Der Trick mit dem Gratisgame

Pelorusjack

Quest-Mob
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Der Trick mit dem Gratisgame

Was kostet nichts heutzutage? Körperliche Aktivität kostet zum Beispiel nichts ausser Energie. Atmen und Luft sind gratis. Wasser, Nahrung und Bekleidung kosten jedoch schon Geld. Was kosten dann wohl Dinge, deren Entwicklung aufwendig sind und mitunter Jahre an Entwicklungskosten verschlingen? Nun sollte man sich fragen, warum jemand auf die Idee kommt, diese Investition gratis anzubieten. Die Antwort ist einfach, klassisch: was kostenlos ist, ist entweder nichts wert oder bringt versteckte kosten mit sich!

Selbst Liebe bringt seine Rechnungen gleich mit, denn jede Beziehung, ob kurz oder lang beanspruchen Aufwand und Investition, selbst wenn diese noch so gering ausfallen mögen. Gelegentlich sind sie auch intensiv an Zeitaufwand, Geduld oder gar an Geld. Zu C64 Zeiten waren die Spiele schon teuer, haben sich später bei AMIGA und MS.DOS Zeiten noch etwas verteuert und sind irgendwann bei einem einmaligen Durchschnittsbetrag von 50 Euro stehengeblieben. Onlinerollies verursachen diesen Einmalbetrag plus zusätzliche Monatsraten à 10 Euro, womit sich die Weiterentwicklung sowie die Serverwartung und Service bezahlen. Natürlich ist das zu viel verlangt, denn nur so konnte sich Blizzard zu einem Multimilliarden Unternehmen entwickeln, das zusätzlich von einer genialen Vermarktung des Brands "Warcraft" profitiert.
In letzter Zeit kamen vermehrt Gratisgames auf den Markt, sowohl nach Art der Browsergames wie auch nach Art der MMORPG's. Bei uns im Internetcafe ist die Zahl der Spieler solcher Produkte stark gestiegen, auf Kosten von WoW, Warhammer und anderem. Heinrich Lenhardt schrieb in letzten Buffed Magazin ebenfalls über diese Problematik. Ich selber habe vor einem Jahr intensiv ein solches Spiel gespielt, mit Anspruch auf einen Spitzenplatz im Serverranking.

Nun muss man nicht gleich zu den Besten gehören wollen, um dennoch Spass an einem Spiel zu haben. Aber andererseits sollte man sich fragen, warum man seine Zeit in ein Game investiert, in welchem man nie, aber auch gar nie, eine Chance hat zu reüssieren. Bei jeder Art von Laddersystem ist die Spreu meist nach kurzer Zeit vom Weizen getrennt. Das hat mit der (Semi)- Professionalität zu tun, mit der einige Zocker inzwischen an jede Sorte Spiel gehen. Dazu gehört intensives ausloten der Mechanik, betatesten, Notizen machen, Listen und Berechnungen erstellen.

Da ich bei jenem Browserspiel etwas spät gestartet bin, habe ich sofort auf den Premiumaccount gegriffen, sobald er ins Spiel integriert worden war. Das kostet anfänglich wenig, aber mit der Zeit immer mehr Geld und überstiegen leicht Zig Euro pro Monat, weil auch kleine Beträge zusammen eine happige Stange Kohle ergeben. Die Wirkung des Geldes zeigte sich jedoch sehr schnell. Die anderen Mitspieler des Internetcafes staunten nicht schlecht über meine "Fortschritte", einige zahlten nun ebenfalls für einen Premiumaccount. Ich war mir sicher, dass Topspieler ebenfalls Premiumaccounts hatten oder zumindest andere Tricks wie Mehrfachaccounts und Ähnliches. Dazu verglich ich die verfügbaren Daten der Mitkontrahenten so genau wie möglich und diese dann mit den Durchschnittsressourcen der Mittelfeldspieler. So aus reinem Jux und Poserei bastelte ich mir dann eine gigantische Armee, um sie auch noch mit dem dicksten Vermögen des Servers zu bezahlen. Die Einfachheit des Systems war beinahe schon lächerlich, einfach von spielerischen Mängeln mal abgesehen.

Aber nach einigen Monaten merkte ich, dass der Aufwand es nicht wert war. Jeden freien Augenblick während der Arbeit rannte ich an eine PC Station, benutzte Internetterminals auf den Flughäfen, Busstationen, den Laptop als ich gelegentlich in Irland war, und zuhause lief die Kiste beinahe schon 24/7. Ich war von einem Tag auf den anderen befreit und zockte dieses Spiel keine Minute mehr.

Die Gratisspiele, die ich so in den Bildschirmen meiner Freunde sehe, sind dermassen simpel, dass selbst ein gutes, altes Brettspiel daneben noch komplex aussieht. Mit Verlaub, da sahen meine selbstgeschriebenen Regelwerke für Liverollies in Jugendlagern oder Geschichtsrollenspiele für Schulklassen noch gut aus. Das Simplify Everything Syndrom greift im Bereich MMORPG und Browsergame stark um sich, um einen möglichst einfachen Einstieg zu erlauben, und die Leute dank der Aufstiegs und Itemanhäufungsmechanik süchtig zu machen, die schon "Dungeons and Dragons" eisern im Griff hielt. Wenn die Leute dann einmal Blut gerochen haben, wollen sie mehr und werden mit der Zeit kompetitiver oder das Spiel selber wird es. Dazu muss man nur PvP orientierte Zonen machen mit Spezialloot und Spezialbelohnungen. Durch die niedrigen Skillanforderungen macht alleine der Klassenunterschied oder das Setup, in erster Linie jedoch das Equip den Unterschied aus, zwischen Durchschnitt und Topspielern.

Im Bereich Besitztümer würden Geldinvestitionen meist einen noch nachhaltigeren Unterschied ausmachen, wenn diese gleich mit der Spielökonomie in Berührung kommen. Den meisten Spielen fehlen ausgiebige Langzeittests, welche die Geld- und Itemwirtschaft in Extremo überschauen können. Und genau jenes Denken in Spielökonomischen Extremen ist nötig, um einen entscheidenden Einfluss in einem Onlinespiel auszuüben.
Aber selbst kleinere Schubhilfen sind nichts anderes als Doping gegenüber denjenigen die ohne diese spielen. Die Dopingsünder sind jedoch auch die Sorte Kunden, die Geld in die Kassen der Entwickler bringen. Ergo müssen diese die Vorteile auch wirklich spüren können und deshalb werden diese Vorteile nie gering sein, selbst bei kleinen Geldinvestitionen. Das Gros der Nichtbezahler ist nur dazu da, die zahlenden Kunden bei Laune zu halten, damit diese sehen, wieviel stärker sie sind im Vergleich zu den Rest anderen. Die Spieler werden so zu einer Art aktive NPC's, die eigentlich nicht aktiv etwas zu melden haben, aber dennoch ein Eigenleben führen. Das kommt die Entwickler billiger als für NPC's zu sorgen, die programmiert werden müssen und die null Interaktion zum zahlenden Zocker bieten. Die Gratisgamespieler bevölkern als Herde die Server und werden von den anderen abgemolken.
Geiz ist nicht geil. Alles kostet etwas, und wenn es wenig kostet, so ist irgendwo der Wurm drin, weil irgendwo wird gespart, meist bei der Qualität. Aber bei Spielen ist es wie beim Fernsehen, beim Supermarkt oder sonstwo: den meisten Menschen ist ihre Rolle als Herdentier gar nicht wirklich bewusst und weniger noch ist ihnen bewusst, was ihre Alltagsentscheidungen hinter den Kulissen alles auslösen mögen. Eines ist klar, in den allermeisten Fällen profitiert jemand ganz grossartig von diesem Verhalten, das herauszufinden, die Mechanik dahinter zu verstehen, ist auch Aufgabe der MMORPG Community. Heute und morgen mehr denn je!
 
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