Kapitel 72

Evilslyn

Rare-Mob
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Arled, Hun und Ragi saßen um ein kleines prasselndes Feuer, und jeder war in seine eigenen Gedanken versunken. Ellenora war wieder ins Lager zurück gekehrt, hatte jedoch versprochen, später noch einmal mit etwa zu Essen zurück zu kehren. Arled dachte noch immer über ihr Schicksal nach. Zwar hatte sie nur in Kurzform über die Ereignisse gesprochen, die dazu geführt hatten, dass sie ihr Leben in diesem behelfsmäßigen Lager verbringen musste, doch seine Erinnerungen an jene Dinge, die er gesehen hatte als er sie heilte, ergänzten das Bild. Es bedrückte ihn, welch schlimme Schicksalsschläge sie hatte erleiden müssen. Was jedoch viel problematischer war, war ihre Haltung gegenüber Worgen. Es bestand keine Zweifel, dass sollte sich auch nur einer von ihnen in einen Worgen verwandeln, ihr Schicksal fest stünde. Arled machte sich diesbezüglich weniger Sorgen um sich selbst. Er verwandelte sich in der Regel nur an Vollmondnächten, und hatte es bisher erst ganz wenige Mal geschafft, willkürlich seine Verwandlung herbeizuführen. Was ihm zu schaffen machte war, was er damals bei Huns Heilung in dessen Erinnerung gesehen hatte. Er würde mit den beiden darüber sprechen müssen. Und das möglichst bald. Die Sonne hatte bereits ihren Abstieg begonnen.

Ellenora saß im Schneidersitz auf einem Sitzkissen in ihrem Zelt und dachte nach. Die drei Fremden, welche das Lager so unvermittelt erreicht hatten, warfen Fragen über Fragen auf. Wieso kamen sie gerade jetzt? Warum verirrten sich die Drei ausgerechnet hier her? Mitten in einen Wald, dessen Ruf ihm doch Vorauseilen musste. Als sie damals die Extraelfenseile bestellte, hatte es gar einen Aufpreis gekostet, um überhaupt eine Lieferung in den Wald um Lohenscheit zu erwirken. Und nun kamen diese drei, weitestgehend unbewaffnet und ohne Pferde, und taten so, als sei gar nichts dabei. Im Grunde hatte nur Fredrik gesprochen. Der kleine Mann hatte es vorzüglich verstanden, mit tausend Worten nichts zu sagen. Und die wenigen Anhaltspunkte die er gab, waren zwar Nachvollziehbar, doch hatte Ellenora das Gefühl, dass er nicht mit offenen Karten spielte.
Der Riese den er mitgebracht hatte, mochte sich gegen Schlägerbanden bewehren oder einfache Strauchdiebe, doch was wäre, wenn er einem Worgen Auge in Auge gegenüber stände? Ellenora geriet innerlich in Aufruhr wenn sie nur daran dachte, wie überheblich der kleine Mann ihre Befürchtungen wegen der Worgen abgetan hatte. „Übertreibungen“ hatte er sie genannt, „Spukgestalten“, „Dinge mit denen man Kindern in der Nacht Angst machte“, Ellenoras Kiefermuskeln spannten sich unwillkürlich bei der Erinnerung an die Arroganz des kleinen Mannes. Er würde schon sehen was ihm sein Hochmut brächte, stände er erst vor einem echten Worgen. Dieser Schnösel hatte einfach keine Ahnung. Aber wie sollte er auch. Wer sein Leben hinter dicken Schreibtischen friste, und statt dem Herzen eine Geldbörse trug, konnte kaum wissen wie es hier draußen zu ging.
Derjenige aus dem Ellenora am wenigsten schlau wurde, war der Dritte im Bunde. Dieser, wie hatte er sich genannt, Arled. Dieser Junge schien ja völlig verschüchtert zu sein. Sie hatte gleich bemerkt, dass unter der dreckigen Schale ein gar nicht mal hässlicher junger Mann zu stecken schien, der sogar in etwa ihrem Alter entsprach. Allerdings war dieser Kerl offenbar eine Ausgeburt der Schüchternheit. Wann immer sie Blickkontakt zu ihm suchte, schlug er die Augen nieder. Wenn sie ihn ansprach, nuschelte er nur eine schnelle Antwort, und gab sich mit irgendetwas anderem beschäftigt. Ihr anfängliches Interesse an dem Verschlossenen, was sie gar veranlasst hatte einen besonders umgänglichen und freundlichen Ton anzuschlagen, war schnell in Frust umgeschlagen. Fein, sollte er sein eigenes Ding machen. Sie hatte ohnehin nicht die Möglichkeit, mehr Zeit mit den Neuankömmlingen zu verbringen. Sie hatte ihnen einen Schlafplatz zugesichert, mehr konnte sie nicht tun. Überhaupt hatte sie keine Lust mehr über diesen störrischen introvertierten Esel nachzudenken.
Ellenora schwang sich von ihrem Sitzplatz und stapfte aus dem Zelt. Sie würde Miras suchen und fragen wie sie ihm zu Hand gehen könne. Wo steckte Miras überhaupt.

Das Sonnenlicht strahlte gülden, und hüllte damit Arleds kleines Lager in einen warmen Glanz. Das kleine Feuer prasselte noch immer, und wurde von Hun geflissentlich mit Holznachschub versorgt. Ragi saß da und blickte hinüber zum Lager, aus dem gedämpft der Klang von Stimmen und allerlei Tätigkeiten herüberschallte.
„Nimm es ihnen nicht übel. Es sind schwere Zeiten, immerhin haben sie uns hier einen Lagerplatz überlassen.“, brach Hun das Schweigen. Seine Worte richteten sich an Ragi, dessen schweigsames Verhalten er wohl als Verstimmung deutete, nicht bei den anderen im Lager zu sein. „Ach, mach dich nicht lächerlich Hun.“, blaffte Ragi ihn an. “Dir sollte doch klar sein, dass es für mich ohnehin nicht in Frage kommt dort zu schlafen. Was glaubst du würden sie tun, wenn ich eben noch lachend mit ihnen am Feuer säße, und im nächsten Moment würde ich mich in einen Worgen verwandeln? Für dich gilt doch das Gleiche! Wenn überhaupt bestünde nur für Arled die Möglichkeit sich unter sie zu begeben, doch wie das Schicksal spielt, würde er sich wohl just an diesem Abend, auch in einen Worgen verwandeln. Nein Hun, hier ist es anders als in Dämmerungszuflucht. Hier müssen wir uns wieder erinnern wie es war, bevor wir von Gleichgesinnten umgeben waren.“ „Entschuldige.“, war alles was Hun erwiderte. Doch sein Gesicht sprach Bände. Arled verstand Ragis Ungehaltenheit, trotzdem tat ihm Hun leid. „Warum musst du ihn immer so angehen?“, Ragi blickte ihn verdutzt an. „Das mein Kleiner, lass mal meine Sache sein. Ich kenne den alten Hun schon lange genug, um zu wissen wie ich mit ihm umzugehen habe.“ Dabei knuffte er freundschaftlich Huns Schulter. Arled entging nicht, dass Hun, bei dem während des Knuffens ausgetauschtem Blick unmerklich den Kopf einzog.
„Ja, da bin ich mir sicher. Aber ich muss deine Methoden ja nicht gutheißen. Wer weis, vielleicht bis zu ja bereit noch weiter zu gehen als ihn nur anzublaffen.“, Arled war sich bewusst welches Wagnis er nun einging. Aber auf eine bessere Gelegenheit zu hoffen konnte er sich schlichtweg nicht erlauben. „Meinst du das ernst?“, entgegnete Ragi mit einem lachen in der Stimme. „Was sollte ich den meinem Dickerchen „antun“? Das ist doch absurd.“, dabei stand er auf und stellte sich hinter Hun, dem er nun betont lässig die breite Schulterpartie massierte.
„Hör schon auf Ragi.“, die Augen des kleinen Mannes verengten sich ob Arleds Worten. „Ich weis, dass du mir etwas verheimlichst. Ich weis nicht genau was es ist. Aber es hat alles in der Nacht begonnen, als Hun mit seinem verletzten Bein zurück kehrte.“
„Nein Arled, da war gar nichts. Wirklich.“, versicherte Hun mit großen runden Augen.
„Hör auf damit Hun.“, unterbrach ihn Arled, ohne dabei den Blickkontakt mit Ragi zu brechen. Die Augen Ragis, zeigten klar das die Gedanken hinter seiner Stirn rasten.
„Ich habe euch doch erzählt, dass wenn ich jemanden heile, ich Teile seiner Erinnerung sehen kann.“
„Ich hatte es gleich geahnt. Warum kommst du erst jetzt damit?“, Ragis Schultern sackten herab.
„Weil ich mir nicht sicher war - und um ehrlich zu sein, ich bin es noch nicht - wie ich das Gesehene deuten soll. Was ich weis, ist das deine Verletzung von Ragi verursacht wurde. Ist es nicht so Hun?“ Das niedersinken von Huns Kopf, reichte ihm als Antwort. „Aber warum? Ihr seid doch Freunde. Wir sind Freunde, dachte ich. Was ist in dieser Nacht passiert?“
„Ach, das war nur weil Ragi mir helfen wollte, und dabei ist ein Unfall passiert, und dann…“, Huns Wortschwall ebbte immer mehr ab, ihm fehlte einfach das Vorstellungsvermögen, schnell genug eine Geschichte zu konstruieren. „Schon gut mein Dicker.“, übernahm Ragi für ihn, und tätschelte die breiten Schultern seines Freundes. „Es ist wohl an der Zeit, die Karten offen zu legen.“ Er machte eine Pause, wie um die richtigen Worte zu finden, und Arleds Neugierde Wuchs mit jeder Sekunde. „Wie soll ich anfangen…, Hmm, vielleicht am besten mit einer Frage. Was war deiner Meinung nach der Unterschied zwischen den Worgen in Dämmerungszuflucht, und den Worgen, von denen dir die Kleine vorhin berichtete.“

… to be continued

Mit freundlichen Grüßen
Eure Evi
 
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