Die World of Warcraft Story - Lebenslinien

C

Centaurus_X3

Guest
Kapitel 1


1.

Mein Name ist Michael, ich bin 23 Jahre alt und arbeite als Programmierer in einer großen Firma. Beruflich aber auch privat läuft bei mir alles bestens, ich habe eine bildhübsche Freundin, viele nette Freunde und wohne in einer kleinen aber gemütlichen Wohnung.

Heute Abend sitze ich alleine vor meinem PC und schaue gespannt auf den Monitor. Ein Arbeitskollege hat mir das Computerspiel World of Warcraft ausgeliehen, damit ich es mal testen kann. Auch ein Aktivierungscode für einen kostenlosen Testaccount ist noch dabei.

Mein Kollege erzählt mir nun schon fast täglich von diesem Spiel, in dem es Elfen, Trolle, Schattenpriester und Netherdrachen gibt und schwärmt von der tollen Gemeinschaft, die er mit anderen Onlinespieler gefunden hat. Nun bin auch ich neugierig geworden und möchte diese Onlinewelt erforschen. Dennoch bin ich immer noch skeptisch, da mich Computerspiele bisher nur am Rande interessiert haben, aber einen kurzen Blick möchte ich trotzdem auf dieses World of Warcraft werfen.

Mein PC ist nun vollständig hochgefahren, einer Installation dieses Spiels steht nun nichts mehr im Wege. Ich lege die erste DVD in mein Laufwerk ein doch dann klingelt plötzlich das Telefon.

Die warme Stimme meiner Freundin lässt vor meinen Augen gleich ein Bild von ihr entstehen, lange blonde Haare und strahlend blaue Augen. „Was machst Du heute" höre ich sie fragen, „hast du Lust, mit mir heute Abend noch auszugehen?"

Einen kurzen Augenblick zögere ich, doch dann antworte ich ihr „Bitte sei nicht böse Schatz, aber ich möchte heute Abend etwas an meinem PC testen, treffen wir uns morgen?" „OK, dann sehen wir uns morgen" ein leichtes Bedauern liegt nun in ihrer Stimme „bis dann".

Als ich das klicken des Telefons höre als unser Gespräch beendet wird, habe ich plötzlich ein seltsames Gefühl als ob gerade etwas entscheidendes passiert sei in meinem Leben. Unsinn, denke ich ärgerlich über mich selbst, was soll denn schon sein. Dann schaue ich wieder auf den Monitor und klicke den Installationsbutton.

2.

Nun sind bereits zwei Wochen vergangen, seit dem ich eingetaucht bin in diese wunderbare Welt mit dem Namen Azeroth.

Die Grundkenntnisse zur Bedienung des Spiels waren rasch erlernt, so machte ich mich daran, mit meiner hübschen Magierin – sie hat lange, blonde Haare, genau wie meine Freundin - meine ersten Aufgaben, auch Quests genannt, zu lösen und als Belohnung Erfahrungspunkte, Ausrüstungsgegenstände und Geld zu erhalten. Die Erfahrungspunkte sind wichtig, um im Spiel aufzusteigen. Hat man genug Erfahrungspunkte gesammelt, so steigt man einen Level höher. Dies macht die eigene Spielfigur – in der Sprache des Spiels wird diese auch Char genannt - stärker und durch das Erlernen von neuen Fähigkeiten auch mächtiger.

„Diese Frau soll aussehen wie ICH? Die hat ja nicht mal einen schönen Busen" Belustigt schaut mich meine Freundin an, die neben mir sitzt und kritisch meine Magierin in Augenschein nimmt. „Wie bitte?" entfährt es mir fassungslos „du schaust auf ihren Busen?" „Und einen schönen Popo hat sie auch nicht" fährt sie nun lachend fort „ Pfff, ich bin doch viel hübscher". „Dafür kann man dich aber durchkitzeln, dein Pech" rufe ich und versuche, sie festzuhalten, schließlich landen wir zusammen auf meinem Bett wo sie gleich eine Kissenschlacht startet. Was habe ich doch für ein Glück, so eine liebe und süße Frau als Freundin zu haben.

3.

Wir haben uns gestritten und ich bin richtig sauer. Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum meine Freundin in letzter Zeit immer wieder an meinem World of Warcraft herumzumeckern hat. Ich würde zu viel spielen und hätte in den letzten Wochen kaum mehr Zeit für sie. Das stimmt doch gar nicht, schließlich war ich doch erst gestern mit ihr zusammen. Wieso ist es denn so schlimm, wenn ich auch mal mit meiner Gilde einen Abend zusammen spiele? Es ist eben mein Hobby und ich brauche doch auch mal ein bisschen Freizeit und Spaß.

World of Warcraft spiele ich nun schon seit 3 Monaten und meine Magierin hat nun schon das Level 55 erreicht. Heute Abend wollten wir – meine Freunde aus dem Spiel und ich – in eine „Instanz" gehen und eine anspruchsvolle Gruppenaufgabe erledigen. Darauf hatte ich mich schon den ganzen Tag gefreut und nun dieser dumme Streit. Wir streiten uns in der letzten Zeit öfter, immer nur wegen meinem Spiel.

Immer noch wütend komme ich in meine Wohnung und schalte den PC an.

Kaum ist der Rechner hochgefahren, schon logge ich mich in mein Spiel ein. Soll sie doch beleidigt sein, heute Abend werde ich spielen.

Als ich die Welt von Azeroth betrete, werde ich langsam ruhiger. Ein seltsames Gefühl ergreift mich. Es kommt mir vor, als ob ich erst jetzt zu Hause angekommen bin – zuhause in Azeroth.

Noch ein paar Klicks, schon bin ich auch im „Teamspeak" eingeloggt. Mit diesem Programm kann ich mich mit meinen Mitspieler unterhalten, während wir zusammen in unserer Onlinewelt Abenteuer bestehen.

„Hallo Micha" werde ich gleich begrüßt „Alles klar bei dir? Bist du fit für den Raid?" „Ja, alles klar" antworte ich „Ich freue mich schon". Meine Freundin, der Streit, das ganze „Real Life" – das „wirkliche Leben" ist plötzlich ganz weit weg, kaum mehr vorhanden in meiner Erinnerung. Fast mechanisch steuere ich meine Spielfigur zu unserem Treffpunkt in der Menschenstadt Sturmwind, wo mich meine Freunde bereits erwarten.

4.

Gestresst komme ich von der Arbeit nach Hause und lasse meine Aktentasche auf den Boden fallen. Die Kollegen gehen mir in letzter Zeit richtig auf die Nerven. In unserer heutigen Gruppenbesprechung wurde mir vorgeworfen, ich würde mich nicht mehr richtig auf meine Arbeit konzentrieren, ich würde Fehler machen und mit meinen Gedanken nicht bei der Sache sein. Dann noch dieser Vorwurf, ich würde während meiner Arbeitszeit im Internet World of Warcraft Seiten anschauen anstatt in unserem Projekt mitzuarbeiten. Stimmt doch alles gar nicht, ich habe doch nur zwei oder drei mal ganz kurz auf eine WoW Seite geklickt nur um ganz schnell ein paar News zu erfahren. Die Behauptung, dass ich in der letzten Woche insgesamt 52 mal während meiner Arbeitszeit auf private World of Warcraft Seiten gesurft bin, ist doch gar nicht wahr. In dem Logfile, auf das sich mein Kollege beruft, hat sich sicher ein Fehler eingeschlichen oder es wurde bewusst manipuliert. Vielleicht ist ja jemand scharf auf meinen Job und will mich nur schlecht machen?

Aber jetzt ist erst mal Wochenende. Zeit, in aller Ruhe zu spielen und ein bisschen zu entspannen. Einen kurzen Augenblick denke ich an meine Freundin. Sie hat sich nun schon seit fast zwei Wochen nicht mehr gemeldet, nachdem wir uns mal wieder gestritten und ich am Telefon einfach aufgelegt hatte. Sollte ich sie mal anrufen?

Ohne es zu merken, habe ich bereits meinen PC angemacht und mich in das Spiel eingeloggt. So finde ich mich nun wieder in der Welt von Azeroth. Werde ich es an diesem Wochenende schaffen, meine Magierin auf das Level 70 zu bringen?

5.

In meiner Wohnung ist es still. Nur das leise Surren meines PCs sowie das Zwitschern der Vögel - im Magierviertel von Sturmwind – ist zu hören. Auf meinem Wohnzimmertisch liegt, neben vielen unaufgeräumten Zeitschriften, Notizzetteln und sonstigem Zeug auch der Abschiedsbrief von meiner Freundin. Sie könne so nicht weitermachen und sehe für uns keine gemeinsame Zukunft mehr. Durch World of Warcraft hätte ich mich sehr verändert, ich würde nur noch an mein Computerspiel denken und hätte überhaupt keine Zeit mehr für sie.

Wehmütig denke ich an die gemeinsame Zeit mit ihr zurück und schaue mit Tränen in den Augen auf ihr Bild, das noch immer neben meinem PC steht. Sicher, seit meine Magierin das Level 80 erreicht hat, habe ich meine Freundin wohl schon etwas vernachlässigt. Zu oft, eigentlich fast jeden Abend, bin ich zusammen mit meiner Gilde durch die „Raidinstanzen" gezogen und habe nun auch eine hervorragende Ausrüstung. Aber gleich mit mir Schluss zu machen, nur wegen dem bisschen spielen? Ist sie etwa eifersüchtig auf ein Computerspiel? Ich verstehe das nicht. Na ja, vielleicht ist es ja auch besser so, wir hatten uns in den letzten Monaten ohnehin immer nur gestritten. Zumindest eine Pause wird uns beiden gut tun, dann werden wir sicher wieder zueinander finden.

Viel ärgerlicher ist aber die Situation in meiner Firma. Ich bekam eine Abmahnung, da ich angeblich während meiner Arbeitszeit ständig zu privaten Homepages des Spiels World of Warcraft gesurft wäre anstatt mich um meine Aufgaben zu kümmern. Deshalb wurde ich auch aus dem Projekt, in das ich doch sehr viel Arbeit und Herzblut invertiert habe, ausgeschlossen. Zur Zeit mache ich nur noch sehr einfache Sachen, die eigentlich gar nicht für mich – als Programmierer – gedacht sind.

Nun habe ich mich erst mal krank gemeldet. Sollen die doch machen was sie wollen, ich bin erst mal raus.

Langsam schweift mein Blick zurück auf meinen Monitor und ich beginne wieder zu versinken in diese wunderbare Welt, in der ich respektiert und geachtet werde. Ich werde wieder eins mit meiner mächtigen Magierin, die stolz durch die Gassen der magischen Stadt Dalaran schreitet.

6.

Die Situation in meiner Firma hat sich sehr verschlimmert. Nun werde ich – vorübergehend – im Lagerbereich eingesetzt, ganz ohne Zugang zu einem Internetfähigen PC. Für solche Arbeiten bin ich mir nun wirklich zu schade, ich bin doch schließlich eine qualifizierte Fachkraft.

Nachdem ich mich schon mehrfach krank gemeldet hatte, muss ich nun für jeden Fehltag ein ärztliches Artest vorlegen. Das ist doch reine Schikane, ich melde mich doch nicht krank um zu Hause WoW zu spielen – wie es ein Kollege behauptet hat, der angeblich in Urlaub war und mich im Spiel gesehen hätte, welch ein unglaublicher Zufall – sondern weil es mir wirklich nicht gut geht. In letzter Zeit geht es mir allerdings sehr oft nicht so besonders. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich immer öfter ein paar Bierchen trinke, während ich abends zocke. Da spielt es sich doch gleich viel besser.

Nun läuft bereits seit einigen Minuten mein Radiowecker, doch liege ich noch immer in meinem Bett. Um nun aufzustehen und in meine Firma zu gehen, fehlt mir jede Motivation.

Ein Blick auf das große Display verrät mir, dass es nun allerhöchste Zeit wird zum aufstehen. Dennoch bleibe ich liegen, meine Gedanken schweifen ab nach Azeroth und in mir steigt das Verlangen, mich gleich wieder einzuloggen. Wie unwirklich und belanglos erscheint mir plötzlich mein Arbeitsplatz in meiner Firma.

Hier in meiner Wohnung bin ich sicher, niemand kann mich hier stören. Weder mein Chef, noch meine Eltern – die ohnehin in einer weit entfernten Stadt wohnen – und auch nicht meine Freunde. Von denen hat auch schon lange niemand mehr angerufen, nachdem ich nicht mehr zu Partys oder anderen Aktivitäten mitkomme. Hier in meiner Wohnung ist das Portal zu einer anderen, zu einer besseren Welt – zu MEINER Welt mit dem Namen Azeroth.

7.

Mit dem Kündigungsschreiben meiner Firma hätte ich rechnen müssen, nachdem ich nun bereits mehrmals unentschuldigt gefehlt hatte und jetzt schon wieder seit längerer Zeit nicht mehr dort war. Wie hatten mein Chef und meine Kollegen doch auf mich eingeredet, ich solle mich doch zusammenreißen und Hilfe bei einem Facharzt oder in einer Suchtberatung annehmen. Doch nun ist es wohl endgültig zu spät, in meiner Hand halte ich also jetzt meine fristlose Kündigung.

Wie soll das jetzt alles weitergehen? Ich muss schnellstens zum Arbeitsamt, damit ich alle erforderlichen Formulare ausfüllen kann. Reicht das Geld, das ich nun bekommen werde, überhaupt für die Miete der Wohnung und vor allem für die Stromkosten? Auch muss ich noch 13 Euro für die monatlichen WoW Gebühren einrechnen.

Ich mache mir erst mal eine Flasche Bier auf, dann schaue ich in mein Wohnzimmer. Viele der Möbelstücke, die hier rumstehen, brauche ich ja doch nicht. Wenn ich die verkaufen würde, könnte ich mich von diesem Geld schon wieder etwas über Wasser halten. Auch die ganzen unnützen Küchengeräte sowie der ganze andere Kram, der bei mir rumliegt, kann ich gut über eBay versteigern.

Darum werde ich mich aber später kümmern, zuerst werde ich mich in mein World of Warcraft einloggen und schauen, was es neues gibt.

8.

Es ist kühl in meiner kleinen und einfachen Sozialwohnung. Ein kalter Wintertag brachte wieder viel Schnee, nur noch zwei Tage, dann ist Weihnachten.

Doch solche Dinge interessieren mich schon lange nicht mehr. Wieso auch, es gibt ja niemanden mehr, mit dem ich an diesen Tagen zusammen feiern könnte.

Außerdem habe ich im Moment ganz andere Sorgen. Wie ich gestern in einem World of Warcraft Portal gelesen habe, wird Blizzard die Server Ende Januar herunterfahren und das Spiel beenden. Angeblich weil nicht mehr genug Kunden angemeldet seien um den Betrieb der letzten drei verbliebenen Server zu finanzieren.

Natürlich sind in den letzten Jahren viele Spieler abgesprungen nachdem Blizzard angekündigt hatte, keine weiteren Erweiterungen zu WoW mehr herauszubringen. Aber wir sind doch immer noch genug Spieler auf unserem Server. Warum will man uns denn nun hinauswerfen, nach all den Jahren? Was soll denn dann aus meinen 8 Chars werden, die ich in den 6 Jahren meiner Spielzeit auf das Level 100 hochgezogen habe?

Schwerfällig stehe ich auf und wische mit einer fahrigen Handbewegung meine viel zu langen und schon wieder etwas fettigen Haare aus meinem Gesicht. Nach einem großen Schluck aus der Bierflasche schweift mein Blick durch mein karg eingerichtetes Zimmer und bleibt auf dem Bild meiner Exfreundin – das noch immer, nach all den Jahren, neben meinem PC steht – haften. Erinnerungsfetzen steigen in mir auf, Bilder aus einer längst vergangenen Zeit, in der ich noch ein glücklicher und geliebter Mensch war, werden vor meinen Augen wieder lebendig.

Unvermittelt kommen mir die Tränen. Was ist den nur aus mir geworden? Mein Leben ist vollkommen zerstört, nur wegen einem Computerspiel, das es in einigen Wochen nicht mehr geben wird. Nichts von alledem, was ich in den letzten Jahren geschaffen habe, wird zurückbleiben. Doch diese Erkenntnis, die sich plötzlich mit präziser Klarheit in meinen Verstand eingebrannt hat, kommt genau 6 Jahre zu spät.



Kapitel 2

Mein Name ist Michael, ich bin 43 Jahre alt und bin Abteilungsleiter in einer großen IT Firma. Beruflich aber auch privat läuft bei mir alles bestens, ich habe eine bildhübsche Frau und zwei liebe und aufgeweckte Kinder.

Da ich heute mal etwas Zeit hatte – die zwei Kleinen nehmen mich doch ganz schön in Anspruch – wollte ich mir im TV einen spannenden 3D Film anschauen. Dabei bin ich dann wohl eingeschlafen und hatte einen furchtbaren Albtraum. Ich sah mich selbst, wie ich vor 20 Jahren alleine in meiner damaligen kleinen Wohnung saß und gespannt auf den Monitor meines „Personal Computers" schaute. Ein früherer Arbeitskollege hatte mir damals ein Computerspiel ausgeliehen, das ich unbedingt mal testen sollte.

Es ist komisch, dass ich nach 20 Jahren plötzlich wieder von einem Ereignis träume, dem ich seither keinerlei Bedeutung mehr zugemessen hatte. Doch in meinem Traum sind die Dinge ganz anders verlaufen, wie es in Wirklichkeit war.

An den Namen dieses Computerspiels kann ich mich nun auch wieder erinnern, es heißt „World of Warcraft".

Schweißgebadet stehe ich auf und schaue in meinen Garten, wo meine Kinder lachend mit der Solarbahn spielen.

Damals hatte ich meinen Computer gleich nach dem booten wieder ausgeschaltet, da mich meine damalige Freundin - und heutige Frau - angerufen hatte und ich mich spontan dafür entschied, mit ihr auszugehen.

World of Warcraft hatte ich niemals gespielt und die Installations-DVDs meinem Arbeitskollegen nach ein paar Tagen wieder zurückgegeben.

Benommen gehe ich ins Bad um mich wieder etwas frisch zu machen. Dieser Albtraum hat mich doch ganz schön mitgenommen. Doch bei einem Blick in den Spiegel erstarre ich, denn ich schaue in müde und verzweifelte Augen. Ein Gesicht, das ich nicht kenne, starrt mich aus dem Spiegel an. Aber doch, ich kenne dieses Gesicht, schon seit vielen Jahren. Dieser gebrochene Mann, von Alkohol gezeichnet, bin ich selbst.

Ein eisiger Schauer erfasst mich und lässt mich zurückweichen. Ich wirbele herum und denke zuerst daran, aus dem Bad zu laufen. Doch ein weiterer Blick in den Spiegel zeigt mir wieder mein bekanntes Spiegelbild. Dieser Albtraum beschäftigt mich wohl noch immer.

Vielleicht ist es wirklich so, dass es gerade die kleinen Dinge sind, die vielen kleinen Entscheidungen die man trifft, die ein ganzes Leben grundsätzlich verändern können.

Dieser Michael aus meinem Traum und aus dem Spiegel, gibt es ihn wirklich, vielleicht in einer anderen, für mich unerreichbaren Wirklichkeit? Wäre auch mein Leben so verlaufen, wenn ich damals vor 20 Jahren dieses Computerspiel installiert und gespielt hätte, anstatt mit meiner Freundin auszugehen?

Nachdenklich gehe ich zurück in meinen Garten, der ganz eingetaucht ist vom Abendlicht der untergehenden Sonne. Die Dinge verliefen für mich bisher gut in meinem Leben, ich stand immer auf der Sonnenseite, bin glücklich und zufrieden. Doch ist dies nur ein Zufall, das Resultat einer kleinen spontanen Entscheidung, die ich damals vor 20 Jahren fällte?

Blutrot versinkt die Sonne am Horizont. Morgen wird es wieder ein schöner Tag werden, in dem ich voller Zuversicht auf meiner Lebenslinie voranschreite – in meiner Wirklichkeit.
 
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