Onlinejournalismus, Internetuser,

Yalda

Rare-Mob
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...Trolle und ein Hauch PsychologieIch bin heute morgen über eine lustige Forensignatur auf das Phänomen "Backflick-Meme" gestoßen bei dem es primär darum geht, Filme rückwärts anzuschauen und dann die Handlung knapp zusammenzufassen mit so herrlichen Ergebnissen wie:
"Herr der Ringe: kleiner Typ bekommt coolen Ring aus einem Vulkan und verbringt 3 Filme damit, nach Hause zu laufen" - oder:
"Der weiße Hai: Ein Hai spuckt so lange Leute aus, bis diese ein Strandbad eröffnen"

Und so weiter. Das ganze wurde dann auch auf einige Spiele oder andere Sachen übertragen und am Ende stieß ich auf den Satz:
" If you watch the Internet backwards its a story about how a huge population of idiots was overthrown by a small group of highly intelligent and sexless geeks."

Ich grübelte ein bisschen darüber, wie sich das Internet nach dem "Web 2.0" Phänomen verändert hat - sind wirklich nur noch Idioten unterwegs? Ist die Qualität der Onlineinhalte schlechter als früher? Und mir fiel dann wieder ein Bild ein, was ich damals glaube ich erstmals in Stefan Niggemeiers Blog gefunden hatte
http://www.prometeo....09/06/gQouk.jpg

Ich finde dieses Bild spricht Bände: Anstatt einen ausführlichen Artikel zu schreiben, gibt es auf vielen Newsseiten heutzutage von Werbung zerfressene Miniartikel oder Bilderserien mit höchstens 2-3 erklärenden Sätzen dazu.
Aber nicht nur der Umfang der gebotenen Onlineinhalte lässt zu wünschen übrig, auch das WAS einem da als "NEWS" verkauft wird, ist eine Unverschämtheit.
Werbung wird als Artikel gekennzeichnet, das was sich einige Praktikanten im Suff ausdenken, landet inmitten von relevanten Newsmeldungen - Hauptsasche, es wird irgendwas geschrieben.

Recherche? Keine Spur davon. Ein Beispiel dafür was ich immer wieder gern bringe war die "Karl Theodor zu Guttenberg"-Falle, die ein findiger Journalist seinen stümperhaften Kollegen stellte: er fügte den 10 Vornamen des Ministers damals einen elften hinzu: Wilhelm.
So konnte man hinterher ganz einfach ablesen, welche Zeitungen und Medien heutzutage anstatt einer echten Recherche einfach Wikipediaartikel oder voneinander abschreiben.
Wikipedia ist zwar eine Plattform des Wissensaustausches, ist aber für jegliches journalistisches und wissenschaftliches Arbeiten ein absolutes Tabu. ( Bildblog - wie ich es liebe )
Qualität oder kritisches Nachhaken scheint vergessen zu sein, die Newsseite muss täglich mit Artikeln geflutet werden - wichtige Meldungen versinken in einem Meer aus Trivialität.


Der nächste Punkt sind Userkommentare und Bewertungssysteme. Egal ob "Buffed", Amazon oder youtube: ein Großteil aller schlechten Bewertungen sind aus den falsche Gründen abgegeben worden. "War diese Rezension für sie hilfreich?" - da klicken einige Leute schonmal auf "nein", weil ihnen die MEINUNG des Rezensenten nicht passt, auch wenn der ein Produkt von Vorne bis Hinten neutral bewertet hat und auf Mängel z.B. bei Umfang, Preis oder fehlenden Inhalten hingewiesen hat. Nein, wie kann es sein, dass man diesem Film auch nur ein halbes Sternchen weniger gibt! Frevel! Verbrennt die Rezensionen und den Rezensenten gleich mit!

Die Bewertungssysteme sind nicht gründlich genug durchdacht und werden manchmal bis hin zu kriminellem Umfang missbraucht. Da kann es sein, dass man negative Bewertungen z.B. von der Ex-Freundin bei Ebay oder Amazon hereingewürgt bekommt. Oder Leute bestellen Hardware, sind nicht in der Lage sie selber einzubauen und geben dann dem Verkäufer dafür eine schlechte Wertung.
Verdient man seinen Lebensunterhalt mit Onlineversandt, kann das schonmal der Todesstoß sein, denn wer kauft schon bei einem Shop ein, der nur 65% positiv bewertet wurde?

Bei youtube kann es schonmal passieren, dass man schlechte Bewertungen bekommt, weil man im falschen Land lebt oder sich blöde Kommentare wegen Alter, Geschlecht oder Berufsstand anhören muss (sofern man davon irgendetwas Preis gibt)

Das Internet, einst eine Plattform des freien Meinungsaustausches führte dazu, dass viele User zu dem Entschluss gekommen sind: Nur sie haben die Wahrheit gepachtet und immer Recht.
Benutzt jemand einen anderen Internetbrowser hat er ja mal "sowas von keinen Plan". Wird man gehackt, ist man ein Kacknoob und hat es nicht anders verdient. Postet man auf Youtube ein deutsches Video, hagelt es "Nazi" Kommentare.

Ich habe am Wochenende ein paar Betalivestreams geschaut und beinahe jeder zweite Satz bestand aus Beschwerden: falsche Rasse, Klasse, Skillung - warum zeigt er nicht Gebiet XY? Warum ignoriert er einen? Warum zeigt er nicht gefälligst sofort und auf der Stelle das andere Startgebiet? Ein paar Minuten später wurden die gleichen Sätze mit netten Zusätzen wie "Hurensohn", "Spast", "Kackboon" "Geh sterben" etc wiederholt.
Dann gibts noch den obligatorischen "Ihr schaut den Livestream, ihr habt kein Leben und seit Faggots!" Poster, der scheinbar selber so wenig Leben hatte, dass er das fast den ganzen Abend durchgezogen hat.

Leider lassen sich immer mal wieder Leute darauf ein, mit solchen Trollen Gespräche anzufangen und logisch zu argumentieren, dass es doch mindestens so sinnfrei ist, Leute die den Stream schauen zu beschimpfen wie selber den Stream zu schauen.

"Don't feed the troll" ist mehr als ein einfach dahingesagter Satz:

In der Psychologie spricht man von "Strokes": positive Strokes ist quasi Aufmerksamkeit im positiven Sinne, die man von seinem Umfeld bekommt. Lob, Zuwendung, Interesse, Bewunderung.

Negative Strokes sind z.B. ausgeschimpft werden, Schläge, Mobbing, schlechte Bewertungen etc.

Viel schlimmer als negative "Strokes" ist jedoch überhaupt gar keine Aufmerksamkeit zu bekommen. In der Schule gibts fast in jeder Klasse einen "Clown" - jemand, der sich scheinbar gern zum Affen macht, blöde/Witzige Sprüche bringt, scheinbar unegschickt und tollpatisch ist, den Lehrern Streiche spielt etc.
Die meisten "Clowns" spielen dabei jedoch nur eine Rolle, damit man sie überhaupt wahrnimmt. Kinder die sich nicht beachtet fühlen und merken, dass egal wie sie sich anstrengen, sie keine positiven Strokes bekommen, machen "Quatsch", damit sie wenigstens etwas Aufmerksamkeit bekommen - selbst wenn diese negativ ausfällt

Das Problem an Internetclowns ist nur leider, dass sie anonym sind. Man kann ihnen also keine wirkliche "Hilfe" anbieten (und ja, einiger dieser Leute bräuchten wirklich dringend Hilfe..)

Man kann entweder auf sie eingehen, was die Flamerei verstärkt, da sie ja nun endlich Aufmerksamkeit haben und sich damit ihre Strategie ausgezahlt hat - oder man kann sie ignorieren, was sie in seltenen Fällen dazu bringt, das Flamerevier zu wechseln - meistens führt es aber dazu, dass sie die Stärke ihrer Flamereien ändern und in die Tabuzone gehen.

Der Livestreamflamer änderte an diesem Abend seinen Namen in einen "88er" und verbrachte den Rest des Abends, nationalsozialistischen Müll von sich zu geben.



Flamer und Spamer gab es früher auch schon im Internet, aber der mediale Zirkus, den es seit Twitter&Co. gibt war damals deutlich zurückhaltender. Man muss ich einfach mal vor Augen halten, dass Blogeinträge, Newsmeldungen und Bilder um die Welt gingen, als eine Koreanerin in der U-Bahn die Hinterlassenschaften ihres Hundes nicht beseitigen wollte. Ein anderer Passagier machte BIlder mit seiner Handykamera, postete das Bild auf einer bekannten Webseite und löste damit eine Welle der Empörung aus: bald schon war die Identität der Frau bekannt und es wurden private Details über sie und ihre Familie im Internet auf unschöne Art und Weise breitgetreten.


Für Web 2.0 kann ich rückblickend nur sagen: Man hat uns Usern unglaublich vielseite und tolle Werkzeuge in die Hand gegeben, die zu einer blühenden Medienlandschaft Revolution der modernen Massenmedien führte.
Wir haben vielseitige Werkzeuge für den Jornalismus des 21. Jahrhunderts - und produzieren damit unausgereiften Boulevardschrott.

Leider hat man vergessen, neben Web 2.0 auch "Medienkritischer Journalist 2.0" und "Medienkritischer Internetuser 2.0" aufzuspielen.
"Halbaffe 1.5" läuft zwar einigermaßen flüssig zusammen mit Web 2.0, aber man sollte den Spamfilter vielleicht öfter mal wechseln.


Und weils so schön war: Stille Post- damals und heute
 
Was für ein Brocken ^^
Werde jetzt auch nicht auf alle Punkte antworten, aber am interessantesten finde ich auch die unverschämten Kommentare die man überall sieht.
Das ist ganz einfach auf die Anonymität des Internets zurückzuführen. Manche Leute haben es anscheinend nötig sich im Internet wichtig zu machen, durch besonders negative oder beleidigende Kritik, weil sie sich das im echten Leben nicht trauen.

Amazon-Bewertungen sind noch ein Thema für sich. Manche Leute versuchen eine ernsthafte, HILFREICHE, Bewertungen zu schreiben, die anderen Leuten bei der Entscheidung helfen soll.
Die "restlichen" Kommentare spalten sich auf in "ja ich find das gut" (auch sehr hilfreich...), oder "voll scheiße die Lieferung hat nicht geklappt, also keinen Stern" (was natürlich nichts mit dem Produkt selbst zu tun hat).

Die sogenannten Eye-Catcher der Newsplattformen hier, u.a. auch MSN und Web.de, sind offensichtlich auf niedrigstem Niveau formuliert. Grund? Jeder Depp soll sich denken "Was?!?!". Meisten sind die Titel auch völlig übertrieben und der Leser wird im eigentlichen Artikel dann total enttäuscht.

Ich habe trotzdem nichts gegen das Internet. Man stößt zwar leider immer, gezwungenermaßen, auf dumme Kommentare, nervige Werbung und sonstiges, aber dafür bekommt man auch das was man will. Alles hat seinen Preis.
Sehr schöner Blogg :)
 
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