Retro vs. voll daneben

Khanor

Dungeon-Boss
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Ich weiß gar nicht wann sich bei mir der Wechsel von Retro zu Oldschool vollzogen hat. Und mich würde mal interessieren, wo man den Schnitt zwischen Oldschool und verbohrt oder verkorkst setzen sollte.

Retro ist in meinen Augen, wenn man in gewisser Weise vergangenen Dingen anhängt. Oldschool ist dann, wenn man diese Dinge lebt. Und verkorkst ist man wohl, wenn man sich neuen Dingen verschließt.

Als ich jünger war hatten wir nicht die Möglichkeiten, dass wir alle Trends mitgehen konnten. Klamotten schon gar nicht, aber auch diverse andere Dinge. Während beispielsweise meine Klassenkameraden über Diablo und ähnliches sprachen hatten wir zuhause noch einen PC10 von Commodore stehen, auf dem das höchste der Gefühle noch Test Drive und Sim City waren. Jeweils das erste, wohlgemerkt.

So ging es dann auch weiter. Als meine Berufsschulkollegen von World of Warcraft zu sprechen begannen hatte ich noch einen Rechner, der gerademal mit Warcraft II zurecht kam.

Irgendwie stand ich also solchen Entwicklungen immer hinterher. Social Networks bildeten da natürlich auch keine Ausnahme. Als ich mit der Band aktiv war wunderte ich mich immer, warum so viele andere Bands eine Homepage hatten, die mit "myspace" begann, bis wir selbst eine Seite bei myspace hatten.

Mein Einstieg ins "myspacing" folgte dann auch irgendwann und für mich war das alles total neu. Und so viele, die man kannte, hatten auch ein myspace-Profil. So lang, bis es dort auf einmal wieder sehr still wurde und man überall nur noch was von "Studi" hörte. Was zum Geier sollte denn das nun wieder sein?!

Ich stellte fest, dass es sich dabei um ein "Studentenverzeichnis" handelt, also dachte ich mir, dass ich da nichts zu suchen habe. Schließlich war ich kein Student. Das war auch so die Zeit, als alle möglichen Leute von ICQ abwanderten, weil es so viele simplere Alternativen gab und andere Möglichkeiten in Kontakt zu bleiben.

Letzteres hatte ich aber nicht mitbekommen, also schaffte ich mir ICQ an als es eigentlich gerade out war. Als es wieder im Trend lag hatte ich es bereits wieder verworfen.

So war es immer und ging so weiter. Ich blieb bei Nintendo (was ich bis heute nicht bereue), während alle anderen zu Sony wechselten. Ich hielt am Rock fest, während in meinem Freundeskreis Techno und alle möglichen "neuen" Versionen von Rockmusik auf den Plan traten.

Ich schaffte mir ein Notebook an, mit größtmöglichem Monitor, als alle anderen Notebook-Besitzer gerade zur möglichst kleinen Variante wechselten, um es leichter transportieren zu können. Ich kaufte mir einen 22" Röhrenmonitor, als gerade Flatscreens im Kommen waren. Ebenso einen großen Röhrenfernseher, als deren Niedergang bereits beschlossene Sache zu sein schien.

Während alle Anderen freudestrahlend The Burning Crusade begrüßten dachte ich mir: "Du hast die alte Welt doch noch gar nicht ganz ausgekostet. Es ist ein Spiel, also spiel es so weiter und nutz es aus, bevor du dir ein 'neues' kaufst." Somit hing ich wieder zurück. Als dann Wrath of the Lich King eingeführt wurde machte ich meine ersten Schritte auf der Höllenfeuerhalbinsel. Und wieder war ich allein damit, Dinge neu zu entdecken, Spielmechaniken etc. für mich zu erschließen, während das für andere ein ganz alter Hut war und ich, trotz jahrelanger Erfahrungen im Spiel, trotzdem wieder als so ein Noob galt, der vom Spiel einfach keine Ahnung hat. "Questen toll finden? Was ist denn mit dem los..."

Man findet sich damit irgendwann ab, oder man hinterfragt es einfach nicht. Somit bleibt es dann dabei und man hängt ewig Trends hinterher. Ich hab einen super HD-Fernseher gekauft, als plötzlich nur noch 3D im Gespräch war.

Als ich mit dem Studium begann dachte ich mir: "Jetzt kannst du auch ins StudiVZ". Anfangs gabs da auch noch ein wenig zu entdecken. Schnell nach meinem "Einstieg" wurde es aber auch da wieder still. Plötzlich sprach man überall nur noch von "facebook". Was soll denn das nun wieder sein? Ein weiteres Netzwerk, was nach 2 Jahren in der Versenkung verschwindet? Nein danke, mir reichts jetzt.

Aber es ist nicht in der Versenkung verschwunden. Es wird immer größer - und mächtiger. Letzteres ist mittlerweile der Grund, warum ich da einfach nicht hin will. Das ist auch der Grund, warum ich am liebsten einen Bogen um alles machen würde, was mit Google zu tun hat - was ich dann natürlich doch nicht tue. Ich habe einen Youtube-Account (wobei ich schockiert war, als ich feststellte, dass die mittlerweile auch zusammen gehören), ich habe einen Google-Blog, einen eMail-Account und Google ist einfach meine Lieblingssuchmaschine, also mache ich tatächlich doch das genaue Gegenteil.

Alle paar Wochen gibt es wieder etwas, was im Internet und nicht zuletzt bei facebook wieder in die Hose gegangen ist.
- Leute setzen keine "Privat"-Häkchen und haben dann zum 16. Geburtstag halb Deutschland im Garten. Klar, sie ist selbst schuld. Oder ist nicht vielleicht doch das System etwas heimtückisch?
- Man meldet sich an und zwischen allen möglichen Informationen ist ein verstecktes Häkchen, mit dem man verhindern muss, dass alle bekannten eMails auf dem Rechner ausgestöbert werden. Ups, mein Chef hat eine Einladung von mir bekommen...
- Bilder können nicht komplett gelöscht werden? Das ist ja schön.
- Einen Account kann man nur einfrieren, nicht löschen?
- Daten werden gesammelt und keiner weiß genau wofür?
- Die "I like"-Buttons auf tausenden Homepages hängen da auch mit drin und werden nicht nur dazu benutzt, dass man den Freunden mitteilen kann, was man gern mag? Wer hätte das gedacht.

Mittlerweile kommt man aber fast gar nicht mehr um facebook herum, zumindest wenn man in manchen Dingen halbwegs aktuell sein möchte. Ich seh es bei Yvonne. Terminabsprachen und ähnliches mit ihren Komillitonen läuft nur noch da - wieso auch nicht, wenn es so gut finktioniert? Jedes Unternehmen hat seinen facebook-Account, Gewinnspiele gibt es nur noch dort, "aktuelle Informationen über XYZ erhalten Sie bei facebook". Bald gibt es auch nur noch Nachrichten im facebook, oder wie muss ich mir das vorstellen?

Und doch bin ich der Einzige (so scheint mir), den das so sehr nervt, dass er es einfach boykotiert.

Der Rechner läuft ununterbrochen, facebook ist geladen und man ist permanent erreichbar. Noch viel schlimmer: man muss mittlerweile permanent erreichbar sein. Die heutige Zeit ist so schnelllebig, dass man schon gar nicht mehr up to date ist, wenn man mal einen Tag nicht online ist.

Ist es Retro, wenn ich mich da auf eMails, SMS oder Telefonate berufe, wenn jemand etwas von mir will? Oder ist es schon Oldschool? Vielleicht auch gar verkorkst?

Ich muss doch nicht jedem Deppen, den ich mal gesehen habe, die Freundschaft anbieten. Was hab ich davon? Wer-kennt-wen, StudiVZ, facebook, das ist doch alles der gleiche Rotz in dieser Sache. "Hey, der ist jetzt reich und berühmt, den hab ich aber seit 5 Jahren auf meiner Freundesliste".

Klasse. Kriegst 'nen Loser-Keks.

Aber mach ichs denn anders?
wink.png
Wusstet ihr, dass ein Berufsschulkollege von mir nach der Elektrikerausbildung erst bei seinem Ausbildungsbetrieb als Elektriker gearbeitet hat, der Vertrag dann in "Mädchen für alles" geändert wurde, er kurzfristig arbeitslos war und mittlerweile Busfahrer aus Leidenschaft ist? Und verlobt ist er auch. Klasse, oder? Das alles weiß ich, obwohl ich ihn seit meinem vorzeitigen Ausbildungsabschluss nicht mehr gesehen habe (und auch kein wirkliches Interesse daran habe).

Erinnert ihr euch noch an früher, als ihr in eurem Heimatdorf gewohnt habt und es euch genervt hat, wenn Oma, Mama, Nachbarn immer über alles im Dorf bescheid wussten und darüber geredet haben, dass "Müllers Friedl vom Trecker gefallen" ist?

Wo bitte liegt denn da der Unterschied?

Ich weiß bis heute nicht, was "Twitter" ist. Wahrscheinlich sowas wie ein "Ticker", nur mit persönlichen Informationen, gut gut... Und was ist ein "Feed"? Oder wirds gar mit "t" geschrieben? Was ist RSS?

Ich blick in der heutigen (Internet-)Gesellschaft so gar nicht mehr durch. Darum lass ich es meistens gleich und kümmer mich nur noch um meinen Rotz. Ich kann ja nichts ändern, ich kann nichts besser machen, ich hab keine Lust Informationen zu sammeln die ich nicht brauche (das passiert nämlich auf anderem Wege schon genug) und ich hab noch viel weniger Lust, dass mich Leute, auf die ich schon vor 15 Jahren keinen Bock hatte, heute virtuell wiedertreffen, mir kurz eine Kante ans Bein quatschen und dann doch nur in der imaginären Adresssammlung verrotten, weil man mal wieder feststellt: ich konnte dich nie leiden, so wenig wie du mich.

Und nachdem ich nun also all diese Türen zu gemacht habe und mich wieder in meiner Welt, mit meinen alten CDs, Spielen und Dingen aus vergangenen Tagen eingeschlossen habe bin ich zu dem Schluss gekommen:

Verkorkst, eindeutig
biggrin.png
 
Ich zähl mich dann auch mal zum "Club der Verkorksten" und freu mich , dass es auf dieser Welt noch ein paar Menschlein gibt, die das auch alles so sehen. :-)
Ich muss allerdings gestehen - ich habs nicht geschafft, ums Fratzenbuch herumzukommen. Aber ich frag mich trotzdem, warum ne Bekannte von mir aller Welt erzählen muss, wann sie zum Frauenarzt geht oder ihre Tage hat...
Es ist mir ein Rätsel!?!? ^^
MfG Gala :)
 
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