Sethek
Welt-Boss
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Eigentlich wollte ich ja an meinem EvE-Blog witermachen, hatte mich auch grade mit der unschlagbaren Kombination "Scotch und Morgenmantel" in Tipplaune versetzt - da musste ich bei buffed mal wieder etwas lesen, das sich so hartnäckig hält wie Filzläuse.
Im Bericht zum Guild Summit von Bioware - zu lesen hier: http://www.buffed.de...igungen-871381/ - geht es natürlich schwerpunktmäßig um anstehende Neuerungen beim SW:TOR-MMO.
Eine der anstehenden Neuerungen ist der viel diskutierte Dungeonfinder. Ich will an der Stelle gar nicht pro und contra dieses Hilfsmittels erörtern, vielmehr geht es mir um die Interpretation von "Olli".
Denn Bioware hat verstanden, wie wichtig der Zusammenhalt der Spielergemeinschaften ist.
Der Satz gehört zum Schatz der von hunderttausenden Gamern so unreflektiert akzeptierten universellen Wahrheiten. Ich kenne kaum jemanden, der diesen Satz ernstlich bezweifeln würde, was in meinen Augen vor allem daran liegt, dass niemand auch nur drüber nachdenkt. Wir haben ihn quasi seit den frühesten Internet-Tagen verinnerlicht - genauso wie die allermeisten von uns aus dem Bauch raus instinktiv den Kommunismus ablehnen oder unser politisches System als freiheitlich-demokratisch empfinden - auch wenn die meisten nicht wirklich darüber nachdenken, was der Kommunismus so grauenhaftes beinhaltet oder was Demokratie wirklich bedeutet und wo sich demokratische Elemente mit unserer Realität im Widerstreit befinden.
Ganz ähnlich das Märchen von servercommunities. Man liest es so unglaublich oft, in Foren, in Magazinen, man hört davon in Videoclips. Der Gedanke, dass es so etwas wie "server pride" gibt, dass die Spieler auf dem eigenen Server irgendwie zusammenhalten, dass man weil man auf dem selben Server spielt irgendwie ein freundschaftliches Verhältnis hätte, der schwirrt diffus durch die Mehrheit der Spielerköpfe - und nicht nur durch die, auch Redakteure, Blogger und selbst die Spielehersteller führen die mystische "community" nur allzu gerne im Munde.
Aber stimmt das überhaupt? Ist bei näherer Betrachtung an der "absoluten Wahrheit" der community etwas dran?
Natürlich sage ich dazu "Humbug". Klar, wieso sollte ich auch sonst drüber schreiben. Aber der Reihe nach...
1. Die Realität auf den Servern
Egal, welches MMO ich mir in den letzten Jahren zu Gemüte geführt habe - in keinem davon, auf keinem Server, hätte ich das Gefühl gehabt, hier würden Freunde - und damit meine ich Menschen, die einander zumindest sympathisch sind, nicht die belanglos-banalen Facebook-Bekanntschaften - zusammenspielen. DIe Hatz, zuerst am Rohstoffvorkommen zu sein... jemanden zu sehen, der offenbar schon länger auf nen Questmob wartet und, sobald jener dann doch mal spanwed, trotzdem versuchen, sich "vorzudrängeln" ... Abzocke im AH ... Neidvolles Hickhack unter den Progressgilden ... Flamewars der PvP-Lager ... ätzendes Spötteln in den channels...
So könnte ich noch länger weitermachen - aber ein Bild der Harmonie würde nie draus werden.
Nun wird ja gerne propagiert, dieses Elend hätte erst mit WoW Einzug gehalten. Dazu kann ich nur sagen - da brauch ich nicht zurpckgehen bis zu den allerersten MUDs, da reicht der Großvater von Onlinerollis mit grafischer Oberfläche: Ultima Online. Warum wohl gab es seit launch immer wieder die Bitten um einen reinen PvE-Shard, der dann mit Trammel auch realisiert wurde? Etwa, weil alles so harmonisch war? Quark. Damals wie heute gilt in MMOs das Hobbes-Prinzip "homo homini lupus".
2. Versuche wir es mal mit Logik
Wir nehmen uns tausend Menschen blind von der Straße. Wie hoch wird wohl der Prozentsatz an Menschen sein, die uns nach kurzer bzw. keiner Unterhaltung nicht so weit am Arsch vorbeigehen, dass uns überhaupt nicht kratzt, ob sie ihren Job verlieren, ins Krankenhaus müssen, einen Trauerfall in der Familie haben etc.? Das sind jetzt wirklich herbe Schicksalsschläge - aber mal ehrlich, wen hier kratzt es, wenn im Lokalteil der örtlichen Zeitung von Schicksalsschlägen zu lesen ist? Solange es niemanden betrifft, ist uns das schnurzegal - es sei denn, wir gehören zu dem Menschenschlag, der wohliges Erschaudern als Freizeitbeschäftigung pflegt und sich daran aufgeilt, dass es andere getroffen hat und nicht einen selbst.
In MMOs geht es nicht nur um wesentlich banalere Schicksalsschläge - denn die wenigsten dürften einen vor der Nase weggeschnappten Questmob mit dem Verlust eines Arbeitsplatzes gleichsetzen - sondern man hat auch noch das zusätzliche Element "Anonymität". Sprich: im normalen Leben geht uns der Mitmensch am Arsch vorbei, und wir hätten auch kein Problem damit, ihn zu übervorteilen - aber wir machens nur, wenn wir uns völlig sicher sein können, dass er es nicht mitbekommt. Schließlich könnte er uns ja eine in die Schnauze hauen. Warum wohl ist mobbing so beliebt? Weil der Mobber dabei weitgehend unerkannt und anonym bleibt. In MMOs gibt es Anonymität für alle - wozu das führt, sollte klar sein.
Warum aber hält sich die Mär von der community so verflucht hartnäckig?
3. Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!
Antwort: Weil wir diese Lüge gerne glauben! Sie deckt sich nämlich mit einer anderen universellen Wahrheit.
Wir alle sind mit einem äußerst positiven Menschenbild aufgewachsen. Von Kindesbeinen an wird uns Moral eingetrichtert, höhere Werte und dass der Mensch die Krone der Schöpfung sei. Wie bei jeder anderen Weltanschauung wird diese von den allermeisten Menschen fraglos als absolute Wahrheit übernommen.
DIe grausame, tagtäglich millionenmal bewiesene Realität sieht leider ganz anders aus, als sie sich humanistische Philosophen immer vorgestellt hatten. Wir haben zwar den Verstand, und einige wenige schaffen es auch, diesen zu benutzen, um ihre Instinkte und Triebe im Zaum zu halten. Diese atavistischen Urtriebe sind nämlich alles andere als edel und gut - die kommen aus einer Zeit, in der der Kerl eine Höhle weiter darauf aus war, uns das erlegte Mammut unter dem Speer wegzuklauen, unsere Frau zu rauben und unsere Tochter zu vergewaltigen. Wobei man dem Kerl zugute halten muss: er konnte nicht anders, es ging schließlich ums nackte überleben.
Natürlich haben wir auch Instinkte und Triebe, die nicht mit der humanistischen Philosophie im Widerstreit stehen. Menschen können auch ganz instinktiv altruistisch handeln - nur geht das halt instinktiv nur gegenüber einigen wenigen anderen Menschen. So ein Stammesverband hatte nicht viele Mitglieder, wäre logistisch ja auch nicht anders machbar gewesen, und zudem war das Leben wohl härter und auf jeden Fall kürzer als heute. Wenn Menschen instinktiv sich für andere aufopfern, dann für Familienmitglieder, Geliebte und engste Freunde.
Nur besteht unsere Gesellschaft eben überwiegend aus Fremden - und da sagen unsere Instinkte bestenfalls "don't care" und schlimmstenfalls "er oder ich".
Kluge Menschen haben das auch schon früher erkannt und trotzdem postuliert, dass der Verstand des Menschen dazu in der Lage wäre, diese Triebe zu beherrschen und es darob des Menschen Pflicht, genau das zu tun.
Diese klugen Menschen haben dabei nur einen Fehler gemacht: Sie haben nicht erkannt, um wie viel dümmer der durchschnittliche Mensch ist. Ja, es gibt Menschen, deren IQ liegt näher am Tierreich als an besagten klugen Köpfen. Die Mehrheit kann eben nicht in jeder Lebenslage den Verstand regieren lassen, und viele, die es könnten, lernen schnell, dass man weniger edel und hilfreich den eigenen Lebensstandard verbessert. An der Stelle sei kurz das wundervolle Zitat Bert Brechts gebracht:
Reicher Mann und armer Mann standen da und sah`n sich an.
Da sagt der Arme bleich: 'Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.'
Damit ist eigentlich nur gesagt, dass es im realen Leben keine großen "communities" voller Harmonie gibt. Vielmehr sucht sich jeder Mensch auch im Zeitalter von hunderten Facebookfreunden seine kleine Clique mit gemeinsamen Interessen. Und in MMOs mit mehreren hundert Spielern auf einem Server sollen plötzlich (1)wildfremde, (2)anonyme Menschen, deren einzige Gemeinsamkeit mit mir darin besteht, (3) auf den selben Servernamen geklickt zu haben, plötzlich eine glückliche Familie sein?
Bullshit!
Warum aber glaubt das jeder? Weil es dazu passt, was wir unser Leben lang gelernt haben vom Menschen als Krone der Schöpfung. Lieber schlucken wir eine Lüge, anstatt eine noch viel größere zu hinterfragen, weil wir damit an den Grundfesten unserer Selbstdefinition rütteln würden.
3. Advocatus Diaboli
Ein drittes Argument hab ich noch auf der Pfanne - bei dem geht es ganz konkret um den "Dungeonfinder". Ein oft geäußerter Kritikpunkt ist ja, er würde die Servercommunity stören.
Wird gebetsmühlenartig von den Verfechtern dieses Arguments wiederholt, ist aber leider eine der größten Seifenblasen rund um das DF-Thema.
Warum?
Ganz einfach. Nehmen wir mal an, die Kritiker hätten in dem Punkt Recht, Server wären eine große, glückliche Gemeinschaft, die Spieler auf anderen Servern hingegen wären in der Mehrheit lootgeile Schwachmaten mit fragwürdigem Etiketteverständnis und mangelndem Spielgeschick. Okay. In diesem Fall möchte man natürlich mit den Spielern des eigenen Servers spielen und nicht mit der Mischpoke von woanders.
Warum wäre dann ein DF schlecht? Wäre es nicht unter obiger Prämisse ganz natürlich so, dass die Mehrheit der großen, glücklichen communitah unter sich bliebe? Überraschung: Dem ist nicht so, WoW hat es bewiesen. Den meisten ist es scheissegal, welcher Server die Heimat der temporären Mitstreiter ist, weil die Leute auf allen Servern gleich gemischt sind. Mit manchen kann man, andere gehen einem auf die Nüsse.
4. Der Appell
Ich fände es toll, wenn zumindest einige aufwachen würden und offen und ehrlich akzeptieren, dass sowas wie eine "community" nicht existiert. Wenns mal hochkommt, vernetzen sich ein paar Dutzend Spieler auf einem Server, aber die Mehrheit bleibt unter sich, in kleinen Gilden und Gruppen. In größeren Gilden bilden sich immer kleinere Cliquen und Untergruppen, weil das ganz normales menschliches Verhalten ist.
Konkret zum thema "Dungeonfinder" - habt die metaphorischen Eier, euch und anderen Einzugestehen, worum es wirklich geht:
Ihr wollt nicht, dass die "communitah", die es gar nicht gibt, aufhört zu existieren. Es geht euch um die Anonymität und darum, dass die es dem Menschen ermöglicht, sein wahres Gesicht zu zeigen. Ihr wollt, dass die virtuelle Persona eines Spielers den selben Zwängen unterworfen ist wie wir alle im echten Leben. Dort wird ein "danebenbenehmen" nämlich geahndet.
Eure Mitspieler auf dem Server sind keinen Deut besser oder schlechter als Spieler von anderswo - sie sind nur eins: bekannt und nicht anonym. Das, und NUR das, hindert die meisten daran, den inneren Egomanen rauszulassen. Ihr wollt denunzieren können, euch wehren und denen schaden, die euch unrecht tun, damit eben aufgrund dieser Drohkulisse das Unrecht gar nicht erst geschieht.
Das ist durchaus legitim und verständlich.
Nur, bitte, erspart mir das Gefasel von "communitah". Die gibt es nicht.
Im Bericht zum Guild Summit von Bioware - zu lesen hier: http://www.buffed.de...igungen-871381/ - geht es natürlich schwerpunktmäßig um anstehende Neuerungen beim SW:TOR-MMO.
Eine der anstehenden Neuerungen ist der viel diskutierte Dungeonfinder. Ich will an der Stelle gar nicht pro und contra dieses Hilfsmittels erörtern, vielmehr geht es mir um die Interpretation von "Olli".
Denn Bioware hat verstanden, wie wichtig der Zusammenhalt der Spielergemeinschaften ist.
Der Satz gehört zum Schatz der von hunderttausenden Gamern so unreflektiert akzeptierten universellen Wahrheiten. Ich kenne kaum jemanden, der diesen Satz ernstlich bezweifeln würde, was in meinen Augen vor allem daran liegt, dass niemand auch nur drüber nachdenkt. Wir haben ihn quasi seit den frühesten Internet-Tagen verinnerlicht - genauso wie die allermeisten von uns aus dem Bauch raus instinktiv den Kommunismus ablehnen oder unser politisches System als freiheitlich-demokratisch empfinden - auch wenn die meisten nicht wirklich darüber nachdenken, was der Kommunismus so grauenhaftes beinhaltet oder was Demokratie wirklich bedeutet und wo sich demokratische Elemente mit unserer Realität im Widerstreit befinden.
Ganz ähnlich das Märchen von servercommunities. Man liest es so unglaublich oft, in Foren, in Magazinen, man hört davon in Videoclips. Der Gedanke, dass es so etwas wie "server pride" gibt, dass die Spieler auf dem eigenen Server irgendwie zusammenhalten, dass man weil man auf dem selben Server spielt irgendwie ein freundschaftliches Verhältnis hätte, der schwirrt diffus durch die Mehrheit der Spielerköpfe - und nicht nur durch die, auch Redakteure, Blogger und selbst die Spielehersteller führen die mystische "community" nur allzu gerne im Munde.
Aber stimmt das überhaupt? Ist bei näherer Betrachtung an der "absoluten Wahrheit" der community etwas dran?
Natürlich sage ich dazu "Humbug". Klar, wieso sollte ich auch sonst drüber schreiben. Aber der Reihe nach...
1. Die Realität auf den Servern
Egal, welches MMO ich mir in den letzten Jahren zu Gemüte geführt habe - in keinem davon, auf keinem Server, hätte ich das Gefühl gehabt, hier würden Freunde - und damit meine ich Menschen, die einander zumindest sympathisch sind, nicht die belanglos-banalen Facebook-Bekanntschaften - zusammenspielen. DIe Hatz, zuerst am Rohstoffvorkommen zu sein... jemanden zu sehen, der offenbar schon länger auf nen Questmob wartet und, sobald jener dann doch mal spanwed, trotzdem versuchen, sich "vorzudrängeln" ... Abzocke im AH ... Neidvolles Hickhack unter den Progressgilden ... Flamewars der PvP-Lager ... ätzendes Spötteln in den channels...
So könnte ich noch länger weitermachen - aber ein Bild der Harmonie würde nie draus werden.
Nun wird ja gerne propagiert, dieses Elend hätte erst mit WoW Einzug gehalten. Dazu kann ich nur sagen - da brauch ich nicht zurpckgehen bis zu den allerersten MUDs, da reicht der Großvater von Onlinerollis mit grafischer Oberfläche: Ultima Online. Warum wohl gab es seit launch immer wieder die Bitten um einen reinen PvE-Shard, der dann mit Trammel auch realisiert wurde? Etwa, weil alles so harmonisch war? Quark. Damals wie heute gilt in MMOs das Hobbes-Prinzip "homo homini lupus".
2. Versuche wir es mal mit Logik
Wir nehmen uns tausend Menschen blind von der Straße. Wie hoch wird wohl der Prozentsatz an Menschen sein, die uns nach kurzer bzw. keiner Unterhaltung nicht so weit am Arsch vorbeigehen, dass uns überhaupt nicht kratzt, ob sie ihren Job verlieren, ins Krankenhaus müssen, einen Trauerfall in der Familie haben etc.? Das sind jetzt wirklich herbe Schicksalsschläge - aber mal ehrlich, wen hier kratzt es, wenn im Lokalteil der örtlichen Zeitung von Schicksalsschlägen zu lesen ist? Solange es niemanden betrifft, ist uns das schnurzegal - es sei denn, wir gehören zu dem Menschenschlag, der wohliges Erschaudern als Freizeitbeschäftigung pflegt und sich daran aufgeilt, dass es andere getroffen hat und nicht einen selbst.
In MMOs geht es nicht nur um wesentlich banalere Schicksalsschläge - denn die wenigsten dürften einen vor der Nase weggeschnappten Questmob mit dem Verlust eines Arbeitsplatzes gleichsetzen - sondern man hat auch noch das zusätzliche Element "Anonymität". Sprich: im normalen Leben geht uns der Mitmensch am Arsch vorbei, und wir hätten auch kein Problem damit, ihn zu übervorteilen - aber wir machens nur, wenn wir uns völlig sicher sein können, dass er es nicht mitbekommt. Schließlich könnte er uns ja eine in die Schnauze hauen. Warum wohl ist mobbing so beliebt? Weil der Mobber dabei weitgehend unerkannt und anonym bleibt. In MMOs gibt es Anonymität für alle - wozu das führt, sollte klar sein.
Warum aber hält sich die Mär von der community so verflucht hartnäckig?
3. Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!
Antwort: Weil wir diese Lüge gerne glauben! Sie deckt sich nämlich mit einer anderen universellen Wahrheit.
Wir alle sind mit einem äußerst positiven Menschenbild aufgewachsen. Von Kindesbeinen an wird uns Moral eingetrichtert, höhere Werte und dass der Mensch die Krone der Schöpfung sei. Wie bei jeder anderen Weltanschauung wird diese von den allermeisten Menschen fraglos als absolute Wahrheit übernommen.
DIe grausame, tagtäglich millionenmal bewiesene Realität sieht leider ganz anders aus, als sie sich humanistische Philosophen immer vorgestellt hatten. Wir haben zwar den Verstand, und einige wenige schaffen es auch, diesen zu benutzen, um ihre Instinkte und Triebe im Zaum zu halten. Diese atavistischen Urtriebe sind nämlich alles andere als edel und gut - die kommen aus einer Zeit, in der der Kerl eine Höhle weiter darauf aus war, uns das erlegte Mammut unter dem Speer wegzuklauen, unsere Frau zu rauben und unsere Tochter zu vergewaltigen. Wobei man dem Kerl zugute halten muss: er konnte nicht anders, es ging schließlich ums nackte überleben.
Natürlich haben wir auch Instinkte und Triebe, die nicht mit der humanistischen Philosophie im Widerstreit stehen. Menschen können auch ganz instinktiv altruistisch handeln - nur geht das halt instinktiv nur gegenüber einigen wenigen anderen Menschen. So ein Stammesverband hatte nicht viele Mitglieder, wäre logistisch ja auch nicht anders machbar gewesen, und zudem war das Leben wohl härter und auf jeden Fall kürzer als heute. Wenn Menschen instinktiv sich für andere aufopfern, dann für Familienmitglieder, Geliebte und engste Freunde.
Nur besteht unsere Gesellschaft eben überwiegend aus Fremden - und da sagen unsere Instinkte bestenfalls "don't care" und schlimmstenfalls "er oder ich".
Kluge Menschen haben das auch schon früher erkannt und trotzdem postuliert, dass der Verstand des Menschen dazu in der Lage wäre, diese Triebe zu beherrschen und es darob des Menschen Pflicht, genau das zu tun.
Diese klugen Menschen haben dabei nur einen Fehler gemacht: Sie haben nicht erkannt, um wie viel dümmer der durchschnittliche Mensch ist. Ja, es gibt Menschen, deren IQ liegt näher am Tierreich als an besagten klugen Köpfen. Die Mehrheit kann eben nicht in jeder Lebenslage den Verstand regieren lassen, und viele, die es könnten, lernen schnell, dass man weniger edel und hilfreich den eigenen Lebensstandard verbessert. An der Stelle sei kurz das wundervolle Zitat Bert Brechts gebracht:
Reicher Mann und armer Mann standen da und sah`n sich an.
Da sagt der Arme bleich: 'Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.'
Damit ist eigentlich nur gesagt, dass es im realen Leben keine großen "communities" voller Harmonie gibt. Vielmehr sucht sich jeder Mensch auch im Zeitalter von hunderten Facebookfreunden seine kleine Clique mit gemeinsamen Interessen. Und in MMOs mit mehreren hundert Spielern auf einem Server sollen plötzlich (1)wildfremde, (2)anonyme Menschen, deren einzige Gemeinsamkeit mit mir darin besteht, (3) auf den selben Servernamen geklickt zu haben, plötzlich eine glückliche Familie sein?
Bullshit!
Warum aber glaubt das jeder? Weil es dazu passt, was wir unser Leben lang gelernt haben vom Menschen als Krone der Schöpfung. Lieber schlucken wir eine Lüge, anstatt eine noch viel größere zu hinterfragen, weil wir damit an den Grundfesten unserer Selbstdefinition rütteln würden.
3. Advocatus Diaboli
Ein drittes Argument hab ich noch auf der Pfanne - bei dem geht es ganz konkret um den "Dungeonfinder". Ein oft geäußerter Kritikpunkt ist ja, er würde die Servercommunity stören.
Wird gebetsmühlenartig von den Verfechtern dieses Arguments wiederholt, ist aber leider eine der größten Seifenblasen rund um das DF-Thema.
Warum?
Ganz einfach. Nehmen wir mal an, die Kritiker hätten in dem Punkt Recht, Server wären eine große, glückliche Gemeinschaft, die Spieler auf anderen Servern hingegen wären in der Mehrheit lootgeile Schwachmaten mit fragwürdigem Etiketteverständnis und mangelndem Spielgeschick. Okay. In diesem Fall möchte man natürlich mit den Spielern des eigenen Servers spielen und nicht mit der Mischpoke von woanders.
Warum wäre dann ein DF schlecht? Wäre es nicht unter obiger Prämisse ganz natürlich so, dass die Mehrheit der großen, glücklichen communitah unter sich bliebe? Überraschung: Dem ist nicht so, WoW hat es bewiesen. Den meisten ist es scheissegal, welcher Server die Heimat der temporären Mitstreiter ist, weil die Leute auf allen Servern gleich gemischt sind. Mit manchen kann man, andere gehen einem auf die Nüsse.
4. Der Appell
Ich fände es toll, wenn zumindest einige aufwachen würden und offen und ehrlich akzeptieren, dass sowas wie eine "community" nicht existiert. Wenns mal hochkommt, vernetzen sich ein paar Dutzend Spieler auf einem Server, aber die Mehrheit bleibt unter sich, in kleinen Gilden und Gruppen. In größeren Gilden bilden sich immer kleinere Cliquen und Untergruppen, weil das ganz normales menschliches Verhalten ist.
Konkret zum thema "Dungeonfinder" - habt die metaphorischen Eier, euch und anderen Einzugestehen, worum es wirklich geht:
Ihr wollt nicht, dass die "communitah", die es gar nicht gibt, aufhört zu existieren. Es geht euch um die Anonymität und darum, dass die es dem Menschen ermöglicht, sein wahres Gesicht zu zeigen. Ihr wollt, dass die virtuelle Persona eines Spielers den selben Zwängen unterworfen ist wie wir alle im echten Leben. Dort wird ein "danebenbenehmen" nämlich geahndet.
Eure Mitspieler auf dem Server sind keinen Deut besser oder schlechter als Spieler von anderswo - sie sind nur eins: bekannt und nicht anonym. Das, und NUR das, hindert die meisten daran, den inneren Egomanen rauszulassen. Ihr wollt denunzieren können, euch wehren und denen schaden, die euch unrecht tun, damit eben aufgrund dieser Drohkulisse das Unrecht gar nicht erst geschieht.
Das ist durchaus legitim und verständlich.
Nur, bitte, erspart mir das Gefasel von "communitah". Die gibt es nicht.