Hab mal vor ein paar Wochen ein Review zum Album "Blood Mountain" von Mastodon verfasst. Zwar nicht DAS Lieblingsalbum von mir, aber ich finde es trotzdem klasse und außergewöhnlich.
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Musik kann als wohltuende Untermalung bei einer gemütlichen Autofahrt zur Arbeit dienen, als Soundtrack für die unterschiedlichsten Situationen und Facetten des Lebens, als dezenter Begleiter beim Abendessen im flackernden Kerzenlicht auf der Terrasse in lauwarmen Sommernächten oder als laut durch gut gefüllte Busse und Züge aus Handys von Jugendlichen schallende Nervensäge, die die Mitfahrer vermehrt zum genervtem Kopfschütteln anregt. Musik besitzt viele Formen, Einsatzgebiete und (Klang)farben und somit sind die oben genannten Beispiele nur ein kleiner Auszug.
Seit ich das 3.Album der 2000 in Atlanta, Georgia gegründeten Metalband Mastodon, „Blood Mountain“, so der Name dieses Werkes, zum ersten Mal hörte, durfte ich eine neue Art der Musik kennenlernen. Jene, die bis in die tiefste Gewirre deines Innersten vordringt, es mit wuchtigen Schlägen unglaublichen Progressive Metal zum Zittern bringt und einen nicht glauben lässt, dass es sich dabei nur um Musik handelt und nicht um eine neue Daseinsform, die in Form von Tönen und Klängen dein Gehirn zum Rotieren und Nachdenken bringt.
Ich dachte, ich wäre auf all dies vorbereitet, da ich ja bereits das neue Album aus dem Jahre 2009, „Crack the Skye“, von ihnen rauf und runter gehört hatte und mich dann an die älteren Werke wagen wollte. Dies sollte sich als Trugschluss erweisen.
Der Name Mastodon steht eigentlich für eine Gruppe von urzeitlichen Rüsseltieren, dem breiteren Publikum bekannt unter dem Begriff „Mammuts“, die unsere Erde vor vielen Jahrtausenden durchstreiften. Und genau wie jene majestätischen, gewaltigen Tiere bricht auch die Musik der gleichnamigen Band mit stampfenden Schritten hämmernder Drums, mit urzeitlicher Kraft geshredderten Gitarrenriffs und kraftvollem, wandlungsfähigem Gesang, den man nicht einmal einem solch riesigen Rüssel entlocken könnte, über den Zuhörer herein und lässt ihn erstarren vor dem Berg, der sich vor ihm erhebt.
Der Fuß des musikalischen Massivs bildet der Song „The Wolf is loose“ der Aufstieg beginnt. Ein treibender Drumpart am Anfang, der sehr an Free Jazz erinnert, geht direkt über in growlenden Gesang vom E-Bassisten Brent Hind und aufheulende Gitarren, der schnelle Rhythmus versiegt nicht und das Drum-Muster vom Anfang erkennt man immer wieder zwischen den mitreißenden Strömen der Musik, bis das Lied dann leicht langsamer wird und der Gesang cleaner, sich aber keine allzu lange Verschnaufpause gönnt und sofort weiterzieht. Zum ersten Mal wird man auch Zeuge der leicht sphärisch angehauchten Gesänge von Troy Sanders, der bereits vorhin zusammen mit Brent Hind die tiefgreifenden, durch das dem Album beiliegenden Booklet ihre ganze Faszination entfaltenden Texte, die sich nur sehr schwer zusammenfassen lassen. Jene sphärischen Gesänge werden auch in späteren Songs wiederkehren und vermehrt zur mystischen Atmosphäre des Albums beitragen. Nach den sphärischen Ausflügen wird der Song wieder gemächlicher, getragen von Brent Hinds kraftvoller Stimme. Kurz drauf setzt dann wieder der Anfang des Liedes ein, der schließlich in noch einmal zur Höchstform aufsteigenden Instrumenten endet.
Nach diesem kraftvollen Auftakt atmet man erst einmal tief durch. Der blutige Berg besteht übrigens hauptsächlich, wie man bemerkt, als man mit dem Song an der Oberfläche dieses Albums kratzt, aus Erde. Denn „Blood Mountain“ behandelt wie seine Vorgängeralben eines der vier Elemente: Feuer wurde bereits im Erstling „Remission“ behandelt, danach folgten die Tiefen des Wassers in „Leviathan“, in „Blood Mountain“ ist es die Erde und im 2009 erschienen Nachfolger „Crack the Skye“ schlussendlich nicht etwa wie erwartet das vierte fehlende Element, die Luft, sondern das Äther, das von Aristoteles als Quintessenz der vier Elemente bezeichnet wurde.
Auch das zweite Lied, „Crystal Skull“, das diesmal allerdings deutlich verträumter daherkommt, beginnt mit einem Drumpart, der jedoch plötzlich von einschlagenden Meteoriten aus Gitarrenbreaks und aufkeimendem Growl-Gesang heimgesucht wird.
Auch dieser Song ist mit sehr eingängigen Melodien versehen, man erkennt trotz der in die Höhe ragenden Gitarrenwände und Songteppiche wiederkehrende Muster und greift sich an Anhaltspunkte in dem von Rythmusbrüchen heimgesuchten Lied. Der Song gipfelt schließlich in zwei in langen Growls untergebrachten Wörtern, die die Lyrics ausklingen lassen und in ein packendes Gitarrensolo münden, bis der Song schließlich zur Ruhe kommt.
Unter dem Massiv des Berges regt sich der „Sleeping Giant“, das dritte Lied. Die Gitarren spielen zunächst eher ruhig, untermalt vom Drumset, das dann schneller wird und die Klampfen mitzieht, bis diese schließlich sich in progressive, sphärische Klänge wandeln, die sich akrobatisch in unerreichte musikalische Gefilde schrauben und verspielt wirken.
Dann wird der Song wieder langsamer, in gemächlichem, erhabenem Tempo wälzt sich der Gigant voran und erhebt sich in seiner ganzen Größe, sehr „doomig“ und mit ebensolchem Gesang untermalt. Dann setzen wieder die progressiven Klänge ein, der Titel fährt auf den üblichen Bahnen, bis dann undefinierbare Wörter durch die aufpeitschenden Songwellen klingen und cleaner, beinah an Sprechen erinnernder Gesang erinnert. Im letzten Songteil dann werden die Gitarren noch einmal hochgefahren und der Rhythmus ändert munter seine Struktur zwischen den beiden Gesangstücken, ehe der schlafende Gigant mit letzten aufzuckenden Klängen verstummt.
Der darauffolgende Song „Capillarian Crest“ beginnt mit den typischen, aufschäumenden Gitarrensaiten, begleitet von Brent Hinds von Shouts heimgesuchten Gesang, bis dann nach einer Minute schließlich ein beeindruckender Akustik-Part beginnt, in dem die Gitarren in haarsträubender Schnelligkeit, getragen von den peitschenden Drums, die gelegentlich immer wieder Ausflüge jenseits der Rythmusgrenzen zelebrieren, was sehr dem schon so ertragreichen Abwechslungsgehalt des Songs zugute kommt. Schließlich fährt die Musik einen Gang nach unten, der Gesang kreist leicht beschwingt über langsameren Gitarrenklängen, bis diese urplötzlich wieder an Geschwindigkeit gewinnen und Brent Hinds Stimme an Aggressivität, ein mit der Schnelle des Lieds fliegenden, sehr gelungener Part.
Mit leise aufkeimenden, ihrer Bedrohung durchaus bewussten Klängen nähert sich das nächste Lied über die felsigen Massive des Gipfels, „Circle of Cysquatch“, dessen Namen entfernt an den legendären Sasquatch, besser bekannt unter dem Namen „Bigfoot“, erinnert, auch eine Kreatur der Erde. Aufpeitschende Trommelklänge strömen einem entgegen, und ein mit erneuter Wucht einsetzender Gesang, der von Brent Hinds und Troy Sanders abwechselnd weitergegeben wird, erklingt über schnellen Klängen, bis die Konsistenz des Songs sich schlagartig ändert, die Gitarren dann wieder „doomig“ werden und man zum ersten Mal den beunruhigenden, tiefer ins Bewusstsein dringenden Zutaten des Albums begegnet. Der fremdartige, stark verzerrte Gesang, den man nur schwer einem Menschen zuordnen könnte, der aus den Boxen schallt, lässt zum ersten Mal erkennen, wie nahe man sich mit jedem Takt dieses tobenden Musikorkans am Rande des Wahnsinns bewegt. Der Gesang endet dann schließlich auch und entlässt den Zuhörer in langsam sich zusammenfallende Gitarrenkracher, von tiefem, urigen Bass durchdrungen, mit zahlreichen Crashs des Drumsets begleitet, wieder unterlegt von growlendem, aber wenigstens menschlichem Gesang.
Der nächste Song dann, „Bladecatcher“, der ins Deutsche übersetzt „Schwertfänger“ bedeutet, ist ein rein akustischer Song und beginnt mit schnellen, aber eher ruhigen Gitarren. Gerne lässt man sich auf diese leicht nervösen Klänge ein, bis man dann schließlich von aufpeitschendem Gitarrenaufheulen vorm Einlullen gerettet wird. Gitarrenakkorde schrauben sich in die Höhe, und dann fällt man in die Tiefen des Wahnsinns. Der akustische Hirnverdreher, der nun folgt, mit bis zur Unkenntlichkeit verzerrten Gitarren und in unglaubliche Himmelsgefilde der Schnelligkeit jagende Drums, sucht seinesgleichen und wird wohl auch Death Metal und Grindgore-Anhänger begeistern. Trotzdem, auch unter ihnen werden sich einige befinden, die sich wie ich am Anfang kopfschüttelnd fragen, wie man sich nur so etwas anhören kann. Aber das Lied ist so faszinierend in seiner Wucht, mit der es auf die Trommelfelle einprügelt und demonstriert die virtuose Spielfähigkeit der amerikanischen Metaltruppe.
Nach diesem unglaublichen Stück braucht man wieder eine Pause, bis man weiter oben am Berg die Wälder des „Colony of Birchmen“ erblickt, die laut dem wieder sehr mystisch angehauchten Text sehr schnell wachsen und mit lauter Geheimnissen gespickt sind. Dieser Song stellt aufgrund seines wunderbaren, hymnischen, zum Mitsingen anregenden Refrain, der wieder sehr verspielt wirkt, mit äußerst gelungen Melodieläufen der Gitarren gepaart meinen persönlichen Lieblingssong auf dem Album dar. Am Ende mündet der Refrain schließlich in ein immer schneller werdendes Solo, das mit wachsender Geschwindigkeit und Erhabenheit aufs Ende zurast.
Am Himmel über dem Berg erblickt man schließlich die umherkreisenden „Hunters Of The Sky“, die am Anfang eher gemächliche Kreise ziehen, bis dann wieder ein sehr an „The Wolf is Loose“ erinnernden Drumpart und Gesang einsetzt, mit einem in die sphärischen Höhen des Himmel davon schwebenden Refrain. Nach diesem gewinnt der Song kurzzeitig in einem mitreißenden Akustikpart wieder an Schnelle, durchbrochen von wieder verlangsamenden Parts, der dann wieder zum Refrain zurückkehrt. Das Ende erinnert dann wieder an „Circle of Cysquatch“, mit den nach unten stürzenden Gitarrenparts. Insgesamt wirkt er also wie eine Mischung aus vorherigen Songs, bewahrt aber eine gewisse Eigenständigkeit.
Die „Hand Of Stone“ erhebt sich vor einem auf dem Weg zum Gipfel des „Blood Mountains“, der nach einem wieder mit tiefen Gesängen durchsetzten Anfang in der 1.Minute schneller wird, um dann schließlich in den Refrain zu gelangen, getragen von Brent Hides dieses Mal „shoutigen“ Gesang. Der restliche Songs dann wird dann weiterhin von den sich eher zurückhaltenden Drums getragen, bis er dann schließlich in einem explodierenden Feuerwerk aus schnellen Riffs endet.
Das Ende der Reise nähert sich, „This Mortal Soil“ wirft seine Schatten voraus. Sehr progressive, melodische, langsame Schatten, die schließlich in verträumt wirkende und weiche Melodienläufe münden, getragen vom sphärischen, wunderbaren Gesang Troy Sanders, der zum Entschweben in Gefilde jenseits des menschlichen Bewusstseins anregt.. Der darauffolgende, sehr eingängige Rhythmus und Brent Hides den Zuhörer auf den Boden der Tatsachen zurückholender Gesang lassen das Träumen kurz unterbrechen, bis nach einigen Riffs dann schließlich ein Wasserfall an herabstürzenden Gitarrwänden, sehr schnell und virtuos gespielt, über einen hereinbricht, die dann schließlich wieder gemächlicher werden und der vom Anfang gewohnte sphärische Gesang wieder einsetzt, der an „Black Sabbath“ erinnert, mit Anleihen aus den 70ern und 80ern und dem Free Jazz, die das ganze Album über immer wieder hervorblitzen.
Es wird kälter am Gipfel, „Siberian Divide“, der zweitletzte Song steht bevor. Dieser Song wird am Anfang von Troy Sanders cleanem Gesang getragen und ist nicht besonders hervorzuheben, da er die gewohnt genialen, progressiven Riffs mit sehr abwechslungsreichen Drumparts genau wie seine Vorgänger vereint, aber nichts Außergewöhnliches bietet, nur am Ende dann durch anscheinend hochgepitchten Gesang wieder an Eigenständigkeit gewinnt.
Der Gipfel des „Blood Mountain“ liegt vor euch, in seiner ganzen erhabenen Pracht, und „Pendulous Skin“ lässt ein letztes Mal die Erde erbeben. Der hallende, echohafte Gesang, der in der Ferne verrinnt und zerbrochen wirkt, schwebt über einem von eher „sanft“ angezupften Gitarrensträngen durchsetzten Klangteppich. Das Solo kurz vor der 4. Minute des Songs ist dann auch wieder sehr ausschweifend und mit wunderbarer Spielfreude vollbracht. Anders als die anderen Songs des Albums scheut sich „Pendulous Skin“ vor abrupten Rythmusänderungen und aufkreischenden Gitarren und bleibt seiner Linie treu. Dann endet das Album schließlich, gefolgt von 10 Minuten Leerlauf, in denen nichts passiert, bis dann am Ende noch eine lustige Meldung eines angeblichen Fans(in diesem Falle Josh Homme, Sänger und Gitarrist der „Queens of the Stone Age“.)folgt.
Nachdem ich also den Olymp mehrmals erklommen hatte, eröffneten sich mir immer mehr die zahlreichen Facetten dieses von tiefen Adern musikalischen Könnens durchwirkten Gebirgsmassivs.
„Blood Mountain“ ist verschachtelt, dicht, besitzt komplexe Songstrukturen mit beeindruckenden Klangteppichen und die Produktion ist sehr gelungen. Nach dem ersten Hören scheint es sich nur um ein Chaos aus Klängen zu handeln, nach mehrmaligem Hören erschließen sich einem eine gewisse Struktur und rote Linie, die sich durch das gesamte Album zieht und immer wiederkehrende Motive und Anleihen besitzt. Am besten aber sollte man mit „Crack the Skye“ beginnen, wenn man die musikalischen Gefilde von Mastodon erkunden möchte, dann „Blood Mountain“ ist vor allem eins: schwer zugänglich. Man muss Progressive Metal mögen, besonders solchen hirnverrenkenden, beinahe an den Wahnsinn grenzenden, der aber gleichzeitig Hand in Hand mit der Genialität dieser Band geht. Manche verspielten und komplett durchgeknallten Riffs bzw. Solos(hier sei besonders „Bladecatcher“ hervorzuheben“)lassen natürlich eine gewisse Selbstdarstellung durchblitzen, aber die darin enthaltenen Melodienbögen sind einfach nur eine akustische Wucht.
Insgesamt ist dieses brilliante Meisterwerk also wirklich empfehlenswert für Fans der härteren Musikbereiche, die sich Zeit nehmen, sich in solche Musik hineinzuarbeiten.
Aufgrund der hirnverdrehenden Akustik ist das Album aber wohl nur bedingt fürs gemütliche Autofahren, wohl mundendes Abendessen oder zum lauten Hören im Bus oder Zug geeignet.