Mal abgesehen davon, dass ich die Analyse nicht ganz teilen kann und den Ursprung allen Übels wo anders sehen, stellt sich für mich die entscheidende Frage: Ist der MMORPG-Markt noch zu retten? World of Warcraft hat sehr viele Standards gesetzt und sehr viele Spieler an diese gewöhnt. Dabei hatte WoW doch eigentlich alles richtig gemacht.
In einer Zeit, in denen MMORPGs zwar irgendwie originell und innovativ waren, herrschte aber doch ein gewisses Chaos. Es gab in den meisten Spielen keinen roten Faden und man musste sich irgendwie schon selbst zurechtfinden und motivieren.
Damit räumte WoW auf: Es gab eine klare, übersichtliche Struktur, die sehr einsteigerfreundlich war und den Spieler an die Hand nahm. Dabei war das Konzept von WoW relativ einfach. Man sammelt Erfahrung, steigt im Level auf und erhält eine Ausrüstung. Mit dieser Ausrüstung kann man weiter aufsteigen, um sich bessere Ausrüstung zu holen. Damit kann man dann in gefährlichere Instanzen, um sich bessere Ausrüstung zu holen, mit der man dann irgendwann in große Raids kann. Und dann bringt Blizzard einen neuen Patch oder ein Addon raus, mit dem es … ja genau, neue Ausrüstung gibt.
Zusammen mit der Tatsache, dass Blizzard das Konzept eines monatlichen Bezahlsystems verstanden hat und sehr regelmäßig neuen Content liefert, hat es das eben genannte Spielprinzip perfektioniert.
Sicher gab es noch andere Faktoren, die zum Erfolg von WoW geführt haben, doch Fakt ist, dass das genannte Spielprinzip zum Genrestandard wurde.
Die Frage hier ist aber: Verlangten das die Spieler oder waren die anderen Entwickler einfach zu faul und wollten ebenfalls bequem ein Stück vom Kuchen nach dem Motto: „Lieber gut kopiert, als schlecht erfunden!“
Seit dem Start von WoW sind jetzt sieben Jahre vergangen und ich finde es so traurig, dass sich nichts geändert hat. Unsere Rechner wurden immer leistungsstärker, die Internetverbindungen immer schneller, die Spieleranzahl immer größer…doch man entwickelt immer noch Spiele nach dem gleichen Prinzip.
Wie gesagt: WoW hat vieles richtig gemacht und hat auch seine Daseinsberechtigung. Ich finde es noch so beschränkt, dass man das Potential aus Qualität der Technik und Quantität der Spieler nicht einmal im Ansatz ausnutzt.
Neben der Itemfixierung, die mir ehrlich gesagt so dermaßen zum Hals raushängt, stören mich auch noch folgende Spielprinzipien: In jedem MMO rennt man irgendwo rum, trifft auf einen Questgeber mit einem Symbol über den Kopf, der will dann, dass ich 10 Wildschweine töte und danach bekomm ich meine Questbelohnung. Das Kampfsystem ist auch immer gleich: Ich habe Fähigkeiten, die in Qualität und Quantität steigen und die ich stupide mit 1, 2, 3, 4… abspiele.
Mich stört auch dieser Klasseneinheitsbrei. Ja, es gibt verschiedene Klassen, aber die unterscheiden sich doch nur, wie sie die Gegner vermöbeln. Der eine hat halt eine Axt, der andere Bogen und der dritte zaubert sich einen bunten Lichtblitz. Da ist es schon fast revolutionär, dass es auch einen Spieler gibt, der nicht Schädel einschlägt, sondern die anderen Spieler heilt.
Und diese Klassen müssen natürlich wie es WoW vormacht auch total ebenbürtig sein. Das ist ja okay, aber wenn sich die Klassen eh schon kaum unterscheiden und auch noch alle gleich stark sind…wo ist denn da der Unterschied was ich spiele? Manche MMORPGs treiben ja diesen Umstand selbst ad absurdum und lassen jeden Spieler einfach alles machen.
Wie gesagt: Dieses Prinzip hat ja irgendwie seine Daseinsberichtigung aber andererseits widerspricht es sich doch selbst. Der Spielsinn ist ja eigentlich auch, dass man ein einmaliger Held ist, der die Welt retten soll…oder eben ins Verderben jagt. Das Spiel ist so aufgebaut, dass man immer stärker und mächtiger wird. Doch dass es komischerweise in einer Welt mit 1.000 normalen Einwohnern 100.000 Superhelden gibt, stört niemanden. Mir ist immer klar: Egal wie viel Mühe ich mir gebe, ich bin immer nur einer von Tausend. Und wenn ich mir den Umhang des Herolds erarbeite, dann haben den aber schon tausende Spieler vor und nach mir. Wo ist denn da der Reiz, wenn mir das Spiel vorgaukelt, ich wäre was Besonderes, in Wirklichkeit bin ich aber ungefähr so besonders wie ein Büroangestellter namens Michael Müller.
Aber ich schweife ab.
Was will ich denn nun wirklich werden sich manche Leute fragen. Ich hab doch jetzt so ziemlich alles für mich ausgeschlossen, was es zurzeit auf dem Markt gibt. Aber warum bewegen wir uns nicht noch einmal eine Metaebene nach oben und betrachten von da aus vielleicht besser das Problem.
Bei fast allen Spielen geht es darum, dass man sich Gegenseitig den Kopf einschlägt. Und selber wenn man Heiler ist, dann ist ja trotzdem noch das Spielziel den böseren Obermufti aus der gefährlichen Höhle zu besiegen. Ich möchte ja nicht komplett ausschließen, dass es kämpferische Aspekte im Spiel gibt. Aber es soll doch bitte noch andere Spielziele geben als zum Oberkrieger zu werden.
Warum schaut man sich nicht einfach nach links und rechts um und macht mal was anderes. Und auch wenn vielleicht die meisten Leute Oberkrieger werden wollen, warum denn immer auf die gleiche 08/15 Methode, die wir schon seit sieben Jahren fahren?
Ich möchte da kurz eine Anekdote erzählen. Ich war vor einigen Jahren mal ein sehr großer Star Trek Fan und bin auch 2001 im zarten Alter von 14 Jahren einem Star Trek Chat Rollenspiel beigetreten. Wie einige von euch sicher wissen, ist Star Trek Online schon sehr, sehr lange in Entwicklung (u.a. auch, weil zwischenzeitlich mal das Entwicklerteam gewechselt hat).
Ich glaube Star Trek Online war schon 2005 ein Thema. Zu der Zeit war der MMO-Markt noch nicht so final wie heute. Ich weiß nicht, ob es einfach Naivität oder zu viel Fantasie war, aber ich habe mir Star Trek Online so vorgestellt, dass ich ein kleines Mitglied der Sternenflotte bin, auf irgendeinem Schiff auf Deck 123 an Konsole 1.320 meinen Dienst verrichte und einfach das Leben in der Sternenflotte „realistisch“ simuliert bekomme. Was aus dem Spiel geworden ist, wissen wir ja alle.
Okay, das Beispiel ist jetzt sehr utopisch, aber ich will damit nur andeuten, was ich mir damals von MMORPGs erhofft hatte.
Ich muss an dieser Stelle doch mal mein Lieblings MMORPG Star Wars Galaxies (pre-NGE) erwähnen. Ich habe ja vorhin schon erwähnt, dass alles ein bisschen chaotisch war und man sich irgendwie selbst ein Spielziel suchen musste. Aber es hat trotzdem Spaß gemacht. Es gab so viele Möglichkeiten wie sich Spieler beschäftigt haben. Und kämpfen war da nur ein kleiner Bruchteil. Manche erschlossen als Handwerker aufwendige Produktionsketten oder arbeitet als Arzt in Krankenhäuser um Spieler zu heilen. In Bars standen Musiker und Tänzer um gegen freiwilliges Trinkgeld Leute zu buffen. Oder manche beschäftigten sich hauptsächlich damit ihre Häuser dekorativ einzurichten. Und andere (so wie ich) zogen wochenlang durch die Wildnis, um sehr seltene Tiere zu zähmen. Und wenn man dann noch bedenkt, dass es eigentlich keinen wirklichen Endcontent im heutigen Sinne (Instanzen, Raids etc.) gab, ist es noch absurder, dass sich manche Leute diese Mühe gemacht haben.
Natürlich würde ich vieles heute auch nicht mehr so einfach durchgehen lassen und mehr erwarten, aber immerhin reden wir vom Jahr 2003/2004.
Man müsste doch meinen, dass im Jahr 2012 mit den heutigen Möglichkeiten mehr drin wär. Aber gerade in Sachen Interaktion zwischen Spielern waren die damaligen MMORPGs den heutigen weit voraus.
Es ist ja irgendwie schon zur Internetkultur geworden, dass man sich immer mit anderen Leuten in der Auseinandersetzung befindet. Ob man sich jetzt über die YouTube Kommentare beleidigt, in Ego-Shootern den anderen Cheater nennt oder in MMROGPs das Gruppenmitglied als unfähig bezeichnen oder den PvP-Gegner einen n00b nennt. Entweder kämpf dein Gegenüber als Gildenmitglied oder Freund auf deiner Seite, oder eben gegen dich und wird verbal und im Spiel mit Waffengewalt bekämpft.
Warum muss denn die Interaktion so primitiv und einfältig sein? Warum können Spieler nicht komplex und anspruchsvoll miteinander interagieren. Ist das nicht der eigentliche Zweck eines MMORPGs? Und was soll dein eigentlich das „R“ in diesem Namen. Für mich ist Rollenspiel mehr als nur der Ausbau seines Charakters. Okay, es gibt oftmals RP-Server in den Spielen, doch mal abgesehen davon, dass das keiner macht und sich diese Server nur durch eine striktere Namenskontrolle von den anderen Servertypen unterscheiden, bietet das Spiel doch kaum Möglichkeit. Ich muss mir da schon selbst irgendwas zurechtschustern und im Gasthaus im Wald von Elwynn meine Emotes und Chatbeiträge schreiben.
Warum gibt es da draußen keine Spiele, die RICHTIGES Rollenspiel fördern? Warum gibt es kein MMORPG wo ich eine Rolle in einer Gesellschaft spiele und aus dieser verbannt werde, wenn ich mich daneben benehme? Damit mein ich ja nicht mal, dass beleidigende Kiddies vom Server gekickt werden. Es kann ja auch Spielelement sein, dass man dann als Outlaw in den dunklen Wäldern vor der Stadt sein Unwesen treibt.
An dieser Stelle möchte ich auch kurz noch Star Wars The Old Republic erwähnen. Ich war ein großer Fan der Vorgänger und ich bin auch der Meinung, dass das Spiel trotz fehlendem Endcontent mit seiner Storylastigkeit sich noch am ehesten von Wow abhebt. Doch als ich nach einem verheißungsvollen Start als Sith-Inquisitor bei meiner ersten Mission nach dem 1, 2, 3, 4-Klickmuster 10 Würmer töten und 3 Relikte einsammeln sollte, landete das Spiel bei mir im Mülleimer. Ich habe nicht viel erwartet und vielleicht habe ich auch zu schnell aufgegeben, aber ich habe mir geschworen solche Spiele nicht mehr anzufassen und das nicht nur aus Prinzip, sondern weil es mich einfach zu Tode langeweilt.
Allgemein konnte ich nach WoW kein MMO finden, dass mir in irgendeiner Weise auch nur im Ansatz eine Alternative zu WoW geboten hat, weder Herr der Ringe, Age of Conan noch Warhammer Online und wie sie alle heißen. Und auch das so gelobte Rift war zumindest nach meiner Definition nichts weiter als ein WoW-Clon, auch wenn mir jetzt sicher einige Spieler der genannten Spiele widersprechen wollen! Vielleicht sollte ich noch kurz erwähnen, dass ich zumindest eine halbwegs gute Technik, Grafik und Spieleranzahl voraussetze, nicht das mir jetzt einer noch das Browser-MMO XY empfehlt!
Ich muss folgendes noch einmal betonen: Ich will nicht den kompletten MMO-Markt in diese Richtung verbiegen. Aber ich will Gott verdammt noch mal, dass es nicht NUR Spiele gibt, die nach dem WoW-Schema ablaufen. Es kann doch nicht sein, dass ich der einzige Mensch auf dieser Welt bin, der dieses Spielprinzip satt hat.
Nun ja, die Singleplayer sind ja auch nicht anders. Hier haben wir das gleiche Problem mit dem Kredo, dass alle wie Call of Duty sein wollen. Vielleicht ist das Problem einfach, dass Computerspiele mittlerweile ein Massenmarkt in einer Marktwirtschaft sind und kaum ein großer Hersteller das Risiko eingehen möchte irgendetwas Neues auszuprobieren oder etwas zu revolutionieren. Da bring ich lieber Ego-Shooter 08/15 Nummer 20 raus, als mal irgendetwas Innovatives zu versuchen mit der Gefahr, dass ich damit auch scheitern kann. Irgendwie ja auch verständlich, denn wir Käufer sind ja auch kein einfacher Haufen und als Unternehmeschef würde ich auch nicht riskieren wollen, dass die Millionen meiner Aktionäre plötzlich weg sind.
Ich könnte ja jetzt sogar so weit gehen und den Automarkt aufzählen, in dem es in den 80er auch noch charakteristische Marken gab, die heute alle zu einem Einheitsbrei verschmolzen sind und sowohl dem sportlichen 18-Jährigen als auch dem konservativen 60-Jährigen gleichermaßen gefallen muss.
Aber bleiben wir doch einfach mal bei den Spielen. Meine ursprüngliche Frage war ja, ob der MMO-Markt verdorben und somit verloren ist. Ich sehe da nur noch einen Ausweg. Nachdem die großen Spieleentwickler und Publisher den Markt nicht mehr oder nur sehr einseitig bedienen können und/oder wollen, zeigen die ganzen Indie-Entwickler und Kickstarter-Projekte, dass die Spielegemeinde doch auch etwas anderes möchte und dankend annimmt. Auch ich habe in den letzten Wochen und Monaten aus dieser Ecke einen kleinen Lichtblick entdeckt und zumindest einige interessante Titel gesehen.
Vielleicht finanzieren sich ja zukünftige revolutionäre Projekte auf diesem Weg. Richtige Innovation scheint ja schon jetzt nur noch aus dieser Ecke zu kommen.
Irgendwie ist ja sowieso die ganze Spielebranche im Umbruch. Ich will nur hoffen, dass sich die MMOs nicht weiter zu einem uninspirierten Einheitsbrei entwickeln und irgendwie untergehen.
Ich dachte Anfang des Jahrtausends eigentlich, dass die MMO die Zukunft der Spielewelt sind und alles revolutionieren werden. Doch seit 2005 wird auf der Stelle getreten. Vielleicht gilt ja auch weiterhin, dass nur ein Blizzard Spiel Blizzard schlagen kann. Doch das habe ich irgendwie auch schon aufgegeben…