Ich werd hier im Forum eh immer als linker Ideologie-Spinner bezeichnet, also kann ich ja noch eins draufsetzen: Ich bin entschiedener Gegner jeder Privatisierung. Da muss man sich nur mal angucken, was bei der Bahn abgeht. Endlose Tarifverhandlungen, drohende Streiks der Gewerkschaft der Lokführer, endlos überteuerte Tickets. Vom Winter dieses Jahr will ich erst gar nicht reden. Und das Bahnprojekt in Stuttgart ist zumindest mal zweifelhaft. Alles wird Sparmaßnahmen unterworfen. Die Leidtragenden sind halt die Arbeitnehmer. Denen wird zuerst das Gehalt gekürzt, zuerst der Vertrag in Zeitarbeit umgewandelt.
Das gleiche in Krankenhäusern. 7 Patienten in einem Zimmer, wo hochgradige Infektionsgefahr herrscht. Schlechte Betreuung durch Schwestern, mangelhafte Fachkenntnisse der Ärzte, totale Überlastung des Personals etc. Ich könnte ewig so weitermachen. Ich kenn mich da einigermaßen aus, weil ich schon an die sieben OP's hatte und ich teilweise den Ärzten erklären musste, was sie zu tun haben und was ich eigentlich hab. Meine Freundin ist Kinderkrankenschwester, die kann ein Lied davon singen.
Aber - komisch - das findet man nur in privaten Kliniken. Bei Krankenhäusen, die einen kirchlichen Träger haben, wird man noch einigermaßen gut behandelt.
Es sagt ja einiges, dass man in Holland deutsche Patienten erst mal unter Quarantäne stellt, völlig egal, was in Deutschland festgestellt wurde.
Und auf die Arbeitsmarktsituation hat das natürlich gravierenden Einfluss. Würde ich Physik studieren, würde ich sicherlich nicht später bei einer Firma für 1900 Brutto arbeiten, mit einem Vertrag auf zwei Jahre. Wie soll ich da mit meiner Freundin zusammenziehen und ein Haus abbezahlen? Wie soll ich ein Auto bezahlen? Das ist doch alles völlig unmöglich. Deswegen geht fast jeder Ingenieur, Physiker, Chemiker nach dem Diplom (ääääh, MASTER! Ah, wieder ein Beispiel...) ins Ausland. Hier haben wir also unseren "Fachkräftemangel". Naja, der Ausländer machts halt auch für 1500 Euro.
Und um den Anschluss ans Thema wieder zu finden: Klar gibt es einige Deppen, die zu blöd oder zu faul sind, sich auf irgendwas zu bewerben. Aber sicherlich nicht der Bärenanteil. Dass der Arbeitsmarkt so schlecht ist, ist ein Problem der Politik und nicht des Arbeitnehmers. Das hat mit dem Anspruch auf Urlaub nichts zu tun. Und 25 Tage sind einfach zu wenig. Meine Freundin arbeitet immer 14 Tage durch und kriegt dann drei Tage, manchmal nur zwei Tage frei. Dazu kann sie problemlos durch eine kurze Unaufmerksamkeit ein Medikament vertauschen und dem Patienten gehts dann sehr schlecht. Fehler passieren überall. So eine Verantwortung haben nur wenige Menschen. Und dafür dann eine solche Bezahlung. Eigentlich schon eine echte Frechheit. Obwohl sie am heutigen Standart als Frau nicht schlecht verdient...
Also ich weiß ganz genau, warum ich studiere. Und ich gehe danach sicher nicht in die Wirtschaft. Der Besoldungsrechner spuckt eine leckere Prognose aus.