Itemspirale = Teufelskreis ins Abseits

Gwen

Rare-Mob
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Ich erinnere michnoch genau: Nachdem ich Warcraft3 + Frozen Throne verschlungen hatte und mit Rexxar zum Xtenmal durch Durotar streifte kam World of Warcraft raus und sofort belagerte ich einen Kumpel, der das MMO auf seinem Spiele-PC frisch installiert hatte. An einem Regentag war es dann soweit und meine frisch gebackene Nachtelfen-Jägerin durchstreifte untermalt von den melodiösen Klängen des Soundtracks das Startgebiet und questete sich bis nach Darnassus. Wow, der Anblick war damals einfach überragend, und die Nachtelfenmetropole voller anderer Spieler.

Fünf Jahre später sitzt meine Jägerin gelangweilt auf dem 105 Reittier auf einem Dach nahe des Bankgebäudes in Sturmwind. Darnassus ist Menschen- bzw. Elfenleer, dafür ballt sich alles in der Allianzhauptstadt. Meine Gildenmitglieder sammeln sich langsam - es wird Abend und Studenten, Hausfrauen, Bänker, Arbeitslose und Speditionskauffrauen versammeln sich am Rechner - und der Gildenchat beginnt langsam zu summen. "Inv für PSA 10 in 5min. Brauchen noch 1 heal, einer ist abgesprungen", läßt uns der Raidleiter wissen. Im Handelschat überbieten sich derweil die üblichen Verdächtigen mit Schmährufen, ein Goldbot spammt "We super Offer. Wolle kaufe Gold?" in schrägem Denglisch, und ca. 20 Damgedealer suchen verzweifelt nach Anschluß für einen Raid oder die "neuen" Trollinis (alleine beim Wort neu will ich mein Mauskabel abbeißen). Auch bei uns herrscht für mich als nur-DD Flaute - eingeteilt, aber auf Abruf. Und während ich dem TS lausche, lese ich wieder im Handelschat "Suchen Shami+Mage für Bastion, nur mit Clearerfolg, nur ab 251 itemlevel".

Kommt euch bekannt vor? Kein Wunder! Egal ob mit meiner liebsten Nachtelfen Jägerin, als taurischer Todesritter oder trollischer Druidin auf englischem Server - das Bild ist überall gleich.
Und da war mir plötzlich klar, dass das ganze für mich nicht mehr funktioniert. Warum renne ich mit meiner Gilde oder Randomspielern Tagaus Tagein in immer die gleichen Instanzen, die gleichen Raids und schlage, schieße und brutzel mehr oder weniger erfolgreich die gleichen Bosse kaputt? Oder farme mehrere Stunden Trashmobs in der Bastion? Und die Antwort war: Items.

Mal logisch nachgedacht: Ich will in eine heroische Instanz. Da kann ich nur rein wenn mein Gear entsprechend gut ist. Also farm ich so lange die selben Instanzen und Bosse ab (man will ja Best-In-Slot) bis das Equip steht. Dann tue ich das selbe, in der selben Instanz mit den selben Bossen (na gut 1 Fähigkeit mehr, oder ein Add dazu), und zwar so lange bis ich wieder meine Wunschdropps habe. Das kann dauern - teilweise ewig (tatsächlich hab ich die pre-raid best-in-slot Armschienen für Jäger bis heute niemals gesehen! nie!). Nach gefühlten 1000 mal hab ich mein häßliches blaues Gear zusammen gefarmt und bei Ruffraktionen um ein paar violette ergänzt, und kann endlich raiden. Da heißt es nun Trash+Bosse soweit möglich legen und wöchentlich abfarmen um das GEAR zu verbessern, um die nächsten Bosse zu legen um deren Gear (wenn es denn droppt und man es auch bekommt) zu erhaschen, um dann den Endboss zu legen (hoffentlich). Hat man den geschafft, wird das ganze mit den Twinks von vorne exerziert, und die großen Mainchars so lange durch die bekannten Raids geschoben, bis alle maximal auisgerüstet sind.
Dann wartet man darauf daß der nächste Raid und das nächste T-set implementiert werden um wieder das grinden beginnen zu können.

Tja, da saßmeine Jägerin auf ihrem Westwinddrachen, ihr Phönixküken flatterte neben ihr, im TS herrschte Aufregeung, war doch grade der Maintank unplanmäßig gecleavt worden - und mir war klar, the cake IS a lie!
Die bunten Wälder und das Staunen der Anfangstage kam ebenso wie die ersten Instanzgänge und BC-Raids ins Gedächtnis und der Entschluß war da, erstmal aus der Itemspirale auszusteigen. Wozu täglich Inis für Punkte abklappern, die vollkommen langweilig sind, oder jede Woche die selben Raidbosse zu machen, nur um besseres Gear zu bekommen? Back to the roots dachte ich, und wollte wieder Questen und Entdecken und vielleicht noch Archäologie betreiben...
Pustekuchen - denn außer lowlevel Killquests war schon alles erledigt. Keine Quest über lvl70 war noch offen, Archäologie entpuppte sich wie von Shakes&Fidget beschrieben als Topfschlagen (Indiana Jones würde seinen Hut fressen müßte er für den Gral an 30 unterschiedlichen Orten Bruchstücke aufklauben) und zu entdecken gab es nach mehreren Jahren auch nach Cataclysm nicht mehr.
Welch Glück, daß das RIFT zu Hilfe eilte. Neues Spiel, neues Glück. Und welche Lobeshymnen wurden und werden gesungen - auch sehr zurecht. Neu zu entdeckende Welt, neue Quests, dynamische Events, schnell reagierende Entwickler und eine nicht gesättigte Community!
Ich spare mir über den reichhaltigen Spaß zu berichten bis mein Main Maxlevel war, denn nun ging es wieder los. Gear mußte her - will man ja auch gerne haben - für Experten-Inis, dann T1 fähig sein, dann T2. Und damit alles stimmt für die Fraktion Ruf farmen, da die selben Dailies wiederholen, und dort grinden um an Mats für Beruf oder Items zu kommen...

Lange Rede kurzer Sinn. Egal ob WoW, Rift, WAR, ST:O oder sonstiges MMO - immer gibt es einen Teufelskreis: die Itemspirale. Spielt man sich zunächst durch den Content um des Content willens, und da gibt es wirklich tolle Sachen bei allen MMOs die ich kenne, so tritt das nach kurzem in den Hintergrund. Man spielt für Items, um an Items zu kommen um den finalen Boss zu legen um and dessen items zu kommen. Das kann doch nicht alles sein!

Was durchaus seinen Reiz haben kann wurde irgendwann zur Farce. Worin liegt auf dauer der Reiz ein Spiel zu Spielen, wenn die Belohnung für den regulären Spieler darin liegt für Ausrüstung Zeit zu investieren um an die nächste Ausrüstung zu kommen? Daran ist nichts einzigartiges und nach dem Xten t-Set auch nichts aufregendes (bei dem Design manchmal sogar eine zusätzliche Qual).
EPICs muß sich wieder bzw endlich auf das Erlebnis fokussieren. Nicht der Loot sollte das entscheidende sein (obgleich ein Drache einige schicke Klitzerdinge verlieren sollte), sondern der Sieg selbst.
Das epische im Sieg über Palpatin lag im Triumph über das Böse, nicht in der violetten Steuerkonsole seines Drehstuhls. Die 7 Samurai kämpften letzendlich für eine Sache, nicht für die Belohnung. Und auch bei WoW &Co lag der größte Moment nicht im loot sondern im Sieg über einen mächtigen Gegner.
Blizzard sagt: Bring the player not the class.
Ich appeliere: Bring the epic moment, not the epic loot!

Vielleicht hab ich irgendwann zu viel oder zu intensiv geraidet oder bin zu oft hinter den maximal optimierten equip hinterher gehechelt. Für mich steht jedoch fest, daß ein Spiel, daß seine Spieler - wenn auch nicht vordergründig - nahezu nur durch die Itemspirale hält nicht mehr Zeitgemäß ist. Und daran können auch zig AddOns nichts ändern.
M.M. ist das Genre MMO (über)reif sichvom Hinterherhecheln nach epixXx zu verabschieden, und dies durch dynamische und überraschende Erfolge zu ersetzen.
Einzigartige Epic Moments statt beliebiges Epic Loot.

Von GuildWars 2 erhoffe ich mir einen solchen mutigen Schritt - aber das wird hoffentlich erst der Anfang sein. Persönlich hoffe ich auf halbautonome NSCs, auf unangekündigte, einzigartige Implementierung von Gegnern und evtl. sogar auf von Gamemastern angeleitete NSCs und Bossgegner (wie bei einem klassischen P&P Rollenspiel oder LARP), sodaß man nie wirklich weiß, was der Gegner als nächstes macht, und der Sieg die größte Belohnung ist.
 
Hoffen darf man ja - passieren wird das was im letzten Absatz (zumidnest das mit den angeleiteten NPCs) steht allerdings aufgrund des Personalaufwands (die größten Kosten eines Unternehmens überhaupt) vermutlich (oder leider) nie...
 
Na jaaaaa.... die "Epic Moments" gab es damals wie heute. Aber irgendwann hat man jeden Raid geschafft, jeden Boss gesehen und mal gekillt und dann bleibt halt nur noch die Jagd nach Items. Wie soll sich ein Spiel denn dauerhaft neu, aufregend und "episch" anfühlen? Das ginge nur, wenn man praktisch täglich Content nachschaufelt. Und ich behaupte ganz dreist, dass ein großer Teil der Community keine "unberechenbaren" oder von GMs angeleitere Bosse will - oder weshalb muss heute jeder bei jedem Raid haargenau alle Taktiken im Netz studiert haben, statt sich einfach überraschen zu lassen? Wenn man nicht alles haargenau planen und voraussehen kann, ist die Community doch überfordert.

Spielspaß ist in erster Linie doch Einstellungssache: Wenn ich keine Lust mehr habe, mir zum x-ten Mal sämtliche Epix der Maximalstufe zusammenzufarmen, nur um beim nächsten Inhaltsupdate von vorne anzufangen, dann höre ich halt einfach auf. Mich nimmt keiner auf Raids mit, weil ich nicht per Achievement belegen kann, schon mal dort gewesen zu sein und mich kotzt das an? Dann spiele ich halt nicht weiter. Es gibt 38 Trillionen MMOs, die ich stattdessen spielen kann, wo ich sämtliche Dungeons, Bosse und Epic Moments zum ersten Mal sehe und wenn ich an einem Punkt ankomme, wo das Spiel keinen Spaß mehr macht, wieso soll ich mich dann über Wochen und Monate hinweg zum Weiterspielen zwingen? Wenn bei einem MMO nach 4-6 Wochen für mich die Luft raus ist, hab' ich auch nicht mehr bezahlt als bei jedem modernen Shooter oder Rennspiel, hatte damit zum gleichen Preis aber wesentlich länger Spaß.
 
@Kittn: Leider stimme ich Dir zu 100% zu. Der Text entstand auch eher aus dem Drang heraus mich mal auszukotzen - und vllt einem zufälligen Leser den Spiegel vors Gesicht zu halten. Ich beschwer mich nicht - ich kotz mich nur aus *grins*
WoW ist für mich zB Geschichte, weil nach über 5 Jahren einfach die Luft endgültig raus ist - aber immerhin, es hat mich sehr lange gehalten, was schon für sich spricht. WAR hat mich grade mal 2 Monate gepackt, ST:O ca. 3 Monate, Ultima Online hat damals gute 6-7 Monate gehalten und AION genau 3 Stunden beim Anspielen. Mythos war nur einen Blick wert und BlackProphecy hat zu viele schwerfällige Unabwägbarkeiten, daß ich nach 2 Wochen auch das MMO deinstalliert habe.

Sicher wird kein Spiel wirklich auf GM gesteuerte NSCs bauen - zu viel Unabwägbarkeit und zu viele Möglichkeiten die Macht auszunutzen.
ABER: als alter Pen&Paper + LARP Veteran weiß ich auch wie viel *beliebiger Kraftausdruck hier einsetzen* Spaß das bringen kann. Nur muß man den Willen haben sich auf sowas einzulassen, und -da stimme ich Dir wieder zu- der großteil der sogenannten Community ist dazu nicht bereit. Gehts nicht nach vorgekautem Schema F gehts nicht. Schade eingentlich

Die nächsten wirklichen Wunschkanidaten sind StarWars:The old Republic und GuildWars2 - und ich versuch meine Erwartungen selbst unten zu halten um nicht zu viel Wünsche darauf zu projezieren.
Auf GW2 mit dem no-tank/no-heal, usable enviroment und den sich verändernden Instanzen bin ich sehr gespannt - klingt spannend.
SW:ToR ist für mich eher von der Story und von Hintergrund spannungsgelden - die Art wie PvE gespielt wird schient doch eher klassisch abzulaufen.
Beides jedenfalls Kanidaten für EpicMoments - und hoffentlich auch über einen längeren Zeitraum.
 
Bei SWTOR befürchte ich halt, dass es ein geiles, extrem solo-taugliches Rollenspiel wird, bei dem die gesamte MMO-Komponente furchtbar aufgesetzt und unnötig wirken wird. Natürlich kann ich mich irren und trotzdem wird das Teil sicher für einige Wochen Spaß sorgen. ^^

Auf GW2 bin ich ebenfalls scharf, aber genauso skeptisch: Der durchschnittliche Azerothische Held ist ja doch eher schlichten Gemüts, will sagen, "casual" eingestellt. Wenn jetzt mit dem Tanken und Heilen der allerletzte Rest Verantwortung und Taktik wegfällt und jeder nur noch auf DÄMÄTSCH aus ist, fürchte ich mich ein wenig vor den Spielern, denen ich dort so über den Weg laufen werde. Und der Community, die von ebendiesen Spielern gestellt wird. Aber vielleicht male ich da auch schon etwas zu schwarz, man wird sehen.

Übrigens: "Virtuelles LARP" gibt es durchaus, allerdings nicht in coolen Spielen die mir bekannt wären, sondern in SecondLife. Dort muss man sich freilich erst mal daran gewöhnen, dass Stabilität, Steuerung, Benutzerfreundlichkeit und Grafik alle unter aller Sau sind, doch gibt es dort unzählige Fantasy-Welten vom antiken Sparta bis zu brechreizerregend malerischen Schlössern mit Elfen und Kobolden, wo wirklich alles von Usern gesteuert, erdacht und betrieben wird. Diese nutzen Kampf-, Zauber- und Klassensysteme, welche qualitativ zwar sicherlich nicht an professionelle Games heranreichen, doch dort ist eben nichts gescriptet, nichts berechenbar und sämtliche Teilnehmer sind richtige, menschliche Spieler und keine NPCs - eventuelle Drachen und Ungeheuer, die plötzlich über die Stadt herfallen inklusive.

Das setzt natürlich voraus, dass man sich mit all den og. Macken anfreunden und sich irgendwie in SecondLife hineinfummeln kann, was mit Sicherheit nicht jedermanns Sache ist. Aber vor meiner neu entfachten FF14-Sucht hatte ich mich dort tatsächlich eine Zeitlang sehr erfolgreich als Gladiator in einer antiken Arena geschlagen, sogar einige Turniere gewonnen und schicke Preisgelder abkassiert. :)
 
/signed!!! ICH habe auch reichlich MMO- und "Ewige-Hatz-Nach-Epics"-Erfahrung, aber was für mich immer das Wichtigste war und ist, ist das Abenteuer durch Entdecken!!

Ich habe z.B. immer gerne gequestet und Neues erforscht. Die Items kamen so nebenher. Zu Vanilla WoW Zeiten habe ich so 10 Klassen auf 60 gebracht und kaum Instanzen, geschweige denn Raids gesehen. Ich wollte erst einmal alle Klassen Kennenlernen, Spielen können und alles von der Welt sehen. Erst als das Raiden zu BC richtig los ging, kamen meine persönlichen MMO Untugenden, wie Ruf-Farmen, Heroes Farmen, Handwerker Mats Farmen, Dailies Farmen, um jeweils das Einstiegs-Gear für den Raid zu bekommen, dazu.

Und heute kann ich den Begriff "Farmen" in allen Variationen nicht mehr hören!!

Aber was bleibt dann noch bei einem langjährigen MMO über? NIX. Warum Ruf für das xxxxte Mount oder Pet erwerben, warum Epics, wenn der nächste Content Patch die Spirale wieder von Vorne lostritt?!? Warum noch Zocken, wenn man alles gesehen hat?!?

Ich für meinen Teil habe in WoW auf Horde rerolled, um da mal alles zu sehen und einen Char auf Max zu bringen. Und was ist dann am WE passiert? Meine Priest wurde 85 und ich hatte sofort keine Lust mehr. Gestern habe ich mir dann eine Horden Hexe erstellt, die mittlerweile schon wieder 25 ist! Aber es macht zur Zeit noch Spass, mit ihr die Vanilla Gegenden durchzuquesten, die ich mit meiner Priest noch nicht gesehen hatte - Azshara=Grooooosses Kino!!!

Ansonsten warte ich wie viele auf SWTOR und GW2. Das Neue wird mir bestimmt eine Weile - ode auch für länger -Spaß machen. Und wenn der dann vorbei ist, mache ich den PC halt aus. :)
 
Schöner Beitrag! Die Itemspirale ist mir auch schon lange ein Dorn im Auge, da mir während meiner langjährigen MMO-Spielzeit immer genug Leute untergekommen sind, denen es nur darum ging: EPIXXX! (Auch, wenn es diesen Begriff etwa bei UO noch nicht gab. ;-) )

Darum genieße ich gerade ab und an mal ein paar Stunden LOTRO im Low-Level-Bereich. Da wird immerhin der Entdeckerdrang gestillt, der meiner Meinung nach neben der sozialen Komponente von vielen Sandbox-Titeln (etwa beim Crafting) eine deutlich höhere Rolle in den "Next-Gen-MMOs" haben sollte. Hat bei den ganzen "klassischen MMOs" ja auch geklappt... :-)
 
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