Ms. Miep
Rare-Mob
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Der Schnee war nicht geräuschlos.
Leise fiel er, und die Töne der Welt verblassten.
Wie zu einer unsichtbaren Melodie wirbelten die Flocken gen Boden, zerstoben und senkten sich langsam zum Erdboden, wo sie das sonst fruchtbare Land mit einer Decke tiefen Schlummers bedachten.
Selbst ein leises Knirschen war zu vernehmen, so wie der immerwährende Klang, der von den Wänden wiederhallte, an denen sie lehnte.
Ihr Atem ging ruhig und bildete kleine, weiße Wolken.
Aber kalt war ihr nicht.
Sie empfand die blendende Schönheit und diese friedvolle Ruhe als eine willkommende Abwechslung zu der Realität, die sie des Nachts immer noch heim suchte.
Die vielen Schreie und Tränen ihrer Kindheit, die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung ihrer Jugend.
All das konnte sie in dieser fremdartigen Welt niederlegen, wenn sie die Gesamtheit dieser Welt betrachtete.
Sie verstand nicht viel von den Elementen, nichtmal ansatzweise soviel wie ihr Lebensgefährte, dessen Atem sie auf seiner Haut spüren konnte.
"Velen fragt nach dir, Geliebte", flüsterte er zärtlich in ihr Ohr.
"Er wünscht dich bald zu sehen..."
Sie schloß die Augen und genoß seine Umarmung, das einzige, was ihr bei jedem Wetter einen Schauer über den Rücken jagen konnte.
Sie seufzte und atmete tief die kalte Luft ein. "Gut, dann muss es ja nicht sofort sein, oder?", sprach sie leise.
"Nein Alea, aber dennoch solltest du rein kommen, spürst du die Luft? Es wird noch kälter werden."
Mit halb geschlossenen Liedern drehte sie sich herum und schaute fragend in das Antlitz ihres Geliebten.
Manchmal wünschte sie sich, sie könnte das verschmitzte Lächeln aus seinem Gesicht wischen, aber dafür liebte sie ihn zu sehr.
Zärtlichkeit mischte sich in das moosgrüne Leuchten ihrer Augen, als sie seine bebenden Nasenflügel betrachtete, die mit seinen wuchtigen Stirnplatten eine fast perfekte Linie bildeten. Sein achatblauer Blick verriet eine stille Begierde, als er diesen über das dunkle Lila ihrer Haut streifen ließ.
Dennoch schwang auch etwas Sorge mit, die sie beunruhigt bemerkte. Er wiederum nahm die Veränderung in ihren Augen wahr und wand seinen Blick in die Ferne.
"Wir haben dem Land geschadet."
"Nein, es war nicht unsere Schuld. Es waren diese verdammten Blutelfen und ihr Hochmut, alleine ihnen ist es zu verdanken, dass das Land leidet. Jehn, bitte, gib dir und uns keine Schuld daran." Alea lehnte den Kopf an seine Schulter, als sie sprach und versuchte das aufkeimende Gefühl von Schuld zu verdrängen, denn auch ihr tat es leid, dass diese Insel leiden musste.
Um wievieles schlimmer musste es für die Schamanen sein, die nicht nur mit ihren Augen sahen, sondern es auch spüren konnten? Sie wusste vom Seher Nobundo, dass die Elemente ihnen keine Schuld gaben. Er hatte zu ihnen gesprochen, als Verzweiflung sich breit machte nach dem Absturz unter den Überlebenden.
Er war wahrhaft ein Unzerbrochener und sie bewunderte ihn aufrichtig für seinen Mut und seine innere Kraft nach so vielen Schicksalschlägen immer wieder aufzustehen. Selbst als er das Licht nicht mehr hören konnte, dem sie folgte, sprachen die Elemente zu ihm.
Damals, in der Zuflucht, war sie noch ein Kind als Shattrath fiel und er zu ihnen kam.
Wie die Flüchtlinge sich langsam veränderten, der Ekel ihrer erwachsenen Schwester, die einzige Überlebende ihrer Familie, und den Hass der anderen Erwachsenen. Auch sie fühlte sich befremdet, aber eigentlich war Mitleid das, was ihr Herz beherrschte.
Wie froh war sie, als er wiederkam und beeindruckt von seinen neuen Fähigkeiten.
Da aber hatte sie schon den Weg des Lichts eingeschlagen und nur ihr Liebster, Jehn, sprach als einer der ersten Freiwilligen zu eine Ausbildung zum Schamanen unter seinen Lehren zu vollziehen.
Viele Jahre zogen ins Land und Schritt für Schritt wurden die Zufluchten der Draenei erweitert, die Ruinen von Shattrath wurden langsam wieder aufgebaut von der Priesterschaft, der sie sich verpflichtet hatte.
Und dann kamen die Sha'tar, die mächtigen Naaru, von denen sie bis dahin schon viele Geschichten gehört hatte aber noch nie einen zu Gesicht bekommen hatte.
Fast hätte sie ihren Geliebten verloren, als es wieder einmal zum Kampf kam.
Die Erinnerungen an die Angst kamen mit aller Gewalt zurück, als sie den Moment beschwor indem das gewaltige Heer der Blutelfen von Illidan's Armee aufmarschierte. Sie sah schon das Ende ihrer Existenz, als eine Woge des Lichts ihr Herz erfüllte und die einzigartigen Klänge der Naaru wiederhallten.
Nicht nur für sie musste es ein gewaltiger Zwiespalt gewesen sein, als die Armee ihre Waffen niederlegte.
Einerseits war sie froh, dass es zu keinem Blutvergießen kommen würde an diesem Tag... andererseits saßen die vielartigen Gefühle zu tief. Da war die Verachtung, hervorgebracht durch das Blut der vielen Draenei, ihrem Volk, das an den Klingen haftete, die dort nun auf der Erde lagen. Es gab den Ekel vor den magiehungrigen Blutelfen und die Angst, dass sie sich ihrer Magie bemächtigen würden - auf die eine oder andere Art und Weise. Eigentlich wollte sie es nicht wissen.
Letztendlich war es nicht nur weise von ihm, den Aldor eine eigene Anhöhe zu geben, sondern auch den Sehern.
Es sollte noch genügend Blut vergossen werden ... aber daran wollte sie jetzt nicht mehr denken.
Der erste Schmerz ihre einstige Hauptstadt mit diesen niederen Wesen teilen zu müssen war ausreichend genug, um ihr fast die Stimmung zu nehmen...
Mit einem Seufzer schmiegte sie sich noch enger in seine Umarmung und als er sie auf die Stirn küsste verklangen die Erinnerungen im Knirschen des Schnees.
"Du frierst ja, Liebster!"
Jehn schmunzelte zu seiner aufblickenden Geliebten, "Das macht nichts. Der Schmerz erinnert mich daran, noch zu leben und das ist mir das Wichtigste im Moment. Bei dir zu sein, lebendig."
Sie lächelte, löste sich aber aus seiner Umarmung und zog ihn zärtlich in Richtung der Exodar, ihrem neuen Zuhause.
"Es wird Zeit, dass ich mit Velen spreche. Ich möchte ihn nicht länger warten lassen, er hat genügend zu tun mit den Vorbereitungen der Gespräche mit unseren neuen Alliierten."
Eine Böe verwehte die Hufspuren im Schnee und zurück blieb nur das schlafende Land.
"Und eben dabei erbitte ich Eure mithilfe, mein Kind."
Der mächtige Prophet Velen schaute liebevoll auf Alea, eine seiner vielen Priester nieder, als er sie einweihte.
"Wir haben die Blutelfenbesatzung empfindlich zurück schlagen können, aber zur weiteren Sicherheit benötigen wir die Hilfe der Lebewesen auf diesem Planeten.
Wir würden gerne eine Delegation entsenden, um uns mit dem Völkerbund dieser Welt zu treffen, der sich 'die Allianz' nennt."
Sie erinnerte sich an die Gerüchte, die besagten, dass Velen auch versucht hatte Unterredungen mit der sogenannten Horde zu führen und während Thrall auch versucht hat zu vermitteln, waren die Gegensätze zu groß. Die Draenei waren zwar friedliebend und versuchten nicht nachtragend zu sein, aber die Verbitterung hatte sich in ihren Herzen breit gemacht. Die Enttäuschung, der Schmerz und der Verrat. Auch diese Orcs bedienten sich der Hexerei und schlimmer noch, sie waren ein Bündnis eingegangen mit den Blutelfen.
Eben jene, deren Volk so zerstritten, so uneins, so machtbesessen und korrupt war.
Auch unter den Menschen und den Gnomen gab es jene, die sich der Hexerei verschrieben hatten, aber das Misstrauen war nicht auf Erfahrung begründet, nur auf Angst vor erneuter Enttäuschung.
Alea nickte langsam, "Ich verstehe - und was soll mein Beitrag dazu sein, ehrwürdiger Velen?"
Der Prophet lächelte und sie fühlte sowohl einen leichten Schauer der Bewunderung, wie auch eine leichte Vorahnung, die sie frösteln ließ.
"Ihr, meine liebe, seid die erfahrenste Priesterin, die ich mit dieser Aufgabe betreuen kann."
Sie dachte an Caedmos, der ebenso gut ihren Platz hätte einnehmen können, den sie als viel reinherziger empfand, als sich selber, aber es war nicht das erste Mal, dass sie Velen's Urteil vertraute und es würde auch nicht das letzte Mal sein.
Neben ihr würde noch Sulaa mitkommen, um Velen bei den Gesprächen mit der Allianz zu begleiten. Sie war erst kürzlich zur Schamanenlehrerin berufen worden und eine gute Freundin von Alea und Jehn, weswegen ihr der Abschied von ihrem Geliebten nicht allzu schwer fiel.
Als sie nun durch die Gänge der Exodar schritt und die Übriggebliebenen ihres Volkes betrachtete, wie sie ihren Beschäftigungen nachgingen, befiel sie Wehmut.
Die Nachtelfen hatte sie ja schon kennen gelernt. Eine seltsam weise, alte und zugleich vor Lebensenergie pulsierende Rasse, deren Magie mehr die der Schamanen ähnelte, als das, was ihre Ahnen ihrem Volk mit auf den Weg gegeben hatte. Das, was so tief in ihr wohnte, dass sie ein Leben ohne die Klänge dieser Musik nicht leben könnte.
Manchmal war dies etwas, was zwischen ihr und Jehn stand. Manches mal wurde es sogar zum Streitthema. Er empfand das Licht als etwas, dass zu wankelmütig seie. Sie hingegen wusste, dass nicht das Licht die Zerschlagenen verlassen hatte, sondern das, was auch immer diese einstigen Draeneis zerbrochen hatte dafür verantwortlich war.
Aber er sah dies natürlich anders.
Bevor sie aber nun ihre Sachen packen ging, machte sie noch einige Besorgungen für ihn. Jehn hatte die schlechte Angewohnheit sich zu tief in sein Studium zu vertiefen und vergaß oft darüber zu essen oder zu trinken. Er hatte die Stufe noch nicht erreicht, wo er alle Elemente auch hörte. Er spürte sie, er wusste, was sie wollten, aber sprechen taten zu ihm nur zwei... Er hatte noch einen lang Weg vor sich - so wie sie, nur auf eine ganz andere Art und Weise.
Als sie heimkehrte fand sie das Licht gedimmt.
Jehn lehnte in einer dunklen Ecke an der Wand und nur seine Augen leuchteten im Dunkeln.
Alea musste unwillkürlich schlucken. So sauer hatte sie ihn bisher noch nicht erlebt.
Langsam ging sie auf ihn zu, hielt dann aber inne.
"Jehn, ich ... kann nicht anders. Ich muss gehen."
"Das verstehe ich auch und ich bin nicht wütend auf dich, aber es ist falsch dich einer solchen Gefahr auszuliefern. Caedmos könnte genauso gut gehen..."
Seufzend schüttelte sie den Kopf und stellte die Sachen auf den Tisch, "Ja, aber ich befürchte, dass er auch besser lehren kann, als ich. Darum wird er hier gebraucht." Das war nur die halbe Wahrheit, aber sie konnte ihm nicht in die Augen blicken, um ihm die Tragweite ihrer Reise anzukündigen.
Gedankenverloren schaute sie durch die kristallene Oberfläche des Tisches. Erst als sie seinen Atem auf ihrer Haut spürte kam sie wieder in die Gegenwart zurück.
"Etwas enthälst du mir, ich spüre es..."
Seufzend drehte sie sich zu ihm herum und schaute ihm in die Augen. Sie würde ihn nicht anlügen, das hatte er nicht verdient...
"Ich werde wieder in die Scherbenwelt reisen, nachdem wir uns in Darnassus mit der Allianz getroffen haben. Ich weiss nicht, wann ich wiederkomme und meine Endmission ist ungewiss."
"W-was?" Seine Augen verkleinerten sich zu kleinen Schlitzen und seine Nasenflügel bebten vor Wut. Alles an ihm verriet seine Anspannung und sein Schweif zuckte unter der aufkeimenden Erregung.
"Ich fass es nicht! Und ich muss hier bleiben und darf dich nicht begleiten? Warum Suula und nicht ich?"
"Suula wird nur zu den Verhandlungen mitkommen."
"Und warum ich nicht?"
"Weil ..." weil du meine Mission behindern könntest, aber das sprach sie nicht aus.
"...sie dich hier brauchen. Nobundo will dich an seiner Seite wissen, bis du deine Ausbildung beendet hast."
Ein Krug zersplitterte, als dieser auf den Boden aufschlug. Jehn war ausser sich vor Wut, und erst als seine Faust den Krug vom Tisch gefegt hatte, beruhigte er sich langsam wieder.
"Es tut mir leid, lass mich das hier eben aufräu--"
"Nein, lass es liegen. Ich räume es nachher weg."
Sie packte seine Hand und suchte in sich nach dem Licht, dessen sie sich diesmal nur bedienen wollte, um ihn zu beruhigen. Natürlich hatte er eine Wunde, aber sie wollte ihn jetzt nicht verängstigen. Sie wollte ihm seine Angst nehmen, seine Wut, seine Verzweiflung.
Sie war die einzige, die er noch hatte. Er hatte alles verloren, er hatte alles mitangesehen, während sie noch zu jung gewesen war, um sich an den Genozid zu erinnern.
Er hatte Angst sie zu verlieren, und sie wollte seine Schmerzen lindern.
Voller Wärme erfüllte das Licht sie und erleuchterte zart ihre Hände, die sie um die seine geschlossen hatte. Wie warme Milch floss sie von ihr zu ihm und langsam spürte sie die nachlassende Anspannung.
Mit seiner freien Hand löste er die Spange ihrer Haare, und wie weiche Erde umgaben sie ihr Gesicht. Er vergrub sein Gesicht in dieser Wärme und zog sie mit zum Boden, sein Griff so fest als wollte er sie nie wieder los lassen.
"Versprich mir, dass du wiederkommst!"
"Das werde ich, amir thorje revos..."
Schweren Herzens nahm sie den Beutel mit ihren wenigen Habseligkeiten, die sie mit auf ihre Reise nehmen würde. Das immerwährende Leuchten der Exodar war nun auf ein Minimum reduziert, da die meisten Bewohner noch schliefen.
Als sie in die kalte Morgenluft hinaus trat, waren die Spuren im Schnee, die zum Hafen führten das einzige, was die winterliche Ruhe störte.
Sie spürte die Präsenz des Naaru, dessen Name O'ros war. Bisher hatte er nie zu ihr gesprochen und auch dieses Mal war es nicht direkt Sprache, die sie hörte, aber sie wusste, dass er ihr Mut zusprach. Sein Licht erfüllte sie und hielt sie wärmend wie die Mutter ihr Neugeborenes.
Ihr Herz war nun nicht mehr so schwer, als sie den Fußspuren folgte und sie bemerkte nicht einmal das Augenpaar, das sie aus gebührendem Abstand hasserfüllt anschaute...