Ein Anfang und drei Fragen

Problembeere

Rare-Mob
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WoW – unendliche Weiten, unbegrenzte Möglichkeiten ... naja, fast.
Dieses Spiel fasziniert mich seit nunmehr knapp zwei Jahren, was mich für viele zu einem LK Baby macht und trotzdem eine objektiv gesehen ziemlich lange Zeit ist, in der ich beinahe täglich zumindest kurz (aber oft auch sehr lange) online war.

Als ich angefangen habe fand ich die Welt toll. Alles war riesig und neu und aufregend, ich konnte richtig in die Geschichte eintauchen. Dann hat sich das Bild gewandelt und ich wollte etwas erreichen, Erfolge machen und anfangen zu raiden. Deswegen habe ich mir eine Gilde gesucht, die meine Vorstellung von der familiären Gruppe die viele Bosse legt möglichst gut erfüllen konnte. Und seitdem sind es nicht nur aber doch vorrangig, die Menschen hinter dem PC die mich faszinieren. Ich liebe es zu verfolgen, wie sie sich verhalten, Gruppen bilden und wieder auflösen, wie sie um einander herum schleichen wenn jemand neu dazu kommt oder wie die ganze Gruppe noch tagelang versucht die Gründe aufzudröseln, warum der eine oder andere vielleicht mal geht.

In diesem Blog möchte ich ein paar dieser Beobachtungen festhalten, amüsanter oder aufschlussreicher Natur, so wie ich sie wahrnehme und interpretiere. Ich bin kein Psychologe und selbst wenn ich es wäre bin ich sowieso viel zu vertieft in dieses Sozialgefüge um objektiv irgendetwas zu sagen. Keinen von meinen Mitspielern habe ich bisher real getroffen, von manchen kenne ich nicht einmal ein Photo – aber ich kenne ihre Stimmen und Stimmungen, ich war mit jedem einzelnen schon einmal in einem Raid und ich liebe es, zu beobachten. Also warum nicht auch darüber schreiben?

Den Anstoß gibt eigentlich eine Situation, die, wenn sie schlecht ausgeht, sogar eine Art Abspaltung wichtiger Kernmitglieder zur Folge haben könnte. Angefangen hat diese Entwicklung eigentlich mit dem Beginn von Cataclysm. Vorher hatten wir eine kleine, eingeschworene Stammgruppe in der Eiskronenzitadelle bis zu Arthas hc gebracht. Dann fingen einige ältere Mitglieder wieder an zu spielen, die vorher pausiert hatten, durch RL Bekanntschaften kam eine Clique aus sechs Mann dazu und da auf unseren Server ein Freetrans offen war wurden bei der Gelegenheit auch ein paar ‚Zuagraste’ (wie der Österreicher sagt) eingeladen. Ergebnis: von 10 Leuten wuchsen wir auf ca 35 an, die alle einen Stammplatz in der Raidgruppe wollten. Bis auf die aus dem Handelschannel rekrutierten Mitglieder, bei denen es aber auch versäumt wurde, konnte natürlich nicht viel an der Klassenaufstellung geändert werden. Ergebnis davon: wir haben 4 Schurken und 5 Hexer, 6 Druiden (aber die teilen sich wenigstens auf alle Rollen auf) und 4 Jäger, aber nur einen einzigen Magier.

Plötzlich hatte jeder Angst um seinen Raid. Die Leute fingen an, sich gegenseitig schlecht zu machen oder beim Raidleiter anzuschwärzen (‚ich war der erste 85er in der Gilde’;‚mein Equipment ist viel besser als seins’). Nach dem kläglichen Versuch einen 25er Raid aufzustellen wurden daraus drei und dann zwei 10er-Gruppen. Der aktuelle Plan lautet, zwei 10er Raids aktiv am laufen zu halten, die einen Pool aus je 15 Leuten im Hintergrund haben, die minimal durchrotieren (vor allem die DDs, die im Überfluss vorhanden sind).
Gut, die DDs sind einverstanden, weil sie lieber jede dritte Woche einen rnd Raid suchen als gar nicht in die Gruppe zu kommen. Die oben erwähnte Clique wird auf beide Pools aufgeteilt und findet das scheiße, weil sie so gar nicht mehr in ihrer ursprünglichen Konstellation zusammen spielen können, fügen sich aber weil derjenige, weswegen sie überhaupt in der Gilde sind ein Leitungsmitglied ist. Genau der ist auch dafür Verantwortlich die Gruppen einzuteilen. Findet also das System selbst doof, macht aber weil die Demokratie sich dafür entschieden hat trotzdem weiter. Ist oberste Zielscheibe für alle Flames der unzufriedenen DDs und weil er selbst nicht hinter dem System steht hat er keinen Bock da drauf.

Gut, ein langer Text an Vorerklärung :> jedenfalls will er den Posten abgeben und hat das im Forum kundgetan. Die Reaktionen waren unterschiedlich, lassen sich aber grob in drei Gruppen einteilen.
1. ‚Nimm dir deine Auszeit, du warst in den letzten Wochen eh scheiße als Raidleiter.’
2. ‚Tut mir Leid falls ich dich geflamed hab, bittebittebitte geh nicht weg wir brauchen dich.’
3. ‚Schlag ein besseres System vor, in dem es möglichst keine Rotation gibt, beide Gruppen ca. gleich viele Bosse legen und alle Raidwilligen auch mal dran kommen.’

Ich finde die Fragestellungen, die sich aus dieser Situation ergeben sehr interessant.

Wie geht eine große und daher naturgemäß in sich recht heterogene Gruppe mit tiefgreifenden Veränderungen um?
Denn sollte unser Raidleiter sich entscheiden, den Posten abzugeben muss Ersatz gefunden werden. Da er diese Aufgabe aber seit Jahren macht ist die ganze Gilde emotional abhängig von ihm. Das geht so weit, dass die Leute seine Abwesenheit dafür verantwortlich machen wenn ein Raid mal nicht so gut läuft. Das finde ich erstens bezeichnend und zweitens bedenklich. Wenn man noch einen Schritt weitergeht und die Differenzen in der Anschauung so groß werden, dass er die Gilde verlässt nimmt er mindestens sieben der besten Leute mit, wenn nicht sogar eine volle Raidgruppe.

Wie beeinflusst diese Diskussion die Stimmung in der Gilde?
Die drei Gruppen die ich eingangs schon erwähnt hatte (Alte Hasen, neue Mitglieder, RL-Clique) waren zwischendurch relativ vermischt, jetzt driften sie wieder mehr auseinander. Einige der älteren Mitglieder fühlen sich verdrängt oder benachteiligt, die Neuen werden wieder mehr ins Abseits gedrängt. Jeder beäugt die anderen argwöhnisch.

Inwiefern kann der Gildenleiter eine ausgleichende Rolle spielen?
In meinem Fall fürchte ich, dass er das kaum schaffen wird. Denn grundsätzlich kann man zwei Raideinstellungen festmachen. Erstens die Idee einer Elitegruppe, in der man sich durch außergewöhnliche Leistungen einen Platz verdienen kann und daneben der normalen Gruppe/n. Und zweitens die Idee der Rotation. Die besseren Spieler sind für ersteres, die schlechteren für zweiteres. Der Gildenlead gehört zur zweiten Gruppe und kann die erste partout nicht verstehen – das ist problematisch und führt dazu, dass sich die besseren Spieler emotional von ihm entfernen, was praktisch einer Distanzierung zum Rest der Gilde bedeutet.

Fazit: es ist alles offen und ich bin gespannt, ob sich diese drei Fragen bald beantworten lassen.

So long, euer Beerchen
 
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