Kapitel 29

Evilslyn

Rare-Mob
Mitglied seit
26.06.2007
Beiträge
454
Reaktionspunkte
2
Kommentare
111
Buffs erhalten
80
Fast zwei Dekaden waren verstrichen, seit den traumatischen Ereignissen in Lohenscheit, und doch lag noch immer ihr dunkler Schatten über Ellenora.
Ihre Seele hatte eine tiefe Wunde erlitten in jener Nacht.
Jener Nacht, in der sie eine Waise geworden war.
Unauslöschlich, ging mit schönen Erinnerungen an ihre Kindheit, stets auch jene einher, wie sie alleine und verängstigt durch die Lohenscheit umgebenden Wälder gerannt war.
Weinend, und erfüllt vom Glaube an den sicheren Tod.

Der Nebel hatte wie Watte gewirkt, so dicht war er.
So hatte ihre Kleidung, bald von ihm klamm und von den Büschen zerrissen, wenig Schutz vor der Kälte der Nacht geboten.
Aber am schlimmsten waren mit Abstand die Geräusche.
Noch immer jagten Schauder über Ellenoras Rücken wenn sie sich erinnerte.
Sogar die Käuze, deren schauriger Ruf sie unter normalen Bedingungen zu Tode geängstigt hätte, hatten eine willkommene Abwechslung dargestellt.
Die Laute, welche aus Lohenscheit ertönten waren viel schlimmer gewesen.
Schreie, Wimmern, Todesqual.
Am schlimmsten waren die Schreie, bei denen Ellenora glaubte die Stimmen zu erkennen.

Zu Anfang hatte sie sich am Waldrand hinter einen Baum gekauert, und auf Framiers Rückkehr gewartet.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der sie ständig zwischen Hoffen und Verzweifeln schwankte, erhob sich aus Lohenscheit ein solch unglaubliches Crescendo der Qual, dass sie es nicht mehr aushielt.
Begleitet vom Geschrei aus dutzenden Kehlen, rannte sie tiefer in den Wald hinein.
Tiefer und tiefer.
Wollte nur weg von hier.
Tränen rannen von ihren Wangen und tropften ihr Kinn hinab.
Sie konnte nicht mehr sagen wie weit sie gelaufen war.
Jedenfalls so lange, bis ihre Beine den Dienst versagten und sie auf dem moosigen Waldboden zusammen gebrochen war.
Dort war sie liegen geblieben. Die Beine bis zur Brust angezogen, und war bald darauf leise wimmernd eingeschlafen.

Sie hatte nicht damit gerechnet wieder zu erwachen.
Wenn nicht den Worgen, so gab es viele andere Tiere in Azeroths Wäldern, denen sie zum Snack gereicht hätte.
Doch irgendeine Höhere Macht musste ihr wohl gesonnen sein, denn das einzige Tier, welches am Morgen auf ihrer Lichtung stand war ein Reh.
Seine friedlichen Augen, seine wachsamen Ohren und die elegante Gestallt war die letzte Erinnerung an die sich Ellenora noch erinnern konnte.

Die Tage danach, als sie dreckig und frierend den Wald durchstreifte, vom Hunger fast wahnsinnig, schien in ihrer Erinnerung wie hinter einem Vorhang verborgen.
Dieser lüftete sich erst als Miras sie fand.

Wäre er nicht gewesen, Ellenora wäre wohl gestorben. Ihr Wille war fast erschöpft, als er plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht war.
Auf seinem Pferd, in leichter Kettenrüstung, mit hoch erhobener Lanze an der sein Wimpel flatterte, war er Ellenora wie ein Prinz erschienen.
Mit offenem Mund hatte sie da gestanden und ihn betrachtet.
Geradezu dämlich musste sie gewirkt haben, denn sie war so gebannt, dass sie zu Anfang gar nicht auf seine Fragen antwortete.
Wer sie sei. Wo sie herkomme.
Doch Miras hatte ihre Notlage erkannt. Hatte ihr die Hand gereicht, und sie auf sein Pferd gehoben.
Was passiert war, könne sie ihm bei einer deftigen Suppe und einem anständigen Kanten Brot erzählen, meinte er, und Ellenoras Magen zog sich auch nach all den Jahren noch freudig zusammen wenn sie zurück dachte.

Und so kam es, dass Ellenora ins Flüchtlingslager am Greymanewall einzog.
Auf Westwinds Rücken - so nannte Miras seinen Schecken.
Geborgen in Miras Armen, fühlte sie zum ersten Mal, seit der verhängnisvollen Nacht in Lohenscheit, wieder Friede.

Miras kümmerte sich liebevoll um sie.
Besorgte ihr neue Kleidung und die versprochene Suppe.
Obgleich es eine ganze Weile dauerte, bis sie das Schweigen über die Ereignisse brach, welche sie hergeführt hatten, war er geduldig und drängt sie nie.
Ellenora war ihm sehr dankbar.

„Dort musst du nie wieder hin. Das verspreche ich dir.“, hatte er einst versucht sie zu trösten, als sie nach einem Alptraum, in dem sie von Worgen durch Lohenscheit gejagt worden war, weinend in seinen Armen lag.
Doch Ellenora wusste es besser.
Sie hatte es sich selbst geschworen.
Sie würde zurück kehren, und sie würde die Worgen bereuen lassen.

To be continued

Mit freundlichen Grüßen
Eure Evi
 
Zurück