Prism + Tempora

Yalda

Rare-Mob
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Wohnst du noch, oder überwachst du schon?Hallo ihr Lieben und hallo auch liebe Abhörexpertinnen und Experten an den Abhörschüsseln zuhause!

Was sind wieder alle aufgeregt! Abhörskandal hier, Abhörskandal da – und unsere Kanzlerin steht da wie Lieselotte Weißvonnix und faselt was vom Internet „Neuland“.

Ui, jetzt ist es auf einmal wieder Neuland und keiner hat Ahnung von diesem mysteriösen Onlinegeflecht, aber wehe irgendwo liegt eine Kopie eines Onlinespiels im Zimmer eines potentiellen Verdächtigen herum, DANN sind sie wieder alle Experten und wissen Bescheid über diese tollwütigen Pixel und so. Sind wahrscheinlich sogar geimpft gegen diese gefährliche MMORPGitis, die aus potentiellen Wählern potentielle Nicht-Wähler macht. Ganz krass gefährlicher Scheiß! Da hilft nur noch eins: Fangen und aufessen!

Ich hoffe an dieser Stelle ja, dass diese komischen Kuppeldinger bei uns um die Ecke in Bad Sassendorf keine Biogasanlagen sind, sondern auch Abhörschüsseln- denn mal ehrlich, wie peinlich ist denn das? Alle Welt hört ab, nur wir nicht? Oder sitzen unsere Abhörexperten noch vor den Türen der vertraulichen Konferenzen und hören mit einem umgedrehten Glas ab? Bitte, Snowden, oute uns auch als Abhörnation– ich mag nicht in einem technisch zurückgebliebenen Land leben!

Spaß beiseite. Das einzige was mich an diesem Abhörskandal noch erschreckt ist die Tatsache, DASS er so viele Leute erschreckt. 2003 haben wir in der Schule 1984 gelesen, woraufhin ich ein Referat zu modernen Big Brothers gehalten habe. Damals war der Patriot Act gerade frisch auf dem Tisch und ich dachte mir: wenn die Amis schon ihre eigenen Landsleute so abhören, dann tun sie das sicherlich auch international. Und bitte, wir machen ihnen das Abhören ja auch so verdammt einfach, in dem wir unser Privatleben ins Web pusten. (Ja, mir ist bewusst, dass auch ich das hier gerade ins Web puste.)

Ich achte immer sehr penibel darauf, was ich ins Netz stelle und was nicht – leider gehen einige Bekannte weniger sorgfältig damit um und so tauche ich gegen meinen Willen manchmal auf Facebooklisten zu Klassentreffen auf, die nicht auf privat geschaltet sind. Auch versuche ich ständig, meine Anschrift aus Onlinetelefonbüchern auszumerzen – in erster Linie, weil ich da gar nicht mehr wohne, aber trotzdem: ich habe damals bei der Anmeldung meines Telefonanschlusses darum gebeten, nicht in Telefonbüchern gelistet zu werden. Wie also kommt das trotzdem zustande? Datenhandel. Den gibt es. Wer jetzt Schuld ist, keine Ahnung. Vermutlich Amazon – ihr wisst noch, wie ich plötzlich Post von der GEZ für mein Internetpseudonym, bekommen habe? Ja. Was hatten wir alle Spaß.

Privatleben ist inzwischen etwas, was nicht mehr selbstverständlich ist. Wenn ich außerhalb der eigenen vier Wände bin und sehe, wie die ganzen Smartphonezombies um mich herum wild auf ihre Geräte einhämmern und sich gegenseitig fotografieren und filmen, dann wünsche ich mir manchmal eine EMP- Granate herbei. Aus reiner Notwehr. Ich mag nicht, dass ich vermutlich auf X-tausend Handyfotos irgendwo im Hintergrund zu sehen bin, ohne überhaupt davon zu wissen. Von Überwachungskameras ganz zu schweigen.

Die Gesetzeslage des Persönlichkeitsrechtes ist für einen Laien wie mich oft zu kompliziert zu durchschauen und ich habe eine Ahnung, wie ich rechtlich gegen so etwas vorgehen könnte.

Wäre ja alles halb so wild, wenn ein Teil dieser Bilder nicht wieder ins Internet gestellt würden und es so Optionen wie „Petzen“ gibt, bei denen dann Leute die mich kennen, dem allmächtigen Internet verraten, dass ich auf dem Foto drauf bin.
So hilft jeder mit, Privatsphäre noch ein kleines bisschen mehr zu zerbröseln. Bald teilen sie Abhörschüsseln an Privathaushalte aus, Microsofts neue Konsole bekommt NSA Fördergelder und vielleicht macht die Stasi auch bald wieder auf.

Denn hey, solange damit Terroranschläge verhindert werden, ist es ja okay, oder?

Spoiler
Nein es ist nicht okay, das war Sarkasmus. Verdammteaxtnocheins.

 
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