Die eine Nacht im Monat

Khanor

Dungeon-Boss
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09.01.2008
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00:12 Uhr. Ich wache auf und spüre wie meine Zunge sich aus dem Rachenraum an die Luft schlängelt. Ich beginne zu hecheln, mir ist heiß.

Das letzte Mal als ich zu so einer Zeit erwachte war ich betrunken. Ähnlich breitschädlig wie in meiner Erinnerung fühle ich mich auch jetzt. Also nicht betrunken, sondern so gerädert und seltsam.

Es war Frühjahr 2007, ein Kollege meiner Berufsschulklasse hatte anlässlich seines Geburtstags zu einer gemütlichen Runde eingeladen.

Um 15:00 Uhr zu fünft damit begonnen den gesamten Jahresbestand einer Fleischerei zu vergrillen (was normalerweise nicht meine Art ist; obwohl ich Rüde bin mag ich gern frischen Salat), dazu einige Biere, Tequilla und ein weiteres verhängnisvolles Getränk, an welches ich mir jedoch die Erinnerung gehörig weggetrunken habe.

Wie es der Zufall so will sind doch alle Anwesenden WoW-erfahren. Ein Schurke, ein Jäger, ein Magier, ein Waffenkrieger und ein Schattenpriester finden schon einen Weg den Abend mit genügend Anekdoten zu füllen, wenn auch 40 % Unbekannte Anwesend sind.

20:55 Uhr. Spontan wird von drei Anwesenden beschlossen noch ins Rockhouse zu fahren. Ich und der Jäger gehören nicht dazu. Der Jäger will sein Pet nicht zu lang allein lassen und ich bin bereits zu betrunken und wie immer pleite.

Dennoch sehr gute Stimmung.

21:15 Uhr stehen wir in der S-Bahn.

21:30 Uhr, Hannover Hauptbahnhof. Ich habe das Glück nicht umsteigen zu müssen und der gröhlende Mop drängt sich einer weiteren Feierlichkeit entgegen, während ich mich verabschiede und einen Sitzplatz ergattere. Kurze Zeit frage ich mich ob es nicht etwas arm ist an einem Freitag abend aus der Stadt zu fahren, während 90 % der Fahrgäste versuchen auf dem Weg IN die Stadt nicht erdrückt zu werden, komme aber zu dem Schluss, dass das heute in Ordnung geht, schließlich habe ich denen 5 Bier und eine halbe Flasche Tequilla voraus, nicht zu vergessen aber auch das, was ich vergessen habe...

Ja, ich vertrage nicht viel.

Ich lasse mich in den unbequemen Sitz fallen. Verdammt, bin ich voll.

Ich schrecke hoch als der Zug zum Stehen kommt und befürchte meinen persönlichen Albtraum und hechte gekonnt durch die sich bereits schließenden Türen und stehe im Dunkel der Nacht. Allein die Düsternis scheint schon ungewohnt, da der Heimatbahnhof doch normalerweise gut von Halogenlampen erleuchtet ist.

Der Verriegelungsmechanismus der Tür greift und der Fahrtwind der anfahrenden Bahn treibt mir eine Mischung aus Abgasen von LKW*, PKW** und McDonald's in die Nase. Die Autobahn ist nicht fern und ich erkenne nicht zuletzt daran, dass ich eingenickt zu sein schien und viel zu spät den Ausstieg wählte. Ich stehe an dem Bahnhof den ich Monate vorher regelmäßig anstrebte um zu meiner damaligen Freundin zu gelangen.

Keine wünschenswerte Erkenntnis, wenn man sich seitdem das erste mal am Wochenende wieder unter Menschen wagte, noch dazu einen Alkoholpegel wie eine Taube auf dem Dach einer Schnappsdistille vorweisen kann.

Die kommenden 30 Minuten bis mich die hämisch lachenden Scheinwerfer des eisenhaltigen und rot lackierten Stücks deutscher Ingenieurskunst in ihren Lichtkegel tauchen verbringe ich damit im Dunkel eines Freitags abends in wenig milden Temperaturen mitten auf der Straße zu stehen und auf das Wunder zu hoffen, dass sie zufällig vorbei fährt und mich mitnimmt und die vergangenen fünf Monate realer Albtraum und die Flucht nach Azeroth ein Ende finden während ich mich an der Nähe ihrer liebevollen Berührungen wärmen kann.

Mein Jahreskonto an Wundern scheint leergefegt oder gar hoffnungslos überzogen, ich bleibe allein.

Natürlich.

23:13 Uhr. Nachdem ich die Bahn ein weiteres mal aufgeschreckt verlassen habe, diesmal glücklicherweise ohne die Zielhaltestelle zu verpassen, habe ich den zehnminütigen Fußweg trotz meines zwei-Schritt-geradeaus-und-einen-zur-Seite-Zustands in nur neun Minuten bewältigt.

Weitere drei Minuten habe ich damit verbracht das Schlüsselloch davon zu überzeugen endlich mal an einer Stelle zu verweilen, damit mein Schüssel in koitaler Bewegung den Öffnungsmechanismus einleiten kann. Gar nicht so einfach.

Verdammt, bin ich voll.

Die letzte verbleibende Minute bestand daraus die Treppe zu erklimmen und mir die Klamotten vom Leib zu reißen. Noch bevor mein Kopf das Kissen berührt bin ich eingeschlafen und das Karussell steht endlich still.

0:12 Uhr. Ich wache auf. Verdammt, bin ich voll.

Den Rest der Nacht finde ich keinen Schlaf mehr und bin einfach nur betrunken. Kein erstrebenswerter Zustand. Nichts geht mehr rein, nichts geht mehr raus. Verdammt. bin ich voll.

Am nächsten Mittag stelle ich bei einloggen fest, dass Khanor mitten in Elwynn auf seinem Nachtsäber steht. Wie er dort hin gekommen ist weiß ich nicht.



Heute jedoch, 22.04.2008, habe ich keinen Schluck alkoholischer Getränke zu mir genommen.

Woran liegt es dann? Ähnlich und doch anders, einfach nur körperlich daneben habe ich mich im Januar gefühlt, ebenfalls zu nächtlicher Stunde.

Der Tag der Zeugnisse, endlich einmal wirklich nur Erleichterung, auch wenn die nächsten Klausurtermine bereits feststehen. Begonnen wird ebenfalls in gemütlicher fünf-Mann-Atmosphäre im Saucalitos und ich versuche mich mit Coctails anzufreunden, was mir Zeit meines Lebens nicht so recht gelingen will. Gleich zum ersten Mischgetränk bestelle ich mir ein Coronas dazu womit ich mich ein wenig von den anderen abgrenze, die nicht wie ich zwei kleine Coctails der Happy Hour und ein Maisbier genießen, sondern einen kleinen und zwei große Coctails.

Unsere anschließende Reise ins Dax wird von unglaublicher Kälte überschattet, dennoch allgemein gute Laune vorhanden.

Am Ort unserer Wahl angekommen belassen wir es bei wenigen Bieren und umso mehr Vodka-Energy. Nach einigen Stunden liegt die gefühlte Stärke meines Zahnschmelzes etwa bei dem eines Stück Würfelzuckers, der mit heißem Tee beträufelt wird.

Ich lasse mich überreden nicht um 23:10 Uhr aufzubrechen sondern den Zug um halb eins zu nehmen, der letzte in meine Richtung.

23:35 Uhr. Die drei Mann, die am meisten auf mich eingeredet haben noch zu bleiben haben sich per Straßenbahn auf den Weg nach hause gemacht. Ich bin ein wenig missgestimmt deswegen, ich bin totmüde.

Das letzte mir ausgegebene Bier mus ich leider nach zwei Fingern an den Spender zurückreichen, mein Magen scheint sich zu verschließen und ich bekomme keinen Schluck mehr hinein. Einige Tage später wird er mir berichten, dass es wohl diese paar Schluck Diebels Alt waren, die ihn die halbe Nacht in unglaublicher Demut vor der Schüssel knien ließen.

So schlimm war der Abend gar nicht, dachte ich.

01:11 Uhr. Ich komme zuhause an und zappe mich noch ein wenig durchs meine eMails. Natürlich keine neuen. Gegen halb zwei lege ich mich hin.

4:43 Uhr. Ich wache auf und freunde mich mit dem Gefühl an völlig betrunken zu sein.

4:55 Uhr. Ein weiteres Mitglied der Festgemeinde kommt im ICQ online und teilt mir mit, dass, der Energy ihm wohl den Schlaf raubt, was ich auch für meinen Zustand als plausible Erklärung annehme.

Weitere 6 Stunden später höre ich von dem Dritten, dass er die halbe Nacht nicht schlafen konnte wegen dem Zeug.

Gegen abend wird mein Schwindelgefühl wieder schlimmer und auf Verdacht messe ich die Temperatur, die restlichen drei Tage des verlängerten Wochenendes verbringe ich mit Fieber auf dem Sofa und schlafe wenig, nachts eigentlich gar nicht, da mir das Fieber in Fantasien und Wahnzuständen den Schlaf raubt.



Heute jedoch, 22.04.2008, habe ich keinen Spaziergang durch eisige Temperaturen gemacht und fühle mich nicht krank.

00:14 Uhr. Ich stehe auf, weil ich es wieder einmal zu gut mit meiner Maus meinte. Farbmäuse benötigen hin und wieder ein wenig tierisches Eiweiß, also ein wenig Käse, Naturjoghurt oder auch eine nicht ganz saubere Eierschale.

Die Eierschale erfreut sich größter Beliebtheit, denn mit ihr lässt es sich auch wahnsinnig gut ein wenig Bewegung einholen. Während man nämlich versucht die Schale abzuschlecken flutscht das teuflische Dinge immer durch den Wohnraum und man rennt ewig hinterher. Dummerweise bollert das Calcium dabei laut gegen das Glas und bringt auch den Drahtdeckel etwas ins Schwinken.

*Klong*

*Traps traps*

*Klong*

Ich tausche das Eiweiß gegen ein Stück Käse und lege mich wieder hin, die Augen wollen aber nicht mehr zufallen.

Ich denke darüber nach, was ich heute in Mechanik lernte. Ich frage mich ob Englisch und technisches Zeichnen morgen wieder ebenso langweilig werden wie die letzten Wochen und ob ich vielleicht gleich daheim bleiben sollte, entschließe mich jedoch dazu, dass das keine Option ist.

Verträumt fährt meine Zunge über meine Zähne, ich werde allerdings aufgeschreckt, setze mich hin und beginne energisch den Juckreiz an meinem Hals zu bekämpfen.

Irgendetwas riecht hier stärker als sonst. Nein, nicht irgendetwas. Alles. Ja, alles scheint 500 mal stärker zu riechen als sonst.

Eine komische Nacht. Warum wurde ich so kurz nach Mitternacht wach und wrum kann ich nicht mehr schlafen? Und warum fühlt sich mein ganzer Körper so seltsam an, so gestreckt und überanstrengt? Ich verstehe es nicht., ich war doch früh genug im Bett um viel Schlaf zu bekommen. Dachte ich.

Habe ich schlecht geträumt? Hm... Meine Erinnerung ist getrübt, aber ich glaube ich habe einen Hasen gejagt. Ob ich in gefangen habe weiß ich nicht mehr, aber es war eine wilde Hatz. Die Biester schlagen Haken, das ist unglaubich, dabei wollte ich doch nur mit ihm spielen.

Ich schaue mich ein wenig bedröppelt in der Dunkelheit um. Ich bin durstig. Ich lasse etwas Wasser auf meine Zunge laufen, setze ab, schlucke, und beginne von neuem damit.

Mein Magen hat auch ein wenig Appetitserscheinungen, also schau ich mal ob nicht ein Scheibchen Wurst in meinen Magen gelangen will.

Was mache ich nun, um mich müde zu bekommen oder mir die Zeit zu vertreiben? Was machen Menschen wohl nachts? Mir fällt nichts ein. Die Postboten haben Feierabend, LKW* kann ich um diese Uhrzeit auch keine jagen, also muss ich eigentlich schlafen, oder?

Eigentlich müsste ich auch mal ganz dringend... Aber keiner hier ist wach.

Eine doofe Nacht.

Verträumt fahre ich mir mit der Pfote durch mein Fell und starre aus dem Fenster, es ist schon merkwürdig geworden in der Neuzeit. Da ist es schonmal Vollmond und doch kann man nicht einmal mehr als Werwolf seine einmal im Monat eintretende Freiheit genießen, weil sich Schlüssel mit Pfoten einfach icht drehen lassen.

Frechheit.

Und von hier drinnen hört mich der Vollmond einfach nicht jaulen.


* LKW: Entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch, der hier wahrscheinlich die s-Endung des Kürzels LKW auf LKWs raten würde wehre ich mich dagegen. Das Singular der ausgeschriebenen Abkürzung lautet "der Lastkraftwagen", der Plural lautet "die Lastkraftwagen". Kein "s" am Ende des Wortes. Ich sage ja auch nicht "die Werkzeugskiste" oder "die Schamslippen".
tongue.png


** PKW: siehe LKW, nur anders.


victory.gif
 
erst dacht ich ich annn den mann so sehr verstehen, doch dann kam das mit dem fell...

saugeil :D klasse geschrieben :)
 
:) sehr schön ! wie immer :D *jaaaaul*
*khanoreinehundeklappeeinbaut
 
Ich bewundere immer wieder Deine Begabung die kleinste Szene so klar und ins Detaill zu beschreiben!
 
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