Sex und Liebe in MMORPG's

Pelorusjack

Quest-Mob
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Wenn Weiblein und Männlein zusammen sind, knistert es. Egal ob am Arbeitsplatz, in der Schule, in Vereinen in Urlaubsparadiesen oder im hinterletzten Loch: Sex liegt in der Luft. Die Paarung und deren Rituale sind mehr oder weniger versteckt, mehr oder weniger sublimiert oder ausgelebt. Warum sollte es dann in MMORPG's anders sein? Hier ein Erfahrungsbericht.

Mein erstes MMORPG war Anarchy Online von Funcom. Ursprünglich stamme ich aus der Pen&Paper Szene, die in der Schweiz zum ersten mal in den Achtzigern durch DSA und der Übersetzung von AD&D aufkam. Später spielte ich auf PC's Spiele von Bards Tale, Dungeon Master, Pool of Radiance bis hin zu Morrowind. P&P hatten gegenüber den Computerversionen immer einen Vorteil: man spielte nicht alleine und man spielte zusammen mit dem anderen, das Bessere genannte, Geschlecht. Die Erfindung des MMORPG ermöglicht nun wieder das Zusammenspielen beider Geschlechter, und das erst noch vor malerischer Kulisse. Der Vorteil ist, dass man tatsächlich nur den Helden oder die Heldin sieht als Pixelfigur und nicht die Person, welche per Kommunikation oder Entscheidung den Helden gibt, wobei wahrscheinlich die ideale Version ein LARP (Live Action Role Playing) mit virtuellen Möglichkeiten bieten würde.

Dieser Vorteil kann aber auch zum Nachteil gereichen, wie ich in AO feststellen musste. Ich spielte nämlich eine Frau, und so etwas wie OOC (out of character speaking) gab es bei mir nicht. Meine Devise war, dass es kein RL (Real life) gibt und dass ich mich vollständig in die Figur versetzen wollte. Dazu brauchte ich lediglich normal zu kommunizieren, ohne Nerdsprache, Capstasten, Smilies, Sternchen oder sonstigem Krimskrams. Ausserdem verbrachte ich viel Zeit mit völlig unrelevanten Dingen, wie Erkunden, Räume ausstatten, Kleidershopping, Diskutieren und allem anderen, was eine weiblich Heldin sonst noch tun würde, wenn sie neben ihrem Heldenleben noch ein Leben hätte. Dadurch, dass mir Geld oder das Besitzen scheinbar wichtiger Gegenstände deshalb kaum etwas sagte, war ich sehr freigiebig mit dem, was lootete. Ohne es wirklich zu wollen, hatte ich bald gute Ingamefreunde und irgendwann fragte mich einer von ihnen, ob ich ihn heiraten wollte. Ich sagte ja, und wir feierten eine wunderbare Hochzeit mit vielen Gästen, wobei uns ein Gamemaster freundlicherweise assistierte. Eine Woche später, kam "mein Mann" mit einer seltsamen Bitte zu mir. Er fragte mich, ob ich mit ihm schlafen würde, aka Cybersex machen würde. Ich hatte ehrlich gesagt, keine Lust hierzu, liess mich aber ansatzweise dazu überreden. Dumm war nur, dass er sich auch noch dazu verleiten liess, dieses Vorhaben in der Hauptstadt kundzutun, ohne, dass es offiziell bereits dazu kam. Es war mir dann doch zuwider und ich eröffnete ihm OOC, dass er hierfür besser eine Spielerin fragen sollte. Der Skandal war perfekt, weil niemand auf die Idee gekommen war, ich könnte evt. ein Kerl sein. Das war noch eine Zeit ohne Teamspeak oder Webcam. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, und ich schwor mir, in Zukunft schneller OOC zu gehen, um keine Herzen zu brechen zu müssen.

Starwarsgalaxies war, was das Socializing betrifft, noch eine Stufe weiter als AO oder selbst WoW. Auch heute noch ist das Spiel näher an Second life statt an Everquest und wo es in Sachen Gameplay harzt, so ist die Komplexität in Sachen Roleplay umso besser. Diesmal traf es unerwarteterweise mich. Ich spielte lange mit einer Frau zusammen, zumindest gibt sie sich bis heute als Frau aus, bis es eines Tages "passierte". Die Stimmung war einfach danach, obwohl ich in einer RL Beziehung war. Ich weiss nicht einmal wer damit anfing, aber es kann gut sein, dass nicht ich es war. Der CS (Cybersex) war auf jeden Fall viel aufregender als ich es erwartet hatte, und OOC wurde er schneller als befürchtet. Diesen virtuellen Sex machten wir bis vor einem Jahr noch, fünf Jahre später. Und auch heute ich weiss weder ob die "sie" wirklich eine Sie ist oder wie sie aussieht. Eigentlich ist es mir inzwischen egal, wer oder was sie ist, aber damals ging meine alte Beziehung beinahe in die Brüche deswegen. Viel schlimmer war es als sie plötzlich von der Bildfläche verschwand für etwa ein Jahr. Es fühlte sich an als wäre ich wirklich verlassen worden, und irgendwie hatte ich es ja auch verdient. Die damalige Beziehung hielt zwar noch drei weitere Jahre, aber ich denke, durch diese Internetbekanntschaft erlitt sie irreparable Schäden.

In den letzten zuckenden Überresten dessen, was eine insgesamt sechsjährige Beziehung war, lernte ich in WoW eine andere Frau kennen. Ich fand sie schon immer als eine aussergewöhnlich geistreiche Dame, welche schon einen Rattenschwanz an Spielern in- und ausserhalb der Gilde hinter sich her zog. Per Zufall kamen wir ins Gespräch und daraus wurde heftiges flirten, und natürlich kam es auch zu Cybersex, den sie zum ersten mal erlebte. Ausserdem benutzten wir auch den Teamspeak, was ein Novum war, und dennoch viel geiler war als wir uns vorstellen konnten. Nach etwa zwei Monaten entschied ich mich, meine damalige Freundin zu verlassen. Die Entscheidung fiel zumindest mir nicht sonderlich schwer, da einfach schon zu viel kaputt war. Es war für mich dennoch schwer zu verdauen, denn irgendwie liebte ich sie trotz allem immer noch, und ich bin froh, dass wir bis heute ein gutes Verhältnis haben. Als wir uns trafen, dachte ich, es wäre dasselbe wie ingame oder im TS und übte dementsprechend keine Zurückhaltung. Das kam nicht gut an und ich wurde zurückgewiesen. Nicht, dass ich keine Blinddateerfahrung gehabt hätte, ich hatte diese Erfahrung im Dutzend gehabt, aber irgendwie vergass ich die "Spielregeln". Irgendwie waren wir beide enttäuscht, sie von mir gewiss stärker als ich von ihr, obwohl wir natürlich auch Fotos ausgestauscht hatten. Mit der Rückweisung konnte ich mich so gar nicht abfinden, und viel schlimmer war, dass sie geradewegs zu ihrem Ex zurückrannte, was sie mir dereinst prophezeit hatte, wenn er sich wieder bei ihr melden würde. In meiner schieren Verzweiflung fuhr ich mitten in der Nacht Richtung Bremen, fast 700 km weit von zuhause entfernt. Es führte dazu, dass wir nachher kein Wort mehr wechselten.
Auch wenn es sich mies anhört, aber ich suchte Ersatz und fand ihn auch. Weil Männer nur das hören, was sie hören wollen, kam es mir nicht in den Sinn, dass die Person im Teamspeak keine 21 sondern 42 Jahre alt war. Das erfuhr ich nach einer vergeblichen Reise nach Dortmund, 500 km von hier entfernt. Im Grunde genommen ist es so lächerlich, wie es sich anhört, aber die Chance auf eine tolle Frau ist mir jederzeit so eine Strecke wert.
In der Zwischenzeit haben auch andere Kollegen und Freunde von mir tonnenweise Geschichten aus dem MMORPG Bereich erlebt. Mit mal besserem, mal schlechterem Ausgang. Von ausgespannten Freundinnen, Hochzeiten, bis abgesagten Hochzeiten, zwei gestrandeten Teenagern in meiner Wohnung etc. liegt alles drin.WoW ist eine riesige Partnerbörse und wer eine Freundin hat, die WoW spielt, muss damit rechnen, dass diese tagtäglich von irgendwelchen Typen angebaggert wird. Die Kerle rufen sogar auf der Hausnummer an, denn Google ist dein Freund, you know...
Meine derzeitige Freundin lernte ich vor fast zwei Jahren in WoW kennen als ich eigentlich nicht mehr wollte als nur noch zocken. Wie es manchmal so kommt, wenn man wirklich nicht mehr mag, so kriegt man es zugeschoben. Diesmal war die Reise gar mehr als 1000 km lang, aber sie lohnte sich, und heute gibt es keine Reise mehr. Sie wohnt inzwischen bei mir. Wegen ihr habe ich vor kurzem wieder mit WoW angefangen. Nicht um all die Kerle zu beobachten, die sich um sie scharen, sondern wirklich nur, um ein wenig Spass zu haben. Falls es eines Tages in der Beziehung schlecht steht, weiss ich, dass es nicht auszuschliessen ist, dass sie oder ich den nächsten Kerl oder Frau wieder in WoW finden würden.

Das Finden von Partnern via Internet, MMORPG oder sonstigen virtuellen Angeboten ist Realität, Tatsache. Es ist nicht schlechter, besser, sicherer oder unsicherer, es ist im Endeffekt nur eine andere Art der Anmache. Die Leute, die es auf die "traditionelle" Art versuchen, sind erfahrungsgemäss auch nicht glücklicher als wir anderen.
 
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