und Üblichkeiten der Realität anpasst, zum Beispiel an den Mathelehrer, der nur einmal im Schuljahr lobt. Dann ist das Lob auch etwas Besonderes.
"Lieber zu viel als zu wenig tun"
tagesschau.de: Manche Experten bezweifeln Süchte wie die nach dem Computer. Was sind ihre Argumente?
Bilke: Das Ganze ist diagnostisch schwierig, weil das Mittel an sich, der Computer, der Fernseher oder auch das Handy, ja eigentlich einer Tätigkeit dient. Die Grenzen sind fließend. Und wir haben bisher wenig Erfahrung. Internet und Handy sind ja noch jung. Wir haben keine Langzeitstudien. Außerdem ist vieles im Jugendalter eine Phase, die schnell wieder vergeht. Trotzdem würde ich dazu raten, lieber zuviel als zu wenig zu tun, als in drei, vier, fünf Jahren überrascht zu sein. Von so einer Sucht kann ein ganzes Leben kaputtgehen.
Das Interview führte Nicole Diekmann, tagesschau.de.
Habe soeben auf tagesschau.de ein interessantes Interview mit einem Jugendpsychiater über Mediensucht mit Bezug auf WoW gefunden.
Quelle: http://www.tagesschau.de/inland/interviewcomputersucht2.html
Hier auch noch mal das Interview als Text-Datei:
Jugendpsychiater zur Mediensucht
"Davon kann ein ganzes Leben kaputtgehen"
Ärzte, Psychologen und Drogenbeauftragte treffen sich am Freitag und Samstag in Berlin zur Konferenz "Mediensucht: Computer, Fernsehen, Handy… moderne Gefahren". Warum Kinder und Jugendliche durch Spiele wie "World of Warcraft" in ihrer Entwicklung gestört werden könnten, erklärt der Kinder- und Jugendpsychiater Oliver Bilke im tagesschau.de-Interview.
tagesschau.de: Herr Bilke, ist Mediensucht ein wachsendes Problem?
Oliver Bilke: Ja. In kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken gab es noch vor fünf, sechs Jahren vielleicht ein oder zwei Jugendliche, die Probleme mit dem Konsum von Computerspielen oder dem Fernsehen haben. Mittlerweile gibt es bundesweit pro Klinik zwei, drei Fälle im Jahr, bei denen man von starker Abhängigkeit sprechen muss.
tagesschau.de: Wann tut man das?
Bilke: Wenn der Jugendliche sich seelisch und körperlich zugunsten der Spielwelt vernachlässigt. Zum Beispiel: Es wird kaum noch etwas Vernünftiges gegessen, Bewegung spielt auch keine große Rolle mehr, Kontakte zur Familie und zu Freunden verringern sich deutlich. Irgendwann kippt dann das System. Es treten alle Zeichen einer Abhängigkeit auf, wie man sie bei Cannabis oder Heroin kennt.
tagesschau.de: Was sind das für Zeichen?
Bilke: Aggressionen beim Verlust des Suchtmittels, aber auch klar erkennbare körperliche Symptome. Wir haben Jugendliche in der Klinik, die kaum an unserem Stationscomputer vorbeigehen können. Die schwitzen, werden unruhig, kriegen Angst. Blutdruck und Puls gehen rauf - also die klassischen Entzugszeichen.
tagesschau.de: Was kann am Computer süchtig machen?
Bilke: Gefährlich sind vor allem Online-Spiele. Sie laufen immer weiter, egal, ob ich gerade dabei bin oder nicht. Bin ich nicht dabei, läuft das Spiel eben im Hinterkopf ab, die ganze Zeit. Die Gedanken kreisen nur noch darum. Wir hatten schon Patienten, die sich freiwillig und hoch motiviert aufnehmen ließen, und zwei, drei Freunde vorher genau instruiert haben, für sie weiter zu spielen.
Folgen: Realitätsverlust und Entwicklungsstörungen
[Bildunterschrift: Spielfigur Blutelfe aus "World of Warcraft" ]
tagesschau.de: Warum sind Süchte wie die nach dem Computer, dem Handy und dem Fernsehen eher ein Jugendphänomen?
Bilke: Ältere Menschen betrifft das allein wegen der technischen Hürden kaum. Jugendliche haben zu den meisten jungen Medien leichter Zugang. Dazu kommt das Ausblenden der eigenen Schwächen und Ängste. Jugendliche bewerten einander ja gegenseitig ziemlich stark. Das setzt sie sehr unter Druck. Das alles kann ich umgehen, wenn ich in andere Rollen schlüpfe, zum Beispiel in Online-Spielen wie "World of Warcraft" oder "Second Life". Dann wird das Ganze gefährlich.
tagesschau.de: Was sind die Gefahren?
Bilke: Konflikte und Chancen, die das normale Leben zu bieten hat, gehen verloren. Vieles wird nicht mehr geübt: Die Jugendlichen blenden aus, dass Bindungen und Beziehungen Zeit brauchen und reifen müssen. Und dass Kommunikation auch ohne Worte stattfinden kann. Zwei Jungen, die gemeinsam angeln und kein Wort dabei sagen, können sich ja trotzdem super verstanden haben. Die Kommunikation in Chats oder per Handy wird auf vereinfachte Sprache reduziert. Da schickt man lieber Smileys.
tagesschau.de: Auch die Persönlichkeitsentwicklung leidet nach Ansicht von Experten.
[Bildunterschrift: Ein abstraktes Objekt in "Second Life" (Quelle: Linden Labs) ]
Bilke: Ganz eindeutig. Die typischen Fragen: "Wer bin ich, wie sehen mich die anderen, wer will ich sein?", kann man durch Rollenspiele umgehen. Sie sind aber notwendig für den Reifeprozess. Außerdem kann das Belohnungssystem des Menschen durch Computerspiele beeinflusst werden. Ein Spieler kann sich selbst belohnen, indem er etwa Schwierigkeitsgrade verändert. Damit wird gerade das ältere Kind in die völlig unrealistische Situation versetzt, dass es seine Belohnung selbst steuern kann. Aber das ist eigentlich die große Entwicklungsaufgabe im Alter von acht bis 18: dass man seine Belohnungswünsche den Regeln und Üblichkeiten der Realität anpasst, zum Beispiel an den Mathelehrer, der nur einmal im Schuljahr lobt. Dann ist das Lob auch etwas Besonderes.
"Lieber zu viel als zu wenig tun"
tagesschau.de: Manche Experten bezweifeln Süchte wie die nach dem Computer. Was sind ihre Argumente?
Bilke: Das Ganze ist diagnostisch schwierig, weil das Mittel an sich, der Computer, der Fernseher oder auch das Handy, ja eigentlich einer Tätigkeit dient. Die Grenzen sind fließend. Und wir haben bisher wenig Erfahrung. Internet und Handy sind ja noch jung. Wir haben keine Langzeitstudien. Außerdem ist vieles im Jugendalter eine Phase, die schnell wieder vergeht. Trotzdem würde ich dazu raten, lieber zuviel als zu wenig zu tun, als in drei, vier, fünf Jahren überrascht zu sein. Von so einer Sucht kann ein ganzes Leben kaputtgehen.
Das Interview führte Nicole Diekmann, tagesschau.de.