Die Geschichte einer Priesterin

Idunea

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Und wieder einmal hatten sich zwei der Schergen Kael'Thas' bereitwillig der Übermacht aus fünfundzwanzig Kämpfern, die ihre Banner unter dem Namen "Communitas Trium" zu erheben pflegt, gebeugt, sich in den Staub geworfen und vergeblich um Gnade gewinselt. Und erneut durfte eine eifrige Priesterin namens Sinyarell Teil dieser Gemeinschaft sein.
Noch erschöpft vom Kampfgetümmel, mit so vielen neuen Eindrücken, die überdacht sein wollen, in Gedanken und um einige Erfahrung reicher erklimmt die stolze, aber müde Elfin die Stufen der Eingangstreppe zur Zuflucht der Communitas. Sie durchschreitet die Tür, wirft einen kurzen Blick auf das direkt daneben an der Wand angebrachte Anschlagbrett und möchte sich gerade dem Aufgang in die oberen Geschosse zuwenden, als ihr Blick auf einen kleinen Sekretär und den darauf liegenden Lederfolianten fällt...

Sie tritt vorsichtig ein paar Schritte näher, immer darauf bedacht, in der neuen und ihr fremden Umgebung nicht zu neugierig zu erscheinen, bis sie die Worte auf dem Einband des Folianten entziffern kann. In bereits leicht abgetragenen, mit silberner Farbe eingeprägten Lettern steht dort "Die Geschichten der Einzelnen - Der Begrüßung und Bekanntmachung ebenso wie in verlustreichen Zeiten der ehrvollen Erinnerung gewidmet". Unschlüssig, ob es ihr überhaupt erlaubt ist, darin zu lesen, durchblättert sie einige Seiten und bemerkt, dass es sich um eine Art von Vorstellungsbuch handelt, in das jeder etwas schreiben darf, um von sich und seiner Herkunft zu erzählen. Freudig und mit wachsender Neugierde liest sie Seite für Seite...

Nun muss man wissen, dass unsere heilige Elfenpriesterin gegenüber neuen Bekanntschaften schon immer etwas zurückhaltend war. Auf die einen mag es vielleicht schüchtern wirken, doch steckt eigentlich vielmehr das Wissen um angemessene Umgangsformen und den Wert der Höflichkeit und Zurückhaltung in neuer Gesellschaft dahinter. Was wäre da also eine bessere Gelegenheit, die anderen wissen zu lassen, wer hinter diesem neuen Gesicht in ihrer Mitte steckt als dieses Buch?

Und so zieht die Elfin also den Stuhl, der ein Stück unter den Sekretär geschoben dasteht, ein wenig zurück, wischt mit der Hand einmal über die Sitzfläche (denn ebenso stolz, wie sie ist, finden sich auch berechtigte Gründe, ihr eine gewisse Eitelkeit und Sorgfalt um die Sauberkeit ihrer Gewänder nachzusagen...) und setzt sich vor das Buch. Sie überlegt noch einen kurzen Moment, schlägt dann die erste freie Seite auf, greift nach der in einem kleinen Tintenfass steckenden Feder und beginnt zu schreiben...



Ich grüße euch, werte Mitglieder der Communitas Trium!

Zu Beginn möchte ich euch dafür danken, mich in eure Mitte aufgenommen zu haben. Ich bin sehr zuversichtlich, zusammen mit euch Großes erreichen zu können und den Handlangern der Finsternis zu zeigen, wie schmerzvoll sich eben das verlieren lässt, wonach sie den friedlichen Völkern Azeroths trachten. Ich werde nun keine der üblichen Versprechensfloskeln verwenden, in welchen Worte wie „Mühen“, „sein Bestes“ oder „zu geben“ vorkommen. Das tun nur diejenigen, welchen Eigenschaften wie Pflichtgefühl, Treue und Zielstrebigkeit fehlen. Seid euch gewiss, ich zähle mich nicht zu ihnen...

Doch werdet ihr euch nun fragen "Wer ist diese Elfenfrau, woher stammt sie und was führt sie zu uns?". Nun, auf die erste und letzte dieser Fragen kann ich euch antworten. Die dritte Frage jedoch stelle auch ich mir selbst noch immer und konnte bisher keine Antwort darauf finden...

Den genauen Tag meiner Geburt weiß ich nicht, nicht einmal das Jahr. Ich muss inzwischen wohl einige mehr als siebzig zählen - soviel konnte Andorius, der mich damals fand, mir sagen - doch gibt das sicherlich wenig Auskunft über mein Alter (verglichen mit dem Volk der Menschen wäre ich noch lange keine Greisin, jedoch wenigstens dem Jugendalter entwachsen) und noch weniger über meine Lebenserfahrung.

Aufgewachsen bin ich, wie die meisten meines Volkes, im Nordwesten eines Landes, das in ehrfürchtiger Erinnerung an seine Entstehung durch die Mächte der alten Titanen "Land des ewigen Sternenlichts" genannt wird und das heute als der Kontinent Kalimdor bekannt ist. Andorius erzählte mir später, er habe mich auf einem seiner Streifzüge durch die Wälder des Eschentals, um Kräuter zu sammeln, zwischen den Wurzeln eines jahrhundertealten Baumes nahe des Ortes Astranaar gefunden. Eingewickelt in Leinentücher und nur wenige Monde älter als ein Neugeborenes habe ich dort im Moos gelegen und leise vor mich hin gewimmert.
Zwischen den Tüchern fand er ein kleines Stück Pergament, welches wohl von meinem Vater stammte, der mich dort zurückgelassen hatte in der Hoffnung, dass ich bald von jemandem ihres Volkes gefunden würde. Er gab es mir einige Jahre später, als sich mein Schicksal bereits erfüllt und ich meine Bestimmung gefunden hatte. Noch heute besitze ich es, ist es doch das einzige, was ich je von meinen Eltern bekommen und behalten habe. Nun, das einzige abgesehen von meinem Schicksal, aber zu jenem komme ich noch...

Auf dem Papier, welches von einigen Tropfen Blut getränkt war und einer dessen Ränder so aussah, als sei es in großer Eile aus einem Tagebuch gerissen worden, standen in kleiner, zitteriger Schrift folgende Worte:


"Wer du auch sein magst, ich danke unserer Göttin dafür, dass du sie gefunden hast. Ich bitte dich, bringe sie an einen Ort, der weniger gefahrvoll ist als dieser. Ihr Name soll Sinyarell sein, doch bleibt mir selbst nicht mehr genug Zeit, ihr das zu sagen. In diesem Namen, in seiner Bedeutung liegt ihre Bestimmung. Sie wird ihr Schicksal finden und dann verstehen. Doch ehe die Zeit dafür nicht gekommen ist, soll sie unbeschwert aufwachsen können. Daher erkläre ich ihn in nicht und ich bitte auch dich, sie ihren Weg selbst finden zu lassen. Ich jedoch kann sie nicht länger beschützen, in meiner Nähe ist es zu gefährlich. Meine geliebte Gefährtin haben sie bereits in ihre stinkenden Finger bekommen und was sie ihr antaten...ich möchte nicht daran denken. Nun sind sie auch hinter mir her und bereits nah, zu nah, ich kann das rasselnde Keuchen ihres stinkenden Atems hören...wehe mir, wenn sie mich finden...meine einzige Hoffnung ist erneut der Smaragdgrüne Traum...ich muss zurück...hinter jedem Baum der Schatten eines Orks...ich habe keine Zeit mehr..."



Die letzten Worte sind kaum mehr lesbar und wie oft habe ich mir vorgestellt, in welcher Verzweiflung und Gewissheit, dass sein Tod bevorsteht, mein Vater diese Zeilen geschrieben haben muss. Ihm blieb nichteinmal die Zeit, seinen Namen oder den meiner Mutter zu nennen...

Andorius nun brachte mich in einen kleinen Ort an der Dunkelküste namens Auberdine und kurze Zeit später auf ein Schiff, mit dem er mit mir über das verhüllte Meer und in die Heimat unseres Volkes fuhr, auf den neuen Weltenbaum Teldrassil. Seinen Studien der Alchimie ging er in der wunderschönen Stadt der Elfen Darnassus nach, doch um mich an einem möglichst gefahrlosen Ort zu wissen zog er mit mir an einen Ort namens Laubschattental. Dort wuchs ich also auf, im Schatten des Baumes Aldrassil und umgeben von so vielen wundersamen Dingen, dass ich kaum hinterherkam, jede neu entstandene meiner unzähligen Neugierden zu befriedigen.
Auf meinen Streifzügen und Abenteuern bemerkte ich schon bald, dass nicht hinter allen Dingen etwas Gutes steckte. So wie ich lernte, dass die wilden Tiere des Waldes gefährlich sein konnten, umschlich mich immer mehr der Eindruck, als würde etwas noch größeres, älteres und vielfach böseres als die schrecklichste Spinne, die ich je zu Gesicht bekommen hatte (was in einer kleinen Höhle nördlich unserer Hütte geschehen war, und ich kann euch sagen, ich habe geschlottert vor Angst…) in den Wipfeln meiner Heimat lauern und flüstern…

Und auf einem dieser abenteuerlichen Ausflüge geschah es auch, dass ich meine Gabe entdeckte.
Eines Nachmittags zog ich los, um Nachtsäbler zu erlegen. Das klingt nun sicherlich nach einer sehr wagemutigen Vorhabung für ein kleines Elfenmädchen. Ihr könnt mir glauben, das war es auch! Doch meine Neugierde und vielmehr mein Drang danach, zu helfen und Gutes zu tun, verleitete mich dazu, einem der Bewohner und Beschützer unseres Tals dabei behilflich zu sein, die Plage der tollwütig gewordenen und sich immer weiter vermehrenden Nachtsäbler auszumerzen.
Mit nicht viel mehr gegen die Raubkatzen und zu meiner Verteidigung als einem knorrigen Holzknüppel bewaffnet zog ich los. Und schlug mich erstaunlicherweise recht wacker. Ich wurde mutiger und mutiger…und schließlich übermütig. Umringt von vier oder fünf Nachtsäblern erkannte ich mich auf einmal in einer ziemlich ausweglosen Situation. Mein kümmerlicher Holzknüppel half mir nun nicht mehr sehr weit und die blutigen Schrammen und Risswunden an meinem Körper wurden immer tiefer und immer mehr. Ich lief, rannte zurück, wollte mich in Sicherheit bringen…und hörte auf einmal im Geist die Worte, die ich am Tag zuvor erst in der großen Halle zwischen den Wurzeln Aldrassils aufgeschnappt hatte und mit Hilfe derer sich eine Elfenfrau ihre Blessuren geheilt hatte. Ich versuchte, während ich rannte, mich so gut es ging an diese Worte zu erinnern, sie auszusprechen, vielleicht die ihn ihnen liegende Kraft – und wenn nur einen kleinen Teil davon, der mich retten könnte – zu beschwören…

…und hatte Erfolg. Von meinen Händen ging auf einmal ein schwaches Leuchten aus, Wärme strahlte von ihnen ab und einige meiner Wunden schlossen sich wie von Geisterhand. Fast noch erschrockener als überrascht, dass es mir geglückt war, rannte ich noch schneller und von den Säblern noch ein ganzes Stück weit gehetzt erreichte ich schließlich die sichere Treppe jener Halle unter Aldrassil, auf welcher ich zuvor so oft gespielt und mit großen Kinderaugen dem geschäftigen Treiben zugesehen hatte. Wenn ich es zu diesem Zeitpunkt, knapp dem Tod entronnen und nach Luft japsend zusammengekauert, auch noch nicht in seiner Auswirkung einschätzen konnte, so war dieses Erlebnis doch der Beginn meines Weges als heilkundige Priesterin und Untergebene der Mondgöttin.


Die heilenden Eigenschaften einiger Kräuter hatte ich im Gegensatz zu meinen eigenen Fähigkeiten schon einige Zeit zuvor erkannt. Ebenso die dunklen Kräfte, die so manches Gewächs in sich barg, mischte man es nur mit den richtigen Zutaten zusammen, hatte ich bereits erfahren. Neugierde kann zwar in gefahrvolle Situationen führen, aber auch sehr lehrreich sein…
Andorius erkannte früh mein Interesse für die Welt der Pflanzen und Kräuter, so wie er selbst sie mit Begeisterung und Hingabe studierte. So, wie er mir als Vater ein guter und weiser Lehrer für das Leben war, so war er jedoch der Ansicht, die Wissenschaft sollte mir von jemand anderem nahegebracht werden. Als er es für an der Zeit dafür hielt, nahm er mich eines Morgens auf seinen Weg nach Darnassus mit und brachte mich zu einem Alchimiekundigen. Bei ihm lernte ich die Pflanzen beim Namen zu nennen, ihre Eigenschaften zu kennen und wie sich durch Zusammenfügen dieser Eigenschaften Tränke und Elixiere mit heilenden, stärkenden und ebenso auch zerstörerischen Wirkungen brauen ließen. Das Eine führte zum Anderen und während ich eifrig ausprobierte, zusammenschüttete, Phiolen zu Boden fallen ließ und unter dem Blick meines belustigt in sich hineinlachenden Lehrers die Scherben des mir nicht glücken wollenden Heiltrankes vom Boden aufkehrte, erinnerte ich mich wieder an meine Flucht vor den Nachtsäblern und mein Erlebnis…

Darnassus. Ich wollte nach Darnassus. So viel schon hatte ich davon gehört. Von wunderschönen Häusern, die unter den Wurzeln und im Schatten großer Bäume gebaut waren. Von dem großen See in der Mitte der Stadt, dessen Wasser funkelte und glitzerte, als lägen eine Million Diamanten auf seinem Grund. Und vom Tempel des Mondes, dem größten und schönsten Gebäude, in dem Priester und Heiler residierten und in dem die Hohepriesterin Tyrande Wisperwind über das Erbe ihres Volkes wachte. Nichts konnte mich mehr halten. Ich lag Andorius Tag und Nacht damit in den Ohren, bis er mich schließlich mitnahm. Was habe ich für Augen gemacht, als ich auf dem steinernen Rundbogen am Eingang der Stadt stand und hinabsah…


Von da an verbrachte ich jede Minute, in der ich nicht wieder einmal Scherben vom Boden aufkehren musste, in Darnassus. Ich sog die neuen Eindrücke in mich auf, erkundete jeden Winkel und jede Ecke, lauschte den Erzählungen der Reisenden und Abenteurer, die in die Stadt kamen, um Geschäftiges zu erledigen, ihren Studien nachzugehen oder einfach nur um ihre Heimat wieder einmal zu sehen. Und dort war es auch, dass ich von all den anderen Völkern, ihren Geschichten und Mythen und schlussendlich der Geschichte Kalimdors und seiner Entstehung hörte. Ich erfuhr von den Drachenaspekten, die zu Beginn diese Welt beschützten und nun wohl selbst mehr und mehr dem Wahnsinn verfallen waren. Ich hörte von den Titanen, die unsere Welt erschaffen hatten und dass es einen gab, der abtrünnig wurde und nun das Böseste, das man sich vorstellen kann, darstellte. Ich erfuhr von den beiden großen Kriegen, von Orks und Zwergen, der Geißel und der Geschichte der Menschen, die den nun östlichen Kontinent unserer einst ungetrennten Welt ebenso beherrschten und prägten wie mein eigenes Volk den westlichen. Auch hörte ich Namen im Zusammenhang mit diesen Erzählungen, solche wie das Pantheon, die Eredar, Sargeras, Archimonde, Kil´Jaeden, die Namen der alten Drachenaspekte wie Ysera und Malygos, von Menschen wie Medivh, Uther Lichtbringer und Arthas, von Helden und Gefallenen der Orks wie Thrall und Gul´dan, der später zum Lichkönig wurde, dem großen Herrscher der Zwerge Modimus Ambossar und seinem Nachfolger Muradin Bronzebart… ach, und hunderte mehr, die ich mir damals in all der Flut von Erzählungen und Namen nie und nimmer merken konnte. Allein schon all diese Wesen, deren Existenz mir zuvor völlig fremd und undenkbar war, zu treffen, überforderte meine Aufnahmefähigkeit beinahe. Sie alle konnte man in Darnassus treffen – kleine, starke und meistens angetrunkene Zwerge; Menschen, die wie kleinere Nachtelfen mit kurzen Ohren und ohne unsere Anmut aussahen; Gnome, die sogar noch kleiner waren als die Zwerge und die beim Sprechen immer Gesten machten, als wären sie gerade dabei, mit beiden Händen gleichzeitig die Fenster zu wischen. Am meisten faszinierten mich die blau- und lilahäutigen Draenei, die erzählten, sie seien in einer großen, fliegenden Stadt hierher gereist und dann vom Himmel auf unsere Nachbarinsel gefallen.
Ich konnte mir kaum vorstellen, dass all diese Geschichten wahr sein konnten, denn Wanderer und Reisende erzählen ja oft von Dingen, die sie zwar gern gesehen hätten, in Wahrheit jedoch nie wirklich erlebt haben. Andererseits wären all die Fremden selbst fast genauso unvorstellbar gewesen, hätten sie nicht lebendig vor mir gestanden. Vielleicht waren ihre Geschichten ja ebenso wahr, wie sie unvorstellbar waren für eine junge, unerfahrene Elfin wie mich…
Nur eine Geschichte hörte ich nie. Die meines eigenen Volkes nämlich. So oft ich auch danach fragte, auf kindlich neugierige Art nachbohrte und wieder einmal Andorius in den Ohren lag, weder er noch jemand anderes wollte mir erzählen, was es mit diesem Malfurion auf sich hatte, dessen Namen alle nur flüsternd erwähnten und warum man sich vor den Abtrünnigen in Acht nehmen musste, ja wer diese Abtrünnigen überhaupt waren…

Eines Abends, als ich auf Andorius wartete, dass er seine Glasfläschchen endlich wieder in den Schrank stellen und wir nach Hause gehen würden, fiel mein gelangweilter Blick, der zuvor noch über das Spiegelbild des Mondes im Wasser gewandert war, auf die mächtigen Säulen des Tempels am Rand der Stadt. Düster und geheimnisvoll erhob sich seine Kuppel in den darnassischen Nachthimmel, durch das Eingangsportal konnte ich einen schwachen, blauen Lichtschimmer erkennen und meine Neugier… nunja, sie übernahm wieder einmal die Kontrolle. Ich stand auf, lief auf Zehenspitzen über die Brücke, die von den Tempelgärten nach oben führt, und drückte mich in eine der dunklen Nischen, um zu lauschen. Doch von drinnen kam nur ein leises Rauschen und Plätschern von Wasser. Ich wagte mich aus meinem Versteck hinter einer der Säulen neben dem Eingang, machte einige Schritte zurück, um durch das Portal spicken zu können…
…und bemerkte in diesem Moment, dass es mindestens ein Schritt zuviel gewesen war, als ich den Boden unter den Füßen verlor. Meine Hände schrammten noch beim Versuch, mich an der Kante festzuhalten, über rauhen Stein, rissen an den Handflächen auf und ich fiel. Als einige Schritte unter mir dann das Wasser eben jenes Sees, auf den ich ein paar Minuten zuvor noch so gedankenverloren geblickt hatte, über mir zusammenschlug, war ich einerseits froh, dass ich nicht auf den Baumbären in der Mitte der Stadt geklettert war und verfluchte andererseits meine eigene Dummheit, die sich wohl schelmisch grinsend mit meiner Neugier verbrüdert hatte.

„He, du da! Das nächste Mal solltest du vielleicht einfach anklopfen und deine Neugier durch schlichtes Fragen befriedigen, findest du nicht? So bliebe jedenfalls deine Kleidung erheblich trockener...“

Die Hand, die sich mir entgegenstreckte, gehörte einer Elfin namens Alaindia. Tagsüber verkaufte sie Reagenzien in Darnassus, und abends saß sie selbst manchmal am See und am Tempel und genoß die Ruhe der über Darnassus hereinbrechenden Nacht. Oft hatte ich neben ihr gesessen und mit ihr geredet, wir waren gute Freundinnen geworden. Auch diesmal war sie mir eine Freundin, denn sie half mir aus dem Wasser und brachte mich in den Tempel. Und so stand ein klatschnasses, zitterndes und an den Händen blutendes Nachtelfenmädchen, das sich in diesem Moment am liebsten ein Mäuseloch zum Verkriechen gesucht hätte, einer der Priesterinnen der Elune gegenüber, die mich über all meiner persönlichen Schmach dieses Abends nur milde anlächelte.

„Du bist spät dran. Ich hatte dich schon einige Monde früher hier erwartet, kleine Sinyarell.“

Noch ehe ich fragen konnte, was sie damit meinte, nahm sie mein linkes Handgelenk und hielt ihre Handfläche über meine blutende Wunde. Dasselbe Leuchten, welches ich selbst schon einmal aus meiner Hand hatte hervordringen sehen, jedoch viel heller und strahlender, umwob nun auch ihre. Dieselbe Wärme drang aus ihren Fingern, legte sich um meine zitternden Fingerspitzen und wanderte nach oben zur Wunde. Und sie verschloss sich, ganz genauso, wie es damals auf den Stufen Aldrassils passiert war.

„Und jetzt du. Ich weiß, dass du es kannst. Auch du trägst das Talent in dir, die Kräfte der heilende Magie zu nutzen. Versuch es!“

Noch immer völlig verwirrt darüber, was ich dort in diesem Garten im Inneren eines Tempels und gegenüber einer so weise und mächtig erscheinenden Elfin zu suchen hatte, dachte an meine Flucht vor den Nachtsäblern zurück. Ich versuchte mich an die Worte zu erinnern und sprach sie im Geiste aus. Ich konzentrierte mich auf sie, konzentrierte mich auf die Wunde – was mir in diesem Moment nicht leicht fiel, denn eine meiner Hände hatte zwar aufgehört zu bluten, aber meine Kleider zu trocknen und mich vor Kälte zu zittern aufhören zu lassen lag wohl nicht in der Macht dieser freundlichen Priesterin.

Umso mehr erstaunt wie auch erleichtert war ich, als sich die Luft um meine gesunde Hand erwärmte. Ein zwar fahler und nicht annähernd so heller, aber dennoch deutlich sichtbarer Lichtschein begann zu flackern und ohne dass ich recht wusste, woher und wodurch, heilte die Wunde an meiner rechten Hand.
Die Priesterin, welche Lariia hieß, wie ich später erfuhr, lächelte mich an und sagte:

„Willkommen im Tempel des Mondes und in den Reihen der Priesterinnen und Priester Elunes, Sinyarell.“


Und so fand ich also meine Bestimmung, eine Priesterin des Lichts und der heilenden Magie zu sein. Von diesem Moment an veränderte sich mein Leben. Lariia und später auch andere Priesterlehrerinnen des Tempels schulten mich im Umgang und in der Beherrschung meiner Fähigkeiten. Um sie zu trainieren und zu verbessern, schickten sie mich hinaus, die mir noch unbekannten Gegenden Teldrassils zu erkunden, andere Abenteurer zu treffen und die vielen wartenden Aufgaben zu meistern. Als sie die Zeit dafür sahen, schickten sie mich dann ans Festland nach Auberdine, von wo aus Andorius mich damals ins sichere Laubschattental gebracht hatte. Ich streifte dort durch die Wälder und an der Küste entlang, erlebte Dinge, die ich mir nie hätte vorstellen können, vertiefte mein Wissen in der Alchimie und lernte nebenbei auch, wie man mit einem Stock, einer Schnur und einem Wurm Fische fing. Aus einigen von ihnen konnte man nämlich ein Öl herstellen, das wiederum als Zutat für Tränke gebraucht wurde. So lernte ich auch, dass alles miteinander verwoben ist und in allem ein Zusammenhang und gemeinsamer Nutzen steckt. Und eines Tages kam ich dann schließlich an einen Ort, der mir die Herkunft meines Volkes erzählen sollte…


Dieser Ort heißt Ameth´Aran. Er liegt ein kleines Stück südlich von Auberdine und ich hörte im Dorf immer wieder Geschichten von ihm und einem ein Volk, das Die Hochgeborenen genannt wird und über welches man sagte, es stünde mit diesem Ort in Verbindung. Mein Wissensdurst war geweckt und ebenso meine Hoffnung, vielleicht endlich ein kleines Fitzelchen über meine Herkunft erfahren zu können. Und so fragte ich nach meiner Rückkehr nach Darnassus eine der Priesterinnen im Tempel nach diesem Ort. Doch allein schon, als ich seinen Namen und die Hochgeborenen erwähnte, legte sich ein düsterer Ausdruck über das Gesicht der Priesterin und ihre Stirn fiel in Falten. Jedoch nahm sie mich an der Hand, setzte sich am Brunnen in der Mitte des Tempels neben mich und fing an zu erzählen…

Sie erzählte mir vom Beginn dieser Welt, als die beiden Kontinente noch eins waren. Wie das Pantheon der Titanen Kalimdor erschaffen hatte und sich der Titan Sargeras von den anderen abwand. Wie er zum Anführer der Brennenden Legion wurde, die nun die größte Gefahr für alle friedlichen Völker war. Ich erfuhr, dass die Nachtelfen das erste Volk auf dieser Welt waren, in ihren Anfangstagen den Brunnen der Ewigkeit entdeckten und begannen, seine Magie zu studieren. Wir nennen uns selbst „Kaldorei“ – Kinder der Sterne. Nun verstand ich auch, warum.
Sie erzählte mir auch von den ersten, großen Anführern der Nachtelfen. Von der Königin Azshara und Malfurion Sturmgrimm. Ich lernte über die Druiden und den Waldgott Cenarius, den sie verehren. Und schließlich erfuhr ich auch die Geschichte, wie Azshara und ihr Gefolge der Hochgeborenen der Macht des Brunnens verfiel und unser Volk an Sargeras, der diese Welt einnehmen wollte, verriet. Wie es der junge Druide Malfurion mit Hilfe seines Bruders Illidan, welcher später selbst der dunklen Macht der Magie verfiel, und der Priesterin Tyrande Wisperwind gelang, Sargeras und seine Dämonenscharen der Zwischenwelt zu besiegen und wie dabei eine gewaltigen Explosion den Brunnen zerriss und die Welt in zwei Kontinente spaltete (an dieser Stelle erschauderte ich ein wenig, denn so sehr ich Tyrande, die höchste aller Priesterinnen im Tempel, bewunderte und ihr mit Ehrfurcht begegnete, so hätte nie gedacht, welche Rolle sie vor so vielen tausend Jahren gespielt hatte und dass sie überhaupt schon so alt war).
Ich fragte nach diesem anderen Weltenbaum namens Nordrassil, von dem in Auberdine so viel gemunkeltet wurde, während man unter verdeckter Hand auf die Berge im Osten deutete. Sie erzählte mir, dass drei der Drachenaspekte ihn auf dem Berg Hyjal inmitten eines Sees erschaffen hatten, in den Illidan eine Phiole mit magischem Wasser aus dem alten Brunnen der Ewigkeit geschüttet hatte. Der Baum sollte die Magie des Wassers bändigen und ebenso das Elfenvolk und die wieder zum Leben erweckte Natur auf dem zerstörten Kontinent schützen.
Und so erfuhr ich nun auch endlich, was es mit diesem Volk der Hochgeborenen auf sich hatte, die einst der Magie des Brunnens verfielen und nach dessen Zerstörung ins Exil auf den anderen Kontinent geschickt wurden, wo sie das Volk der Hochelfen gründeten und später zu dem wurden, was wir nun als die Blutelfen kennen.

Stundenlang saß ich neben der Priesterin, meine Ohren wurden größer und größer (was bei einem Nachtelf eher ungünstig sein kann…) und mit jedem ihrer Worte verstärkte sich in mir der Drang, in die Welt zu ziehen. All die Orte zu sehen, von denen sie erzählte, den anderen Kontinent zu betreten, durch die Tore der Zwergenstadt Eisenschmiede zu gehen und in den Gärten von Sturmwind den Menschenpriestern zuzuhören, wenn sie die Geschichte ihres eigenen Volkes erzählten. Wie ich so dasaß, mittlerweile nur noch halb der Elfin zuhörte und zur anderen Hälfte in meinen eigenen Gedanken und Träumen schwelgte, fasste ich einen Entschluss. Ich musste die gewohnte Umgebung Teldrassils und der Dunkelküste verlassen, wenigstens für einige Monde. So sehr zog es mich nun fort, dass ich am darauffolgenden Morgen Andorius meine Entscheidung mitteilte und ihm sagte, dass ich noch am selben Nachmittag auf das Schiff gehen wolle, das von Auberdine aus einen Hafen auf dem anderen Kontinent ansteuerte. Er hielt mich nicht zurück, und den Grund dafür gab er mir kurz darauf in die Hand.
Er ging zu dieser einen Truhe in der Ecke unserer Hütte neben dem Foliantenregal, die schon immer verschlossen war. Er berührte die Oberseite des Deckels, und was ich bisher für eine Verziehrung der Truhe gehalten hatte, begann sich wie Wurzeln zu regen, zu winden und zurückzuziehen und gab dabei einen Verschlussriegel frei, der sich völlig ohne Schlüssel öffnen ließ. Ein leichtes Schmunzeln huschte über meine Mundwinkel, als ich daran zurückdachte, wie ich in meiner ungezügelten Neugier in Kinderzeiten auch wissen wollte, was zu wissen mir nicht zustand und ich aus diesem Grund in seiner Abwesenheit das Haus auf den Kopf gestellt hatte, aber trotzdem keinen Schlüssel zu der Truhe finden konnte.
Andorius griff in die Truhe, holte unter einem Stapel alter Bücher ein Stück gefaltetes Pergament hervor und reichte es mir. Es war der Brief meines Vaters, den er zusammen mit mir gefunden hatte und den ich noch heute jederzeit bei mir trage. Er sagte, es sei nun an der Zeit, dass ich ihn bekommen sollte. So, wie es darin stand und mein Vater es gewünscht hatte, habe er gewartet, bis ich meinen Weg gefunden hatte, ehe er ihn mir geben wollte. Nun, da ich daran war, meinen Weg zu gehen, sollte er mir gehören.
Ich sah Andorius verständnislos an, faltete das Papier auseinander und wollte schon lesen, als er mich zurückhielt. Ich solle ihn nicht jetzt lesen, sondern erst, wenn ich auf dem Schiff war. Damit mich nicht vielleicht irgendetwas, das sich beim Lesen in mir regen könnte, doch noch daran hindern würde, zu gehen. Ich faltete den Brief also wieder zusammen, packte einige meiner Habseligkeiten und verabschiedete mich von Andorius. Vom Laubschattental, den Priesterinnen in Darnassus und von Teldrassil. Ich fuhr nach Auberdine, setzte meinen Fuß auf das Schiff, welches mich an einen Ort namens Menethil bringen sollte und…


…ohje, wie lange sitze ich nun schon hier? Habt ihr überhaupt bis hierher gelesen? Ich könnte noch soviel erzählen…


Von meinen Erlebnissen in den Östlichen Königreichen, den Begegnungen mit Menschen, Zwergen und Unmengen von in Flaschen gefülltem Trollschweiß (warum machen diese Trolle das?? Ihren eigenen Schweiß in Flaschen abfüllen und dann mit sich herumtragen… das ist eine der wenigen Fragen, auf die ich bis heute noch keine Antwort gefunden habe). Ich könnte erzählen, wie mich ein blauhaariger Nachtelf, der sich Solstafir nennt und als mürrischer Eigenbrötler der Berufung eines Jägers nachgeht (ooc: und früher mein Mainchar war), eines Tages aus dem Hafenwasser von Beutebucht zog, nachdem ich mal wieder in meiner Eile vom Greifenmeister kommend den falschen Steg genommen – und dessen Ende übersehen hatte. Die Begegnungen mit großen Mengen von Wasser scheinen irgendwie immer schicksalsträchtige in meinem Leben zu sein…
Ich könnte erzählen, wie er mich in seiner grämigen, aber fürsorglichen Art beschützte und später in die Hallen seiner Gildengemeinschaft, der Gladius Honoris, mitnahm, der ich seitdem ebenso angehöre. Wie ich die Scherbenwelt, die Überreste der alten Welt Draenor und ehemalige Heimat der Draenei, erkundete und meine Fähigkeiten als Heilerin weiter trainierte, um sie irgendwann einmal, im Kampf gegen die bösesten der Bösen, gegen die Nagakönigin, den Anführer der abtrünnigen Blutelfen und vielleicht sogar als Zeitreisende gegen die Schergen des Sargeras, zur Perfektion zu bringen.


Doch nun komme ich zum Ende meiner Geschichte, sonst fülle ich auch den den Rest dieses Buches noch. Meine Glieder schmerzen noch immer und in den Ohren habe ich die Schreie Al´Ars, wie er vor ein paar Stunden erst in seinem eigenen Feuer zu Asche verbrannte...


Ich hoffe, ich konnte euch ein wenig näherbringen, wer sich hinter meinem Namen verbirgt. Achja, mein Name…


Wie ich zu Beginn schrieb und auch mein Vater mir in seinem Brief hinterließ, verbirgt sich meine Bestimmung in meinem Namen. Schon meine Lehrerinnen im Tempel erwähnten es immer wieder, vor Allem dann, wenn ich mir mal wieder besonders schwer tat, einen neuen Zauber zu erlernen. Sie sagten dann „Die Lebenskraft des Mondes steckt sogar in deinem Namen, du musst sie nur finden!“
Den genauen Wortlaut konnte ich zwar nicht erfahren, denn es scheint sich um eine abgewandelte Form einer alten Sprache oder der Sprache einer anderen Welt zu handeln, doch konnten viele Schriftgelehrten mir versichern, dass mein Name eine Zusammensetzung der Worte „Lebenskraft“ und „Mond“ ist.

Dies zu wissen hilft mir zwar nicht, meine Vergangenheit und Herkunft zu erfahren, aber es zeigt mir, dass mein Weg der für mich richtige sein muss. Dass eben dies, was ich nun bin und verkörpere, eine Priesterin der heiligen Magie zu sein, meine Bestimmung ist….


Sinyarell nimmt die zuletzt beschriebene Seite, wie auch schon die vielen (sehr vielen...) davor, zwischen zwei Finger, wedelt einige male damit auf und ab, damit die Tinte trocknet, und klappt das Buch schließlich zu. Sie steckt die Schreibfeder zurück ins das kleine Tintenfäßchen, schiebt den Stuhl wieder unter den Sekretär und möchte gerade zur Treppe gehen, als sie sich noch einmal umdreht und den Folianten ansieht...

Ihr wird klar, dass sie, während sie dasaß und schrieb, nicht nur den Mitstreitern der Communitas ihre Geschichte erzählt hat, sondern auf eine seltsame Art sich selbst all die Erinnerungen ihrer Vergangenheit wieder wachgerufen hat. Manches, was nun auf den Seiten dieses Buches steht, Erkenntnisse wie auch lange Zeit vergessene oder verdrängte Begebenheiten, fanden erst durch den Umweg über die soeben weggelegte Schreibfeder wieder in ihre Gedanken und ihr Gedächtnis.

Mit einem wehmütigen Ausdruck der Zufriedenheit wendet die Elfin den Blick vom Buch ab, dreht sich um und geht auf die Treppe zu. Und so, wie sie nun dem Buch ihren Rücken zuwendet, so scheint es ihr, als wende sie sich schließlich auch von einem Teil der Mysterien ihrer Vergangenheit ab...



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(Diese Geschichte habe ich für den RP- und Vorstellungsbereich im Forum meines Raids verfasst. Da ich ein wenig Anerkennung dafür ernten konnte - und momentan weder motiviert noch willens bin, etwas anderes oder neues zu bloggen - übertrage ich sie einfach mal hierher. Vielleicht gefällt sie ja jemandem. Auch wenn ich sie nicht annähernd für gelungen halte, weder korrekturgelesen noch nachgebessert habe und die Recherchen eher oberflächlich ausfielen...).



edit: kein edit. Kein Video diesmal. Der Mediaplayer schweigt derzeit bedächtig...
 
sehr schön geschrieben, bis zum Ende gelesen und nicht gezokkt ^^
fesselnd halt ;)
würde gern mehr davon lesen, vielleicht stellst Du ja alle Deine Chars so einmal vor.
 
Danke für die Blumen :)

Eigentlich entwickelte sich die Sory auch eher nebenbei... nach dem ersten Nachschlagen eines Namens in der Warcraft-History hatte mich das Interesse mal wieder gepackt und ich hab von den Titanen bis hin zur Öffnung des Dunklen Portals alles verschlungen... und musste natürlich auch etwas davon in Sinyarells Geschichte packen *schmunzel*

Mal schaun, ob ich das für die (nicht sehr zahlreichen) anderen Charactere auch noch umsetze. Jetzt aber erstmal Koffeinspiegel auf "Normal"-Level bringen...
 
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