Kapitel 70

Evilslyn

Rare-Mob
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Miras stand vor dem kleinen Zelt und schaute sich unbehaglich um. Es schien, als erhoffe er sich, unbehelligt von der Person zu bleiben, deren wüsten Flüche wieder und wieder aus dem Zelt ertönten. Die Derbheit der Ausdrücke, ließen sogar ihn immer wieder die Stirn in Falten legen. Sie wirkten umso extremer, da sie von einer so lieblichen Stimme ausgestoßen wurden. Ellenoras Verhalten in den letzten Tagen, fiel ihm sehr schwer einzuordnen. Einerseits gab sie sich noch härter als bisher, andererseits schien irgendetwas mit ihr geschehen zu sein. Sie hatte nicht direkt mit ihm darüber gesprochen – und für gewöhnlich war er stets ihr erster Anlaufpunkt bei Problemen – aber er war sich sicher in ihrem Blick schon des Öfteren erkannt zu haben, dass sie mit sich rang, eben dieses Schweigen zu brechen. Miras liebte sie wie seine eigene Tochter. Natürlich konnte sie ihm nichts vormachen, doch es wäre ihm auch nie in den Sinn gekommen sie zu drängen, es ihm zu sagen. Er war sich sicher. Wenn sie erst soweit wäre, würde sie von ganz allein zu ihm kommen. Ein weiterer Fluch aus dem Zeltinneren ließ ihn den Kopf einziehen, und machte ihm klar, dass dieser Augenblick wohl noch in weiter ferne lag. Gerade als Miras beschloss einen Blick ins Zeltinnere zu werfen, und sich zu erkundigen, was denn ihren Unmut genau ausgelöst hatte, und ob er helfen könne. Fesselte etwas anderes seine Aufmerksamkeit. Es war etwas, dass man in dieser Gegend nur sehr selten zu Gesicht bekam. Es waren Fremde. „Ell?! Ich glaube es ist an der Zeit, dass du dich beruhigst und mal hier raus kommst. Es gibt hier etwas, das du dir glaube ich ansehen solltest." Ihr mürrisches „Ja!? Glaube kaum!", bekam er schon gar nicht mehr mit –genauso wenig wie den braun gelockten Schopf der sich kurz darauf aus dem Zelt schob, und sich übellaunig umblickte. Er hatte sich bereits in Richtung der Fremden in Bewegung gesetzt hatte.

Langsam, fast scheu, näherten sich die Neuankömmlinge dem Lager. Miras hatte sie zufällig direkt entdeckt, als sie den Waldrand verlassen hatte und lief ihnen entgegen. Es war ein merkwürdiges Gespann, welches da aus dem Tann auf ihn zugestapft kam. Als erstes stach Miras der Hüne ins Auge. An diesem Kerl war einfach alles riesig. Schon von fern wirkte er groß, doch je näher er Miras kam, desto immenser erschienen seine Ausmaße. Sein Kreuz war breit genug, um zwei Männern zu genügen. Sein Haupt überragte das seiner Gefährten um mehr als eine ganze länge.
Die wäre zumindest beim kleineren seiner Begleiter auch keine große Kunst gewesen. Der Mann neben ihm wirkte zwar drahtig, war jedoch auch neben normal gewachsenen Männern eher klein. Unter seinem schwarzen Haare, blitzte jedoch ein gewitztes Feuer in seinen Augen, und seine Hände waren selbst beim herabhängen immer in Bewegung. In ihm arbeitete etwas, und Miras beschloss ihn im Auge zu behalten.
Der dritte im Bunde war ein junger Mann, circa in Ellenoras Alter. Er hatte ein freundliches, wenn auch von Strapazen kündendes Gesicht. Sein hellbraunes Haar, stand struppig von seinem Kopf, nicht verwahrlost, doch auch weit ab von jeder Pflege. Er lächelte freundlich, zumindest versuchte er Miras ein offenes, unbefangenes Lächeln entgegenzuschicken. Miras verfügte über genug Menschenkenntnis, um die Unsicherheit in diesem Lächeln zu erkennen, wunderte sich aber natürlich nicht. Wer konnte schon sagen wo dieser Junge und seine Freunde herkamen. In diesen Teil der Welt verschlug es nur in den seltensten Fällen Wanderer, und wenn, wurden sie meist tot auf Patrouillengängen entdeckt. Zumindest das, was die Worgen übrig gelassen hatten.
Was, so ging es Miras durch den Kopf, wenn sie vielleicht sogar von Gilneas kamen?! Von den Gepflogenheiten und Zuständen hinter der Mauer gab es nur Mutmaßungen, und nach Ellenoras Bereicht, nicht gerade die Besten.
Als die Gruppe von Männern näher kam, wurden mehr und mehr Stimmen im Lager laut, von Menschen die sie ebenfalls entdeckt hatten. Manche standen nur da, und schauten interessiert, andere beachteten sie gar nicht, und manch einer griff zu seiner Waffe, und machte sich auf alles Bereit.

Als die drei fremden von etwa einen Steinwurf entfernt waren, erhob Miras seine Stimme:
„Hooo! Seid mir gegrüßt! Wer seid ihr?", seine Befehlsgewohnte Stimme hatte keinerlei Mühe wohlverständlich die Strecke zu überbrücken.
Anders als von Miras erwartet, antwortete nicht der Hüne, sondern der kleinste der Drei, machte noch einen Schritt näher, und antwortete Stellvertretend für die ganze Gruppe. „Seid gegrüßt.", ertönte eine überraschend angenehme Stimme, "Wir sind Reisende, auf der Suche nach einem Nachtquartier. Wäre es wohl möglich, eure Gastfreundschaft heute Abend in Anspruch zu nehmen?" „Nicht so schnell", gab Miras zurück, „Gastfreundschaft ist wichtig, und wird von uns auch hoch geschätzt. Doch wüsste ich gerne mit wem ich es zu tun habe, bevor ich jemanden ins Herzen unseres Lagers lasse. Es sind harte Zeiten wie ihr sicher selbst nur zu gut wisst." „Oh, entschuldigt meine Unhöflichkeit." Wahre Betroffenheit schwang in den Worten des Kleinen. „Mein Name ist Fredrik. Dies sind meine Begleiter, Alstramm und Arled." Bei der Erwähnung seines Namens machte er eine tiefe Verbeugung, und anschließend eine, seine Gefährten umschließende Bewegung. „Wir sind auf der Durchreise."
„Eine ziemlich ungewöhnliche Route für eine Durchreise", entgegnete Miras skeptisch. „Wo wollt ihr hin? Und woher kommt ihr?"
„Nun, dass ist eine längere Geschichte. Vielleicht wollt ihr uns ja in euer Lager, und auf ein Glas, oder etwas zu trinken einladen. Dann will ich euch gern mehr berichten." Mit diesen Worten, begann sich Fredrik wieder in Bewegung zu setzen. „Bleibt wo ihr seid.", raunte Miras, was den kleinen Mann in seiner Bewegung innehalten ließ. „Irgendetwas an euch, gefällt mir nicht. Wo sagtet ihr kommt ihr her?"
Just in diesem Moment rauschte Ellenora um die Ecke eines Zeltes hinter ihm. „Miras, was sollte das? Du hast mich einfach stehen lassen!" Während des Laufens, nestelte sie an den Knöpfen ihrer hastig übergeworfenen Leinenbluse herum. Als Miras nicht Antwortete, schaute sie unter krausen Brauen zu ihm auf. „Hallo?" drängte sie. Dann folge sie Miras Blick, und entdeckte die Fremden. Überrascht vergaß sie alles Vorherige. „Wo kommen die denn her?", war alles was sie verdutzt hervorbrachte. „Das ist nicht so wichtig. Die Herren wollten gerade wieder gehen.", entgegnete Miras so laut, das ihn die drei wohl hören konnten.
„Das kann doch nicht dein Ernst sein.", platzte es aus Ellenora hervor. „Woher kommen sie denn? Und warum schickst du sie zurück in den Wald? Das sind doch die ersten Flüchtlinge seit … seit … ja ich glaube selbst du kannst dich nicht mehr erinnern, wann das letzte Mal Flüchtlinge hier auftauchten. Und nun willst du sie einfach wieder dort raus schicken?" „Das ist schon Ok, My Lady. Wir wollen ihnen nicht zur Last fallen. Wir fühlten uns geehrt unseren Abend in so reizender Gesellschaft wie der euren zu verbringen, doch wie es schein sind wir hier nicht willkommen. Seis drum. Wir wollen euch den netten Abend nicht verleiden. Die Erde wird uns – wie schon so oft – ein Bett bereit stellen, und der Wald uns eine Dach stellen." Ellenora packte Miras, der den Blick nicht von dem kleinen Fredrik wandte, am Arm und drehte ihn zu sich um. „Was ist denn los?", zischte sie ihm zu, darauf bedacht leiste zu sprechen. „Wieso heißt du sie nicht willkommen? Sind wir denn auch schon zu Tieren geworden?"
„Ellenora, du weist genau dass ich nicht grundlos so handle. Ich kann mir nicht helfen, aber dieser Kleine. Mit dem stimmt etwas nicht. Er ist mir zu glatt. Und wo kommen diese Typen überhaupt her? Tauchen hier einfach so auf. Und das gerade jetzt." „Es ist doch völlig egal wo sie herkommen. Sie brauchen Hilfe, und sind Menschen wie du und ich. Wir können sie doch nicht einfach den Worgen zum Fraß vorwerfen.", Ellenoras Stimme, schnitt förmlich in Miras Ohren. Doch sein Entschluss stand fest.
„Wenn du meinst sie sollen bleiben, dann kümmerst du dich um sie. Es ist deine Verantwortung. Aber sie werden nicht im Lager schlafen. Meinetwegen sollen sie ihr Lager am Waldrand aufschlagen. Aber auf der Lohenscheit abgewandten Seite.", während seines Zugeständnisses warf er immer wieder unbehagliche Blicke auf die drei Männer.
„Danke! Du bist der Größte.", ein Lächeln erhellte Ell´s Gesicht, und machte allen Ärger vergessen. Dann drückte sie sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Du wirst es nicht bereuen."
Dann wandte sie sich den Neuankömmlingen zu. „Hört zu. Ihr könnt bleiben, müsst euer Lager allerdings dort hinten aufbauen.", sie fuchtelte in der Luft herum und deutete auf einen Platz, der von enger zusammenstehenden Tannen umrahmt war. Während sie sprach hatte sie bereits die Hälfte der Strecke zu den dreien zurück gelegt. Miras schaute ihr nach, und ein mildes Lächeln huschte über sein Gesicht. Die Güte und das Mitgefühl, welche noch immer einen Platz in Ellenoras Herzen hatten, trotz der Schrecken die sie bereits in so jungen Jahren erfuhr, erfreuten ihn immer wieder. Und machten ihn stolz.
Ellenora schritt auf die drei Fremden zu, und das leicht unwohle Gefühl, dessen sie sich nicht zu erwehren vermocht hatte, als Miras so ablehnend reagierte, verflog zusehends Schritt für Schritt. Die drei Neuankömmlinge waren dreckig, und erschöpft, aber wer wäre das nach einer Reise in diesen Zeiten nicht gewesen. Der Riese, derjenige der drei, der sie auf Distanz definitiv am meisten geängstigt hatte, wirkte von nahem völlig anders. Sein Blick war der einen Lamms. Man sah, dass wenngleich nicht das hellste, doch ein warmes Feuer hinter diesen Augen brannte. Die Augen des kleinen sprachen da eine ganz andere Sprache. Nicht nur, dass er Ellenoras Körper von Kopf bis Fuß musterte, huschten seine Augen unstet herum, und schienen alles zu überprüfen. Fast als wolle er immer auf einen Angriff vorbereitet sein. Aber auch er schien ein netter Kerl zu sein. Der Dritte im Bunde gab ihr die meisten Rätsel auf. Er schien ihrem Blick stets auszuweichen. Immer wenn sie versuchte Sichtkontakt herzustellen, interessierte er sich plötzlich unheimlich für irgendetwas auf einem Baum, am Himmel, oder zwischen dem Gras das seine Füße umwucherte. Mehr als seinen Namen, und einem knappen, wenn auch nicht unfreundlichen „Hallo.", brachte sie nicht aus ihm heraus. Während sie ihnen ihren Platz zeigte, versuchte sie noch etwas über die Herkunft der Drei heraus zu finden. Kam jedoch nur mit Fredrik ins Gespräch, und fand schon bald heraus, dass seine Geschichte über die Umstände die sie hierher geführt haben, nicht wirklich nachvollziehbar klang. Zumindest wenn man Ortskundig war. Zu oft erwähnte der kleine Orte, die Ellenora nicht kannte, und die, da sie da Gebiet kannte wie ihre Westentasche, auch nicht existierten. Sei es drum, immerhin konnte ihn keiner Zwingen die Wahrheit zu sagen. Und warum auch immer er log, Hauptsache die Drei stellten keine Bedrohung für das Lager da. Und dessen war sich Ellenora sicher.
Sollten sie ruhig hier ihre Nacht verbringen, und etwas Ruhe finden, bald schon würden sie weiter ziehen.



…to be continued



Mit freundlichen Grüßen

Eure Evi
 
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