[RP] Reue und Sühne -- 6. Kapitel

Melian

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6. Kapitel -- eine lange Reise

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Yoran schaute auf die zerstörten Überreste mehrerer Untoten, die verstreut um ihn herum lagen. Er spürte die unbändige Freude, die die Stimme in ihm hatte, wenn sie diesen verabscheuungswürdigen Kreaturen Schaden zufügen konnte. Er hatte streng geachtet, dass er die Lehren über die Schatten vor sich selber verschloss, doch auch heilige Zauber waren sehr erfolgreich im Kampf gegen die Untoten. Vielleicht sogar erfolgreicher.
Aber dennoch hatte er die Gelüste gespürt, die der Andere hegte. Und seine Wut. Seine Wut, die immer noch in ihm loderte, und die Yoran spüren konnte, als wäre es seine eigene. Was sie auch in gewisser Weise war.
„Mach mir Platz“, forderte er den Anderen in Gedanken auf. „Es ist Zeit. Sie erwartet mich.“ Der Andere schnaubte unwillig. Yoran konnte den aufkeimenden Gedanken spüren, draussen zu bleiben, Yoran nicht mehr zu lassen. „Du hast es versprochen“, erinnerte er den Anderen. Dieser zögerte immer noch. „Jetzt!“, forderte Yoran, und zwang den Anderen gewaltsam zurück in die Tiefen seines Kopfes. Als er wieder die Kontrolle über den Körper hatte, schüttelte er erst einmal genervt den Kopf. Er hatte Hosen an. Yoran hasste Hosen! Er machte sich auf den Weg nach Tristessa, wo er in einem Zimmer des Gasthauses eine Robe überwarf und eilte dann zum Windreitermeister.

Er musste sie nicht lange suchen. Sie erwartete ihn bereits vor dem Gasthaus, das nahe am Eingang von Silbermond lag. Als er sie, zögerte er einen Moment lang und betrachtet sie nur. Seine Erinnerung hatte ihn nicht getäuscht, sie war so.. „Denk gar nicht drüber nach“, unterbrach die Stimme des andern ihn gehässig in seinem Gedankengang. „Vergiss nicht, dass ich auch hier bin!“
Yoran trat auf Nimmera zu und begrüsste sie mit einem leisen „Anu belore“, ihrem Blick ausweichend, dennoch konnte er das Lächeln auf ihren Lippen aus dem Augenwinkel sehen.
„Ah, Yoran. Schön, dass du gekommen bist. Lass uns schnell aufbrechen.“, sagte sie, in ihrem Ton schwang eine leuchte Euphorie mit, während sie mit einigen schnellen Schritten auf die Strasse der Urahnen hinaustrat und zielstrebig in Richtung der Portalkugel lief, die Silbermond mit Unterstadt verband. Yoran, der nicht einmal den Weg nach Mulgore wusste, folgte ihr nur gehorsam und schwieg.

Nach einiger Zeit hatten sie bereits Orgrimmar erreicht und Yoran konnte nur noch staunen. Soviel hatte er über Durotar gelesen, über die Orcs, über Orgrimmar. Doch er war nicht vorbereitet auf die staubige Hitze, die sich sofort über ihn legte, als sie Durotar erreicht hatten. Er konnte die Trockenheit des Landes förmlich schmecken, seine Kehle fühlte sich sofort ausgedörrt an. Er schüttelte den Kopf über soviel Einbildungskraft. Erstmals brach er sein Schweigen. „Dieser Ort.. er ist faszinierend“, sagte er mehr zu sich selbst, als zu Nimmera. „Du warst noch nie hier, oder?“, sagte diese und beobachtete ihn, der staunend auf der Zeppelinplattform stand und mit leichter Ehrfurcht in Richtung der riesigen Stadt spähte, die sich weiter vorne vor ihnen auftat.

„Der direkte Weg nach Mulgore führt nicht über Orgrimmar. Aber wir können gerne kurz vorbeischauen, wenn du willst.“ Und ob er wollte. Mit weiten Schritten sprang er fast schon das Innere der Zeppelinplattform herunter und betrat erstmals den Boden von Durotar. Er bemerkte gar nicht, dass Nimmera seinen langen Beinen und Schritten kaum folgen konnte. Er lief zielstrebig auf das grosse Eingangstor von Orgrimmar zu, welches sich in einer faszinierend einfachen und dennoch majestätischen Grösse vor den Besuchern aufbaute. Es hatte eine solche Masse, Yoran fühlte sich unmittelbar ganz klein. Unbedeutend. Sogar der andere in ihm staunte durch seine Augen auf das Tor und schwieg ausnahmsweise mal.
Plötzlich hörte er neben sich ein lautes Atmen und er schreckte hoch. Nimmera hatte ihn eingeholt, aber sie hatte anscheinend laufen müssen dafür. „He, nicht so schnell.. Deine Beine sind länger als meine.. Bedeutend länger“, sagte sie und grinste leicht, als sich Yorans Wangen sofort rot verfärbten und er peinlich verlegen den Blick abwandte. „Na.. Komm, gehen wir rein.“

Seine Augen blieben erstaunt geöffnet. Oft wünschte er sich, mit Nimmera die Grösse tauschen zu können, um sich hinter ihr zu verstecken. Wie selbstsicher sie sich ihren Weg durch all die Trolle und Orcs und Untoten bahnte. Vereinzelt erspähte Yoran sogar einige Tauren, die sich gemütlich fortbewegten. All dies war so neu für ihn. Und er musste zugeben, für ihn besassen all die fremden Wesen eine durchaus furchteinflössende Präsenz. „Schwächling“, murmelte die Stimme in ihm, ein Seufzen in Gedanken imitierend. „Wäre ich bloss hier..“ „Du bist aber nicht hier“, gab Yoran scharf zu Antwort, und straffte sich sofort, reckte seine Schultern ein wenig hoch und versuchte, nicht eingeschüchtert zu wirken.

Sie gingen zusammen zum Windreitermeister, damit der sich Yorans Gesicht einprägen konnte (oder eher gesagt, seine Münzen annehmen konnte, mit dem sich sein Gedächtnis sicher lange halten würde). Er versprach, ihm einen Windreiter zu jeder andern Station zur Verfügung zu stellen, wenn er dort ebenfalls bekannt war (beziehungsweise, wenn er die dortigen Windreitermeister bezahlt hatte, ihn zu empfangen.) Vom Windreitermeisterturm hatten die beiden Sin´dorei einen guten Ausblick auf den vor ihnen liegenden Stadtteil. Nimmera nannte ihn „Das Tal der Stärke“ und zeigte ihm die Dächer des Auktionshauses, des Gasthauses und das runde, einladende Dach der Bank, auf dem sich bereits einige Wesen niedergelassen hatten. Ein Troll rauchte Trollkraut und liess seine langen, schlaksigen Beine über das Dach baumeln. Ein Orc hielt auf seine Axt gestützt Wache und ein zweiter redete auf ihn ein. Yoran konnte nicht verstehen, was er redete, aber da beide immer wieder lachten, klassifizierte er das Gespräch als freundliche Unterhaltung. Yoran atmete die heisse, staubige Luft ein, die in Orgrimmar noch ein wenig von den alltäglichen Stadtgerüchen angenommen hatte. Er roch den Schweiss vieler Wesen, er roch Unrat und Müll. Und dennoch… Orgrimmar gefiel ihm.
„Halt“, dachte Yoran schnell. „Orgrimmar gefällt dir, nicht wahr. Nicht mir?“ „Gut geraten. Das hier ist eine Stadt meines Geschmackes.“ Yoran konnte sich das hämische Grinsen gut vorstellen, dass auf dem Gesicht des anderen geherrscht hätte, wäre er an der Oberfläche gewesen. „Die Stadt ist.. Feuer. Sie ist Feuer, durch und durch. Unbeherrscht, hitzig, heiss.“ Yoran schüttelte den Kopf und überging den fragenden Blick von Nimmera. „Lass uns gehen“, sagte er leise, ohne sie anzuschauen. „Mir ist hier.. nicht ganz wohl“.

Sie gingen die Stufen des Windreiterturms herunter und liefen aus der Stadt heraus. Nimmera blickte auf die staubige, vor ihnen ausgestreckte Strasse, die eine Strecke weiter vorne in eine Schlucht führte. Dann blickte sie ihn an. „Du.. kannst nicht per Zufall reiten, hm?“ Yoran schüttelte nur den Kopf. „Verdammt“, murmelte sie leise. „Nun gut“, fuhr sie lauter fort, „ich hoffe, du bist gut zu Fuss.“ „Natürlich“, erwiderte Yoran und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Und so setzten die beiden ihren Weg fort und liefen in Richtung Klingenhügel.
Sie hielten sich nicht lange in Klingenhügel auf. Bloss einen Schlauch Wasser besorgte Nimmera, den sie sich auf die Schultern laden wollte. Yoran nahm ihr den Schlauch aus den Händen, (vorsichtig achtend, sie nicht zu berühren) und lud ihn sich selber auf, ihren Protest höflich übergehend. Er murmelte nur „Ich bin es gewohnt, schwere Sachen zu tragen“, und überliess es ihr, Schlüsse daraus zu ziehen. Er war geradezu froh, eine kleine Last tragen zu können. Es lenkte seine Gedanken ab von der brütenden Hitze und der Assoziation mit Feuer.
Er bemerkte zu spät, dass die Konzentration darauf, nichts zu denken, die Gedanken des Anderen angekurbelt hatten. Er spürte, wie sein Bedürfnis stieg, selber den Staub des Weges zu schmecken und die Hitze zu spüren. Yoran kämpfte dagegen an und stöhnte innerlich. Er durfte sich nichts anmerken lassen von seinem inneren Konflikt. Noch war es einfach. Die Schweissperlen der Anstrengung konnte man mit Schweiss wegen Hitze verwechseln. Oder?
Er blickte schnell zu Nimmera, die ihn ebenfalls anblickte. Yorans Wangen verfärbten sich rot und er schritt weiter aus, einen kleinen Abstand zwischen ihn und Nimmera legend. Er hielt erst inne, als sie eine kleine Brücke erreichten, die über einen Fluss führte. Yoran liess augenblicklich den Schlauch fallen und eilte, stolperte eher, das Ufer herunter, kniete sich hin, zog die Handschuhe aus und hielt die Hände in das kühlende Wasser. Wasser! Wasser.. Wasser, kaltes Wasser. Beständiges, kaltes, ruhiges Wasser. Es beruhigte seinen Geist.
„Du bist merkwürdig, Yoran.“, hörte er plötzlich eine Stimme von oben. Er wandte seinen Blick und schaute auf Nimmera, die in der Mitte der Brücke stand, auf die Brüstung gelehnt, und zu ihm hinunterschaute. „Entschuldige“, sagte er, seine Stimme war klarer. Er stricht sich mit der nassen Hand über das Gesicht und seufzte leicht auf, als er das kühle Nass auf seiner Haut spürte. Er bekam allmählich wieder die Kontrolle über sich.
„Du magst Wasser, hm?“, sagte Nimmera, sie war unterdessen vorsichtig zu ihm hinuntergeklettert. „Ja. Wasser.. Wasser beruhigt mich.“ „Ich mag Wasser nicht so.. Es kann zerstörerisch sein.. Wenn man hineinfällt, und mitgerissen wird.“ Er blickte ihr in die Augen und musste sich bemühen, sich nicht darin zu verlieren. „Ja. Das kann es auch. Aber meist ist Wasser.. träge.. friedlich dahinfliessend. Es hat ein klares Ziel. Es fliesst keine Umwege. Es.. ist ruhig und es kühlt das erhitzte Gemüt.“ Yoran sprach leise. „Ich fürchte das .. Feuer.“ Er blickte ihr immer noch in die Augen. „Wende sofort den Blick ab. Sofort!“, schrie der Andere in ihm einen Befehl. Yoran tat keine Anstalten, dies zu tun. „SOFORT!. Ich habe gesagt, sofort!“ Er zuckte zusammen, und fasste sich an den Kopf. Seine Ohren dröhnten unangenehm und er spürte die Wut des Anderen in ihm. Erneut nahm er eine Handvoll Wasser und liess sie über sein Gesicht laufen. Nimmera streckte eine Hand aus, um seine zu ergreifen. Im letzten Moment erinnerte sie sich und zog sie wieder zurück, doch ihr Blick blieb auf ihm haften. „Das Feuer? Warum?“, fragte sie. „Feuer.. ist zerstörerisch. Nicht Wasser. Es frisst sich durch alles hindurch. Ohne Halt, ohne Schranke. Niemand kann das Feuer aufhalten, seine unbändige Wut. Es hinterlässt.. nur Asche und Zerstörung.“, sagte er, noch einen Ticken leiser als sonst. Er bezweifelte, dass sie ihn wirklich verstand, aber offenbar besass sie feine Ohren. „Nur.. Nur Wasser kann Feuer aufhalten. Ich.. mag Wasser“, fuhr er fort, und hoffte, dass sie verstand. Er war Feuer. Der andere in ihm war Feuer und er würde alles verbrennen, zerstören. Auch sie. Warum sie sich mit ihm abgab, verstand er immer noch nicht ganz.
Schnell zog er seine Handschuhe wieder an, um die raue, abgearbeitete Haut an seinen Händen zu verstecken. Er wollte sie im glauben lassen, er wäre ein normaler Priester, kein Bauer, der aufbrach, höheres zu erreichen, als ihm zustand.
Doch Nimmera begriff nicht. Sie nickte nur. Dann erhob sie sich. „Lass uns weitergehen. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.“
 
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