[RP]Solean Rotstahl - Vergangenheit. Part 1

Melian

Dungeon-Boss
Mitglied seit
13.09.2006
Beiträge
929
Reaktionspunkte
0
Kommentare
1.031
Die Legende von Roter Sturm

„Vater, Vater“, stürmte der Junge mit dem roten Haarschopf, „erzählt ihr die Geschichte von Roter Sturm? Bitte.. ich möchte sie hören“. Darin schmunzelte. Allzu oft hatte er seinem jüngeren Sohn die Geschichte des Schwerts der Familie Rotstahl schon erzählt, aber der Kleine schien immer noch begierig, die Geschichte zu hören.
Darin nahm einen Schluck von dem Glas, in dem sich bester elfischer Rotwein befand. Er liess sich den Schluck munden, führte die edle Flüssigkeit ein wenig im Mund hin und her, bis er sie schliesslich langsam die Kehle hinunter rieseln liess. Er schloss die Augen, um die Vielfalt der Aromen intensiver zu geniessen, die sich seinen Geschmacksnerven auftat.
Dann öffnete er die Augen wieder, und blickte zu dem schlaksigen Jüngling, der auf dem Teppich Platz genommen hatte, der am Boden lag. Darin selber sass auf einem einfachen Sofa, neben ihm ein Tischchen mit der Flasche Wein.
Seine Frau Daryella lächelte ihn an, während sie an irgendetwas herum stickte. All der Tand, der adeligen Elfinnen in ihrer Jugend beigebracht wurde, hatte sie grösstenteils abgelegt, nachdem sie den einfachen Bürger Darin Rotstahl geheiratet hatte, der jedoch seinen Rang und Namen im Militär gemacht hatte, wie alle Rotstahls zuvor. Dennoch konnte sie sich einer guten Stickarbeit ab und an nicht verwehren. Er liebte sie abgöttisch und betrachtete jeden Tag, den er mit ihr verbringen konnte, als Geschenk.
„Solean, du kennst die Geschichte schon auswendig.“ „Ja.. aber sie von euch zu hören ist etwas anderes, Vater. Bitte. Ich würde so gerne.. „
„Nun gut, aber dann ist es auch Zeit für euch beide, ins Bett zu gehen“, brummelte er sich ergebend, und blickte von Solean zu dessen älteren Bruder Thereias, der über ein Schriftstück gebeugt am Tisch sass.
Der verdrehte nur kurz den Blick, als Solean erneut darum bat, diese Geschichte zu hören, von der er allmählich genug hatte.
„Ich geh schon jetzt, Vater. Verzeiht mich“, sagte er leise, und raffte seine Sachen zusammen, zog sich aus der Stube zurück. Darin blickte seinem Ältesten einen Moment lang nach, zog die Schultern etwas nach oben, und blickte dann zu Solean.
Dann begann er langsam zu erzählen, nur hin und wieder unterbrochen von einem Schluck Wein, für die er sich genauso Zeit liess wie für den ersten.

Nun, Solean, du weisst, dass wir Quel´dorei vor einigen Jahrtausenden über das Grosse Meer nach Quel’thalas kamen. Wir zogen es vor, eine neue Heimat zu finden, fern von unseren schändlichen Verwandten, die so töricht waren, und der Magie nach dem grossen Krieg abschwuren. Eine Schande, wenn du mich fragst, aber das tut ja jetzt nichts zur Sache.
Wie dem auch sei. Unter der Führung von Dath´remar Sonnenwanderer, unserem geliebten König, kam auch die Familie Rotstahl nach Quel’thalas und half beim Aufbau unseres Reiches. Niemand weiss so genau, woher unserer Ahne Andellion Roter Sturm hatte. Er erzählte einmal, er hätte es von einem mächtigen Magier bekommen, dessen Schwert zu Lebzeiten es gewesen war. Ein andermal behauptete er, er hätte es bei einem Streifzug durch die thalassischen Wälder gefunden. Aber die Wahrheit? Die haben wir nie herausgefunden über die Jahrtausende. Holst du es mir her, das Schwert?“, sagte Darin, und deutete auf die einfache Scheide, die auf dem Tisch lag. Solean reichte das Schwert seinem Vater, und der zog es langsam aus der Scheide.

„Rot funkelt die Klinge, egal wie oft man sie reinigt. Und nach jeder Schlacht scheint sie röter. Sie ist in irgendeiner Art magisch, das weisst du. Doch niemals hat ein Magus herausgefunden, woraus sie besteht, und wie diese Magie funktioniert.“ Er fuhr mit den Fingern über die Klinge.
„Diese Muster hier, sie sind Zeichen, die niemandem Bekannt sind. Eventuell sind es alte, elfische Inschriften, deren Bedeutung über die Jahrhunderte verloren gegangen ist. Vielleicht sind es Muster, die die Magie verstärken, aber vielleicht sind sie auch nur Blendwerk.“
Das Schwert in seinen Händen war einfach. Es war ein Langschwert, welches mit wenig dem sonst so üblichen Zierwerk auskam. Sein Griff war schlicht, die Klinge an sich ein einfaches, aber tödliches Instrument.

„Viele dachten, dass dieses Schwert ein gewöhnliches Schwert war. Doch als die ersten Jahrzehnte und Jahrhunderte in Quel’thalas vorübergingen, zeigte sich der wahre Wert der Klinge.“ Ein weiterer Schluck Wein wanderte die Kehle von Darin Rotstahl herunter, und Solean knabberte an seiner Unterlippe.

„Andellion war von grossem Wert für das neue Reich. Es zeigte sich, dass er ein guter Kämpfer und Taktiker kam. Unsere Vorfahren hatten sich gegen viele Feinde zu wehren, nicht zuletzt gegen die unsäglichen Amanitrolle, die uns auch heute noch bedrohen. Roter Sturm war für Quel’thalas ein wahres Glück, obwohl man dies damals noch ausschliesslich den Kampfkünsten unseres Urahns zuschrieb. Doch heute wissen wir, dass die Klinge wohl ihres dazugab, dass viele Trolle unter ihrer scharfen Schneide ihr Ende fanden.“

Solean starrte seinen Vater wie gebannt an. Er wusste, jetzt kam der spannendste Teil des Vortrags. Und wie vorhergesehen nahm sein Vater ein Blatt Papier von dem kleinen Tischchen, auf welchem er einige Dinge notiert hatte. Er hielt die Klinge mit der scharfen Seite nach oben, und blickte zu seinem jüngsten Sohn.
„Viele verstanden nicht, warum unser Urahn auf sein profanes Schwert nicht verzichten wollte. Es war einfach, es war ohne Verzierung, und längst hätte sein Aufstieg im Militär ermöglichst, ein neues, prächtiges Schwert zu bekommen. Aber er lehnte immer ab. Er sagte, solange sein Schwert nicht stumpf würde, würde er es nicht ersetzen.“
Er hob das einfache Blatt Papier über die Klinge, und liess es dann nach unten segeln. Die Klinge durchtrennte es mühelos und ohne eine Bewegung in zwei Teile, so scharf war es.
„Jeder, der gedacht hatte, das wäre nur ein Unsinn, musste mit ansehen, wie Andellion Rotstahl weitere Jahrzehnte mit dem einfachen Schwert in den Krieg zog, welches über die Jahre immer rotgefärbter schien, so als ob es sich am Blut der Gefallenen laben würde. Doch stumpf wurde es nicht. Andellion musste es niemals schleifen lassen, es behielt seine Schärfe durch die Magie, die in ihm herrschte.“
Darin sammelte sie zwei Hälften vom Boden auf und blickte Solean an.
„Solange Andellion dem Schwert das gab, was es wollte – Blut, an dem es sich laben konnte - gewährte das Schwert ihm Unterstützung im Kampf und ein langes Leben. So kam es, dass Andellion bereits zu Lebzeiten seinen Titel weg hatte. Man nannte ihn bald nur noch „Roter Sturm“, weil sein Schwert wie ein Sturm Schneisen in die Reihen der Gegner schlagen konnte.“
„Nun übertreib nicht, Darin“, sagte Daryella mit einem Lächeln im Gesicht. „So blutrünstig war er dann doch nicht, Andellion. Er tat nur seine Aufgabe. Und es gab durchaus auch Friedenszeiten damals.“
„Ach, Frau, jetzt hast du den blutrünstigen Effekt in der Geschichte zerstört“, sagte Darin, und versuchte wütend zu klingen, was ihm nicht gelang. Er konnte Daryella nicht wütend sein. Zumindest nicht lange. Er lächelte sie an und versank für einen Moment in ihren Augen.
„Hör nicht auf deine Mutter, Sohn“, sagte er mit einem ernsten Ton. Nur Daryella sah den Schalk in seinen Augen. „Andellion war ein mächtiger Kriegerheld, und er war dein Urahn! Zweifel nicht an ihm.“
„Natürlich nicht, Vater“, beeilte dieser ihm als Antwort zu geben, und schwieg dann sofort wieder.

„Wo war ich? Ach.. Bei der Schärfe der Klinge. Nun, Andellion musste, wie gesagt, sein Schwert niemals schärfen. Doch auch seine Lebensspanne war begrenzt, trotz der Verlängerung, die ihm die Klinge gewährt hatte. Er wurde alt. Und eines Morgens, man munkelte, er sei über 2000 Jahre alt gewesen. Wie dem auch sei. Eines Morgens, bei seinen täglichen Schwertübungen, merkte er, dass die Klinge über Nacht stumpf geworden war. Zuerst war er verzweifelt, und versuchte sie zu schärfen, aber du kannst dir schon denken, dass die Klinge auch hier ihren eigenen Willen hatte. Sie wurde nicht scharf, egal was er anstellte. Und so legte er Roter Sturm ab, und nahm endlich eines der verzierten, aufwändigen, thalassischen Schwertern, um damit zu kämpfen.
Einige Jahre hing das Schwert als Andenken in seiner Schreibstube, bis eines Tages sein ältester Sohn darum bat, das Schwert seines Vaters einmal zu sehen und in führen zu dürfen. Er war fasziniert gewesen von der Geschichte, ebenso wie du, und da er gerade seine ersten Schritte im Militär erfolgreich gemeistert hatte, interessierte er sich noch mehr dafür.“

Darin trank den letzten Schluck des köstlichen Gebräus, um die Spannung etwas in die Länge zu ziehen.
„Erzählt weiter, Vater, ich bitte euch“, flüsterte der Junge aufgeregt und blickte den Vater mit grossen, vor Gespanntheit glänzenden Augen an.

„Nicht so hastig, Solean. Alles mit der Zeit, sagte dieser und genoss diesen letzten Schluck Wein ausgiebig. „Nun.. Als Andellions Sohn das Schwert in die Hand nahm, und einige Schwünge machte, geschah das Unerwartete. Die Klinge veränderte sich. Innerhalb weniger Momente verschwand der graue Schleier, der sich über das Blutrot des Schwertes gelegt hatte, vollends und als der Sohn von Andellion mit dem Finger über die Klinge fuhr, schnitt er sich tief hinein. Die Klinge hatte sich ihren Erben gesucht, und war wieder erwacht und scharf geworden.
So funktioniert die Magie von Roter Sturm scheinbar. Sobald ein Träger der Klinge – und nichts anderes als Träger sind wir, Träger und Diener der Klinge – seine Aufgabe verrichtet hat, wird die Klinge stumpf. Dies ist das Zeichen für jeden Rotstahl, seinen Dienst im Militär aufzugeben und das Erbe der Familie an jemanden weiterzugeben, für den es gemacht ist. Für seinen Sohn.“
Darin musterte Solean noch einmal. Er wünschte sich für den Jungen, dass sich die Klinge ihn aussuchen würde, auch wenn es das erste Mal gewesen wäre, dass der Jüngere Sohn den Vorrang erhielt.
„Eines Tages, Solean, wird die Klinge in meinen Händen ebenso stumpf werden, wie sie es bei meinen Vorfahren tat. Und dann wird es für mich Zeit sein, mich zurückzuziehen, und sie deinem Bruder zu überlassen. Oder dir.“
Solean nickte dem Vater zu. Sein Blick war immer noch auf die Klinge gerichtet, die Darin nun vorsichtig in der Scheide verschwinden liess.
Als das letzte Stück roter Stahl in der einfachen Lederscheide verschwunden war, blickte Solean den Vater an. „Vater…Glaubt ihr.. ich meine..“, er schluckte leicht. „Wer von uns.. wird...“ Er wagte nicht weiterzusprechen, und blickte den Teppich an.
„Sei nicht ungeduldig, Solean. Wenn es an der Zeit ist, und wenn jemand von euch beiden sich eignet, wird sich die Klinge schon den Richtigen aussuchen. Bis dahin, arbeite an deiner Kampfkunst. Übe jede freie Minute, die du hast, verstehst du das?“
Solean nickte. Er hob den Kopf etwas, und schenkte dem Vater ein vorsichtiges Lächeln. Als dieser zurück lächelte, sprang der Junge auf, und umarmte seinen Vater innig. Der war einen Moment lang überrascht, schloss dann aber die Arme um den schlaksigen Körper seines Sohnes.
„Danke für die Geschichte, Vater. Ich werde mir Mühe geben. Vielleicht.. Eines Tages.. “ In Soleans Augen flackerte einen Moment der gleiche Kampfeswille auf, die der Vater von sich selber kannte.

Darin lächelte.
 
Zurück