Kapitel 63

Evilslyn

Rare-Mob
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Kurz nachdem Ragi und Hun verschwunden waren, zeigte sich blass der Mond am Horizont. Vodan und Arled saßen an dem kleinen Feuer, welches sie aus dem gesammelten Holz entzündet hatten. Arled blickte verdrossen in die Flammen, und haderte mit seinem Schicksal. So sehr er auch nachgrübelte, er konnte nicht verstehen warum er sich nicht verwandeln konnte. Es hatte doch schon einmal ohne den Vollmond geklappt. Doch außer dem verheißungsvollen Gefühl, welches sich seit seiner Infektion immer in ihm ausbreitete wenn er die Scheibe des Mondes betrachtete, regte sich nicht. Dabei hätte er es gerade jetzt so gut gebrauchen können. Die geschärften Worgensinne hätten es ihm viel leichter gemacht die Umgebung zu erkunden. Er fühlte sich wie taub und blind, wie eingesperrt hinter den Begrenzungen seiner menschlichen Leistungsfähigkeit.
Vodan schien dies alles nicht zu interessieren. Mit übergeschlagenen Beinen saß er da und hatte sein Buch im Schoß liegen. In einer Hand eine Schreibfeder, mit deren Spitze er sich abwechselnd das Kinn streichelte, oder darauf herum kaute. Offenbar überarbeitete er sein Aufzeichnungen, denn er blätterte vor und zurück, nickt hier zu frieden, dort strich er etwas begleitet von einem unzufriedenen Grunzen.
In der Ferne glaubte Arled das leise Heulen eines Worgen zu vernehmen. Es könnte jedoch auch ein Wolf gewesen sein. Mit seinen menschlichen Ohren konnte er keinen Unterschied feststellen. Er hasste es sich so nutzlos zu fühlen. So beschloss er zu schlafen.
Obwohl das Feuer in wärmte, lag er nicht lange wach bevor ihn der Schlaf übermannte. Es war ein unruhiger Schlaf, voller Träume, Träume in denen ein schwarzer Schatten ihn jagte, sein schwarzer Schatten eines Drachen. Eines Drachen der sich über ihm erhob und den Mondverdunkelte, riesig und bedrohlich. Dann verschwand der Drache und zwei Worgen erschienen auf einer schneebedeckten Ebene. Arled erkannte in ihnen Ragi und Hun, doch etwas stimmt mit ihnen nicht. Sie liefen auf ihn zu, in vollem Lauf. Schnee stob auf, während sie auf ihn zu stürmten. Beim näher kommen, erkannte Arled den Wahnsinn in ihren Augen. Blut rann aus ihren Mäulern, färbte dünne Streifen von Rot, in ihren Pelz. Dann waren sie auch schon heran, sprangen auf Arled los. Kurz bevor die riesige Gestallt von Hun mit ihm zusammenprasselte, traf sich ihr Blick, und Arled schauderte ob des Wahnsinns den er in den Augen seines Freundes gewahr wurde. Dann erwachte, schreckte hoch und saß schwer atmend und Schweiß gebadet am Rand des Feuerkreises.
Er blickte sich um. Vodan lag schlafend nicht weit von ihm. Von Ragi und Hun fehlte noch jede Spur. Arled fröstelte, zog seinen Mantel etwas enger, legte noch zwei Äste Holz auf die fast erstorbene Glut, und drehte sich dann mit dem Rücke zum Feuer. Diesmal hieß ihn nur friedliche Schwärze willkommen, als der Schlaf ihn wieder übermannte.

Als Hun und Ragi am nächsten Morgen wieder kamen, hatten Arled und Vodan bereits die Spuren ihrer Rast weitestgehend beseitigt. Es war nicht gut auf fremdem Boden die eigene Anwesenheit herum zu posaunen. Soviel war ihnen auch ohne militärische Schulung klar.
Arled bemerkte sofort, das Hun humpelte. Beim näherkommen erkannte Arled Blut an dessen Hose und einen Riss kurz oberhalb des Knies. Die Wunde musste übel gewesen sein, da sie trotz der erhöhten Regenerationsgeschwindigkeit eines Worgen noch immer übel aussah.
„Was ist denn mit euch passiert?“, donnerte es aus Vodan heraus.
„Ach nichts, ich … war nur unvorsichtig.“, entgegnete Hun mit einem beschämten Blick auf seine Wunde. „Tja, Dickerchen, ich sag dir ja immer, „Übernimm dich nicht.“, aber was kümmert dich schon mein Geschwätz, nichtwahr?“, Ragi warf Hun einen Seitenblick zu. Hun schaute zurück und schlug sofort wieder die Augen nieder. „Ja, ja.“, murmelte er nur.
„Hun?“, richtete Arled das Wort an ihn. „Vertraust du mir? Denn ich würde gern etwas ausprobieren.“
Hun schaute ihn verwundert an. „Was denn?“, fragte er unsicher.
„Komm einfach und setzt dich hier an Feuer.“, Arled deutete neben die Feuerstelle, aus welcher nur noch dünne Rauchfäden aufstiegen.

Ragi beobachtete, wie Hun hinüber zu dem Jungen schritt, und fühlte ein Prickeln im Nacken. Warum musste sein bester Freund unbedingt so einfältig sein? Wenn er sich verplapperte, und das kam bei Hun einfach viel zu oft vor, konnte es ganz schnell passieren, dass sie wieder auf sich allein gestellt wären. Und einen Weg zurück nach Dämmerungszuflucht würde es für sie nicht mehr geben. Soviel war klar. Aber Hun würde es schon schaffen, immerhin hatte Ragi die Geschichte einfach gelassen. So hatte er gelernt, konstruierte man die besten Lügen. So nah an der Wahrheit wie möglich. Es gab schon genug was man sich, bei diesen kleinen „Wahrheitsbeugungen“ wie er es für sich gerne nannte, behalten musste.
Aber was hatte der Junge nur vor? Er hatte auf seiner Farm höchstens dem Tierarzt über die Schulter geschaut, wie sollte er schon eine Wunde wie jene an Huns Bein versorgen? Nun ja, vielleicht wollte er ja nur seine Anteilnahme zum Ausdruck bringen. Eine schöne Geste. Er musste einfach aufhören, nur wegen seiner Hintergedanken, in den Handlungen der Anderen schlechtes zu vermuten. Ragi setzte sich auf die gegenüberliegende Seite der Feuerstelle nieder, und schaute Arled zu, der behutsam Huns Hosenbein nach oben schob. Die Wundränder waren verkrustet, doch war noch immer rohes Fleisch in der Wunde zu erkennen.
Ragi tat er leid, aber warum hatte er auch …
Ragis Gedanken wurden weggefegt. Er hatte nur noch Augen für Arled. Noch eben hatte er die Wunde freigelegt und durch sein Minenspiel deutlich gezeigt wie er mit Hun mit litt, als unvermittelt eine Veränderung eintrat. Arled hatte seine Hände links und Rechts von Huns Schenkel platziert, und hatte die Augen geschlossen. Zuerst war nicht passiert, bis auf die Tatsache das auf Arleds Stirn einige Falten erschienen waren, ganz so als denke er darüber nach was nun zu tun sei. Dann plötzlich war ein Lächeln auf Arled Gesicht erschienen, und eine Art Glanz schien von ihm auszugehen. Ein Leuchten, das Ragi an den Schein des Mondes erinnerte, doch schien er aus Arled heraus zu strahlen. Zu Anfang war es noch leicht, doch wurde es stärker. Nicht drängend und blendend wie der Schein der Sonne, aber doch intensiv, beruhigend und aufwühlend zugleich. Ragis Blick wanderte zu den Anderen. Huns Gesicht war ebenfalls von einem zufriedenen Lächeln überzogen. Vodan schaute nicht hin, was jedoch nur daran lag, das er bereits in seiner Tasche nach Buch und Feder kramte.
WAS ging hier vor? Dann fiel Ragis Blick auf Huns Bein, und die klaffende Wunde, welche zwischen Arleds Händen klaffte.
… geklafft hatte. Stellte er verwundert fest. Das rohe Fleisch, welches in der Wunde zu sehen gewesen war, war verschwunden. Für das Auge sichtbar, bildeten sich die verlorenen Hautschichten wieder. Der Dreck, welcher die Wunde verunreinigt hatte, wurde nicht etwas eingeschlossen, sondern wurde beim regenerieren der Wunde nach außen geleitet, und rieselte trocken von Huns Bein, so als wäre er nie mit seinem Blut vermischt worden.
Aber das war unmöglich! Nur Heilmagie konnte so etwas bewirken. Jahre und Jahrzehnte des Studiumswaren von Nöten um auch nur aussieht darauf zu haben, vom Licht auserwählt und gewählt zu werden. Gewählt zu werden um als Medium des Lichts zu dienen, als Kanal durch den das Licht seine Gnade zu gewähren in der Lage war. Aber wie konnte es sein das dieser Bauer… aber es stand außer frage. Er konnte. Wie auch immer.
Ragi konnte den Blick nicht lösen, bis auch die letzte Hautschicht zurück gekehrt war. Sogar die Haare auf der Haut waren nachgewachsen. Keine Narbe, keine Schramme zeugte mehr von Huns Verletzung.
„Danke.“ richtete dieser gerade das Wort an Arled. „Wie hast du das gemacht? Ich wusste gar nicht…“
„Frag mich nicht.“ Unterbrach ihn Arled. „Das war erst das zweite Mal das ich etwas in dieser Art getan habe. Und ich wusste beides Mal nicht woher es kommt.“, Aufrichtigkeit lag in seinen Worten. Dann drehte er seinen Kopf zu Ragi und schaute ihm direkt in die Augen.
„Sie einfach zu, dass so etwas nicht mehr vorkommt.“, seine Stimmlage hatte sich kaum merklich verändert, doch Ragi wusste, dass diese Worte ihm, und nicht Hun galten.
War es denn möglich …
Konnte der Junge…
Es war nicht nur möglich. Der Junge wusste es. Ragi wusste nicht woher. Ragi wusste nicht warum. Doch erwusste es. Und Arled wusste, dass er es wusste. Nun würde die Sache womöglich doch zum Problem werden

To be continued
Mit freundlichen Grüßen
Eure Evi
 
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