Moral in Computerspielen

Compa

NPC
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11.09.2007
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Ich spiele gerade Bioshock, ein wunderbares, stimmiges Spiel aus dem Hause 2k Games. Der Protagonist des Spiels gelangt nach einem Flugzeugabsturz über dem Meer in eine unheimliche andere Welt. Er kommt in die Stadt Rapture, diese ist auf dem Meeresboden gebaut und mit allem Schnörkel versehen den die 50er Jahre zu bieten hatten. Die Musik ist zeitgenössisch und tut eine Menge um den Spieler sofort in der Stimmung des Spiels gefangen zu nehmen. Diese schwankt zwischen Horror und milder Klaustrophobie. Durch meist dunkle Passagen kämpft man sich durch die herruntergekommene Stadt, irgendetwas ist passiert, etwas ging mächtig schief. Man findet Leichen, man wird angegriffen von völlig durchgeknallten maskierten Freaks. Und doch muss man immerwieder innehalten um die atemberaubende Schönheit dieses morbiden Ortes zu inhallieren. Ich trete durch ein schwere Stahlschott und es dringt Musik an mein Ohr (Bei mir bist du schön), im nächsten Moment höre ich die verrückten Schreie der Splicer, so werden diese letzten Überlebenden genannt, sie stürmen auf mich ein, schlagen mit Zangen, Messer und Rohren nach mir. Andere stehen in der zweiten Reihe und schiessen auf mich. Alles geht völlig durcheinander und die ganze Zeit höre ich 'Bei mir bist du schön'.

Ein wunderbares Spiel das es geschafft hat nicht vom Hype um die eigene Sache gefressen zu werden. Andere Spiele wie zum Beispiel Stalker haben das in meinen Augen nicht geschafft. Ganz grosses Tennis dieses Spiel. Eine Situation die es mir besonders angetan hat ist die um die 'little sisters'. Das sind Mädchen die genmanipuliert wurden um eine gewisse spielrelevante Substanz zu sammeln und zu erzeugen. Diese Mädchen im Alter von, ich schätze mal, 6-8 Jahren werden von ihren 'Big Daddies' begleitet. Riesige, schwergepanzerte Zeitgenossen deren ganzer Lebensinhalt es ist ihre 'little sister' zu schützen. Denn diese Substanz (Adam) ist für alle Einwohner Raptures von Interesse, auch für mich. Denn mit Hilfe von Adam ist man in der Lage sich selbst genetisch zu verändern und Fähigkeiten zu erlangen die weit jenseits dessen liegen was man von ordinären menschlichen Körper gewohnt ist. Man kann Blitze aus den Finger schleudern oder sich selbst entzünden und seine Gegner einäschern. Schon früh im Spiel vermittelt ein Nsc mir wie wichtig es ist an Adam zu kommen, denn ohne Adam würde ich in Rapture nur sehr, sehr schwer vorankommen.
Als ich dann auf die erste little sister treffe deren Big Daddy von Splicern umgelegt wurde, werde ich vor eine Entscheidung gestellt. Ich habe zwei Möglichkeiten. Entweder ich 'ernte' das Adam von der kleinen Schwester und bekomme dafür eine grosse Menge an Adam, töte sie aber bei diesem Vorgang. Oder ich heile sie und bekomme dafür wenig Adam aber das Lächeln eines kleinen Mädchens.[SPOILERENDE]

Ich musste nie darüber nachdenken welche Entscheidung zu treffen sei. Ich heile die Mädchen grundsätzlich. Ich habe nicht einmal das Spiel gespeichtert um mir anzusehen wie die andere Option dargestellt wird, ich will es nicht wissen. Ich sitze ziemlich viel vor dem Computer und spiele. Ich habe bestimmt schon 'ich weiss nicht wie viele' Spiele gespielt und ich glaube das wenn man sich soviel mit dem Medium auseinandersetzt, das es dann sehr wichtig ist auf seine moralischen Befindlichkeiten auch während des Spielens zu hören. Bei Stalker gab es Mordaufträge die durch reine Habgier motiviert waren, ich habe diese Missionen nicht angenommen, denn ich würde mich dabei nicht mehr gut fühlen. Bei WoW wurde ich als Taurenkrieger durch die Dörfer bei Hillsbrad gejagt und sollte dort Bauern umlegen. Dabei war es da total idyllisch und friedlich, es gab keinen Grund dort einfach einzudringen und diese Bauern zu töten. Es ging mir echt schlecht als ich dieses Quest damals hinter mich brachte.

Ich weiß nicht was diese Sensibilität bedeutet. Andere lachen mich aus wenn ich ihnen davon erzähle und sagen daß es sich doch nur um ein Spiel handeln würde. Ich weiss das es das ist, aber mit manchen Dingen möchte ich einfach nicht mal aus Spaß rumprobieren. Vielleicht liegt es auch daran das ich soviel und intensiv spiele, wenn mich ein Spiel begeistert dann kann ich darin abtauchen. Vielleicht heisst es auch das ich zuviel spiele und nicht mehr trennen kann. Wichtig bleibt für mich das ich meinen eigenen Befindlichkeiten folge und mich nicht durch das Angebot eine moralisch zweifelhafte Tat in einem Spiel zu begehen dazu hinreissen lasse es auch zu tun. Denn ich glaube das uns damit suggeriert werden soll das es völlig ok ist so etwas zu tun. Doch wenn man sich an so etwas gewöhnt setzt das gewisse Schwellen runter. Und damit meine ich nicht das der Spieler dann losgeht und Leute erschiesst. Ich denke nicht das einem gesunden Spieler so etwas geschehen würde. Ich meine damit das etwas in uns kaputt geht. Ich weiss noch ziemlich gut wie ich bei einem Kumpel (Hallo Ri!) das erste Mal Unreal Tournament vorgeführt bekam. Im höchsten Zoomfaktor wurden da mit einem Scharfschützengewehr die Köpfe von den Gegnern zerschossen, so daß diese blutig und aufwendig animiert zerplatzen. Nach ein paar Minuten zusehen war mir tatsächlich übel. Nach jeden Filmschnipsel in dem ich solche Gewalt mit ansehen musste, nach jedem Stück Text in dem ich so etwas las, besonders erwähnen möchte ich hier die Schilderung der Vorgänge in El Salvador während der 80ger Jahre in Noam Chomskys 'What Uncle Sam really wants' Seite 38-39, geht etwas in mir unwiderruflich verloren. Ich merke wie etwas zerbricht. Oft kann ich dann tagelang keinen klaren Gedanken fassen weil mich die Bilder dessen bespuken was ich dort erfahren habe.

Ich denke wir sollten sehr sensibel mit dem Thema Gewalt umgehen, egal welcher Natur diese Gewalt ist. Wir sollten uns nicht erzählen lassen was ok ist und was nicht. Wir sollten auf unsere Herzen hören und dann entscheiden. Denn schließlich sind wir für unsere Taten selbst verantwortlich und können nicht irgendwann sagen ich habe das nur getan weil alle das taten. Das wurde schon versucht und hat nichts gebracht. Wir sollten besonders unsere Kinder vor solchen Einflussnahmen schützen und sie anleiten wie man so etwas erkannt und wie man damit umgeht. Ich mache mir wirklich sorgen um die Spieler die die 'little sisters' töten um an ihr Adam zu kommen, ich frage mich was das für Menschen sind. Ob ich mich mit denen verstehen würde. Es würde mich auf jeden Fall sehr irritieren, aber dann auf der anderen Seite ist es auch wieder 'nur' ein Spiel.
 
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