Kapitel 71

Evilslyn

Rare-Mob
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Obwohl er sich bemühte, äußerlich völlig ruhig zu wirken, glaubte Arled man müsse ihm seine Anspannung in jedem Schritt ansehen. Die Haut in seinem Gesicht begann zu kribbeln wann immer ihn ein Blick aus diesen neugierigen, lebhaften Augen traf. Den Augen, die ihrer neuen Gastgeberin gehörten, und die er zuvor schon einmal gesehen hatte. Damals waren die Augen matt, der Blick entrückt gewesen. Weniger denn ein Schatten dessen was diese Augen jetzt versprühten. Sie wanderten stets umher. Schienen alles in sich aufsaugen zu wollen, und jedes falsche Spiel sofort zu durchschauen. Es bestand kein Zweifel daran, dass Ellenora die Skepsis ihres Vaters wenn auch nicht zur Gänze, teilte. Dennoch wollte sie drei Fremde nicht den Unbill der Wälder aussetzen, was für ihren guten Kern sprach.
Arled fragte sich unentwegt, an wie viel ihres vorangegangenen Treffs sich Ellenora noch erinnern mochte. Sie war dem Tot näher gewesen denn dem Leben. Da war sich Arled sicher. Die Erfahrung, als er sie heilte, steckte ihm noch immer in den Knochen. Während der Verschluss von Wunden, einem Hochgefühl gleich kam, so war es bei ihrer Heilung auf ein so starkes Maß angewachsen, dass die Grenze zwischen Erfüllung und Verzehr zu verschwimmen begonnen hatte. Für einen Moment hatte er geglaubt er könne ihr nicht mehr helfen. Geglaubt er erführe zum ersten Mal die Grenzen, in denen sich seine Fähigkeiten bewegten. Der Gedanke daran, jagte ihm einen Schauder über den Rücken. Überhaupt heraus zu finden, über diese Gabe zu verfügen hatte ihn überrascht, doch da es sich um etwas durchweg gutes zu handeln schien, hatte er sich damit anfreunden können. Umso erschreckender die Tatsache, sich der Einschränkungen der Fähigkeiten bewusst zu werden.
Was ihn jedoch die ganze Zeit über beschäftigte, während er unentwegt versuchte, Hun – äh, Alstramm (er fragte sich wie lange es wohl dauern würde bis er sich da verplapperte), zwischen sich und Ellenora zu halten, um ihr nicht zu ermöglichen ihn näher in Augenschein zu nehmen. Wahrscheinlich erinnerte sie sich nicht. Aber was war wenn? Woran würde sie sich erinnern? An ein angenehmes Gefühl? Nur daran aufgewacht zu sein, unverletzt? Oder erinnerte sie sich eventuell sogar daran geheilt worden zu sein? Arled wusste, das seine Patienten eine Verbindung mit ihm eingingen wenn er sie heilte. Und er wusste ebenfalls, dass sich viele daran erinnerten ihn „gesehen“ zu haben. Oder etwas. Seine Erinnerung, oder sein Selbst. Er hatte für sich auch noch keine Bezeichnung für diesen Platz … „dazwischen“ – ja das bezeichnete es wohl am besten, gefunden. Doch was wenn sie sich an noch mehr erinnerte? Was wenn sie sich nicht an ihn, sondern an sein Worgenselbst erinnern konnte? Der Dolch im Kopf der Leiche die er bei ihr gefunden hatte, legte berede Zeugnis ab, was sie von Worgen zu halten schien. Wie dem auch sei, er würde sich jedenfalls bemühen ihr nicht mehr denn nötig zu begegnen.
Er fragte sich wie Ragi es nur schaffte, so völlig normal zu wirken, wusste er doch, das Fredrik, wie er sich nannte, genauso beäugt wurde wie er und Hu… Alstramm. Er gab sich höflich, machte Bemerkungen zu Ellenoras Ausführungen, und erzählte ihr frei von der Leber weg, alles was sie wissen wollte. Er beantwortete alle Fragen. Wo sie herkamen, wohin so wollten, was der Grund ihrer Reise sei, und warum sie ausgerechnet diese Route genommen hatten. Das verrückte daran war, dass es sogar in Arleds Ohren logisch klang, obwohl alles gelogen war. Es war, als lege Ragi –Fredrik ein Netz um sie, das sie unsichtbar machte. Er war es nicht nur gewesen der auf die Idee der Decknamen gekommen war. Er erfüllte sie nun mit Leben. Und obwohl seine Geschichte frei erfunden war, schaffte er es doch sie so nah an der Wahrheit zu halten, dass kaum die Gefahr bestand, Hun oder er könnten sich versehentlich verplappern. Arled konnte sich einer Gewissen Faszination für den kleinen Mann nicht erwehren.
Der Platz den ihnen Ellenora zeigte, war einen windgeschützter Ort in der Nähe der Baumgrenze. Die dicht stehenden Bäume bildeten eine Art Windschutz. Der Boden war hauptsächlich mit Moosen bewachsen, und das spärliche Gras, welches es dazwischen schaffte der Sonne entgegen zu streben, würde sie nicht behindern. Die Sonne würde den Platz wohl bis zu ihrem Untergang bescheinen, und so würde es auch nicht zu früh kalt werden. Es war durchaus ein Notbehelf mit dem man zufrieden sein konnte.
„Wieso, wenn ich fragen darf, quartiert ihr Gäste hier so abseits, wenn ich fragen darf? Ist an euren Feuern kein Platz für Fremde?“, Ragis Stimme drückte mehr Neugierde, als Empörung aus.
„Oh, das. Ihr müsst entschuldigen. Aber in der letzten Zeit ist einfach sehr viel passiert. Wie es auch ihr Zwangsweise mitbekommen habt, wurde auch bei uns das Land von irgendetwas verwüstet. Keiner weis was man davon halten soll. Wir haben viele Kranke und Verletzte zu versorgen, was bei unseren doch sehr eingeschränkten Reserven mehr als schwierig ist. Und zu allem Übel kommt noch hinzu das wir feststellen musste das der Greymanewall geborsten ist.“ „Nicht möglich!“, platze Fredrik hervor. Seine vor erstaunen weit aufgerissenen Augen, die wie unbewusst vor den Mund geführte Hand, Arled konnte kaum fassen wie tief Ragi in seine Rolle versank.
„Ja,“ Ellenora blickte betroffen, „es ist wahr. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Der Wall ist nur noch ein Trümmerhaufen. Teile stehen noch, doch das meiste liegt danieder.“ Sie machte eine kurze Pause. „Nunja, vielleicht bewegen sich dann endlich mal ein paar dieser Feiglinge aus Gilneas die Allianz zu unterstützen.“, ereiferte sich Fredrik.
„Ja“, entgegnete Ellenora mit einem Seufzen, „im Moment sind wir uns nicht einmal sicher, ob von dort überhaupt irgendeine Art von Hilfe zu erwarten ist.“
„Wieso?“, dröhnte Alstramm, der ebenso wie Ragi perfekt mit seiner Rolle verschmolzen schien. „Die haben doch eine stolze Armee.“
„Nunja, zum einen hat es König Graumähne schon immer wenig gekümmert, was aus uns hier vor dem Wall würde, und zum anderen haben wir Grund zu der Annahme, dass von hinter dem Wall eventuell ebenfalls Gefahr lauert.“, man merkte Ellenora an, das sie versuchte Abzuwägen wie viel sie preis geben sollte, und was sie besser für sich behielt.
„Was für Gefahr soll denn von dort ausgehen?“, fragte Ragi, im Anschein völliger Aufrichtigkeit.
„Nun, am Tag als wir den Durchbruch entdeckten, entdeckten wir auch Spuren.“, Ellenora begann nur zögerlich, und wurde von Alstramm unterbrochen. „Spuren? Was denn für Spuren?“
Ellenora stieß ein bitteres Lachen aus: „Sicher habt ihr auf euren Reisen schon von den Geschichten gehört, die sich um Lohenscheit und die Burg Schattenfang ranken.“

…to be continued

Mit freundlichen Grüßen
Evi
 
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