Konventionelles Wochenende bei einem unkonventionellen Kerl

Khanor

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"Sven, sei doch mal positiver."

Oft hörte ich dergleichen.

Auch wenn ich gar nicht negativ eingestellt war bekam ich eine solche Entgegnung. Scheinbar klingt alles was ich sage negativ.

Das nennt man in der Kleinkunst "Kabarett". Der Duden sagt dazu folgendes:

"Ka|ba|rett - Kleinkunst in Form von Sketchs und Chansons die in parodistischer, witziger Weise politische Zustände oder aktuelle Ereignisse kritisieren."

Ich stelle es anhand der Kommentare zu meinen Blogs fest. Oftmals werd ich aufgebaut und ermuntert (wofür ich sehr dankbar bin, jedes einzelne Mal), obwohl ich beim Verfassen des Blogs eigentlich gute Laune hatte.

Wenn es mir wirklich schlecht geht hingegen bekomme ich oftmals keine Resonanz. Ich glaube das hat einen ganz einfachen Grund:

Wenn ich mich über etwas auslasse was mich wirklich bedrückt sind die Themenbereiche so dermaßen beiläufig und der Grund meiner Missstimmung eher kindlich, dass Freunde und Bekannte nicht darauf eingehen, weil man von einem (zumindest vor dem Gesetz) erwachsenem Mann weit mehr Reife erwartet und sich wohl niemand vorstellen kann, dass das mein Ernst ist oder andere Erwachsene einfach nicht wissen, wie sie einen Erwachsenensachverhalt auf kindlich erklären sollen.

Hier nun aber meine Stellungnahme: ich BIN positiv in den meisten Blogs und verwende das Meckern und Keifen eigentlich als stilistisches Mittel. Und weil es mir im Blut liegt rumzuzicken.

Bei einem meiner Lehrer habe ich den Spitznamen "Svenja"...



Gestern war ein Bähtag. Ich habe im Duden nachgesehen, allerdings findet sich unter diesem Begriff dort keine Eintragung, also muss ich davon ausgehen, dass von Euch auch niemand diesen Begriff kennt. Aber glaubt mir, Ihr wisst, was ein Bähtag ist.

Bähtage sind die Tage, die nicht schlecht sind, eigentlich sogar recht angenehm, allerdings die Stimmung eher nach pausenlosem "bäh"-sagen verlangt.

Ich erwachte, stellte fest, dass ich irgendwie noch immer neben der Spur bin und der Geschmack in meinem Mund verlangte mir das erste "bäh" ab.

Donnerstag hatte ich brand, oh ja, als hätte ich mich seit drei Tagen in Volltrunkenheit befunden. Was allerdings nicht so war, wie der aufmerksame Leser weiß. Dennoch habe ich über den Tag verteilt grob geschätzt fünf Liter Wasser vertilgt und konnte trotzdem nicht genug bekommen.

Wo wir gerade beim Thema Begriffserklärung sind: ich wurde Donnerstag nicht sitt.

Ja, sitt.

Erinnert ihr euch an das Wort? Ich habe gestern mit einem Klassenkameraden darüber diskutiert, er meinte das Wort gäbe es nicht, weil es nicht einmal im Duden stehe.

"Sitt" ist das Gegenstück zu durstig, so wie "satt" das Gegenstück zu hungrig darstellt.

Unsere Forschungen auf Wikipedia haben uns allerdings gezeigt, dass es dieses Wort tatsächlich gab / gibt, für die Unwissenden hier ein kurzer Abriss des ganzen: Im Jahre 1999 wurde ein Wettbewerb von der Dudenredaktion mit Unterstützung des Getränkeherstellers Lipton ins Leben gerufen um ein passendes Gegenstück zu "durstig" zu finden. Aus etwa 100.000 Begriffen wurde letztendlich "sitt" gewählt, weil es ja offensichtlich Sprachverwandt mit "satt" ist und es im Deutschen dieses Wort noch nicht gab. Das Wort "sitt" setzte sich allerdings nicht durch, außerdem wurden Stimmen laut, dass es einem Getränkehersteller nicht gestattet sein sollte Einfluss auf die Sprachkultur zu nehmen. Aus diesen Gründen wurde das Wort nicht in den Duden aufgenommen, dennoch existiert es und ist in diesem Zusammenhang korrekt anwendbar. Es kann allerdings auch "satt" benutzt werden, weil sich dieser Begriff nicht auf feste und flüssige Nahrungsmittel beschränkt, und in der Chemie beispielsweise von "gesättigten Lösungen" die Rede ist.

Ich bleibe bei "sitt", auch wenn ich es in den vergangenen 9 Jahren nur ein Mal im Satzbau benötigte. Man gewöhnt sich irgendwann einfach zu sehr an die deutsche, umständliche Sprache und zieht es vor zu sagen "ich habe keinen Durst mehr" anstatt "ich bin sitt".

Und wieder was gelernt.

Für wie wertvoll ihr diese Informationen erachtet kann ich schlecht abschätzen.

Wo war ich?

Irgendwann zwischen dem ersten und dem zweiten Qubikmeter Wasser erreichte mich eine SMS, dass ich Freitag zu einem gemütlichen Grillabend eingeladen sei. Die Gästeliste wies die "guten alten Zeiten" auf. Die Clique mit der ich im Jahr 2000 von der Jugendfeuerwehr in die Reihen der Aktiven übernommen wurde. Ein kranker Haufen mit dem wir immerviel Spaß hatten. Und ich als Opa der Runde.

Ich überlegte, doch natürlich war meine erste Reaktion "aaah, Menschen". Auf Anraten eines Kumpels entschied ich mich dann allerdings doch diese Gelegenheit wahrzunehmen, schließlich kennt mich die Runde lang genug und weiß, wie ich bin. Also nichts einfacher als sich dort wohl fühlen zu können.

Als ich gestern allerdings bäh-mäßig erwachte schien der Abend in weite Ferne zu rücken.

Ich habe einen Hang zur Hypochondrie. Ich gehe selten zum Arzt, kann mir aber auf viele Sympthome meine ganz eigene kleine Krankheit einbilden. Wenn ich schon nicht aus eigener Kraft reich und berühmt werde will ich wenigstens, dass eine Krankheit nach mir benannt wird.

Im Physikunterricht hatte sich mein Lehrer kurzzeitig dazu entschlossen, als Formelzeichen für die Federkonstante das B zu nutzen, entschied allerdings kurze Zeit später, dass wir um uns im Lehrbuch besser zurecht finden zu können doch wieder auf D umsteigen.

Verdammt.

Ich war so nah dran.

Ich habe bereits mehrfach erwähnt, wie die letzten Male aussahen, als ich einige Getränke zu viel hatte und dass ich im Anschluss meist einige Tage krank war. So ging es mir auch gestern. Husten, Schnupfen, Kopf- und Gliederschmerzen, dazu ein wenig erhöhte Temperatur. Was liegt also näher als sich zu fragen, ob es nachgewiesene allergische Reaktionen auf Alkoholkonsum gibt, die diese Sympthome hervor rufen?

Ich werde doch noch berühmt, glaube ich.

Die meiste Zeit des Tages verbrachte ich auf dem Sofa in liegender Gestalt. Mir gings nicht wahnsinnig schlecht, aber... Bäh.

Am Vormittag konnte ich mich dazu durchringen doch mal die Tankstelle mit dem Wagen aufzusuchen und meiner Mutter den Gefallen zu tun mal nach dem Reifendruck zu schauen. Der von ihr erwähnte "definitiv zu wenige Druck" war schon mit bloßem Auge sichtbar. Der Versuch den Reifen mit den Fingern einzudrücken brachte die Erkenntnis, dass ein Wasserball, der nur zur Hälfte mit Luft gefüllt ist weit mehr Luftdruck aufweist. Die Anzeige an der Tankstelle brachte schließlich die Gewissheit: 0,7 bar.

Zugegeben, der Wagen wiegt kaum mehr als eine handelsübliche Damenhandtasche am Samstag abend, dennoch sollte auf den Asphalttrennscheiben mindestens 1,8 bar vorhanden sein.

"Muttern, wenn dir nochmal sowas auffällt solltest du schnelle Linkskurven unterlassen, um nicht den Reifen von der Felge zu schieben.

Wenn ichs genau überlege lass auch Geschwindigkeiten über 20 km/h.

Und Rechtskurven am besten auch."

Wieder daheim angekommen widmete ich mich wieder dem Sofa und war schon der festen Überzeugung, dass ich auch den Abend dort verbringen werde. Ich entschied mich dann allerdings doch dazu es wenigstens zu versuchen. Das Schwindelgefühl würde ich irgendwann nicht mehr merken, der in Watte verpackte Kopf würde schon freigeblasen werden, während ich durchs ganze Dorf radle.

Das Wetter bereitet mir kurze Skepsis über die Hochwertigkeit meiner Idee. Auf dem Foto habe ich das mal dokumentiert, auch wenn man es nicht so gut erkennt: Die kleinen, weißen Pünktchen sind Regentropfen. Trotz strahlendem Sonnenschein. Und es regnete nicht wenig.

sonnenregen.jpg


Ich kam zu spät. Ich komme bei solchen Anlässen immer zu spät. In Independence Day heißt es "ich steh auf 'nen starken Auftritt", in meiner kleinen Welt ist der Grund allerdings nicht ganz so plausibel: ich erhoffe mir davon, dass die Stimmung sich schon in eine gewisse Richtung gewendet hat und der anfängliche Smalltalk bereits beendet.

Als ich in den Garten schlurfe und den ersten von fünfhunderttausend blöden Sprüchen los lasse bevor mich irgendeiner der Anwesenden sehen kann hoffe ich, dass durch dieses Verhalten das Eis gebrochen wird.

Als ich um die Ecke trete wird mir mein Fehler bewusst: vier Augenpaare schauen mich an, als hätte meine Anwesenheit sie gerade erst unter einer dicken Eisschicht begraben.

Ich höre eine Grille zirpen.

Auf der anderen Seite des Gartens weht ein Strohballen vor dem Saloon entlang.

Und plötzlich erschallt ein Chor: "NEIN, nich ernsthaft."

Doch, ich bin gekommen. Sogar diesen Menschen ist es nicht vergönnt mich öfter als zwei mal im Jahr zu Gesicht zu bekommen und sie sind über meine Anwesenheit verwundert, zumal ich bereits morgens mitteilte, dass mein Kommen aufgrund der gesundheitlichen Angeschlagenheit fraglich bleibt.

Somit nimmt der Abend seinen Lauf und nach einigen Getränken stört mich das bedusselte Gefühl in meinem Körper auch nicht mehr.

Ich ziehe an der Zigarette und da mir bereits den ganzen Tag die Lunge weh tut fange ich an zu husten. Ich werde gefragt ob ich schonmal dran gedacht hätte damit aufzuhören.

"Klar hab ich das, aber wenn ich drei Tage Durchfall habe ist mein Hintern nach spätestens einem Tag auch vollkommen wundgescheuert vom Toilettenpapier, da überleg ich auch nicht mir den Stuhlgang für den Rest meines Lebens abzugewöhnen, oder?"

Ich gebe zu, dass der Vergleich etwas hinkt.

Im Verlauf des Abends wird sich angeregt unterhalten und mal wieder die ganzen alten Geschichten aufgewärmt. Es bleibt allerdings ungeklärt, ob es nun in Jan's Wohnung in der Blumenstraße oder bereits im Wintergarten in der Mittelstraße war, als die beiden Herren knutschend mit Yvonne und Filo auf dem Sofa versackten, während der kleine fette Sven grummelnd und neidend daneben saß und 90 Minuten "Time of your life" von Greenday abspielt, bis aus den Kissen in der Dunkelheit irgendwann ein genervtes "kannst du nicht was anderes anmachen?" tönt.

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Ich sage, es war in der Blumenstraße und werde mich auch niemals von etwas anderem überzeugen lassen.

Und ich beharre darauf recht zu haben, schließlich blieben mir an diesem Abend Hormonausschüttungen verwehrt und ich hatte genug Gelegenheit mich auf mein Umfeld zu konzentrieren während die anderen beiden in den T-Shirts der Damen verstecken spielten.

Als es beginnt dunkel zu werden werde ich gebeten mich um das Feuer zu kümmern. Wie damals eben.

"Beerchen, leg mal Kohle nach" und ein Sack Holzkohle plumpst mir vor die Füße. Das hat den Hintergrund, dass wir vor einigen Jahren mehr oder weniger versehentlich 48 Stunden im Garten meiner Mutter vebrachten und ich nach der Aufforderung "leg mal Kohle nach" einach den kompletten Sack auf die Glut stellte.

Nach fünf minütigem Schwehlen des Papiers verflüchtigte sich selbiges in einer Stichflamme und wir hatten die kommenden drei Stunden kein Temperaturproblem mehr.

Ebenso legendär "wirf mir mal'n Toast auf'n Grill", wonach ich ein Scheibchen Weißbrot über meine Schulter beförderte. Wer konnte denn ahnen, dass es wirklich mitten auf dem Grillrost landet?

Weitere Legenden aus dieser Zeit: Betreuerbesprechung der Jugendfeuerwehr, Sven sagt "so gehts nicht weiter" und "wir müssen ehrlich miteinander sein". Zehn Sekunden später klingelt mein Telefon.

"Ja?"

"Beerchen, wir sollen doch ehrlich miteinander sein."

"Jo, war so gedacht."

"Ich find dich scheiße."

Gelächter in der Runde, weil der Anrufende direkt mir gegenüber saß. Nein, er findet und fand mich nicht wirklich scheiße, aber Situationskomik kann man schlecht nachvollziehen.

Dennoch reicht noch heute die Andeutung "ich find dich scheiße" um solche Geschichten wieder aufzuwärmen.

Im Laufe des Abends werden aber auch informative und wirklich schöne Gespräche geführt, zum Beispiel unterhalte ich mich sehr schön mit meinem ehemals besten Freund (wobei ich hoffe das "ehemals" streichen zu können) der vor ein paar Jahren nach LEipzig zum studieren zog. Ich bin eigentlich noch immer der Meinung gewesen, dass er dort wohnt, allerdings ist er mittlerweile in Ingolstadt ansässig geworden.

Sachen gibts.

Ein weiteres Gespräch beginnt mit den Worten "du kommst jetzt mal mit", ich folge zum Grill und wird fortgesetzt mit einem lwarm lächelndem "wie gehts dir denn?".

Zugegeben: es ist ein komisches Gefühl zu wissen, dass der beste Freund mit der eigenen Exfreundin zusammen ist.

Dieses Gespräch allerdings war lang überfällig und tut mir im Nachhinein noch immer sehr gut. Ich habe sie damals verlassen. Und das auf keine schöne Weise. Und als ich sie nach über einem Jahr auf dem Weihnachtsmarkt wieder traf bat ich sie hinterher um Entschuldigung dafür diese Fehler begangen zu haben. Kein Trost, das hab ich auch nicht erwartet, sie sollte nur wissen, dass ich weiß wie falsch ich mich verhalten hatte. Und sie nahm diese Entschuldigung an.

So unterhielten wir uns gestern, zum ersten mal nach über eineinhalb Jahren. Wir setzten das Gespräch auch etwas Abseits des Gartens fort um einfach Klarheit zu schaffen wie es uns gegenseitig ergangen war. Es war ein sehr schönes Gespräch und ich bin dankbar dafür.

Sie ist, und das sage ich aus voller Überzeugung, die einzige Frau, die jemals verstanden hat, was mir die Musik bedeutet und bedeutet hat. Und sie war "live dabei", als sich QSE damals auflöste und hat miterlebt, wie ich danach doch recht verstrahlt durch die Gegend rannte. Ich begann mich zu verändern. Sehr.

Ich glaube die wenigsten von Euch können nachvollziehen wie so etwas ist. Versucht es Euch so vorzustellen als hättet ihr mit Eurem Lebenspartner eine Firma gegründet, die all Eure Wünsche, Träume, Hoffnungen und alles was Euch Spaß uns glücklich macht vereint. Und plötzlich geht die Firma pleite und die Beziehung ist vorbei. Nach sechs Jahren ist das eine harte Sache. Und ich stelle schon allein dadurch meine starke Veränderung fest, dass ich heute so distanciert darüber spreche.

Wie das Mädel mir gestern sagte bewundert sie mich noch immer dafür ein so verträumter Kerl zu sein, aber sie ist dankbar, dass sie nicht so ist. Sie meinte, dass sie das so oft denke wenn sie von den anderen mal wieder hört "ach ja, Sven... Den hab ich auch schon lang nicht mehr gesehen, der geht auch gar nicht mehr raus. Mit dem ist nichts mehr zu wollen". Sie war nunmal dabei.

Einen Satz von ihr, den ich wohl nie vergessen werde war etwa drei Monate nach der Auflösung der Band. Da sagte sie nämlich unter Tränen, dass sie sich so oft gewünscht habe die Band existiere einfach nicht, weil ich zwei bis dreimal wöchentlich Proben war, wenn ein Auftritt anstand war auch das gesamte Wochenende hin und auch zuhause hab ich so unendlich viel für die Band getan. Aber der Kerl, der nun vor ihr sitzen würde ist jemand ganz anderer.

Ich glaube wir kamen gestern auf das Thema, weil sie nicht glauben wollte, dass ich seit eineinhalb Jahren keine Freundin habe, sie dann aber andererseits sagte "ist ja auch kein Wunder, wenn du nicht rausgehst und nur WoW zockst". Ich entgegnete darauf, dass sie kurz überlegen solle wie oft wir in unserer Beziehung unter Menschen waren und dass sie es (so wie ich) auch gar nicht anders wollte.

Und sie gestand mir, dass sie selbst sehr gern WoW zocken würde, wenn die monatlichen Kosten nicht wären. Muuuhaha, es sind doch alle Menschen gleich. Und diejenigen, die am lautesten Lachen tun das nur, weil sie selbst zocken wollen.

Eine gute Stunde später gingen wir wieder zurück und hockten uns um die noch immer glimmende Kohlepfanne zu den anderen, der Wahnsinn ging weiter. So viel Bockmist brabbeln... Unglaublich.

Ich als Ältester in der Runde (wenn auch nur ein halbes Jahr im Vorsprung) musste die Jungspunde dann irgendwann allerdings darauf hinweisen, dass sie (wenn sie erstmal mein biblisches Alter erreicht haben) bei solchen Anlässen nicht mehr jeden dritten Satz mit "tja, damals..." oder "die Zeit vergeht" beenden werden.

klar, es war eine unglaublich geile Zeit und die Erinnerungen sind mehr als schön, aber heißt das, dass wir heute keinen Spaß mehr haben können? Ich finde wir haben gestern wieder einmal das Gegenteil bewiesen.

Im Laufe des Abends muss ich allerdings doch feststellen, dass mich ein gewisses Maß an Reife ereilt hat. Nachdem die ersten 60 Minuten nur Ärzte aus dem Laptop hallten musste ich der Runde gestehen, dass ich die Band ja gar nicht mal so geil finde. Und das nach 10 Jahren.

Ok, um Flames zu vermeiden: ich find sie ok und sie sind wahnsinnig gute Musiker, aber das reicht auch. Ich verspüre keine Lust zu einem Konzert zu gehen oder jede CD zu besitzen, jeden Liedtext auswendig zu kennen, etc.

Ebenso gestehe ich Matze, dass er, sollte er jemals wieder nach dem Zocken bei mir schlafen, nicht noch einmal auf die Idee kommen soll mich morgens mit drei Stunden MTV-Programm zu nerven, da es sonst sicherlich die letzte gemeinsame Aktion wäre.

Auf die Frage "wie gehts dir" antworte ich auch Wahrheitsgemäß mit:

"Du weißt wie gut ich meckern kann und auch, dass ich immer meckere, aber eigentlich: gut."

Einen "erkennenden" Stich erfahre ich, als mir gesagt wird, dass man sich besonders über meine Anwesenheit freue, weil schon beim Abschicken der Einladung nie im Leben mit meiner Anwesenheit gerechnet wurde.

Eine weitere Errungenschaft des Abends ist es sich vorher von allen herzlich zu verabschieden bevor ich gehe und mich nicht kleinlaut zurückzuziehen. Die Verabschiedungen fallen allseits ehrlicher aus, als ich es erwartet habe. Niemand macht sich die große Hoffnung mich in den nächsten sechs Monaten noch einmal zu sehen, deswegen auch kein "lass uns mal nächste Woche wieder treffen" oder "was machst du in einem Monat", sondern nur Ehrlichkeit und Freude diesen Abend gemeinsam begangen zu haben.

Beschämt stelle ich fest, dass ich meiner Exfreundin eine Umarmung zukommen lasse, die so anonym ist als wäre sie irgendjemand. Doch ich werde mir dessen noch rechtzeitig bewusst und drücke sie noch einmal herzlich mit einem ehrlichen Lächeln an mich, bevor ich die Heimreise antrete.

Meine Lunge schmerzt mittlerweile so sehr, dass ich die letzte Zigarette vor zwei Stunden geraucht habe. Jeder Atemzug tut weh, ein tiefer Atemzug wird von Hustenanfällen und Erstickungsanfällen gefolgt. Die Kälte ist auch erbärmlich. Der Alkohol wollte trotz Untrainiertheit nicht so wirklich bei mir anschlagen und ich bin mehr oder minder nüchtern, als ich aus dem Haus trete.

Mein Herz rast. Wie so oft wenn ich etwas getrunken habe. In den meisten Fällen beginnt es schon, wenn ich zum ersten Bier eine Zigarette rauche. Sofort merke ich das Pochen in meiner Brust.

So auch jetzt, und all diese Gründe lassen mich die Entscheidung treffen das Fahrrad nach hause zu schieben. Zumal ich auch kein Licht daran habe.

Unterwegs liegt mir so manches Liedgut in den Ohren und ich singe halblaut "Kiss from a rose" und "Boys of summer" mit. Ich würde sie aus voller Kehle schmettern, allerdings würde ich dann röchelnd am Boden liegen.

Auf halber Strecke hält ein Audi neben mir und zwei Herren steigen aus. Ich frage mich schon wie ich wohl morgen mit blauem Auge aussehen werde und ob die Versicherung den Fahrraddiebstal kompensieren wird als sich die beiden Herrschaften als waschechte Polizisten ausweisen.

Was ich denn in einem Insustriegebiet zu dieser Zeit machen würde... Diese Frage klingt, als ob sie mich persönlich und meinen Hang zum nichtrausgehen kennen würden und hinter meiner freitäglichen Reise durch das Dorf einen Raubzug erwarten.

Warum ich denn nicht mit dem Fahrrad fahren würde... Ich bin krank, habe getrunken, es ist saukalt (meine Hand hat Erfrierungen obwohl sie nur bei Schritttempo auf dem Sattel liegt) und ich habe keine Beleuchtung montiert.

Bei meinem letzten Fahrrad wurde im heimischen Fahrradkeller von irgendjemandem das montierte Rücklicht abgebrochen, wenigstens das würde ich anbringen. Ich bin doch eher auf praktischen Nutzen bei meinem Fahrrad orientiert und da ich noch keine batteriebetriebene Frontleuchte entdeckt hab, die mir im Dunklen etwas bringt habe ich leider keine vorrätig. Außerdem will ich ja eigentlich nicht im Dunklen damit fahren, also reicht (mir persönlich) auch eine Rückleuchte, die mich bei diesigem Wetter den Autos bemerkbar macht.

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Das mit der Beleuchtung und dem Trinken hätte ich nicht erwähnen sollen, denn mir wird sofort unterstellt, dass ich bestimmt abgestiegen sei, als ich die beiden Herren in der Ferne im Auto erblickte.

Natürlich.

So bin ich.

Ich bin ehrlich, ich habe natürlich auch darüber nachgedacht, dass auch Fahrradfahrer Verkehrsteilnehmer sind und ich auch auf dem Drahtesel um meinen Führerschien bangen kann. Ich bin jedoch fasziniert davon, dass ich angehalten und angesprochen werde, obwohl ich auf dem Fußweg gehe, das Fahrrad schiebe und ich nicht einmal Schlangenlinienmäßig unterwegs bin. Weiter fasziniert mich die Frage nach meinen Personalien und eine Aufklärung über das Verbot der Einnahme von Betäubungsmitteln.

Während der Eine mit meinem Personalausweis zum Wagen schlurft und sich in der Zentrale über mich erkundigt fragt mich der andere, ob ich einer Urinprobe zustimmen würde. Ich entgegne, dass ich das sofort tun würde, da ich mir selbst nichts vorwerfen kann, ich allerdings erst vor fünf Minuten meine Blase entleert habe.

Ein weiterer Fehler.

Wo ich denn gewesen sei... Ich nenne den Ort und erhasche ein Blitzen in den Augen des Mannes, als er eine neuerliche Chance sieht mich zu schikanieren.

"Herr Beer, Ihnen muss nun folgendes bewusst sein: Wenn Sie tatsächlich Ihr Fahrrad geschoben haben, so wie Sie angeben, dann muss ich davon ausgehen, dass Sie in der Öffentlichkeit uriniert haben. Wenn Sie allerdings bereits vor Antritt des Heimweges auf Toilette waren sind Sie doch im Sattel gesessen, denn zu Fuß benötigt man für die Strecke etwa fünfzehn Minuten.

Außerdem sollte Ihnen klar sein, dass wir auch andere Wege haben nachzuweisen, ob Sie BTM konsumiert haben."

Meine Güte... Die Herren wirken in etwa so kompetent wie ein Maurer bei einem Schnupperkurs im vierten Semester Mathematik an der Uni. Allerdings bewundere ich den Enthusiasmus eines FBI-Agenten, der einen Ladendiebstal untersucht bei dem Mann.

In diesem Moment kommt allerdings sein Kollege zurück und gesteht beinahe bedauernd, dass gegen mich nichts vorliegt. Er überreicht seinem enttäuschten Kollegen meinen Personalausweis und ich hole mir eine Standpauke dafür ab, wie ich es mir denn erlauben könne mit diesem Dokument herum zu laufen, welches bereits seit zweieinhalb Jahren abgelaufen ist.

Ich erhalte eine knappe Verabschiedung und den Nachsatz, dass man meine Personalien festgehalten habe und für mich hoffe, dass kein Fahrraddiebstal oder ein Einbruch für die heutige Nacht gemeldet werde.

Die Herren fahren ab.

Ich schaue dem Wagen hinterher bis sie in die nächste Seitenstraße biegen.

Ist es Amtsanmaßung, wenn ich jetzt gestehe in Gelächter ausgebrochen zu sein? Man könnte mir allerdings nichts nachweisen, da es in etwa so klang: "HmpfaaahahaHUSTHUSTHUSTHUST."

Ich schiebe weiter.

Was war nun das größere Verbrechen: dass ich ein Fahrrad ohne Licht durch die Nacht schiebe oder dass ich die Frechheit besitze ihnen keinen Grund gegeben zu haben mich zu verwarnen, heim zu fahren oder in die Todeszelle gesteckt zu werden?

Als ich zuhause ankomme stelle ich das Fahrrad in den Keller und schleppe mich die Treppen hoch. Meine Güte, wie anstrengend! Ich habe wahnsinnige Atemnot als ich in der dritten Etage angelangt bin.

Es ist beinahe zwei Uhr.

Ich setze mich noch kurz an den Laptop und lese eine eMail, die ich eigentlich noch beantworten möchte, allerdings sind meine Krankheitssympthome wärend der Heimreise wieder wahnsinnig gravierend geworden, sodass ich tierische Kopfschmerzen habe, mein Puls bei 160+ liegt (ich habe mitgezählt) und ich kaum Luft bekomme.

Ich verschiebe das also auf den nächsten morgen.

Und dieser beginnt für mich bereits um sechs Uhr, mit strahlendem Sonnenschein und Erleichterung. Es geht mir nicht wirklich gut, allerdings hatte ich damit gerechnet, dass es mir auf Gutdeutsch beschissen geht. Allerdings habe ich nur ein leichtes Wattegefühl im Kopf, das Bisschen laufende Nase ist zu verschmerzen und die Lunge tut auch nicht so weh, wie ich es erwartet hatte.

Somit widme ich mich wieder Prince of Persia, was ich gestern irgendwann wieder raus gekramt hatte.

Mittlerweile habe ich wieder die nötige Bettschwere, allerdings muss ich noch herausfinden was mir mehr bringt: Schlafen, Physik oder Informatik.

Während ich das versuche heraus zu finden werde ich weiter den Prinzen durch den Palast scheuchen und die Schergen der Dunkelheit ein wenig aufmischen.



Den gestrigen Abend möchte ich nicht missen und wenn jede freizeitliche Aktivität von mir so aussehen würde könnte ich mich sicherlich auch öfter für dergleichen begeistern. Aber das nächste Mal bitte gesund, das ist nicht so nervig.



Zum Abschluss noch ein Foto aus der Reihe "Samsung machts möglich". Das ist im Endeffekt das gleiche Foto wie das Obige, allerdings hab ich die Kamera ein Stück zu weit nach oben gehalten und die strahlende Sonne überforderte wieder einmal den Autofokus.

so-aehnlich.jpg


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:)
mir fällt gar nicht so recht ein, was ich schreiben soll. ich sitze nur mit einem lächeln da. es tut gut das zu lesen !
 
Das freut mich.

Ich überlege seit ein paar Tagen wie ich mein Versprechen einlöse Zarkon (und dich natürlich auch) aktiv in einen "epischen" Blog mit einzubauen, allerdings muss ich gestehen, dass ihr beide Mitschuld daran tragt und euch mein epischer Dank dafür sicher ist =)

Hab noch einen Aspekt des Bähtags vergessen obwohl ich seit gestern morgen bereits darüber schmunzelte euch das mitzuteilen, aber der Edit würde nun untergehen, darum hier:

Absolut bäh fand ich auch, dass ich wieder einmal eine angenehme Dusche in eine wasserverschwendende Umweltkatastrophe ausweitete, das 30-minütige Genießen des heißen Wassers tat meinem verspannten Nacken allerdings wahnsinnig gut. Weniger gut fand ich in diesen 30 Minuten jedoch, dass ich mich drei Mal beim Rasieren geschnitten habe. Und nicht ein Mal davon im Gesicht. Bäh!

;)
 
Hm, versteht man den Satz so wie ich ihn schrobte? Ich weiß noch nicht wie der Blog aussehen wird, aber ihr tragt Mitschuld am Gelingen des gestrigen Abends. So in etwa ^^
 
Ich ärger mich ja bis heute überhaupt angefangen zu haben, aber ja: hin und wieder denk ich drüber nach... Bis zum zweiten Kaffee des Tages.
 
das rauchen jaja....^^ wer will nicht aufhören ?? ^^
auf den epischen blog kann ich mit geduld warten :) es wird sicher sehr gut, wie alles was du schreibst *jedeswortgenießt*
du hast dich nicht 3 mal im gesicht geschnitten ? ^^ ich habe mir schon mehrmals den zeigefinger-nagel abgesäbelt, das blutet ganz gut und sieht nicht schön aus, und das nicht beim hände rasieren oO
ach rasieren ist schnick-schnack ^^ oder ? nein es sieht einfach besser aus :) *find*
 
Nee, dafür an drei verschiedenen anderen Stellen -.- Das blutet auch.
Den Fingernagel treff ich auch regelmäßig, worauf der Türke aus meiner Klasse immer lachend meint "ihr Deutschen könnt nix, nichtmal MIT dem Strich rasieren" ^^

Bleibt jedem selbst überlassen wo er/sie/es sich rasiert, solang er/sie/es sich wohl fühlt.
 
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