[WoW-Story] Heldentum

Al Fifino

Rare-Mob
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Ich bin für qualitativ gute und ernst gemeinte Kritik immer zu haben. Also nur raus mit der Sprache.

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Prolog

~ Man kann kein Held werden. Man wird zum Helden gemacht. ~

Gehetzt sah ich mich um.
In der Dunkelheit hätte ich es genauso gut lassen können. Jede der Gassen sah aus wie die andere. Ich brauchte mich nur ein einziges Mal im Kreis drehen, und schon wusste ich nicht einmal mehr, aus welcher der kleinen Straßen ich gekommen war.
Dafür hörte ich das Geschrei und Gezeter der Wachen umso besser. Was mir nicht eben half, den richtigen Weg zu finden, um auch diesmal aus dieser brenzligen Situation heil heraus zu kommen. Wenn mich meine Ohren nicht täuschten, und das taten sie fast nie, dann war jede Straße von den Gerüsteten besetzt. Und sie alle eilten mir entgegen.
Leise vor mich hin fluchend blickte ich noch einmal in die Finsternis einer jeden Gasse und rannte dann blindlings in die nächstbeste hinein. Meine Hoffnung hatte bereits ihren Tiefstpunkt erreicht. Ich hatte mein ganzes Leben schon zu viel Glück gehabt, um auch diesmal ungeschoren davon zu kommen.
Zumindest glaubte ich das. Als Sohn eines Bauern war es mir nicht eben gut ergangen, doch eindeutig besser als vielen anderen. Ich wurde nicht geschlagen, hatte jeden Abend mein Essen vor mir stehen und brauchte mir auch nicht allzu viele Sorgen um Haus und Hof zu machen. Mein Vater war ein altgedienter Knecht, und bis er zu seinen Ahnen wanderte, sollten noch ein paar Jahre ins Land ziehen.
Das dachte ich damals. Doch nur kurz darauf musste ich erkennen, dass sich einiges ändern würde. Mein Vater starb an einer Krankheit, die uns nicht bekannt war. Meine Mutter folgte ihm nur wenige Tage später. Noch heute weiß ich nicht, ob auch sie sich angesteckt oder das gebrochene Herz ihren Untergang herbeigeführt hatte. Dann kamen Banditen, verschleppten das Vieh, räumten unseren Kornspeicher leer.
Und mich nahmen sie auch mit.
Lautes Scheppern, ein stechender Schmerz im Knie sowie ein nicht gerade anmutiger Sturz rissen mich aus meinen Gedanken. Die Maske, welche ein ausdrucksloses Gesicht darstellte und die ich trug, rutschte mir über den Kopf.
Sofort rückte ich sie wieder zurecht. Als ich aufblickte, sah ich einen Mann in voller Rüstung vor mir liegen. Anscheinend war er aus der Seitengasse gekommen und mit mir zusammen gestoßen. Das Visier des stählernen Helmes war zugeklappt, seine Stimme klang nur gedämpft darunter hervor. Beinahe hätte ich gelacht, wäre ich nicht so erschrocken gewesen. Seine Pike hielt der Wächter noch immer in der Hand. Fluchend machte er sich daran, wieder auf die Beine zu kommen. Doch bis er sich mit seinem glänzenden und schweren Brustharnisch aufgerichtet hatte, war ich schon längst weiter gerannt.
Noch einmal mehr Glück als Verstand gehabt. Mein Atem ging pfeifend, die Brust hob und senkte sich schnell. Lange würde ich nicht mehr das Tempo halten können. Und noch immer vernahm ich das Geräusch, wenn Metall auf den harten Boden stieß. Die Wächter ließen nicht locker, ihre stählernen Schuhe knallten gegen das Pflaster. Und irgendwo konnte ich es ihnen nicht verübeln. In Stormwind war ich sicherlich nicht der einzigste Gauner, wohl aber einer der schlimmsten. Ich brach auch schon mal bei den reichen Schnöseln der Stadt ein, beklaute genauso die Armen. Heilig war mir nichts. Das mussten selbst die Priester erkennen, als ich in die Heiligtümer der Kathedrale eindrang und einige goldene Gegenstände mitgehen ließ. Da mir auch die Kleidung knapp wurde, bat ich einen der Kahlköpfe mit höflicher Stimme und vorgehaltenem Kurzschwert, mir seine ach so wunderschöne und warme Toga zu überlassen. Nackt, wie er ohne sie war, scheuchte ich ihn daraufhin unter Wehklagen und peinlichem Gejammer durch das gewaltige Portal hinaus und verschwand, so schnell es nur ging, in der Dunkelheit der Stadt.
Hektisch sah ich mich um. Ich war an eine der vielen Kreuzungen gelangt, die es in der riesigen Hauptstadt kam. Vor mir ragte die Mauer einiger aneinander gebauten Häuser auf, zu beiden Seiten bildeten eben solche Gebäude einen weiten und in der Finsternis liegenden Gang. Von hinten wurde das Keuchen und Scheppern immer lauter.
Meine Augen erblickten ein winzig kleines Fenster in der gegenüberliegenden Wand. Voller Verzweiflung und auch Hoffnung überbrückte ich die kurze Distanz mit drei Schritten und stand nur einen Augenblick später vor der möglichen Rettung. Mein Herz klopfte mir im Hals, als ich sachte gegen das Glas drückte.
Stoßartig entwich mein Atem, als das Fenster nach innen aufschwang. So schnell ich nur konnte, kletterte ich hinein.
Und fiel unangenehm auf eine Kommode, die direkt unter dem Sims stand. Eine tönerne Vase, die am Rand stand, wackelte unheilvoll, beschrieb einen Kreis, kippte schließlich um, flog dem Boden entgegen –
Und wurde von meiner Hand aufgefangen.
Das Scheppern, welches immer lauter geworden war, verstumme abrupt. Eine harsche Männerstimme ertönte beinahe sofort. »Tristan, Formar, ihr geht nach rechts! Der Rest folgt mir! Los, los! Den elenden Sohn einer Hündin holen wir uns!«
Zustimmendes Gegröle ertönte, dann hörte ich, wie sich die Schritte wieder entfernten. Mein gesamter Körper, der sich vor Anspannung verkrampft hatte, entspannte sich wieder. Das Herz, welches bereits in die Hose gerutscht war, wanderte an seine vorgesehene Stelle. Ein kurzes Lächeln huschte über mein Gesicht.
»Wer bist du?«
Die Vase fiel doch noch zu Boden und zerbrach unter lautem Geklirr. Mein Herz blieb stehen, nur um dann mit voller Wucht gegen meine Rippen zu hämmern. Ich wirbelte herum, wollte sofort einen Fluchtweg ausfindig machen.
Bis mir bewusst wurde, dass ich nach wie vor auf der Kommode saß. Einen Moment später fand ich mich nach einem lautstarkem Sturz und mit schmerzenden Rücken auf dem hölzernen Untergrund wieder und sah in das von dunklen Haaren umrahmte Gesicht eines vielleicht zehn Sommer alten Mädchens, welches direkt vor mir stand. Ihr Kleidchen raschelte leise, als es die Hände vor dem Bauch aufeinander legte. Mein Atem stockte, ich blieb regungslos liegen. Wartete auf das, was kommen mochte.
Und wartete eine ganze Weile. Das Kind legte erst den Kopf schief, dann grinste es mich breit an. Mit einer weichen und hellen Stimme frage es: »Was machst Du denn da?«
Zuerst wusste ich nicht so recht, was ich von dieser Frage halten sollte. Entweder hatte das Mädchen einfach keine Angst vor mir, oder es war ein kleiner Teufel, der mich vor meiner Verhaftung noch ein wenig ärgern und piesacken wollte.
Nach kurzem Lauschen vernahm ich keine weiteren Geräusche. Anscheinend war das Zerbrechen der Vase und meine Landung tatsächlich unbemerkt geblieben. Mit leiser Stimme flüsterte ich zurück: »Ich... ich spiele Verstecken!«
Sie sah mich aus großen Augen an, dann fing ihr Gesicht geradezu an zu glühen. »Darf ich mitspielen?!«
Sofort legte ich ihr einen Finger auf den Mund. »Psst! Du darfst doch deine Eltern nicht aufwecken! Sonst verbieten sie es sonst noch!«
Das kleine Ding nickte begeistert. »Gut! Du bist mit Suchen dran!« Kichernd drehte es sich um und tauchte in die Dunkelheit ein, aus der es gekommen war.
Bei allen verwünschten Dingen dieser Welt... Vorsichtig stand ich auf, schmiss die Maske, die mich schon seit langem störte, einfach weg und steckte den Kopf zum Fenster heraus. Nachdem ich einen Blick in beide Richtungen geworfen hatte, sprang ich auf die nun menschenleere Straße und lief, so schnell ich nur konnte, weg.
 
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hey.......mehr haben will..........hat mich richtich gefesselt..bitte um mehr
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Danke für das Lob. Die Geschichte wird schon bald fortgesetzt werden, hier jedoch erst einmal der zweite Teil des Prologs.

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Während ich die vielen Gassen durchquerte, ließ meine Frucht und das Hämmern in meiner Brust langsam nach. Die Wächter hatten höchstwahrscheinlich die Suche nach mir bereits eingestellt oder sich auf ein anderes Viertel konzentriert. Jetzt wog ich mich in einer wenn auch sehr trügerischen Sicherheit. Zumindest glaubte ich, das Schlimmste bereits überstanden zu haben.
Ein paar Schritte weiter durchquerte ich einen kleinen Torbogen und bog bei der nächsten Straße rechts ein. Ihr Zustand verschlechterte sich zusehends, je weiter ich ihr folgte: die Pflastersteine verwandelten sich in fest getretenen Dreck und Kies, die Lampen am Wegesrand verbreiteten immer seltener ihr Licht, bis sie gänzlich verschwanden. Ich war in einem der niederen Viertel von Stormwind angekommen.
Zwischen den Bruchbuden, die jetzt die Gassen säumten, wartete einst elendes Gesocks, Räuber, Banditen, Taschendiebe, Mörder und noch viel mehr Abschaum. Sah man von meiner Unverschämtheit ab, war ich wohl derjenige mit den besten Manieren unter ihnen. Zwar hatte ich hier ebenso wenig Freunde wie im Rest der Stadt, doch dafür auch weit weniger Feinde. Alle paar Sonnenumläufe wurde der 'Schurken-Distrikt', wie ihn die Leute hier nannten, von den Wachen gesäubert. Die Zellen des Gefängnisses waren trotzdem nur sehr dürftig besetzt. Die meisten der Verbrecher stellten sich zu schlau an, um sich erwischen zu lassen. Ein weiterer Grund lag auch darin, dass sie sofort abgeschoben wurden, hatte man sie erst einmal erwischt. Die Wächter fürchteten wohl, dass ein groß angelegter Ausbruchsversuch zu gefährlich für die Sicherheit der Stadt wäre.
Als ich zwischen den armseligen Hütten entlang ging, musste ich unwillkürlich darüber lächeln. Das Schurkenviertel war so leer wie schon lange nicht mehr. Ein Großteil der Gesetzesbrecher war verschwunden, seitdem die Stadtwachen härter durchgriffen und sich auch hierher trauten. Jetzt standen viele der Häuser leer und verrotteten langsam. Ihre ehemaligen Besitzer versuchten ihr Glück lieber in den kleinen Städten und Dörfern, wo sie mit weniger Widerstand seitens der Wachen und auch der Bürgerwehr rechnen mussten.
Ich war einer der Letzten, die hier noch ausharrten. Ein winzig kleiner Fleck auf dem makellos weißen Tuch. Und ich hatte meinen Spaß daran, die Obrigkeit zu ärgern, auch wenn diese Ärgernisse meist auf feige und risikolose, dafür jedoch äußerst provokante Taten beruhten.
Ein Schwall flackerndes Licht drang zwischen den Ritzen einer hölzernen Tür hindurch, die ich gerade passierte. Von drinnen hörte ich leise Stimmen flüstern, als ich vor ihr stand. Der Geruch von gebratenem Fleisch und Met strömte mir entgegen und ließ meinen Bauch rumoren.
Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen öffnete ich die kleine Pforte und trat in den warmen Schankraum ein. Die Taverne sowie die uralten Tische, die überall in dem winzigen Raum Eck an Eck standen, waren vollkommen leer, sah man von dem Wirt ab, der sich gerade noch angeregt mit einer am Tresen sitzenden Gestalt unterhalten hatte und nun mich ansah. Mit einem leisen Grunzen wandte er sich wieder von mir ab, schnappte sich einen der in einem Regal stehenden hölzernen Krüge, füllte ihn mit dem Gebräu aus einem Fass, das hinter ihm stand, und knallte ihn auf das Holz. Dabei blies er fast die langen weißen Kerzen aus, die wie eine kleine Armee in Reih und Glied auf der Theke standen und dort ihr züngelndes Licht verbreiteten.
Während er all das tat, war ich schon längst an das Tresen gekommen und nahm auf einem der hölzernen Stühle Platz. Mit ernster Miene meinte ich: »Danke, Ben. Ich weiß doch, auf dich kann ich zählen.«
Ich bekam ein leises Brummen zur Antwort. Seit neuestem war der untersetzte kleine Mann mit den vielen Falten im Gesicht und der riesigen Knollnase nicht eben gut auf mich zu sprechen. Seine wachen, braunen Äuglein beobachteten mich genau. Anscheinend nahm er mir meinen letzten Besuch noch immer übel. Damals hatte ich ihn um ein ganzes Fass bestes Met erleichtert, und das, während er schlief. Irgendwie hatte er schließlich herausgefunden, von wem er beklaut worden war, und ich musste, wenn auch widerwillig und unter Androhung aller möglichen schrecklichen Folterungen, meine Beute wieder herausrücken. Ich hatte nicht einmal mehr Zeit gehabt, etwas davon zu probieren. Und so machte ich einen Handel mit ihm aus: er bekam sein Fass zurück, und dafür musste er mir immer, wenn ich vorbei kam, einen vollen Krug umsonst zur Verfügung stellen. Mit Zähneknirschen hatte er eingeschlagen, war das Donnerbräu doch von den Zwergen höchstpersönlich hergestellt worden. Es war wohl das einzige Mal, da ich echten Mut im Angesicht eines Feindes bewies. Wenn auch der Feind ein alter, dicker Hund war, der laut bellte, jedoch keine Zähne mehr besaß.
Jetzt lächelte ich ihm schief zu. »Nun komm schon, Ben, diese Geschichte ist nun schon ein Weilchen her. Ich bezahle dich auch.« Ein paar Kupfermünzen klimperten auf das Eichenholz und wurden sofort von dem nun wesentlich freundlicher dreinblickenden Wirt aufgesammelt. »Ich möchte dich jemandem vorstellen, Drênak«, erwiderte er mit seiner tiefen, ruhigen Stimme.
Überrascht ließ ich meinen Krug wieder sinken. »So? Wem denn?«
Statt einer Antwort deutete er nur mit einem mir gar nicht gefallenden Grinsen auf seinen Gegenüber. Die Gestalt trug einen weiten, schmutzigen Mantel an und die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Sie regte sich kein bisschen, und ich war nicht gewillt, dies durch irgend eine unüberlegte Handlung zu ändern. Also zuckte ich nur mit den Schultern. »Mir egal.«
Als seien das die Worte gewesen, auf die er gewartet hatte, drehte sich der Unbekannte zu mir um. Mit einem unguten Gefühl im Magen hob ich erneut meinen Humpen an die Lippen, nahm einige kräftige Schlücke und tat alles, um ihn nicht weiter zu bemerken.
Nachdem ich meinen ersten Krug geleert, einen zweiten bestellt und noch immer kein Wort von der Gestalt gehört hatte, wurde mir die Situation langsam unangenehm. Ich würdigte die Person nach wie vor keines Blickes und ignorierte sie, so gut ich nur konnte.
Als ich gerade mein Met erhalten hatte und mir das Gebräu einverleiben wollte, regte sich der Unbekannte ein weiteres Mal. Er rutschte ein kleines Stückchen näher.
Ziemlich nervös und gleichzeitig skeptisch blickte ich ihn an. »Ich will nicht mit Euch re-«
Ich fühlte ein leichtes Kitzeln an meinem Bauch. Als ich hinunterschaute, erkannte ich das schwache Glitzern der Klinge, die gerade durch das dünne Hemd in meine Haut stach.
Ich schluckte schwer, dann nickte ich leicht. »Ich bin ruhig.«
»Gut.« Erstaunt horchte ich auf. Das Gesicht meines Gegenübers war tief in einer Kapuze versteckt, doch die Stimme war für einen Mann sehr hoch, dafür überaus scharf. Aufgrund der Furcht, die von meiner Miene Besitz ergriffen hatte, und den Umstand, dass die Waffe meinen Blick geradezu magisch anzog, bezweifelte ich, dass man mir die Verwunderung allzu gut ansah.
»Du schuldest mir etwas.«
Verwirrt riss ich meinen Blick von dem Dolch los und schaute meinen Gegenüber an. »Ich schulde niemanden et-«
Schlagartig verspürte ich einen pochenden Schmerz gleich neben dem Bauchnabel. Ich brauchte nicht hinzusehen, um zu wissen, was passiert war. Warmes Blut sickerte langsam aus einer winzigen Wunde und wurde von meinem weißen Leinenhemd gierig aufgesogen.
Einen Moment lang hielt ich den Atem an, dann nickte ich wiederum leicht. »Was schulde ich Dir?« Zittern lag in meiner Stimme, mein gesamter Körper bebte. Ich war diesem Kerl auf Gedeih und Verderb ausgeliefert und konnte nichts dagegen unternehmen. Ein Umstand, der mir noch nie untergekommen war und den ich durch waghalsige und alles andere als mutige Flüchte immer wieder verhindert hatte.
»Eine Klinge, überaus gut geschmiedet und sehr wertvoll. An ihr lagen ein Zwerg, ein Mensch, ein Gnom und ein Nachtelf Hand an. Geschmiedet in heißen Feuern, mit einem edlen Rubin verziert.«
»Tut mir Leid, aber -«
Ich zuckte zusammen, als der Dolch mühelos mein Hemd zerriss. Der kleine Schnitt war nach wie vor offen, Blut tropfte langsam und zäh aus ihm. Das harte Metall fuhr langsam meiner Haut hinab und hinterließ dabei einen kalten Schauer.
»Erzähl mir nicht, dass du sie nicht hättest! Ich weiß, dass du sie mir geklaut hast! Ich habe dich damals in dem Gasthaus gesehen, wie du in den Zimmern herumgeschnüffelt hast!«
Ich hielt den Atem an. Angstschweiß stand auf meiner Stirn. Diesmal gab es keinen Ausweg, den ich hätte einschlagen können.
»Ich wette, du hast das gute Stück verkauft, nicht wahr?!«
Ich überlegte keinen Augenblick, sondern stimmte nur mit einem Kopfnicken zu. Es würde das Beste sein, wenn der Besitzer nicht wusste, dass ich das gesuchte Kurzschwert gerade an meiner Seite, versteckt unter dem Umhang, trug.
Eine Hand, die von schwarzen Samt bedeckt wurde, langte zu der Kapuze und zog sie zurück. Überrascht blickte ich in ein bekanntes, Gesicht, nämlich das einer überaus hübschen Elfe. Ihr silbrig glänzendes Haar war kurz gehalten und hinten zu einem Zopf zusammen gebunden, die kleine Nase zuckte vor Missbilligung, und ihre saphirblauen, leuchtenden Augen, die keine Pupillen besaßen, sahen mich mit unversöhnlicher Wut an. Einige Zornesfalten bildeten sich auf der leicht rosa schimmernden Haut.
Ich hatte die Frau an einem Abend vollkommen betrunken in der besten Taverne der Stadt angetroffen. Besser gesagt, sie hatte mich dabei erwischt, wie ich die Räume inspizierte und nach wertvoller Beute durchsuchte. Da ich nichts fand, kam sie mir gerade recht, und ich hatte ihr ohne allzu große Probleme das Schwert vom Gürtel abgenommen. Sie wollte mir zwar lallend hinterher torkeln, aber da war ich bereits in der feiernden Menge untergetaucht.
Anscheinend hatte ich jedoch die Elfe unterschätzt. Sie hatte sich mein Gesicht gemerkt und mich auch noch gefunden, was nicht einmal den Stadtwachen gelungen war, die mich nun schon seit Wochen suchten. Ich betrachtete kurz ihre spitzen Ohren, die zwischen den Haaren hinaus stachen und ebenso wie ihre Nase unaufhörlich zuckten, bis ich ihren Blick erwiderte. Allerdings nur kurz, denn ich konnte ihm keine Sekunde stand halten.
Einen Moment sagte niemand etwas, dann meinte sie mit einer fast schon freudig klingenden Stimme: »Du wirst sühnen müssen. Bei einem Kampf auf Leben und Tod. Hier und jetzt.«
Sogleich erhob sie sich von ihrem Stuhl, tat einen kurzen Schritt zurück und sah mich auffordernd mit einem Glühen in den kalten Augen an. Mein Blick glitt über ihren Körper. Unter dem langen Mantel konnte ich deutliche Ausbuchtungen erkennen. Sie trug darunter mit hoher Wahrscheinlichkeit eine leichte Rüstung, die bereits zu dick war, als dass ich sie mit meinem Kurzschwert hätte durchstoßen können. Meine Kleidung aus Stoff würde mir hingegen keinerlei Schutz bieten.
Ich warf dem dicken Wirt einen kurzen, nach Hilfe flehenden Blick zu. Er schüttelte unmerklich den Kopf. Von seiner Seite aus hatte ich also mit keiner Unterstützung zu rechnen. Ich zitterte inzwischen wie dürres Herbstlaub in einem starken Wind. Das ist also mein Tod... nicht von einer Wache, sondern von einer Nachtelfe, die ich mal beklaut habe?!
Beinahe zugleich reifte eine Idee in meinen Kopf, die ebenso waghalsig wie wahnsinnig war. Doch sie war die einzige, die mir spontan einfiel.
Mit Mühe gelang es mir, mein Zittern zu unterdrücken. Geschlossenen Auges überdachte ich noch ein letztes Mal meine Lage. Stellte mir vor, wie ich gleich fliehen würde. Falls mir mein Vorhaben gelingen mochte. Schließlich schaute ich sie wieder mit einem schiefen Lächeln an, das meine Nervosität widerspiegelte. Ihr Blick hatte sich nicht von mich abgewandt, sie beobachtete jede meiner Bewegungen.
Ich packte meinen Krug noch ein wenig fester, dann warf ich ihn mit aller Kraft nach ihrem Kopf. Geschickt duckte sie sich unter meinem Humpen weg, konnte jedoch ihrem eigenen nicht mehr ausweichen. Met spritzte ihr in die Augen, während sie fluchend und zeternd hin fiel. Ich wartete nicht, bis sie ihr Augenlicht wieder erlangt hatte, sondern lief, beflügelt von meiner Furcht und so schnell mich meine Beine trugen, aus der Taverne hinaus. Draußen sah ich mich nur einen winzig kleinen Augenblick um, dann stürmte ich zu einem der leerstehenden Häuser, die dicht an dicht nebeneinander standen, und versteckte mich hinter ihm. Leise schnaufend lugte ich um die Ecke.
Nur einen Augenblick später stand die Elfe in der Gasse. Mit verklebtem Haar und nun einem Langschwert in der Hand, schaute sie wutentbrannt die Straße auf und ab, bis sie schließlich ihrem Unmut lautstark Luft machte und in die Nacht schrie: »Ich finde dich, Drênak! Ich finde dich, du feiger Hund!«
Während sie weitere Verwünschungen gegen mich, meine Eltern, meine Großeltern und all jenen, die mir einmal folgen sollten, ausstieß, lehnte ich mich gegen die morsche Wand. Ich versuchte jetzt gar nicht mehr, gegen das Zittern anzukämpfen, dass wieder meinen gesamten Körper erobert hatte. Der Schweiß stand noch immer auf meiner Stirn und floss ihr geradezu in Strömen herunter. Lieber feige als tot, meine Liebe. Lieber feige als tot.
Mit einer etwas gefestigteren Miene verzog ich mich in die Dunkelheit zwischen den Hütten, die der Mond nicht zu erhellen vermochte, und bahnte mir meinen Weg zwischen den Häusern hindurch tiefer in die Stadt hinein.
 
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net schlecht net schlecht........aber so langsam will(würde ich gerne ) mehr über Drênak erfahren ...........also bitte mehr stuff
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Sehr geil, gefällt mir wirklich richtig gut... bitte mehr :>
 
Kapitel 1

Atunâ war bester Laune und schritt dementsprechend beherzt aus. Sie ging mit solch einer Eile durch die mit Menschen gefüllten Gassen von Stormwind, dass ihr manche Leute hinterher starrten und sich fragen, wie sie mit ihrer schweren Rüstung gekleidet so schnell ihrem Ziel entgegen schreiten konnte.
Tatsächlich war heute der wohl schönste Tag im Leben der Elfe. Sie strich sich ihr silbernes Haar aus dem Gesicht und hinter die spitzen Ohren, während sie sich zwischen den Menschen hindurch drängelte und darauf achtete, keinen Zwergen oder Gnomen zu treten. Schon einmal war ihr das, natürlich aus Versehen, passiert, und es hatte sie viel Zeit gekostet, den wütenden Krieger aus dem kleinen Bergvolk wieder zu beruhigen. Er hatte so lange gemeckert und peinliche Blicke auf die Frau gezogen, bis sie ihm schließlich ein paar Silbermünzen in die Hand gedrückt und sich danach schleunigst aus dem Staub gemacht hatte.
Jetzt hätte nicht einmal ein solcher Vorfall ihre Freude gedämpft. Ihre Hand schloss sich instinktiv noch ein wenig fester um den Brief, den sie noch am frühen Morgen erhalten hatte, und in Gedanken wiederholte sie noch einmal die Worte, die auf dem rauen Pergament geschrieben standen.


Kommen Sie umgehend zum Gefängnis.

Darunter konnte man eine verschnörkelte Unterschrift erkennen. Für viele war das ein unverständlicher Satz, Atunâ hingegen spornte er geradezu an, und sie beschleunigte ihren Schritt noch einmal. Mit klopfendem Herzen quetschte sie sich durch die bunte Masse, die laut schnatternd an ihr vorbei zog.
Schließlich hatte sie die Innenstadt erreicht. Schon von weitem hatte sie das riesige, einer Festung gleichende Gebäude gesehen, zu dem sie unterwegs war: das Verließ der Stadt, von dicken, hohen und mit Moos bewachsenen Mauern umgeben und nur über ein einziges Tor begehbar, das nur ein paar Schritte von ihr entfernt in der Mauer klaffte wie das aufgerissene Maul eines Tieres.
Kaum hatte sie es erreicht und die Zugbrücke, die über den Wassergraben führte, betreten, als sie auch schon von einem aufmerksamen Wächter, bewaffnet mit einer Hellebarde, aufgehalten wurde. »Stop, Mylady! Keinen Schritt weiter!«
Gehorsam blieb Atunâ stehen. Ihre blauen Augen funkelten geheimnisvoll, ein strahlendes Lächeln umspielte ihre Lippen. »Was wollt Ihr von mir?«
Sie konnte deutlich hören, wie der Mann schluckte, und geradezu spüren, wie ihm heiß wurde. Sie wusste genau, wie sie ihre Schönheit einzusetzen hatte, wenn es denn erforderlich war. Nach einer kurzen Pause, in der die Augen der Stadtwache ihren gesamten Körper hinab- und wieder hinaufgefahren waren, antwortete diese: »Ich muss Euch fragen, was Ihr hier zu tun gedenkt, Mylady.«
Sie reichte ihm mit einer schwungvollen Bewegung den kleinen Zettel. »Bitte sehr, mein Hübscher!«
Der Mann räusperte sich lautstark, sie konnte ihm seine Verlegenheit selbst unter dem Visier ansehen. Nachdem er das Pergament kurz begutachtet hatte, machte er den Weg frei, verbeugte sich kurz und erwiderte: »Willkommen im Kerker, Mylady.«
Vergnügt schritt Atunâ an dem Menschen vorbei. Hätte es ihre Rüstung zugelassen, so wäre sie sicherlich vor Freude in die Luft gesprungen. Doch ein zweiter Wächter eilte auf die Frau zu. Er trug den selben Harnisch wie sein Kamerad am Tor, jedoch keinerlei Waffen und auch keinen Helm. So konnte sie sein freundliches Lächeln nur allzu gut erkennen, als er sprach: »Ich muss Euch bitten, Eure Waffen abzugeben, Mylady.«
Die Elfe zog zuerst eine Schnute, die ihr den Anschein gab, als habe der Mann gerade ihren Stolz verletzt. Dann jedoch zog sie seufzend ihr Langschwert sowie den Dolch aus ihrem Gürtel und überreichte beide Klingen dem Wärter, der sie sofort an sich nahm und von dannen ging.
Sie sah ihm noch kurz nach, dann ging die Elfe eilig über den schmalen und um das gesamte Verließ führenden, gepflasterten Hof auf die nächstliegende Tür zu. Sie wollte gerade die hölzerne Pforte öffnen, als sie wie von Geisterhand nach innen aufschwang.
Vor ihr stand ein älterer Mann, der, wie scheinbar jeder hier, einen Brustpanzer mit dem Zeichen von Stormwind, einen Löwenkopf auf blauem Grund, trug. Er lächelte sie durch einen dichten, braunen Vollbart an, und auch seine grünen Augen blitzten vor Freude. »Atunâ Silverarrow! Wie schön, Euch zu sehen!«
Mit einem breiten Lächeln senkte die Angesprochene kurz ihr Haupt und entgegnete: »Das Vergnügen liegt ganz auf meiner Seite, Xaviar. Wie ich sehe, seid Ihr kein Ritter mehr?«
Er lachte laut, während die Elfe eintrat und sich aufmerksam umsah. Sie befand sich in einem Gang, der nur von Fackeln erhellt wurde. In den Wänden fand sich keine einzige weitere Tür, was sie stutzig machte. Atunâ verkniff sich jedoch eine Frage und horchte lieber auf die Antwort des Menschen. »Nun, ich wurde auf Geheiß der Kommandeure hierher versetzt. Und ich bin froh darüber, mein Leben nicht mehr im Kampf gegen die Geißel oder die Horde riskieren zu müssen!«
Die Elfe entgegnete mit einem sanften Lächeln: »Das kann ich nur zu gut verstehen. Doch ich komme aus einem anderen Grund als den eines Wiedersehens. Habt Ihr tatsächlich das, was ich hoffe?«
»Oh ja, das haben wir.« Mit einem Zwinkern schritt der Kämpfer voran, und Atunâ folgte ihm. Sie konnte inzwischen ihre Angespanntheit und Freude auf das nun Kommende nur noch schwer unterdrücken. Gleich ist es also soweit...
Nachdem sie dem Gang eine quälend lange Zeit gefolgt war, kam eine Tür in Sichtweite. Sie war aus Eisen gebaut und mit soliden Querstangen verstärkt. Dieses kleine Bollwerk ohne den passenden Schlüssel aufzubrechen, würde geraume Zeit in Anspruch nehmen.
Mit einem Lächeln schob der Mann einen kleinen, goldenen Schlüssel in eine fast nicht zu erkennende Vertiefung und drehte ihn einmal um. Dann sprach er ein Atunâ unbekanntes Wort, das sie selbst nicht noch einmal hätte aussprechen können, so verworren klang es.
Die Wirkung trat beinahe sofort ein. Lautes, seufzendes Klirren und Knarren war zu hören, als die dicken Bolzen der Pforte ihre Löcher im kalten Stein verließen, um die Sperre aufzuheben. Es hörte sich beinahe an, als säßen kleine Männlein in dem Metall und mühten sich ab, um die Tür nicht mehr zu versperren.
Dann schwang sie Zoll um Zoll nach innen auf.
 
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***​

Meine Augen waren geschlossen, doch die Sonne schien mühelos zwischen ihnen hindurch. Sie wärmte meine Haut, mein Gesicht, meinen gesamten Körper. Der Geruch nach frischen Graß und aufgeworfener Erde stieg mir in die Nase und kitzelte sie leicht.
Meine Lider öffneten sich. Ich erblickte Blumen, die neben mir standen. Eine unendlich weite, bunte Wiese, die erst im Horizont endete. Sie erstreckte sich über mein gesamtes Blickfeld und wurde nirgends von einer Baumreihe, einem Dorf oder gar einer Stadt in ihrem Wachstum behindert. Es war beinahe wie ein Paradies.
Mein Mund verzog sich zu einem Lächeln. Ich blieb auch weiterhin auf dem Rücken liegen, sah keinen Grund darin, aufzustehen und umher zu wandeln. Irgendwo in mir wusste ich, dass dieses Fleckchen Erde unendlich weit ging, ich ein Ende niemals erreichen würde, selbst wenn ich mich auf den Weg machte, um eines zu suchen.
Plötzlich flackerte das Licht, Dunkelheit verwebte mit der Helligkeit. Ein beklommenes Gefühl machte sich in mir breit, als meine Augen die Sonne fixierten. Sie war keine goldene Schreibe mehr, sondern eine unförmige Kugel, die in Flammen stand. Ihr flackerndes Licht gab dem Schatten mehr als genügend Platz, um einen Großteil der Erde einzunehmen. Angst kroch in jeden meiner Knochen. Jetzt wollte ich aufstehen, und mit Schrecken stellte ich fest, dass ich kein Glied rühren konnte. Nicht einmal meine Finger wollten sich bewegen. Ich war gefangen, obwohl keine einzige Kette meinen Körper fesselte.
Bis mir die Kälte bewusst wurde, die ich an meiner Seite spürte. Hektisch wandte ich meinen Kopf ein wenig, um einen besseren Blick darauf werfen zu können.
Hartes Eisen hatte sich von einem Moment auf den anderen um meine Arme geschlungen und hielten mich fest. Dafür gehorchte mir alle anderen Muskeln wieder. Voller Panik schrie ich auf, strampelte mit den Beinen, riss den Kopf herum –
Und spürte einen brennenden Schmerz auf meiner Wange. Vor meinen Augen wurde es kurzzeitig sehr hell, fast so, als habe die Sonne wieder zu ihrer alten Stärke gefunden. Dann jedoch kehrte das flackernde Licht wieder zurück, und meine Sicht klärte sich.
Ich erblickte einen gerüsteten Menschen vor mir, der mich dreckig unter seinem Helm angrinste. »Hör auf mit diesem Geschrei, du feiger Hund! Das kannst du dir für den Schafsrichter sparen!« Mit einem schallenden Gelächter drehte er sich wieder um und schritt zu dem hölzernen Tisch, bei dem einer seiner Kameraden saß. Dieser hatte inzwischen den Helm abgenommen und war mit der Hand durch sein kurzes, lockiges Haar gefahren. Jetzt unterhielt er sich mit dem Wärter, der mich mithilfe einer Ohrfeige in die Realität zurückgeholt hatte. »Komm endlich her, die Karten und der Einsatz warten nicht ewig!«
Gehorsam setzte sich der Mann, und die beiden fingen an, fröhlich mit den kleinen Papierchen auf die Tafel zu hauen und den anderen grölend auszulachen, verlor er ein Spiel.
Mir hingegen wurde wieder die gegenwärtige Situation bewusst. Das, wovor ich mich so lange gefürchtet und ich stets zu verhindern gesucht hatte, war eingetreten: Bei einem meiner Einbrüche war die Stadtwache aufgetaucht, das Haus innerhalb weniger Augenblicke umstellt gewesen und ich dingfest gemacht worden. Sie überraschten mich, als ich mich durch das winzige Fenster gequetscht hatte. Mein Versuch, mich drinnen zu verstecken, blieb unfruchtbar. So hatte man mich also beim Einbruch in ein Waisenheim erwischt.
Noch immer verfluchte ich den Umstand, ausgerechnet in einem Haus, das von kleinen, wehrlosen und daher ungefährlichen Kindern bewohnt wurde, geschnappt worden zu sein. Ich hatte immer gehofft, dass diese Stunde in einer weitaus prächtigeren Umgebung kommen würde.
Eigentlich hatte ich gehofft, diese Stunde würde niemals kommen. Jetzt wartete ich hier, angekettet an der Wand, auf meine gerechte Strafe. Ich betete dafür, dass sie einigermaßen milde ausfallen würde, hatte ich bisher doch niemanden verletzt oder gar getötet. Tatsächlich glaubte ich so fest daran, dass ich mit einem hoch erhobenen Kopf und viel Hoffnung im Herzen auf den Richter wartete.
Nur einen Augenblick später vernahm ich ein Knirschen, das von der Tür ausging. Unruhe befiel meine Wachen: sie schmissen ihre Karten auf den Tisch, packten schnellstmöglich das bisschen Kupfer ein, um das sie gespielt hatten, und nahmen rechts und links von der Tür Haltung an.
Die eiserne Pforte bewegte sich sehr zäh, als sie aufschwang. Meine Augen hefteten sich auf den entstandenen Eingang. Und ein flaues Gefühl kam in meinem Magen auf, das mir nicht eben Mut schenkte.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ein breiter Mann trat ein. Auch er war in einer Rüstung von Stormwind gekleidet. Ich erkannte ihn sofort wieder: es handelte sich um meinen alter Kommandeur, Xaviar Lightbringer. Seines Zeichens treuer Ritter und Paladin, der viele Schlachten geschlagen und unter dem ich schon vor langer Zeit nicht minder treu gedient hatte als er der Krone. Noch mehr Hoffnung flammte in mir auf: er war schon immer ein gnädiger Mann gewesen, der durchaus einige Fehltaten durchgehen ließ.
Mein eben noch erfreutes Gesicht erfror geradezu in einer Schreckensmaske, als ich die zweite Person sah, die durch den steinernen Türrahmen trat: es war niemand anderes als die Elfe, die ich damals beklaut und der ich erst letztens entflohen war. Ihr schönes Lächeln glich für mich einer unverhohlenen Spottgrimasse. Mein Herz, eben noch voller Mut, wurde klein und mickrig und verschwand in der unteren Magengegend, um sich dort zu verstecken.
Sie trug keinerlei Waffe, jedenfalls keine offensichtliche. Doch ich war mir sicher, dass sie das Kurzschwert, welches ich ihr einst abgenommen hatte, unter ihrem leuchtend roten Stoffumhang versteckt hielt. Sie würde es sicherlich nicht mehr aus dem Auge lassen. Nicht, nachdem ich es so leicht geklaut hatte.
Sie trat einige Schritte an mich heran. Ihre Bewegungen waren geschmeidig, das Gesicht wunderschön. Jetzt konnte ich ihr jedoch nichts abgewinnen. Ihre Augen, blau schimmernd wie ein Saphir, strahlten eine Kälte aus, die mich frösteln ließen, und gleichzeitig eine Wut, vor der ich am liebsten schreiend davongerannt wäre. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, das mir unmissverständlich klar machte, dass mein letztes Stündlein geschlagen hatte.
Schließlich blieb sie nur eine Handbreit von mir entfernt stehen. Ich konnte ihren warmen Atem auf meiner Haut spüren, ihr nach wie vor zu einem Zopf gebundenes Haar riechen. Unwillkürlich drehte ich meinen Kopf zur Seite, um sie nicht ansehen zu müssen.
Ich konnte sie leise und höhnisch lachen hören. »Was denn, Drênak? Selbst jetzt bist du zu feige, um mir ins Auge zu blicken?«
Ihre Hand packte mich am Kinn und drehte meinen Kopf gewaltsam wieder herum. Ich konnte wetten, dass Panik in meinen Augen lag, während ich ihren Blick erwiderte. »Lasst mich in Ruhe!«, presste ich zwischen den geschlossenen Zähnen hervor.
»Oh nein, mein Lieber, das werde ich nicht.« Sie grinste breit, während sie weiter sprach: »Ich werde dabei sein, wenn du deine verfluchte Seele aushauchst. Und ich werde jede Minute genießen, in der du gequält und...«
Ihre Augen waren zu meinem Hals hinunter gewandert und sahen das kleine goldene Ding, welches um ihn baumelte. Ihre Hand ließ von meinem Kinn ab und nahm vorsichtig das Amulett in die Hand.
»Finger weg!« Mein Kopf zuckte nach vorne, ich versuchte, ihr in die Finger zu beißen. Leider kam ich nicht bis zu ihnen heran, so dass ich sie nun mit gefletschten Zähnen ansah.
Ihr Grinsen war einem schmalen Lächeln gewichen. So leise, dass nur ich es vernehmen konnte, flüsterte sie: »Ich glaube, das nehme ich als persönliche Wiedergutmachung.« Mit diesen Worten fingerte sie kurz an mir herum, bis sie das lederne Band, an dem der kleine, in Silber gefasste Edelstein hing, gelöst hatte. Mit einem triumphierenden Lächeln hielt sie es in ihrer Hand und ließ es vor meinen Augen hin- und her baumeln.
Meine Wut war ins Unermessliche gestiegen, und ich vergaß sogar meine Furcht vor der Elfe, die mich noch vor kurzem hatte umbringen wollen. Es kostete mich viel Beherrschung, doch so gut es eben ging, ließ ich mir nichts anmerken.
Die Stimme des ehemaligen Ritter erklang. »Löst seine Kette von dem Haken, und bringt ihn nach draußen.«
Eine der Wache tat, wie ihr geheißen, und eilte mit einem winzigen Schlüssel zu mir heran. Das Schloss, an dem die Fesseln direkt über meinem Kopf angesperrt waren, wurde quietschend aufgesperrt. Einen Moment später sackte die Kette, welche nun meine beiden Arme verband, nach unten.
Ich zögerte keinen weiteren Augenblick. Mit einem einzigen Schritt war ich an der Elfe heran, packte sie an den Schultern und riss sie energisch herum. Von dem unvermuteten Kraftakt vollkommen überrumpelt, keuchte sie nur auf und leistete nicht die geringste Gegenwehr. Rasch legte ich ihr die Kette um den Hals. Das kalte und spröde Eisen schnitt ihr empfindlich in das weiche Fleisch.
Die Wache, welche neben mir stand, zog geistesgegenwärtig sein Schwert und erhob es bereits, um mir den Kopf zu spalten, als ich einen kleine Bewegung zur Seite machte und so meine Gefangene zwischen mich und dem Kämpfer brachte. Sofort ließ dieser von dem Versuch ab, mich anzugreifen, und seine Klinge verharrte stattdessen unheilvoll in der Luft.
Hektisch griff ich mit meinen beiden Händen unter den flatternden Umhang der Elfe. Meine Fesseln spannten sich noch ein wenig mehr um ihren Hals, und ich konnte ein protestierendes Schnappen nach Luft hören, bis ich fand, wonach ich suchte: tatsächlich hatte sie ihr Kurzschwert nicht am Tor abgegeben, sondern hinter die Mauer geschmuggelt. Eine äußerst schlechte Idee, wie sie nun feststellen musste, als ich ihr die Waffe an die Kehle hielt.
Der zweite Wächter hatte inzwischen seine Überraschung abgeworfen, ebenfalls sein Schwert gezogen und versperrte mir nun den Eingang. Xaviar Lightbringer´s Gesicht hatte einen ernsten Ausdruck angenommen, doch er kam mir keinen Schritt näher. Als alter Stratege und Kämpfer wusste er nur zu gut, dass er in diesem Augenblick nichts für die Elfe unternehmen konnte.
Diese hatte inzwischen wieder genug Luft gesammelt, um mir ins Ohr zu zischen: »Du dreckiger, feiger Sohn einer Hündin!«
Mein Kopf befand sich gleich neben ihrem, damit ich ihr über die Schulter schauen und einen guten Überblick bewahren konnte. Mit einem fiesen Lächeln erwiderte ich: »Lieber feige als tot, Mylady, lieber feige als tot. Und übrigens, ich glaube, Ihr besitzt etwas, das mir gehört. Hättet Ihr wohl die Güte, es mir wieder zu überreichen?«
Zähneknirschend ließ sie den Anhänger in meine offene Hand plumpsen, die ich an ihrem Körper vorbei ausgestreckt hatte. Hastig steckte ich ihn in meine Hosentasche, wobei ich ihr wieder gefährlich die Luft abschnitt. Komischerweise fühlte ich keinerlei Mitleid mit ihr.
Ich gab der Frau einen leichten Stoß in den Rücken. Gehorsam machte sie einen Schritt nach den anderen, während ich mit einer möglichst gefährlich klingenden Stimme meinte: »Ihr tätet gut daran, mich passieren zu lassen, Lightbringer, oder dieses wunderschöne und kampfeswütige Weib liegt gleich ohne Kopf auf dem Boden!«
Der Angesprochene schien noch einen Moment lang zu überlegen, denn seine Stirn legte sich in Falten und der braune Bart raschelte leicht, als ob sein Oberkiefer auf dem unteren mahlte. Dann trat er zögerlich einen Schritt zur Seite und von der Tür weg. Zu seinen Mannen gewandt, sagte er: »Lasst ihn passieren! Wir dürfen die Gefangene nicht gefährden!«
»Ganz genau!« Erfreut darüber, dass mein Vorhaben so gut klappte, lief ich an ihm vorbei, wobei ich immer darauf achtete, die Elfe zwischen ihm und mir zu haben. Kurz, bevor ich hinaus ging, fiel mir eine überaus gute Idee ein. Ich blieb noch einmal stehen und erwiderte mit zuckersüßem Lächeln: »Darf ich wohl um den Schlüssel für diese Zelle bitten, Mylord?«
Selbst jetzt bewahrte der Paladin eiserne Ruhe, als er, diesmal ohne Zögern, der Elfe den goldenen Schlüssel überreichte und diese ihn mit eindeutigem Widerwillen an mir weitergab. »Vielen Dank, Mylord. Eure Gastfreundschaft war zu gütig, doch ich glaube, ich werde sie so schnell nicht wieder beanspruchen.« Lachend zog ich meine Gefangene hinter mir her. Kaum standen wir im Korridor, als die eiserne Tür auch schon ins Schloss fiel und mir damit die Sicht auf die Wächter versperrte. Die Bolzen rasteten beruhigend laut ein.
So weit, so gut. Ich stand auf dem menschenleeren Gang, der alle paar Schritt mehr schlecht als recht von Fackeln beleuchtet wurde. Dafür hatte ich nicht den blassesten Schimmer, in welche Richtung ich nun gehen sollte. Einen winzig kleinen Moment lang überlegte ich, ob ich meine Gefangene fragen sollte, doch beinahe sofort ließ ich von diesem Gedanken wieder ab. Sie hätte mich garantiert den falschen Weg entlang geschickt, und am Ende wäre ich wieder in die Hände der Wächter geraten.
So vertraute ich vollkommen auf mein Glück, wandte mich nach links und schuppste die Elfe den Gang entlang. Aufmerksam sah ich mich immer wieder um, vor allem in meinen Rücken. Ich war noch lange nicht außer Gefahr, die Wachen mochten vielleicht bereits die Aufmerksamkeit ihrer Kameraden erregt haben. Dann würde das gesamte Gefängnis nach mir suchen, und meine Chancen, lebendig und wohlbehalten hier heraus zu kommen, würden noch ein gutes Stück sinken.
Als ich mich schon wunderte, warum sie nichts mehr sagte, meckerte die Elfe bereits wieder los: »Warum hältst du mich noch immer gefangen?! Das ist eines mutigen Recken unwürdig, mit einer Geisel herum zu laufen!«
»Ah ja? Nun, dann bin ich eben kein mutiger Recke, sondern ein feiger Schurke. Zufrieden?« Ich trieb sie zu einer schnelleren Gehweise an, aus Furcht, dass mich etwaige Verfolger tatsächlich noch einholen sollten. Ein weiterer Gedanke bereitete mir Sorgen: Draußen warteten Bogenschützen und Wachen an den Toren auf mich. Ich würde sie nicht einfach so passieren können, jedenfalls nicht ohne die richtige Tarnung.
Mein Blick fiel auf ihren tiefroten Umhang. Abrupt blieb ich stehen. Die Kette spannte sich einmal öfters und drückte ihre Kehle zusammen. Kurz würgte sie, dann wirbelte sie mit einem überaus wütenden Gesichtsausdruck herum und spie mir ins Gesicht: »Was sollte das?!«
»Klappe, und zieht sofort den Mantel aus! Ich glaube, ich werde ihn draußen benötigen!« Meine Antwort war scharf wie die Klinge, welche noch immer an ihrem Hals anlag. Ohne eine weitere Bemerkung, dafür jedoch begleitet von einem giftigen Blick, riss sie das gewünschte Objekt förmlich von sich, warf es mir um und band die Kordel äußerst schlampig fest. Sie würde eine Weile halten, und ich hoffte ohnehin, nicht mehr allzu lange in den Mauern gefangen zu sein.
»Weiter!« Ich drehte meine Gefangene wieder gewaltsam um und eilte mit ihr dem Korridor entlang.
Mein Herz machte geradezu einen Sprung, als ich in nicht allzu weiter Ferne eine hölzerne Tür sah. Kleine Löcher klafften in ihr, und durch diese konnte ich helles Tageslicht hinein dringen sehen. Ich stachelte meine Gefangene noch einmal an, sich einen Schritt schneller zu bewegen, und riss die Tür auf.
Warme Luft strömte mir entgegen, ebenso wie das vereinzelte Zwitschern der Vögel. Ich sog alles in mich auf, schloss für einen Moment die Augen und seufzte leise: »Freiheit...«
»Eine trügerische Freiheit, in der du nicht allzu lange bleiben wirst!« Die Elfe stand zwar mit ihrem Rücken zu mir gewandt, doch sie wusste nach wie vor genau, wie sie mir jeden schönen Moment vermiesen konnte. Ich überlegte einen Augenblick, dann hob ich die Kette von ihrem Hals weg, umschlang stattdessen ihre Taille und drückte sie eng an mich. Das Kurzschwert verdeckte ich unter meinen Umhang und piekste ihr damit unangenehm in die Hüfte, dort, wo ihr Brustpanzer endete und ihren verwundbaren Körper preis gab. Leise zischte ich ihr zu: »Eine falsche Bewegung, und Ihr werdet bluten. Kapiert?«
Sie sah mich mit einem Blick an, der zwischen Hass und Hoffnung auf eine baldige Befreiung hin- und herwechselte, doch sie nickte leicht.
Ohne ein weiteres Wort drängte ich sie über den Hof zum Tor. Den ersten Wächter, der eben die Waffen der Elfe holen wollte und uns aufforderte, doch einen Augenblick zu warten, überhörte ich einfach. Die Frau hingegen wollte schon stehen bleiben und etwas anderes erwidern, als ich sie unter dem verwirrten Blick des Mannes weiter zerrte. Zu meiner Erleichterung blieb er nur stehen und sah uns nach.
Sein Kamerad hingegen war hartnäckiger und stellte sich mir in den Weg, kaum dass mich seine Augen erblickten. Mit einem breiten Lächeln, welches ich durch das geöffnete Visier erkennen konnte, und mit glänzenden Augen fragte er meine unfreiwillige Begleiterin: »Habt Ihr gefunden, was Ihr suchtet, Mylady?«
Bevor sie den Mund öffnen konnte, kam ich ihr zuvor: »Natürlich hat sie das. Und jetzt macht bitte Platz, wir haben es sehr eilig.«
Ich wartete nicht, bis der Wächter eine Antwort geben konnte, sondern ließ ihn einfach stehen und lief mit der Elfe an meiner Seite durch das Tor und auf die Zugbrücke.
Beinahe sofort hörte ich hinter mir seine Stimme: »Einen Moment!«
Daraufhin blieb die Elfe stehen. Gezwungenermaßen tat ich es ihr gleich: wäre ich einfach weiter gelaufen und hätte sie hinter mir her geschleift, so wäre der Verdacht des Wachmanns ins Unermessliche gestiegen.
Ihre Augen sprachen Bände, ganz zu schweigen von ihrem überheblichen Grinsen. Sie glaubte ebenso fest wie ich, dass meine abenteuerliche Flucht hier ein Ende haben würde. Ich schloss für einen Moment die Augen, atmete tief ein. Drehte mich zu dem Mann um, genau so, dass meine Gefangene zwischen mir und ihm stand und sie so die Klinge verdeckte, die auf ihren Unterleib zielte. Dann erwiderte ich möglichst ruhig: »Was ist?«
Meine Stimme zitterte leicht, und ich verfluchte zutiefst diesen Umstand. Mein Gegenüber kam langsam, Schritt für Schritt, näher. »Entschuldigt meine Frage, aber... dürfte ich wohl Euer Gesicht sehen?«
Hätte ich den Versuch unternommen, einfach weg zu laufen, bestand zwar die nicht geringe Chance, ihm zu entfliehen. Allerdings wusste dann das ganze Gefängnis, dass ein Häftling ausgebrochen war, und die Treibjagd würde beginnen. Dabei sah es mein Plan vor, erst einmal unerkannt zu bleiben und möglichst viel Zeit zu gewinnen.
So viel also zu meinem genialen Plan. Ich hatte erwartet, viel früher ausfindig gemacht zu werden, wieder gefangen genommen und in das nächste Verließ gesteckt zu werden. Stattdessen war so lange nichts passiert. Und jetzt, so kurz vor dem Ziel, sollte er scheitern?
»Hamon!«
Überrascht drehte sich der Wächter um. Sein Kamerad, jener von der Waffenabgabe, winkte ihm eilig zu. »Schnell, komm!« Nur einen Augenblick später war er durch die Tür verschwunden, aus der ich in die Freiheit getreten war.
Der Wächter warf mir noch einen skeptischen Blick zu, bis sich sein Mund schließlich wieder öffnete. Mein gesamter Körper verkrampfte aus Furcht vor den Worten, die meine Ohren vernehmen würden.
»Noch einen schönen Tag, Mylady.«
Der Mann machte auf dem Absatz kehrt und rannte mit scheppernder Rüstung dem vorausgeeilten Wachmann hinterher.
Ich entließ stoßweise die in mir angestaute Luft. Ein Hochgefühl nahm von mir Besitz, breitete sich überall in mir aus. Ich konnte es in meinen Zehen, Fingerspitzen und vor allem in meinem Kopf fühlen, wo es eine geradezu berauschende Wirkung hinterließ.
Dann wurde es urplötzlich gedämpft, als ich mir meiner noch immer gefährlichen Lage bewusst wurde. Ich schlang meinen Arm noch ein wenig mehr um die Taille der Elfe, die mich mit einem entgeisterten Blick anstarrte, überquerte zügig die Brücke und zog sie mit mir tief in die vorbeischwappende Menschenmenge hinein.
 
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Kapitel 2

Atunâ wachte urplötzlich auf.
Instinktiv wollte sie zu ihrem Langschwert greifen, als sie bemerkte, dass ihre Hände hinter einem dicken, hölzernen Balken gefesselt waren und sie selbst auf einem kleinen Hocker saß.
Leise fluchend rief sie sich selbst zur Ordnung. Natürlich konnte sie sich keinen Zoll weit rühren. Der feige Gauner, der mit ihr als Geisel aus dem Gefängnis geflohen war, hatte dafür Vorkehrungen getroffen.
Die Nachtelfe ließ ihren Blick schweifen. Obwohl tiefste Finsternis herrschte, hatte Atunâ doch keine Schwierigkeiten dabei, jeden noch so kleinen Gegenstand zu erkennen. Eine überaus nützliche Gabe ihres Volkes, die sie schon des öfteren zum Verderben ihrer Feinde genutzt hatte.
Ein grauenerregendes Geräusch drang an ihr Ohr. Sie zweifelte keinen Moment lang daran, dass es auch der Grund für ihr Erwachen gewesen war. Sie brauchte nicht lange zu suchen, um die Quelle des Lärms zu entdecken: eine Gestalt, die einen purpurnen Umhang trug, lag auf dem einzigen Bett in dem kleinen Raum und schnarchte lautstark vor sich hin.
Am liebsten hätte sich die Frau selbst geohrfeigt, wäre dies ihr nur möglich gewesen. Wie konnte ich auch nur so dumm sein und das Kurzschwert mitnehmen?! Er wusste ganz genau, dass ich es dabei hatte...
Sie warf dem Schlafenden einen letzten zornigen Blick zu, dann unterzog sie den Raum erneut einer eingehenden Untersuchung, in der Hoffnung, irgend etwas zu finden, dass ihr helfen mochte, sich von den Fesseln zu befreien.
Doch ihre Suche blieb erfolglos. Ein alter morscher Schrank stand in der einen, ein gebrechlich wirkender Stuhl in einer anderen Ecke. Überhaupt war die Kammer sehr spartanisch eingerichtet. Atunâ vermutete, dass es sich um eines der alten Häuser in dem Schurkenviertel handelte. Nichts von Wert ließ sich mehr finden, ein Messer oder ein anderer scharfer Gegenstand schon gar nicht.
Der Raum war ihr völlig unbekannt. Sie konnte sich nur noch daran erinnern, dass der Mann sie kreuz und quer durch die Stadt gejagt hatte, immer von einer dunklen Seitengasse in eine andere, den Stadtwachen und Patrouillen ausweichend und keine Aufmerksamkeit erregend. Was diesen Punkt anging, war die Nachtelfe anderer Ansicht gewesen: wo nur möglich, hatte sie versucht, vorbeieilende Menschen, Zwerge oder Gnome anzusprechen, doch ohne Erfolg. Als die Spitze des Schwertes immer öfters und zunehmend intensiver in ihre Seite gestochen hatte, gab sie ihr Unterfangen auf und leistete keinen Widerstand mehr. Sie wusste, wenn sie nur lange genug warten würde, bekäme sie schon bald eine Chance für ihre wohlverdiente Rache.
Bisher hatte sich jedoch eine solche Chance nicht ergeben. Den Anfall von Mut, den der Dieb bekommen hatte, war schon längst wieder verflogen und er in seine alte, ängstliche Denkweise zurück verfallen. Irgendwann, als sie ihn zum wiederholten Male aufforderte, sich einfach den Wachen zu ergeben, hatte er sie nur mit großen Augen angesehen und kurz danach gezwungen, den Inhalt eines kleinen Fläschchens zu trinken, das er zuvor aus einer kleinen Nische hinter einem Bretterverschlag gezogen hatte. Anscheinend war er so vorsichtig gewesen, nützliche Gegenstände in der ganzen Stadt zu verstecken, um diese, falls benötigt, immer zur Verfügung zu haben.
Atunâ hatte versucht, die Luft anzuhalten und nicht einen Tropfen in ihren Rachen gleiten zu lassen, doch ihr Gegenüber beobachtete sie genau. Als er schließlich wieder mit dem Pieksen des Schwertes in ihre feine Haut anfing, hatte sie sich ihrem Schicksal ergeben und das übel riechende Gebräu hinunter geschluckt. Nur einen Augenblick später war alles um sie herum in Schwärze versunken.
Sie konnte noch immer den Geschmack des Trankes auf ihrer Zunge schmecken. Anscheinend hatte der Schlaftrunk keine allzu lange Wirkung, doch immerhin war schon die Nacht herein gebrochen. Durch einige Ritzen in der Wand konnte sie den vollen Mond schimmern sehen.
Wieder ertönte das Schnarchen, diesmal noch um einiges lauter als vorher. Entnervt und mit zuckenden Ohren polterte die Elfe: »Hör endlich mit diesem Krach auf!«
Ein leiser Schrei ertönte, dann vernahm Atunâ das Zischen eines Schwertes, das die Luft zerschnitt. Einen Augenblick später stand der Mensch vor ihr, mit der erhobener Waffe in der einen und einen grauen Kugel, die sie so noch nie gesehen hatte, in der anderen Hand.
Der Kopf des Erwachten ruckte immer wieder hin und her, bis sein Blick auf sie fiel. Mit flüsternder Stimme fragte er: »Habt Ihr etwas gehört?«
»Oh ja, nämlich dein Schnarchen!« Sie schaute ihn finster an, doch die Elfe glaubte nicht, dass er ihre Augen in der Dunkelheit erkennen konnte. »Selbst die Toten wären bei diesem Lärm aufgewacht!«
»Sprecht nicht von den Toten!« Die altbekannte Angst nahm wieder Besitz von dem Mann, der nun aufgeregt in dem Raum hin und her tapste, immer so, dass er seine Gefangene im Sichtfeld behielt. »Man weiß nie, wann diese wandelnden Leichen auftauchen... sie haben Lordaeron eingenommen. Stormwind ist auch nicht viel größer!«
»Aber um einiges besser befestigt, du Schwachkopf.« Die Elfe hatte wieder ihr erhabenes Lächeln aufgesetzt und hielt ohne weiteres den Blick stand, den er ihr zuwarf. In seinen Augen konnte sie nur zu gut die Furcht erkennen, die er gerade durchlitt. Und Atunâ war gewillt, diese noch zu vergrößern. »Du solltest dich nicht allzu sicher fühlen, Drênak. Die Wachen werden dich schon finden, egal, wo du dich verkriechst.«
»Die Wachen...« Er hielt kurz inne, überlegte einen Moment. Dann drehte er sich wieder um und fing wieder an, auf und ab zu gehen. »Die Wachen sind dumm. Sie haben mich nur mit Glück geschnappt, und noch einmal wird es ihnen nicht gelingen.«
»Glaubst du das wirklich?« Ihre Stimme klang lieblich, doch der Spott darin war nicht zu überhören. »Schau dich doch an. Du hast selbst schon längst erkannt, dass es keinen Ausweg aus der Stadt gibt, ohne in die Hände der Garde zu fallen.«
Wieder verharrte er, mit dem Rücken ihr zugewandt. Doch diesmal erwiderte er nichts, sondern zitterte am ganzen Leib. Sofort ergriff Atunâ erneut das Wort: »Aber ich könnte dir helfen.«
Eilig wandte sich der Mensch um und kam auf sie zu, fiel vor ihr auf die Knie, um mit ihr auf gleicher Höhe zu sein. Sein Gesicht war eine einzige Maske der Ratlosigkeit und verzerrt vor Angst. »Was soll ich tun?«
Sie lächelte ihn sanft an, ihre Augen strahlten gespielte Güte aus. »Lass mich frei, und ich verspreche -«
Ohne sie auch nur einen Augenblick lang weiter anzuhören, stand der Schurke auf und sah sie mit einer nun finsteren Miene an. »Euch freilassen? Ich bin zwar feige, aber nicht verrückt!« Langsam näherte er sich dem alten und halb zerfallenen Bett und setzte sich seufzend darauf. Die Elfe konnte ihn leise vor sich hin murmeln hören. »Was soll ich nur tun, was soll ich nur tun... sie töten?«
Er warf ihr einen Blick zu und erkannte ihr versteinertes Gesicht. Leise lächelnd fügte er hinzu: »Ja, Euch zu töten wäre vielleicht kein schlechter Einfall. Mit Eurer eigenen Klinge hingerichtet. Wäre das nicht eine wundervolle Ironie?«
»Nicht ich, du wirst bald unter der Erde liegen, kleiner Mensch.« Atunâs Augen vereinten Zorn, Hass und Wut in sich, als sie in jene ihres Gegenübers sahen. Dieser erwiderte den Blick ohne Zögern, und zum Schrecken der Frau konnte sie in ihm ein leichtes Schimmern erkennen. Ob es Mut oder Wahnsinn war, vermochte sie nicht zu sagen.
Eines jedoch wurde ihr schlagartig klar: sie durfte ihre Provokationen nicht übertreiben, oder sie würde nicht mit heiler Haut davon kommen.

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fesselnd einfach nur spannend ^^aber ich will ein paar trolle drin haben und die sollen nich umbedingt verrecken neXD aber sonst sehr fein mehr davon^^
 
Ich konnte spüren, wie mein Herz gegen die Rippen pochte. Außerdem schien ein Kloß in meinem Hals zu stecken.
Ich hatte Angst davor, auf meinem nächtlichen Spaziergang entdeckt zu werden. Die Elfe hatte ich in der morschen Hütte zurück gelassen – nachdem ich mir sicher war, dass die Fesseln auch gut saßen, und ihr zum Abschied einen Knebel verpasst hatte. Sie würde nicht nach Hilfe schreien können, wenn wider Erwarten ein Gerüsteter das Gebäude passieren sollte.
Ich fing wieder an am ganzen Körper zu zittern. Die Furcht in mir wurde übermächtig, so wie sie es schon mein ganzes Leben gewesen war.
Tatsächlich stellte sie meinen treusten Begleiter dar. Ich fürchtete mich vor fast allem, das mir begegnete: dem einfachen Händler, der an mir vorbei schritt, um seinen Geschäften nach zu gehen; der Bettler, der mich vielleicht erkennen und gegen mein Kopfgeld an die Wachen verpfeifen mochte; und natürlich die Wachen selbst.
Doch jetzt, in diesem Augenblick, hatte ich vor allem Angst vor mir selbst.
Ich hatte ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, die Elfe einfach zu töten. Sie würde irgendwann gefunden werden, spätestens dann, wenn die streunenden Hunde ihren Leichnam erschnüffelt und mit einem abscheulichen Gebell begonnen hätten. Doch verraten, wohin ich gegangen war, das würde sie nicht können.
Inzwischen hatte ich diese Idee wieder verworfen. Ich brachte nicht den Mut auf, mich vor sie zu stellen und das Schwert zu schwingen. Schon alleine daran zu denken, ließ mich erschaudern.
Nein, ich würde sie nicht töten. Aber freilassen auch nicht. Ehrlich gesagt, wusste ich nicht, was ich tun sollte. Einerseits wollte ich so schnell wie nur möglich aus der Stadt verschwinden. Doch andererseits hing ich irgendwie an die altbekannten Mauern, zwischen welchen ich nun schon seit Zyklen wohnte und denen ich jeden Sonnenumlauf begegnete. Sie einfach hinter mir zu lassen, war etwas, das mir nicht leicht fiel.
Und doch musste es sein, das wurde mir in diesem Augenblick klar. Die Stadtwachen waren nach wie vor auf der Suche nach mir, nun erst recht, da ich die Frau als Geisel genommen hatte.
Erst jetzt kam mir der Gedanke, dass ich gar nichts über sie wusste. Ich hatte nicht einen einzigen Anhaltspunkt, nicht einmal ihren Namen. Vielleicht war sie eine hohe Adlige aus Darnassus? Oder auch nur eine berühmte Jägerin? In beiden Fällen würde die Suche nach mir drastisch verschärft werden, um meine Gefangene wohlbehalten zurück zu erlangen.
Schweiß stand auf meiner Stirn, wieder versuchte die Angst Besitz von mir zu ergreifen. Einen Moment lang war ich gewillt, ihr nachzugeben. So, wie ich es immer getan hatte.
Doch diesmal regte sich ein anderes Gefühl in mir, eines, das ich noch niemals verspürt hatte. Es kämpfte gegen die Furcht an, versuchte, sie wieder aus mich hinaus zu drängen. Hin und her gerissen blieb ich stehen. Unendlich viele Gedanken schwirrten durch meinen Kopf, wollten allesamt als erstes gehört werden.
Bis plötzlich absolute Stille herrschte. Die Angst war gewichen, ebenso wie das fürchterliche Geschrei in meinem Schädel. Verwirrt sah ich mich um.
Ich stand wieder vor der Hütte, in der ich Unterschlupf gefunden hatte.
 
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Beinahe kam es mir vor, als würde sich ein Vorhang heben, der mir bisher meinen Blick beraubt hatte. Nachdenklich drückte gegen die alte schäbige Tür, die nur noch in einer Angel hing. Mein Atem ging ruhig, als ich eintrat. Zielstrebig und ohne auf den Müll, der hier sein Reich aufgeschlagen hatte, zu achten, ging ich zu einer baufälligen Treppe, der bereits einige Stufen fehlten. Eilig erklomm ich sie und betrat den Dachboden.
Mein Blick traf jenen der Elfe, die nach wie vor auf ihrem Hocker saß. Die Hoffnung in ihren Augen, die kurz aufflackerte, verschwand sofort wieder und wich dem Zorn. Lächelnd kam ich auf sie zu, streckte vorsichtig meine Hand nach ihr aus und nahm den zusammen geknüllten Stofffetzen aus ihrem Mund. »Ich hoffe, Ihr habt nicht zu lange versucht zu schreien?«
»Was hast du mit mir vor?!« Ihre Stimme klang erzürnt, die Ohren zuckten immer wieder. Interessiert beobachtete ich ihr Aussehen ein Weilchen, dann erwiderte ich: »Ich weiß es noch nicht. Vielleicht werde ich Euch freilassen. Aber nur, wenn Ihr auch artig auf meine Fragen antwortet.«
Ihr Gesicht nahm den Ausdruck eines Stieres an, der gerade ein rotes Tuch vor sich im Wind flattern sah. Mit knirschenden Zähnen gab sie zurück: »Was willst du von mir?«
Ich hatte gerade den alten Stuhl entdeckt, ging schnell zu ihm, stellte das hölzerne Ding vor die Elfe und setzte mich darauf. Mein Lächeln war nicht vergangen. Mein Herz schlug noch immer ruhig, als ich der Frau gegenüber stand. Zwar strahlte sie nach wie vor eine Aura der Bedrohung aus, doch inzwischen hatte ich erkannt, dass sie derzeit keine Gefahr für mich darstellte.
»Wie heißt Ihr?« Ich beugte mich ein wenig weiter nach vorne, um sie auch ja gut zu verstehen.
Ihr silbernes Haar duftete nach Blumen und Wiesen, nach weiter freier Natur. Einen Moment lang war ich geradezu hingerissen von dem Geruch, als mich ihre Antwort weckte: »Atunâ Silverarrow.«
Ich überlegte kurz, dann erwiderte ich mit einer nachdenklichen Stimme: »Ich habe noch nie von Euch gehört... darf ich also annehmen, dass Ihr eher unbekannt seid?«
Meine Frage reizte sie zur Weißglut, denn sie spuckte Gift und Galle, als sie mir entgegnete: »Ich habe mehr Untote, Orks, Trolle und Tauren umgebracht, als du jemals zu sehen bekommen werdet!«
»Also nicht sehr viele...« Grinsend lehnte ich mich wieder ein wenig zurück. Langsam fing das Gespräch an, mir Spaß zu machen. Ein Luxus, den ich mir schon lange nicht mehr geleistet hatte und der ständig von meinen Angstzuständen verhindert worden war. »Warum seid Ihr hier in Stormwind? Es lag nicht viel Zeit zwischen dem Diebstahl Eures Schwertes«, ich legte unbewusst meine Hand auf den Knauf der Klinge; ihre Augen folgten genau meiner Bewegung und verengten sich, als sie erkannte, was meine Finger gerade berührten, »und meiner Verhaftung. Ihr seid also nicht nur gekommen, um mich am Galgen hängen zu sehen, richtig?«
»Natürlich nicht!« Ihr Ton war noch immer schneidend und scharf wie der eines Messers, doch trieb er mich nicht mehr an den Rande der Verzweiflung. Stattdessen fand ich ihn eher amüsant: sie klang ein wenig wie ein kleines Schoßhündchen, dem man seinen Lieblingsknochen entwendet hatte. »Ich bin eine Abgesandte der Nachtelfen und -«
»Eine Abgesandte?« Mein Lächeln wurde breiter, als ich in ihre blau glitzernden, irritierten Augen sah. »Mylady, ich kenne die Abgesandten der Nachtelfen. Sie tragen weder Rüstung noch Waffe, nur einen tiefblauen Umhang und einfache Lederkleidung. Ein überaus günstiges Ziel für einen Überfall.«
Sie biss sich ertappt auf die Unterlippe, bevor sie etwas zögerlich antwortete: »Ich bin eine einfache Jägerin und habe einen Auftrag erfüllt, dessen Lohn ich einholen wollte.«
»Aha.« Ich streichelte sanft über meinen kurz gehaltenen Kinnbart, bevor ich mich an meinem dunkelblonden, kurz gehaltenen Schopf kratzte. »Woher kennt Ihr Xaviar Lightbringer?«
Auch auf ihrem Gesicht erschien ein sanftes Lächeln. Diesmal ohne Spott und Hohn, sondern einfach nur, weil ihr danach war. »Ich stand Ihm im Kampf gegen die Untoten bei. In Lordaeron.«
 
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»In Lordaeron?« Kurz ließ ich meine Gedanken schweifen. Ich hatte selbst unter dem Kommando des Paladin in dieser gottverlassenen und vor sich hinfaulenden Gegend um die ehemalige Hauptstadt der Menschen gekämpft, die nun von den Verlassenen bewohnt wurden: eine Gruppe wandelnder Leichen, geführt von einer wiederbelebten Hochelfe namens Sylvanas Windrunner. Angeblich kämpfte sie ebenfalls gegen den Verräter und Lichkönig Arthas, der sie als Strafe für ihre harte Gegenwehr zu einem unheiligen Leben verdammte. Irgendwie war es ihr jedoch gelungen, sich dem Einfluss des ehemaligen Thronerben zu entziehen und mit einigen Getreuen zu fliehen.
Allerdings war sie keinen Deut besser als Arthas. Sie gab ihren Apothekern den Auftrag, Seuchen zu erfinden, wie jene, die einst über unser Land gezogen war und Tod und Verwüstung hinterlassen hatte, ganz zu schweigen von den vielen infizierten Menschen, die nach und nach unter die Kontrolle des Lichkönigs gerieten.
Und tatsächlich, jetzt fiel mir auch wieder ein, dass ich des öfteren eine Nachtelfe zu dem Ritter des Lichts hatte gehen sehen. Wann immer man die beiden zusammen angetroffen hatte, waren sie in einem Gespräche über Strategien und den bisherigen Verlauf der Kämpfe vertieft gewesen. Zuletzt stellten sich diese Gespräche als unnötig heraus: die Untoten überrannten unsere Stellung und wir waren gezwungen, den Rückzug über das Wasser anzutreten.
Ich schenkte meiner Gefangenen einen vielsagenden Blick. »Dann habe ich doch schon von Euch gehört. Besser gesagt, ich habe Euch des öfteren gesehen.«
»Das bezweifle ich.« Ihre Augen strömten Kälte aus, während sie weiter sprach: »Wenn du mich gesehen hättest, würde ich mich an dein Gesicht erinnern.«
»Seid Euch da nicht so sicher, Mylady.« Grinsend streckte ich mich, um den letzten Rest Müdigkeit aus meinen Gliedern zu vertreiben. Ich fühlte mich geradezu erfrischt, doch woran es genau lag, vermochte ich nicht zu sagen. »Was wolltet Ihr tun, bevor ich Euch dazwischen kam?«
Ihr Lächeln wurde schmal, die Augen fixierten mich. »Ich wollte das Kopfgeld eines gesuchten Verbrechers einstreichen. Viele Händler und selbst die Stadtwachen suchten nach Leuten, die ihnen behilflich sein würden.«
»Oh...« Ich musste nicht lange überlegen, um darauf zu kommen, wen sie meinte. Außer mir gab es keinerlei Diebe mehr, sah man von denen ab, die ab und zu klauten, um sich selbst gerade noch über Wasser zu halten. »Ich verstehe. Nun, ich werde Euch enttäuschen müssen, Mylady.«
Langsam stand ich auf, bedachte sie mit einem mitleidigen Blick. Der ihre folgte mir genau, versuchte zu erraten, was ich nun tun würde. Ihr Mund bewegte sich bereits, um eine entsprechende Frage zu formulieren, doch ich unterbrach sie, bevor die Elfe überhaupt angefangen hatte zu sprechen. »Seid ruhig. Ich werde es Euch genaustens erklären.«
Überrascht schloss sie wieder ihren Mund und sah mich fragend an. Ich kümmerte mich nicht mehr weiter um sie, sondern drehte mich um und ging auf das Bett zu. »Wie Ihr sicher wisst, muss ich fliehen. Eigentlich war es meine Absicht, Euch einfach hier zu lassen, geknebelt und gefesselt. Mit etwas Glück hätte man Euch gefunden, bevor Ihr verdurstet wäret.«
Ich machte eine kurze Pause, während der ich allerlei Utensilien unter den vermoderten Strohsäcken zog und eilig in einen daneben liegenden ledernen Beutel packte. Ich hatte meinen Spaziergang schließlich nicht aus reiner Freude unternommen und ihn einem besoffenen alten Mann entwendet, der es nicht einmal mehr bemerkte. Seine Geldbörse, die sich in der Tasche befand, war gut gefüllt: sie klimperte fröhlich vor sich hin, als einige meiner metallenen Kugeln dagegen stießen.
»Aber ich glaube, ich werde auf eine solch grausame Hinrichtung verzichten.« Ein neuerlicher Gedanke raste durch meinen Kopf. Meine Hand fuhr zu der Tasche meiner Hose und befingerte vorsichtig das Medaillon, welches sich nach wie vor dort befand.
Ich hatte endlich alles zusammen gekramt, das ich benötigen würde. Seufzend schlang ich den Gurt des Beutels um meine Schulter und wandte mich wieder an die Elfe, die mich noch immer genau beobachtete. Mit einer ausdruckslosen Miene kam ich auf sie zu. »Ihr wart zwar nicht sonderlich nett zu mir, und Ihr seid es noch immer nicht. Aber ich will Euch verzeihen.«
»Oh, wie schön.« Ihre Stimme triefte geradezu von Sarkasmus. Sie strahlte nach wie vor Kälte und Wut aus, mit der sie mich nun schon die ganze Zeit bedachte.
Mit den Schultern zuckend, erwiderte ich: »Nun, jedenfalls fast.« Eilig brachte ich ein kleines Fläschchen zum Vorschein. »Ich denke, Ihr wisst, was das ist?«
Ihrem Blick nach zu urteilen, hatte sie sofort erfasst, was in dem gläsernen Behältnis fröhlich herum schwappte. Vorsichtig zog ich den Korken aus der Flasche, kniete mich vor der Frau hin und hielt die Öffnung des Gefäßes an ihren Mund. »Es tut mir wirklich Leid, aber um meiner Sicherheit Willen bleibt mir nichts anderes übrig, als Euch noch einmal in den Schlaf zu versetzen. Bedenkt einfach nur eines: wenn Ihr aufwacht, werdet Ihr frei sein.«
Die Worte bewirkten das, was ich zu hoffen gewagt hatte: ohne Gegenwehr trank sie das Gebräu herunter. Kaum hatte ich die Flasche abgesetzt, als sie sich auch schon mit einem geekelten Gesichtsausdruck beschwerte: »Das Zeugs schmeckt grauenvoll!«
Ich musste unwillkürlich grinsen. »Die Kräuter dafür sind schwer zu beschaffen und haben nicht das beste Aroma, wohl wahr. Aber dafür ist die Wirkung umso besser.«
Noch ein letztes Mal sah ich ihr tief in die saphirblauen Augen. »Lebt wohl. Und falls Ihr Eure Klinge sucht...« Ich atmete tief ein, dann wischte ich ihr ein paar der silbernen Strähnen aus dem Gesicht und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Ihre erstaunten, jedoch nur noch halb geöffneten Augen starrten mich an, als ich lächelnd hinzufügte: »Falls Ihr also Eure Klinge sucht: Ihr werdet sie dort finden, wo ich bin.«
Sie murmelte noch leise etwas vor sich hin, dann schlossen sich ihre Lider vollends und ihr Kopf lehnte sich zur Seite.
Schnell umrundete ich sie und durchtrennte ihre Fesseln. Beinahe wäre sie nach vorne gekippt und auf den Boden geknallt, hätte ich sie nicht an den Schultern gepackt und daran gehindert. Eilig machte ich mich daran, sie ihrer Rüstung zu entledigen. Unter dem Brustpanzer kam ein dickes Baumwollhemd zum Vorschein, das ihre Rundungen umschmeichelte. Ich beobachtete, wie sich ihre Brust langsam und regelmäßig hob und senkte, dann schmiss ich den metallenen Schutz einfach zur Seite, hob sie hoch und trug sie hinüber zu meinem alten Schlafgemach, um sie darauf zu betten.
Ihr Gesicht hatte einen ruhigen Ausdruck angenommen. Sie sah nicht älter als 19 Sommer aus, fast wie ein wehrloses Mädchen. Ich lachte leise über ihren Anblick, wusste ich doch nur zu gut, wie gefährlich diese Elfe werden konnte und was für eine ungeheure Wut sie in sich barg.
Noch immer lächelnd kramte ich das Amulett aus meiner Hosentasche, hob vorsichtig ihren Kopf an und hängte es um ihren Hals. Dann betrachtete ich sie noch einen winzig kleinen Augenblick, bevor ich mich umdrehte und aus dem Zimmer hinaus schlich, darauf bedacht, auch ja keinen Lärm zu machen und ihre Ruhe zu stören.
 
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klasse klasse.......fesselnd spannend wie he und je man muss schons agen du hast eine gute Phantasie....gefällt mir wwenn du fertich bist mit deiner geschichte.ich hoffe dat dauert noch en bissel^^.........könntest doch mal versuchen en manuskript an irgendeinen verlag zu schicken...vllt hast du ja glück^^
.auf jedenfall mach weiter so.mir gefallen die abenteuer von Drênak und hoffentlich war das net die letzte Begegnung von Drênak & Atunâ Silverarrow
 
Kapitel 3

Nach wie vor hielt der Wächter seine geballte Hand auf die Brust, wie es der Militärgruß verlangte. Doch seinem von einem grauen Vollbart gezierten Gesicht konnte man nur zu gut entnehmen, wie gerne er jetzt an einem anderen Ort als auf den Zinnen sein würde.
Xaviar Lightbringer und Atunâ Silverarrow standen vor dem Mann. Während der Mensch eine eher verständnisvolle Miene aufgesetzt hatte und kein Wort sagte, ließ die Elfe ihrem Zorn ungehindert freiem Lauf. »Ich frage dich also erneut: wie kannst du nur so unsäglich dumm sein und einen Verbrecher hier herum schleichen lassen?!«
Die Wache schien ein wenig zu schrumpfen und seine Hand ballte sich um den Stab ihrer Hellebarde, als sie kleinlaut erwiderte: »Nun ja, er sah nicht verdächtig aus... und er trug Kleidung, wie es gewöhnliche Bürger auch tun... ich dachte, er wolle nur einen Spaziergang machen -«
»Einen Spaziergang mit einem Seil in der Hand?!« Inzwischen hatte die Frau angefangen, lauthals zu schreien. Die ersten Schaulustigen versammelten sich unterhalb der Stadtmauer und beobachteten das Ereignis, welches vielleicht zwanzig Schritt über ihnen stattfand. »Man sollte dich für solch eine Vermutung eigentlich in den Kerker schmeißen und -«
»Na, na, meine Liebe.« Der Paladin, welcher bis gerade eben noch alles ruhig mit angehört hatte, legte behutsam seine Hand auf die Schulter der Elfe, die ihren eisernen Brustpanzer gegen eine einfache Lederrüstung getauscht hatte. »Der Verbrecher kann noch nicht weit gekommen sein -«
»Das sagt Ihr, Xaviar!« Atunâ fuhr ihn dermaßen scharf an, dass dessen Augenbrauen merklich dem Schopf entgegen wanderten und sich weit oberhalb der Nase trafen. Die Augen der Frau blitzten vor Zorn, als sie fort fuhr: »Dieser... dieser Dreckskerl hat mein Schwert! Schon wieder! Und Ihr und Eure verdammte Garde seid nicht fähig, ihn einfach wieder einzufangen und -«
»Es reicht.« Der Satz kam mit vollkommener Ruhe über die Lippen des Ritters, doch in einem Ton, der kein Widerwort duldete. Man sah der Elfe an, dass sie diesem Befehl nur schwerlich nachkommen konnte. Etwas freundlicher fügte der Mann hinzu: »Ich weiß, dass Euch der erneute Diebstahl Eures Schwertes ärgert, doch verstehe ich nicht so recht den Grund dafür. Immerhin habt Ihr doch noch Euer Langschwert und -«
»Wie sollt Ihr es auch verstehen!« Atunâ fegte die Hand des Kommandeurs zur Seite, während sie ihn erbittert ansah. »Diese Klinge ist nicht nur ein einfaches Schwert! Es ist eine verzauberte Waffe, die viel Macht in sich birgt! Macht, die mir in den falschen Händen gar nicht gefallen will!«
Die Augen Lightbringers verengten sich. »Was für eine Macht?«
Die Angesprochene fuchtelte nur hilflos mit den Händen in der Luft herum. »Woher soll ich das wissen? Bisher hatte noch keiner außer mir das Schwert in der Hand, und ich benutzte es noch nicht in einem Kampf!«
Der Mensch nickte langsam, dann drehte er sich eilig um und bedeutete der Elfe, ihm zu folgen. »Kommt mit. Wir werden einen Suchtrupp zusammen stellen und -«
»Nein!«
Überrascht blieb der Paladin stehen und wandte sich mit einem fragenden Blick der Frau zu. Diese schüttelte nur den Kopf und erwiderte: »Bis Ihr Euren Suchtrupp beisammen habt, vergeht nur wertvolle Zeit! Ganz zu schweigen davon, dass Ihr nicht einmal wisst, wohin er gegangen sein könnte!«
»Dann werden wir eben seine Spuren verfolgen -«
»Ihr habt nicht einmal einen vernünftigen Fährtenleser unter Euren Männern! Und wenn alle Soldaten von Stormwind eben solche sind wie der Wächter dort«, sie warf dem Mann einen vernichtenden Blick zu, der sich daraufhin eiligst abwandte und seine Patrouille wieder aufnahm, »dann wird er untergetaucht sein, bevor Ihr auch nur einen Krümel seines Abendessens findet!«
»Atunâ Silverarrow, langsam werdet Ihr unverschämt.« Der Ritter schien zu knurren, als er die Worte sprach. Sein freundliches Gesicht hatte die Züge eines wütenden Wolfs angenommen. »Was wollt Ihr sonst tun, wenn nicht auf einen Trupp warten?«
»Ganz einfach.« Mit einem überheblichen Blick sah die Elfe in die Augen des Paladins, als sie ihn passierte. »Ich werde ihn finden. Und zwar schneller, als Ihr jemals vermuten würdet.«
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, eilte Atunâ die steinerne Treppe hinab und quetschte sich durch die Menge, die sich inzwischen versammelt hatte und nun langsam begriffen war, sich aufzulösen.
Die Elfe achtete nicht auf die Menschen um sich herum, sondern ging mit eiligem Schritt zu dem nahegelegenen hölzernen Stall, in dem es nach Mist und tierischem Schweiß stank. Im Grunde genommen bestand er aus einer einzigen riesigen Koppel, dessen niedriger Zaun die Tiere am Ausbrechen hindern sollte. Als sie durch das kleine Tor eintrat, bemerkte die Frau, dass sich alle Pferde ängstlich wiehernd und schnaubend in eine Ecke gedrängt hatten, nämlich jener, die am weitesten von dem Säbelzahntiger entfernt war, der faul auf dem Boden lag und zu dösen schien. Lächelnd ging sie auf das riesige Tier zu, kraulte ihn kurz hinter dem Ohr und flüsterte hinein: »Erwache, Shanodrîn. Wir gehen auf die Jagd.«
Augenblicklich öffneten sich die gelb leuchtenden Augen, die Muskeln spannten sich unter dem weißen, mit schwarzen Punkten verzierten Fell und der mächtige Tiger erhob sich, um sich ausgiebig zu schütteln und angespannt in der Luft zu schnüffeln. Geschwind schwang sich Atunâ auf den Sattel ihres Reittieres, ergriff die Zügel und dirigierte das Tier hinaus auf die Straße. Dort verfiel es in einen leichten Trab, und während es immer der Nase folgend dem Ausgang der Stadt entgegen lief, war seine Reiterin in Gedanken versunken. Wohin könnte er gegangen sein? Er hatte nie etwas von Freunden gesagt... dafür war er zu feige. Wobei...
Ein leichter Schauer lief ihr über den Rücken, der sie schüttelte. Vor ihrem geistigen Auge erkannte sie noch einmal sein Gesicht, dass sie angeschaut hatte, kurz bevor sie eingeschlafen war. Die Augen, die keinerlei Furcht mehr in sich hatten, sondern von Ruhe geradezu erfüllt waren.
Beinahe glaubte sie, den Kuss, den er ihr gegeben hatte, noch einmal zu spüren. Dieser kleine verlauste Hund hat es gewagt, mich so zu berühren! Wut erfüllte ihr Herz und dominierte ihre Gedanken, während sie sich auf den Weg, der vor ihr lag, konzentrierte. Wenn ich ihn erst mal erwischt habe, wird er sich wünschen, mir niemals begegnet zu sein!
Als sie an diesem Morgen aus ihrem tiefen Schlaf erwacht war, hatte die Sonne bereits warm vom Himmel geschienen. Sofort war sie zu dem Paladin geeilt, um darauf zu drängen, unverzüglich die Verfolgung auf zu nehmen. Bis man ihr sagte, dass ein Unbekannter in der Nacht geflohen sei. Als sie der Hütte, in der sie gefangen gewesen war, einen zweiten Besuch abstattete, hatte sie nichts gefunden, was ihr einen Anhaltspunkt geliefert hätte. Das Einzige, dass sie von ihm besaß, war das Amulett.
Kurz berührte sie das Medaillon, welches sich in ihre Hand schmiegte. Obwohl es von kaltem Gold umgeben war, strahlte es doch eine angenehme Wärme aus. Atunâ glaubte, dass diese von dem eingearbeiteten Rubin stammte, der immerzu ein wenig glomm und wie ein Herz zu pulsieren schien.
Ihre Augen hefteten sich wieder auf die Straße. Sie erreichte gerade die Brücke, welche über den gewaltigen Wassergraben führte, passierte das gewaltige Eingangstor der Stadt und dadurch auch die mächtigen Statuen vergangener Helden. Hier waren die Größten der Menschen, Zwergen und Nachtelfen für immer verewigt. Kleine Tafeln auf den Sockeln gaben über ihren Namen und der Tat, die sie vollbracht hatten, Auskunft.
Atunâ hatte jedoch keinen Blick für sie übrig und ritt stattdessen schweigend an ihnen vorbei. Erst, nachdem sie den zweiten Verteidigungsring hinter sich gelassen hatte, zügelte sie den Tiger ein wenig, um sich besser umsehen zu können, bis sie ihn vollkommen zum Stillstand brachte.
 
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manmanman. du solltest autor werden.
wenn alle Autoren wie du schreiben würden, würde ich nur noch hinter den Seiten von Büchern sitzen.
Weiter so.
Ich würd auch gern so schreiben können.
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hat mir mal eine schöne stunde auf arbeit ausgefüllt
biggrin.gif

weiter so! (musst du echt mal versuchen das gewinnbringend an irgendein verlag zu geben)
 
*Comment*
Tja, ich bin schon dabei, einen eigenen Fantasy-Roman zu schreiben... aber ich schätze, ich brauche Euch nicht sagen, dass der Markt derzeit von Fantasy-Büchern überschwemmt wird. Auch wenn die meisten davon Herr-der-Ringe-Kopien sind, und dazu noch richtig schlechte. (Zum Beispiel 'Zwergenzorn' & 'Zwergenmacht')
Einen Verlag zu finden, wird dementsprechend schwer werden. Zudem muss ich mich auch noch um alltägliche Dinge kümmern, wie Essen, Schlafen und Schule.
biggrin.gif
Insofern... schauen wir mal, was der Roman in einem halben Jahr macht.
*Comment Ende*
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Aufmerksam sah sich die Elfe um. Er musste ebenfalls die Brücke überqueren, um aus der Stadt zu fliehen... also ist er zwangsweise hier vorbei gekommen. Sie erhoffte nicht wirklich, einen sichtbaren Hinweis zu finden. Doch selbst eine Auskunft der Bauern, die hier rund um die Hauptstadt der Menschen wohnten, mochte sie auf die richtige Spur bringen. Des weiteren bezweifelte sie, dass der Fliehende versuchen würde, sich einen Weg durch das Dickicht zu schlagen. Sie glaubte eher, dass er den Straßen folgte, um möglichst schnell zu reisen. Wohin, wusste sie nicht, doch das war Atunâ auch egal. Sie wollte ihn schnappen, bevor er allzu lange seine Freiheit genießen konnte.
Sie drückte ihre Stiefel sanft in die Seite des Tigers, der gehorsam lostrabte und bald in einer atemberaubenden Geschwindigkeit dem Weg entlang rannte. Die Elfe hatte sich fest an ihn gedrückt und hörte den Wind um sich herum pfeifen. Die Umgebung verschwamm, wurde zu einer bunten Mischung der sommerlichen Farben. Die Felder, welche eben noch an ihr vorbei zischten, verwandelten sich bald in lichte Wälder, zwischen denen es von Wölfen, Wildschweinen und riesigen Spinnen nur so wimmelte.
Sie ritt den ganzen Sonnenumlauf hindurch, ohne etwas Besonderes zu entdecken. Auch die Befragungen der Menschen, denen sie begegneten, und der Bauern, die von ihrem Haus zum Feld gingen oder von dort zurück kamen, brachten ihr keinerlei Hinweise auf den Verbleib des Verbrechers. Immerhin hatte sie einen vagen Verdacht, wohin der Fliehende gehen würde: er musste umgehend das Land der Menschen verlassen und an einem anderen Ort Zuflucht suchen. Dafür bot sich der Weg über Westfall, ein Gebiet in der Hand der Allianz, an. Dort gab es einen Flugposten, der nicht allzu oft benutzt wurde. Die Greifen, Wesen mit Adlerköpfen, Löwenkörpern und riesigen Schwingen, waren zu Luft sehr schnell und konnten mühelos Distanzen überwinden, für die Pferde Dutzende von Sonnenumläufen benötigten, nicht zuletzt, weil sie die Berge nicht einfach überqueren und um sie herum reisen mussten.
Atunâ kniff ihre Augen zusammen. Die Wälder hatten sich inzwischen in weite und blühende Wiesen verwandelt. Und in weiter Ferne konnte die Elfe einen kleinen schwarzen Punkt ausmachen, der scheinbar ebenfalls der Straße folgte.
Das könnte er sein! Sofort trieb sie ihr Reittier zu einem noch schnelleren Tempo an und fegte den Weg entlang. Die Sonne verschwand bereits langsam hinter dem Zenit, als sie der Gestalt sehr nahe gekommen war.
Vorsichtig zügelte die Frau ihren Tiger, um nicht sofort ihr Kommen an zu kündigen. Beinahe gemächlich verkürzte sie die Distanz zwischen sich und dem Unbekannte noch ein wenig, bis sie nur noch wenige Schritte hinter ihm war. Hastig stieg sie ab, klopfte dem Tier noch einmal kurz am Hals und eilte dann dem Wesen hinterher. Ihre Hand lag bereits auf dem Dolch, welchen sie für ihr Langschwert eingetauscht hatte.
Nur noch wenige Schritte trennten sie von der Gestalt, die mit einem weiten roten Umhang bekleidet war, als diese abrupt stehen blieb und sich umwandte.
Atunâ sah in das Gesicht eines alten und gebrechlich wirkenden Mannes. Ein weißer Bart zierte sein Antlitz, kleine graue Äuglein sahen die Frau an. In seiner Hand hielt er einen schönen geraden Stab, der mit einigen Runen verziert war. Die runzelige Haut legte sich in Falten, als er den Mund zu einem Lächeln verzog. »Sieh an, eine Elfe! Und eine hübsche noch dazu!« Er fing an, leise zu lachen, wurde jedoch sogleich von einem Hustenanfall unterbrochen.
Ein wenig enttäuscht schloss die Angesprochene vollends zu ihm auf. »Verzeiht, Alterchen, aber ich hielt Euch für jemand anderes.«
»So, so?« Der Mann hatte ein schelmisches Grinsen aufgesetzt, als er weiter fragte: »Für wen denn? Vielleicht kann ich Euch helfen, den Glücklichen zu finden!«
»Glücklich?« Atunâ musste unwillkürlich lächeln, während sie mit einem ironischen Unterton erwiderte: »Er wird sich freuen, mir nicht begegnen zu müssen.«
»Oh, vielleicht irrt Ihr Euch ja! Irren soll bekanntlich menschlich sein, aber eventuell trifft es auch auf Nachtelfen zu?« Sein Lachen verwandelte sich mit einem Mal in ein Schmerzgeheul, eine dürre Hand fuhr zu seinem Rücken. »Oh, mein Hexenschuss! Das Wandern ist einfach nichts mehr für mich...«
Sofort griff ihm die Frau unter den Arm, um ihn zu stützen. »Vielleicht kann ich Euch ein Stückchen mitnehmen? Wohin müsst Ihr denn?«
»Nein, nein!« Der Greis schüttelte heftig den Kopf. »Ich verlangsame Euch nur! Ihr werdet jenen, den Ihr sucht, niemals rechtzeitig finden und -«
»Ich jage einen Gesetzesbrecher. Keine Angst, ich werde ihn solange verfolgen, bis ich ihn gefunden habe.« Sie lächelte dem Mann aufmunternd zu. »Wohin müsst Ihr also?«
Mit einer dankbaren Miene antwortete er: »Ich bin auf den Weg nach Sentinel Hill. Dort in der Nähe wohnt... mein Sohn.« Atunâ war es nicht entgangen, dass er ein wenig gezögert hatte, bevor er antwortete. Nun jedoch sprach er bekräftigt weiter: »Er ist ein Bauer und arbeitet schwer. Und manche Dinge gibt es eben nur in Stormwind zu kaufen, deshalb gehe ich hin und wieder dorthin.«
Lächelnd erwiderte sie: »Ihr habt wahrhaftig Glück, Alterchen. Ich muss ebenfalls zu dieser kleinen Stadt. Ich vermute dort den Verbrecher, den ich suche.«
Ein leichtes Leuchten trat in die Augen des Mannes. »Dann könnt Ihr mich tatsächlich mitnehmen? Habt Ihr ein Pferd?«
»Etwas viel besseres.« Atunâ pfiff einmal kurz und schrill, dann beobachtete sie mit einem Grinsen das wachsende Entsetzen im Gesicht des Menschen, als er ihren Tiger angetrabt kommen sah. »Meiner Treu! Ein Monster!« Sofort drehte er sich um und versuchte, mit einem gebeugten Kreuz und klackerndem Stab davon zu eilen. »Schnell, rettet Euch, bevor er Euch frisst und -«
Als der Greis wieder aufsah, thronte die Elfe bereits auf ihrem Reittier und reichte ihm zwinkernd die Hand. »Setzt auf, und wir sind noch vor der Nacht in Sentinel Hill.«
 
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