Drei Tage vor der Bundestagswahl schaffte es der ehemalige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) mal wieder in die Zeitung: „Das Spiel Counter-Strike wurde von der US Army entwickelt, um die Gewaltschwelle bei den Soldaten herabzusetzen. Derartige Spiele gehören nicht nur zensiert, sondern verboten", sagte er einem Bericht der Nürnberger Nachrichten zufolge.
Die Forderung erhob Beckstein im Zusammenhang mit dem Vorfall an einer Münchner S-Bahnstation, bei der ein Fünfzigjähriger von Jugendlichen zu Tode geprügelt worden war. Computer- und Videospiele mit Gewaltinhalten gefährden unsere Jugend: Diese Vorstellung gehörte im schwarz-roten Koalitionsvertrag von 2005 noch zum Konsens.
Unter dem Stichwort „Aufwachsen ohne Gewalt" findet sich in der Vereinbarung von 2005 ein Passus, in dem ein Verbot von „Killerspielen" gefordert wird. Viel getan hat sich in der vergangenen Legislaturperiode allerdings nicht - auch, weil Hersteller wie Sega etwa freiwillig auf die Veröffentlichung gewaltverherrlichender Spiele wie „Mad World" verzichteten.
Heute spielt Beckstein, der bereits 1999 als bayerischer Innenminister den Begriff „Killerspiele" geprägt hatte, in der Politik keine Rolle mehr. Im aktuellen Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP schwingt im Absatz zum Thema Computerspiele deshalb eine neue Melodie mit.
Im Passus unter dem Stichwort „Jugend und Medien" heißt es wörtlich: „Wir wollen die enormen gesellschaftlichen und individuellen Chancen der Neuen Medien umfassend nutzen; den Risiken im Umgang mit diesen werden wir entgegenwirken. Wir wollen die Medienkompetenz insbesondere von Kindern und Jugendlichen stärken. Computerspiele sind ein selbstverständlicher Teil unserer Alltagskultur geworden. Deswegen soll die Entwicklung hochwertiger, kulturell und pädagogisch wertvoller Unterhaltungsmedien gefördert und der Deutsche Computerspielpreis aufgewertet werden."
Das klingt deutlich liberaler als noch vor vier Jahren und lässt auf eine sachliche Diskussion im Umgang mit Computerspielen schließen. Die künftige Regierung verständigte sich auf einen nationalen Aktionsplan, welcher sowohl „ein umfassendes Konzept zur Verbesserung des Jugendschutzes beinhaltet als auch Maßnahmen zur Verbesserung der Partizipation, der Medienkompetenz und der Gewalt- sowie Suchtprävention vorsieht".
Konkrete Konzepte fehlen
Auch das klingt für die Freunde von Computerspielen durchaus positiv, doch: Wie dieses Konzept konkret aussieht und inwieweit die Regierung in die Regulierung und Altersfreigaben eingreifen wird, ist noch unklar.
Die Koalitionäre halten lediglich fest, den Deutschen Computerspielpreis aufzuwerten, der in diesem Jahr zum ersten Mal von der Bundesregierung und den Branchenverbänden vergeben wird. Möglich ist auch - wie in Frankreich üblich - eine steuerliche Förderung für Entwickler, welche die Vorgaben den Regierung erfüllen.
Der Geschäftsführer vom Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware, Olaf Wolters, begrüßt den Passus im Koalitionsvertrag: „Ich freue mich, dass die zukünftige Bundesregierung die gesellschaftliche Relevanz von Computer- und Videospielen erkannt hat und die Entwicklung von Computer- und Videospielen in Deutschland fördern möchte."
Unklar bleibt jedoch, ob die von der schwarz-gelben Regierung verkündete Aufwertung von Computerspielen auch die Akzeptanz kontroverser Entwicklungen einschließt. Die künftige Regierung lässt nämlich folgende wichtige Frage offen: Ist „Counter-Strike" ein hochwertiges und kulturell sowie pädagogisch wertvolles Produkt - oder eben ein gewaltverherrlichendes Spiel, das verboten werden sollte?
Die Botschaft zum Umgang mit Computerspielen bleibt, wie bei vielen anderen Themen des Koalitionsvertrages, äußerst unkonkret. Die Diskussion, so scheint es, wird in der großen Koalition erst noch geführt werden müssen. Wie die Erfahrung lehrt, wahrscheinlich erst nach dem nächsten schlagzeilenträchtigen Fall von Jugendgewalt.