Ich denke einen Film "gut" zu erklären ist etwas schwierig. Entweder man mag das, was man gesehen hat, oder man mag es nicht. Geschmäcker halt ...
Das ist durchaus diskutabel. Mit "Geschmack" lässt sich eben nicht mal eben alles rechtfertigen bzw. kaputtmachen. In einer Kritik sollte das "weil" nie fehlen. "Ich find das kagge!" ist eben keine sonderlich gute Aufforderung zur Diskussion. Da könnten wir auch alle einfach wieder anfangen zu grunzen (zustimmend oder ablehnend).
Weiß nicht wie ich es beschreiben soll. Vielleicht stellt man sich ein Mohnhörnchen mit Akazienhonig, einer dicken Schicht fetter Hausmacher Schweineleberwurst und obendrauf Quittenkonfitüre vor? Denn alles in allem hat mich Sucker Punch nicht "befriedigt", sondern am Ende mit einem großen Fragezeichen zurückgelassen, denn das was ich da gesehen hab, hat irgendwie nicht zusammengepasst. Es war ein Fragezeichen in der Art von "Und das wars jetzt? Was hab ich mir da grad angeschaut?"
Welche Version hast Du denn geschaut? Wie ich ja schon bemerkte, gibt es zwischen Kino- und DC-Version einige wichtige Unterschiede! Die Kino-Version "ruckelt" gerade im Ende wie sonstwas; während der DC mit seiner "freiwilligen Vergewaltigung" jede Menge zum Verständnis beiträgt. Im Kino kam nach der Gefangennahme von "Babydoll" der harte Cut mit der Lobotomie. Im DC folgt da noch eine Menge mehr - eben "Babydolls" eigene Entscheidung, nicht mehr mit ihrer Schuld leben zu wollen! Danach folgt "Sweat Peas" Flucht in eine bessere Welt, die alleine durch den Namen des Zieles als Phantasie entlarvt wird - sie ist nach meiner Interpretation "Baby Doll", die sich nun komplett in ihre Traumwelt zurückgezogen hat!
Daß der Film keine stringente Linie aufweist, da stimme ich Dir zu. Im DC wird es noch schlimmer: Da gibt es eben eine Musical-Einlage in bester Videoclipmanier, bevor es wieder an die Story geht. Auf der BluRay sind die Entwürfe für weitere Musical-Einlagen zu sehen; Snyder konnte sich halt mit seinem Gesamtkonzept nicht durchsetzen.
Den Vorwurf der "Abgehacktheit" kann ich verstehen; andererseits handelt der Film vom zerstörten Innenleben einer jungen Frau, die ihre Umgebung bzw. Realität völlig anders wahrnimmt. Der Fehler liegt halt auch in der Vermarktung (und in der Verstümmelung der Produzenten Kinocut vs. DC). Die Schwächen sind im DC ebenfalls da; auch hier wirken die Traumsequenzen wie einzelne Teile und wollen sich nicht ganz in das Gesamtbild fügen. Allerdings ist hier dank der Musical-Einlage im DC bereits die Bühne vorbereitet, mit der der Film beginnt: Man erwartet nicht mehr, etwas "Zusammenhängendes" zu sehen, sondern nur "Schlaglichter" einer sich immer mehr zersetzenden Persönlichkeit.
Ist natürlich auch die Vermarktung schuld. Hätte man das Ding nicht als "Action-Blockbuster", sondern stattdessen als "filmgewordene Phantasie eines Visionärs" angepriesen, wäre die Enttäuschung des "Standard-Publikums" auch nicht dermaßen groß gewesen.
Lustigerweise streiten sich die Leute bei diesem Streifen nur um den formalen Aspekt. Das heftige Ende, das eigentlich genügend Zündstoff für abendfüllende Diskussionen bieten sollte, wird so gut wie kaum erwähnt. Immerhin entscheidet sich da ein Mensch für den Selbstmord als Alternative zur unerträglich wahrgenommenen Wirklichkeit - was allerdings nur im DC wirklich herauskommt. Im Kinocut wird "Babydoll" gefangengenommen, weil sie sich für "Sweat Pea" opfert. Nächste Szene ist die Lobotomie, bei der der Doktor anmerkt, daß er nie eine Patientin hatte, die ihn so dermaßen ergeben angesehen hätte. Im DC kommt da vorher noch die Begegnung mit dem "High Roller", an den ihre Jungfräulichkeit verkauft wird. Der ist identisch mit dem Lobotomie-Doktor; dem gibt sie sich freiwillig hin, um von ihrer Existenz erlöst zu werden - geistige und körperliche Vergewaltigung machen hier keinen Unterschied mehr. Alleine diese Thematik wäre meiner Ansicht nach mehr als diskussionswert!
Die nachfolgende Geschichte von "Sweat Pea" und ihrer Flucht ist erweitert; in Verbindung mit dem "Busfahrer" (Scott Glenn), der "Babydolls" Vorgesetzter in allen Traumsequenzen ist und sie trotz fehlendem Ticket mitnimmt, reist "Sweet Pea" in jene Stadt, die vorher als eine Art "Zuflucht" in der Geschichte aufgetaucht ist. Der Film endet, wie er angefangen hat - eben mit einer Kamerafahrt aus der Bühne, die am Anfang schon klargemacht hat, daß hier keine Realität stattfindet, sondern alles nur eine Inszenierung ist. Die Erzählerin nimmt die Geschichte aus dem Vorspann auf, in dem sie von einem Helden erzählt hat, der den Unterschied gemacht hat. "The Difference... is YOU!" Und der Vorhang rauscht runter.
Und ich frage mich seitdem: Bin ich denn der Einzige, der den Film wirklich gesehen und begriffen hat, was da gerade passiert ist? Bin ich der einzige, der in der Schlußmontage ab dem Doktor bemerkt hat, daß nie das Gesicht von "Babydoll" zu sehen ist (und diese Szenen sind nicht wirklich subtil, sondern verdammt aufdringlich)? Erst ganz zum Schluß in einem Schwenk sieht man "Babydoll", bevor "Sweat Pea" ihre letzte Reise antritt!
Gut, die obigen Fragen sind gelogen: Das sind eigentlich die Themen, die ich im Bekanntenkreis diskutiert wurden, die aber nie in den Foren auftauchen. Die formale Diskussion war nie wirklich wichtig.
Aber wie schon gesagt ... Geschmäcker.
Wie auch schon gesagt: Halte ich für eine Ausrede, um sich bloß nicht artikulieren zu müssen. "Ich fand den Film scheisse weil mein Geschmack!" ist halt unergiebiger wie "Ich fand den Film scheisse weil...".
Das letztere ist anstrengender, weil man Argumente formulieren muß. Im ersteren Falle reichen wie bereits gesagt zustimmende oder ablehnende Grunzlaute. Dann brauchen wir auch keine "Diskussionsforen" mehr; da reicht der Facebook-Like-Button. Wenn alles eh nur "Geschmacksache" ist, wofür Kommunikation?