Abrigar der Drachengeborene
Teil 1: Heyl
Teil 1: Heyl
So lasst euch erzählen eine Mär aus längst vergessenen Tagen, als Drachen noch die Weiten des Himmels bevölkerten, böse Gestalten im Dunkeln agierten, mächtige Bünde die Welt beherrschten und edle Helden durch die Lande streiften. Dies ist die Geschichte von Abrigar, dem Drachengeborenen, dem Bezwinger von Zartsanom dem Schwarzen.
Dicht und unheilvoll wabbert der Nebel über die Ebene. Schweren Schrittes bahnt sich eine vermummte Gestalt ihren Weg durch den morastigen Boden. Um die tief ins Gesicht gezogene Kapuze wehten lange schwarze Haare im Wind, und der Umhang blähte sich unter seiner Kraft auf. Plötzlich tauchten wie aus dem nichts, die Schatten einiger Gebäude aus der Dunkelheit auf, und der Mann schleppte sich erschöpft in ihren Windschutz. Nach einem kurzen durchatmen machte er sich daran die engen Gassen zu erkunden. Die schmalen Gassen waren nur spärlich beleuchtet, und tauchten die Gegend in ein schummriges Licht aus tanzenden Schatten.
Ein leises Patschen, wie als wenn ein Fuß vorsichtig auf matschigen Boden gestellt wird, ließ den Mann anhalten. "Gib mir all dein Gold und den Ring an deinem Finger." Sagte eine bedrohliche Stimme hinter ihm. Langsam drehte er sich um, und erblickte eine kleinere dunkle Gestalt vor sich. "Los, gib es her!" sagte die Gestalt, nun noch fordernder, "Gib es mir, oder ich stech dich ab!"
"Du wärest tot, ehe dein Körper den Boden berühren würde." Sprach der Mann ruhig,
und in dem schwarzen Loch, wo normalerweise das Gesicht sich befände, begannen zwei Punkte bedrohlich zu glühen. "Du machst mir keine Angst du mickriger Magier!" sagte der Dieb und fuchtelte nun noch erregter mit seinem Dolch. Schneller, als der Dieb es ihm zugetraut hätte, erhob der Mann seine rechte Hand, und ein Pfeil aus knisterndem Eis rammte sich in seinen Hals. Der Dolch fiel mit einem leisen Geräusch in eine Pfütze und der Schurke fasste sich mit ungläubigen Augen an den Hals. Leise röchelnd, sank er in die Pfütze neben seinem Dolch, die Hände an seinen Hals gefroren. Er versuchte noch etwas zu sagen, aber dann hob der Magier erneut seine Hand und murmelte einige Worte. Daraufhin verschwand der Pfeil, und die Wunde heilte augenblicklich. Der Magier drehte sich um und ging weiter die enge Gasse entlang.
Vorsichtig erhob sich der Schurke und sah verwirrt der düsteren Gestalt nach, die schon am Ende der Gasse angelangt war. Es kam ihm vor, als ob die Schatten ihn umfängen, mit ihm spielten, seine Gestalt verhüllten, und dann war er verschwunden.
Lautes Gegröle und Gelächter schallte ihm entgegen, als er die breite Eichentür des Gasthauses aufstieß. Niemand beachtete ihn sonderlich, jeder war in Gespräche vertieft, oder hing selig schlafend über seinem Tisch. Abrigar suchte sich einen etwas Abseits gelegenen Tisch in einer dunkleren Ecke und setzte sich hin. Keine drei Herzschläge später stand schon eine der Schankdirnen an seinem Tisch und fragte ihn fröhlich was er den bestellen möchte.
"Bring mir das Tagesgericht und einen Humpen Bier." Sagte er matt. Schwungvoll drehte sich das Mädchen um und eilte schnellen Schrittes in die Küche.
Stumm blickte Abrigar durch den Schankraum. Er war klein und schmutzig, aber immerhin war es hier warm und trocken. Seine innere Stimme gebot ihm doch endlich den nassen Umhang abzulegen, aber sein Aussehen hätte jedem hier in der Schänke schon gereicht um ihn anzugreifen. Im gleichen Augenblick kam die Bedienung zurück, und lies eine Schüssel voll Hafergrütze, eine dicke Scheibe Brot und eine Scheibe Schinken auf seinem Tisch zurück. "Das Bier bringe ich euch sofort." Trällerte sie fröhlich.
Missmutig begutachtete Abrigar seine Mahlzeit. "Naja, immerhin ist es etwas Warmes." Dachte er sich. Ein leises, forderndes Fauchen ertönte aus seiner Tasche. Und kurz darauf streckte sich ein kleiner schuppiger Kopf unter der Abdeckung hervor. "Vergiss mich nicht, ich habe auch Hunger." Erklang eine echsenartige Stimme in seinem Kopf. "Ich habe dich nicht vergessen mein kleiner Freund." Dachte Abrigar, und schnitt mit seinem Dolch ein beachtliches Stück des Schinkens ab, und lies es heimlich in seine Tasche gleiten.
Fast augenblicklich später, vernahm er ein zufriedenes Schmatzen.
Nach dem Abrigar sich gesättigt und zufrieden den Bauch gerieben hatte, ging er auf den Wirt zu, und erkundigte sich nach einem Zimmer für die Nacht.
"Das erste Zimmer rechts ist frei." Sagte der Wirt, "das macht dann zwei Silberlinge." "Ist das ausreichend?" fragte Abrigar den Wirt, und legte ein Goldstück vor ihn auf den Tresen. Der Wirt bekam große Augen, und prüfte sogleich die Echtheit des Goldes mit einem Herzhaften Biss. Abrigar verschwand unterdessen unter den gierigen Blicken einiger Schänkenbesucher in sein Schlafgemach. Denn nie zuvor, hat ein Mann in dieser Gaststätte mit purem Gold bezahlt, nie seit Menschengedenken.
Das Zimmer entpuppte sich als spartanisch eingerichteter Raum, mit einem kleinen verdreckten Fenster, einem wackligen Tisch, einem Schemel und einem Bett, das aus einer löchrigen Matratze und einem klapprigen Gestell bestand. In dem kleinen Kamin flackerte ein winziges Feuer, das den Raum in einen Spielplatz der Schatten verwandelte. "Na ja, besser als noch eine Nacht in dieser verfluchten Kälte zu verbringen." Dachte er sich, und legte seine große Umhängetasche ab, aus der sogleich ein kleiner Lindwurm Richtung Kamin entfloh.
Langsam streifte er sich den mittlerweile fast trockenen Reiseumhang ab, und legte ihn über den kleinen Schemel, den er näher an das Feuerchen geschoben hatte.
Nun endlich, erkannte man sein Gesicht. Eine lange Narbe zog sich über seine rechte Gesichtspartie, sie zeugte von einem nur knapp abgewendeten grausigen Tode.
Nach menschlichen Eindrücken, und seinem Aussehen zu urteilen, war er nicht mehr als zwanzig Jahre alt. Doch dieser Eindruck trog. Denn unter der grauen Haut, floss das Blut eines Drachens heiß durch seine Adern. Denn er war ein Spross einer Verbindung aus einem schwarzen Drachen und einer Haridra, einem Wesen der Nacht. Einer Elfenrasse, die tief unter der Erde lebte, regiert von einer uralten Matriarchin, deren Sohn er ist. Sein Erbe war die unvorstellbare Macht der Drachen und der Haridra, jedoch auch die ewige Einsamkeit und der brennende Hass, den die anderen Rassen die Alindor ihr zu hause nannten, den Drachen und Haridra entgegen brachten.
Das leise Schnaufen seines Vertrauten, zeigte Abrigar, das der kleine Lindwurm sich schon in einem tiefen Schlaf befand. Abrigar setzte sich auf sein Bett, streifte die schweren Wanderstiefel ab und legte sich ebenfalls zur Ruhe. Er versuchte wenigstens ein paar Stunden zu ruhen.
Abrigar hatte gerade die Augen geschlossen, als er von dem dezentem Knarren der Bodenleisten geweckt wurde. Er richtete sich leise in seinem Bett auf und lauschte. Von draußen vor der Tür drang ein Flüstern zu ihm herein, und er wusste, kein Mensch hier würde, wenn er sich zur Ruhe begeben wollte, auf ihn Rücksicht nehmen und leise an der Tür zu seinem Zimmer vorbei gehen.
Also konnte dies nur eines bedeuten... Diebe. Schurken, die es auf sein Gold abgesehen hatten. Und er schalt sich Selbst einen Dummkopf, da er ja unbedingt mit Gold hatte zahlen müssen. "Nunja, jetzt ist es zu spät." Dachte er sich, und löschte das Licht einer Petreuliumlampe mit einer raschen Handbewegung. Langsam knarrend öffnete sich die Türe, und ein Mann trat vorsichtig in das Zimmer. Er konnte nichts sehen, außer zwei bedrohlich leuchtenden tiefroten Punkten in der Dunkelheit. Plötzlich, tauchte wie aus dem nichts eine violett glühende, geschwungene Klinge auf, und drang in die Brust des ersten Schurken ein.
Der Getroffene sank auf den Boden, und der nächste rückte heran. Dieser stolperte jedoch über die Leiche seines Freundes und fiel, durch den Schwung, den sein Freund ihm gab, denn dieser drängte sich auch durch die Türe, hart auf den Boden. Blitzschnell sprang ein kleiner Schatten auf seinen Rücken und trieb seine kleinen, scharfen Krallen in dessen Hals. Kleine, spitze Reißzähne rissen und zogen an seinem Fleisch. Der Mann schrie mit Leibeskräften, wurde aber durch einen schnellen Hieb von Abrigar zum Schweigen gebracht.
Abrigar murmelte einige Worte, die der letzte Angreifer nicht verstand, und der Raum wurde wieder vom Licht erhellt. Mit bleichem Gesicht und um Hilfe schreiend rannte der letzte Schurke die Treppe hinunter in den Schankraum, und Abrigar hinterher.
Auf der Hälfte der Strecke hielt Abrigar an, und wirkte einen hastigen Illusionszauber, der seine Hautfarbe änderte, denn Dank seines Erbgutes war diese Grau, ja schon beinahe Mitternachtsschwarz.
Im Schankraum angekommen, sah er gerade noch, wie der Gauner aus der Tür rannte.
Die verbliebenen Gäste schauten verwirrt zu Abrigar, wie er am Ende der Treppe stand, Mord im Blick und mit Blut auf seinen Gewändern. Abrigar sprach ein Wort, und seine Klinge verschwand wieder ins Nichts, aus der sie entstanden war. Anschließend, schloss er die Augen und wirkte einen Zauber. Die Erde bebte, der Boden der Schänke brach auf und ein geflügeltes Wesen erschien vor den entsetzten Besuchern des Gasthauses. Abrigar sprach einige Worte, und das Wesen flog aus der Tür und dem letzten unglückseligem Mann hinterher. Einige Minuten später hörte man einen gequälten Schrei, der abrupt verstummte, und die Anwesenden wussten, dass auch der letzte Dieb ein grausames Ende genommen hatte.
Mit einem zufriedenen Grinsen wollte Abrigar wieder in sein Zimmer gehen, als der Wirt, der von irgendwo her ein Langschwert in den Händen hatte, plötzlich rief: "Halt! Bleib stehen du Mörder."Abrigar drehte sich langsam um, und spießte den Wirt mit einem wütendem Blick auf. "Du nennst mich einen Mörder?" Fragte er ruhig.
Er hob seine Hand, und fast augenblicklich roch es nach verbranntem Fleisch. Der Wirt ließ entsetzt das glühend heiße Schwert fallen und fasste sich an seine Kehle. Irgendetwas schnürte ihm die Luft ab. Er konnte kaum noch atmen. Gemächlichen Schrittes ging Abrigar auf ihn zu. "Du nennst mich einen Mörder?" Fragte er erneut. "Dann solltest du dir in Zukunft deine Gäste besser aussuchen. Denn diese drei Männer, wollten mich im Schlafe töten und sich mein Habe unter den Nagel reißen." Sprach Abrigar mit bedrohlicher Stimme.
Aprubt lies Abrigar den Wirt wieder los, und dieser krachte auf den Boden hinter dem Tresen. Der Dämon kehrte mit blutigen Fängen und Klauen zurück, und sprang auf ein Wort von Abrigar wieder zurück in das Loch, aus dem er kam. Das Loch aus dem der geflügelte Schrecken entstiegen war, schloss sich wieder, und die dicken Holzbohlen sahen aus wie zuvor.
Gemächlichen Schrittes ging Abrigar zurück in sein Zimmer, wo noch immer die Leichen der beiden anderen Möchtegernbanditen lagen. Als er sie genauer untersuchte, fiel ihm eine Tätowierung am rechten Handgelenk auf. Es war ein Kreis, in dem zwei gekreuzte Dolche auf einer Flamme abgebildet waren. Abrigar nahm ein Stück Pergament, und zeichnete das Symbol ab. Es kam ihm irgendwie bekannt vor. Anschießend hob er beide Hände gen Himmel und sprach eine einzige Silbe der Abscheu und des Todes. Urplötzlich gingen die beiden Körper in Flammen auf und hinterließen nicht einmal Asche. Erschöpft aber zufrieden legte er sich wieder in sein Bett und schlief die Nacht ungestört durch, denn nach seiner Vorstellung im Schankraum wagte es keiner mehr laut zu grölen oder gar sich mit ihm anzulegen.
Lautes Geschreie weckte Abrigar. Vor der Schänke schien sich eine große Menschenmenge versammelt zu haben. Abrigar stand auf und blickte aus dem Fenster. Auf dem großen Dorfplatz vor dem Gasthaus, hatte sich ein johlender und schrill kreischender Mob von Menschen eingefunden, der anscheinend einen Scheiterhaufen errichtete. Abrigar wendete sich von dem kleinen Fenster ab, und begann sich wieder anzukleiden. Sein kleiner Vertrauter, der Lindwurm Drax, öffnete eines seiner kleinen, kristallklaren Augen, und blickte missgelaunt zu ihm auf. "Was ist den da draußen für ein Lärm?" Erklang eine fragende Stimme in Abrigars Kopf. "Die Menschen wollen anscheinend wieder einmal eine Hexe brennen sehen, und werden dennoch nie eine echte vernichten. Aber es ist trotzdem ein wirksames Mittel, sich einer unangenehmen Person zu entledigen." Gab er zurück.
Abrigar forderte seinen Vertrauten auf sich wieder in der Tasche zu verkriechen, und der kleine Lindwurm kam dieser Bitte mit leichtem Widerwillen nach. "In dieser Tasche stinkt es! Ich glaube es ist die getrocknete Dämonenklaue, die du schon seit geraumer Zeit mit dir herumschleppst." Foppte ihn der Drachling.
Abrigar schnallte sich seinen breiten Ledergürtel um, und steckte seinen unterarmlangen Dolch wieder in denselben. Mit einem schnellen Griff schnappte er sich seine Tasche und den Umhang, und verlies das Zimmer. Im Gang warf er sich seinen Umhang um und stieg festen Schrittes die Treppe zum Schankraum hinunter.
"Guten Morgen mein Fürst." Begrüßte ihn der Wirt mit vorsichtiger Stimme. "Ich möchte mich für den gestrigen Vorfall bei euch entschuldigen. Wie kann ich das wieder gut machen?"
"Indem ihr mir ein gutes Frühstück, und ein Stück rohes Fleisch auftragt." Sprach Abrigar fröhlich, und er spürte das Verlangen seines Vertrauten nach dem Stück Fleisch.
"Eine ungewöhnliche Bestellung Herr, aber ich werde ihr nachkommen. Nehmt doch Platz, ich bin gleich zurück."
Abrigar setzte sich an den Tisch, an dem er letzte Nacht auch gesessen war, und holte Drax aus seiner Tasche. "So Kleiner. Nun kannst du mal an der frischen Luft essen." Sagte er grinsend, während der Drachling seine kleinen Flügel spreizte und den Tisch begutachtete.
Wenig später kam der Wirt mit einem schwer beladenen Tablett zurück. "Was soll ich mit dem rohen Fleisch machen, Herr? Ich denke mal nicht, dass ihr es essen werdet." Fragte der Wirt Abrigar. "Gebt es ihm." Sagte Abrigar und deutete auf den breit grinsenden Drax.
Zuerst erschrak der Wirt, nahm aber dann einen kleinen Teller und stellte ihn dem Lindwurm hin, welcher sich sofort daran machte das Fleisch zu verschlingen.
"Was ist denn da draußen los?" Fragte Abrigar den Wirt, ohne von seinem Frühstück aufzuschauen. "Sie haben einen Dieb gefangen, um genauer zu sein einen Meuchelmörder. Die Wachen haben ihn auf frischer Tat ertappt." Plapperte der Wirt drauf los. "Was wisst ihr sonst noch über diesen Assasinen?" Setzte er sein Verhör fort. "Nichts über seine Person, ich kenne ihn nicht, aber ich weiß, welchem Bund er angehört. Sie nennen sich die Blutfalken, sie jagen und töten jeden Magier oder jedes magische Geschöpf, das ihnen begegnet, oder dass sie ausfindig machen können. Sie haben ein Symbol, es beschreibt einen Kreis, in dem zwei blutende Dolche auf einer Flamme eingeschlossen sind." "Etwa dieses Symbol?" Bohrte Abrigar nach, und reichte dem Wirt das Stück Pergament, auf dem er in der Nacht zuvor die Tätowierung skizziert hatte.
"Wo habt ihr das her?" Fragte der Wirt verdutzt. "Das ist das Symbol, ohne Zweifel." "Einer der Unruhestifter von gestern Nacht, hatte so eine Tätowierung auf seinem rechten Armgelenk, und ich vermute mal die anderen zwei ebenfalls." Sagte Abrigar nun ernster und blickte den Wirt aus dem Augenwinkel her an. "Dann hattet ihr ungemeines Glück mein Herr, denn nur die jüngeren und unerfahrenen dieses Bundes tragen diese Tätowierung am rechten Armgelenk. Später, wenn sie älter und erfahrener sind, wird ihnen dieses Symbol mit einem glühenden Eisen rausgebrannt." Erklärte ihm der Wirt.
"Ihr wisst erstaunlich viel über diesen Bund. Wie kommt das?" fragte Abrigar nach. Der Wirt machte ein betretenes Gesicht, und zog dann mit Schwung den rechten Ärmel seines Hemdes nach oben. Auf dem rechten Handgelenk war eine große Narbe zu sehen, die von einer schweren Verbrennung zeugte. "Ich war einst ein Mitglied dieser Gilde. Damals, vor langer Zeit. Ich wage es sogar zu vermuten, dass die drei Männer von gestern, ursprünglich gar nicht hinter euch oder eurem Gold her waren. Sondern hinter mir. Ihr habt mir praktisch das Leben gerettet, mein Herr." Bedankte sich der alte Wirt.
Drax, der anscheinend Vertrauen zu dem alten kauzigen Wirt gefunden hatte, kroch näher und roch an dessen Handgelenk, nur um gleich wieder niesend hinter dem Tablett zu verschwinden. Abrigar und der Wirt lachten, beide hatten zueinander Vertrauen gefunden.
Doch dann stellte der Wirt die Frage, die Abrigar die ganze Zeit befürchtet hatte.
"Mein Herr. Bitte verzeiht mir die Frage, aber wer oder was seid ihr, dass ihr mit einem Drachling in der Tasche durch die Lande zieht, solch geflügelte Schrecken beschwört und mein Schwert innerhalb von Sekunden zum glühen bringen könnt?"
"Ich?" Fragte Abrigar, "ich bin das!" und er zog sich mit einer blitzschnellen Bewegung die Kapuze vom Kopf. "Ich bin das, was ihr am ehesten mit einer Inkarnation des Bösen betiteln würdet. Doch seht, ich habe weder euch, noch den anderen Gästen etwas angetan. Nur denjenigen, die mir selbst Böses wollen." Sagte Abrigar mit fester Stimme.
Vor lauter Schreck stieß der Wirt den Stuhl um, auf den er sich gesetzt hatte, und blieb mit offenem Mund stehen. Wenige Augenblicke später hatte er sich wieder gefasst und sagte: "Mir soll es recht sein. Ihr habt mich vor grausamer Folter und dem Tode bewahrt, in meinen Augen seid ihr ein Freund, kein Feind." "Habt Dank für diese Worte." Sagte Abrigar, und zog sich die Kapuze wieder über den Kopf.
Schweigend beendete Abrigar sein Mahl, und der Wirt trug das leere Tablett und den Teller wieder zurück in die Küche. Wenig später kam der Wirt wieder, und trug einen ledernen Beutel an Abrigars Tisch. "Hier ist etwas Proviant für eure Reise. Ein dickes Stück Schinken, ein Laib Brot und etwas Käse. Mehr kann ich euch nicht geben." Sagte der Wirt. "Ich bin euch zu Dank verpflichtet. Hier nehmt dies." Sprach Abrigar, und gab dem Wirt seinen Ring.
"Der Ring sollte eure Ausgaben für die nächsten Wochen spielend decken. Falls ihr ihn verkaufen solltet. Doch rate ich euch es nicht zu tun, denn er besitzt magische Fähigkeiten, und wird euch vor vielen Widrigkeiten schützen." Riet Abrigar dem Wirt.
Mit großen Augen sah der Wirt den Ring an, und bedankte sich übermäßig bei Abrigar, dass er ihm so ein Geschenk machte. Abrigar nahm seine Tasche, steckte, den sich aus Leibeskräften wehrenden Drax, wieder hinein, und ging durch die Schänkentür nach draußen auf den Marktplatz.
Auf dem Platz herrschte ein dichtes Gedränge. Dicke Menschentraube drängten auf die Mitte des Marktplatzes zu. Dort erhob sich ein großer, säuberlich errichteter Scheiterhaufen, aus dem ein dicker Pfahl ragte. "Mal sehen, was die mit dem Scheiterhaufen vorhaben." Dachte sich Abrigar, und schloss sich einer Gruppe von Bauern an, die gerade an der Schänke vorbeigingen. Langsam drängelte sich Abrigar durch die Menge. Ein, in oppulent ausgestatteten Seidengewänder gekleideter Mann, stieg die Stufen zu einem kleinen Potest hinauf, dass vor dem Scheiterhaufen errichtet worden war. Der Mann, hob nur leicht die Hand, und urplötzlich war der Mob ruhig. Man hörte nicht das leiseste Flüstern, nur den Wind, der durch die Gassen und Bäume rauschte. "Bürger von Heyl, heute wollen wir Gerechtigkeit üben, die Gerechtigkeit unserer Götter und unser aller König Wulfgar." Sagte der Mann, den Abrigar mittlerweile als Priester des Phanteon erkannt hatte, laut. Die Priester... Abrigar hatte schon mit einigen zu tun, und jeder dieser Priester war ein intriganter Mensch. Nur auf die Mehrung seiner eigenen Macht scharf.
"Gerechte und ehrbare Bürger haben zusammen mit der Stadtwache, vor einigen Tagen einen ruchlosen und grausamen Meuchelmörder gefasst. Wir die Priester, Erleuchtete der Götter, durch den König zu Richtern der Gerechtigkeit berufen, haben ihn vernommen und ihn zum Flammentod verurteilt." Sprach der Priester mit mächtiger Stimme, und einige in den vorderen Reihen begannen vor ihm zurückzuweichen.
Selbst Abrigar spürte die göttliche Macht, die von dem Mann in den lächerlichen Kleidern ausging. Aber etwas war anders. Die Magie, die der Mann verströmte, fühlte sich nicht flüssig an, eher brackig wie öliges Wasser. Abrigar erschuf in seinen Gedanken einen Schutzwall gegen dieses Gefühl, da es ihm Unbehagen bereitete.
"Bringt den Gefangenen!" rief der Priester laut, und fast augenblicklich teile sich die Menge, um einen kleinen Wagen passieren zu lassen. Auf der Ladefläche war ein eiserner Käfig, in dem eine kleine schwarz gewandete Gestalt kauerte. Während der Wagen durch die Menge geschoben wurde, hörte Abrigar immer wieder Rufe und Flüche, die an den Gefangenen gerichtet waren. Kurze Zeit später, stand der Wagen samt Wachsoldaten vor dem Podest.
"Holt den Verurteilten da raus, und bindet ihn an den Pfahl." Befahl der Richter mit einem triumphierenden Unterton in der Stimme.
"Die Blutfalken werden sich dafür rächen, Theorad!" Schrie der Asassine laut, und der Priester brachte ihn mit einer schnellen Handbewegung zum Schweigen. "Das wird ja doch noch richtig interessant." Dachte Abrigar. "Mal sehen wie es weitergeht."
Der Verurteilte wurde grob von den Wachen gepackt und auf den Scheiterhaufen gezerrt. Dort angekommen wurden ihm die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden, und sein Körper an den Pfahl gefesselt. Abrigar, dem immer unwohler in seiner Haut wurde, baute ein geistige Verbindung zu den Gedanken des Gefangenen auf, und bemerkte, dass seine geistige Abwehr gebrochen war, allein schon dass machte Abrigar stutzig. Denn wenn dieser Mann tatsächlich ein Mitglied der Blutfalken war, dann müsste er doch starke geistige Mauern in seinem Verstand errichten können, um effektiv gegen Magier vorgehen zu können. Aber was er hier sah, war eine Ruine, im Vergleich zu einem gesunden Verstand. Er sah die Spuren eines gewaltsamen Eindringens in seinem Geist, und das bisschen Magie, falls man es so nennen konnte, war aus dem Verstand des Mannes herrausgebrannt worden. Er würde nie wieder völlig gesund werden. Nie wieder könnte dieser Mann die Gildeneigene Magie anwenden. Abrigar begann darin zu lesen wie in einem offenem Buch. Das, was er dort entdeckte, raubte ihm schier den Atem. Man konnte es nicht mit Worten beschreiben, was dieser junge Mann gesehen, geschweige denn erlebt hatte. In den Gedanken fand Abrigar auch den Grund für das gesamte Spektakel hier. Ein nichtiger Grund wie ihm schien. Es diente nur dazu, um gegen die Blutfalken zu hetzen. "Ich habe selbst nicht viel übrig für diese Gilde, vor allem seit letzter Nacht nicht. Aber dennoch, was hier vor sich geht ist nicht recht." Dachte Abrigar, und er spürte die Zustimmung seines Vertrauten, der wie wild in seiner Tasche herumtobte, denn auch er hatte gesehen, was Abrigar sah.
"Und nun, werde ich das Urteil vollstrecken. Brenne du elender Bastard und Mörder. Brenne und mögen sich die Götter deiner Seele als gnädig erweisen." Rief er laut und inbrünstig. Aus der Handfläche des Priesters schossen dünne Flammen, die das Ölgetränkte Holz augenblicklich in Flammen aufgehen ließen. "Ein Priester der zerstörende Magie wirkt?" fragte sich Drax in Abrigars Geist. "Das kann es doch gar nicht geben. Da stimmt etwas nicht. Abrigar mein Freund, du musst etwas tun. Denn das was wir in dem Geiste dieses Mannes gesehen haben, kann und darf nicht sein."
"Du hast mal wieder Recht mein schuppiger Freund." Dachte Abrigar und erhob seine Hände.
Leise begann er ein Netz aus Magie zu weben, immer stärker pulsierte die Magie um ihn herum, und er befürchtete, dass der Priester es bemerken müsste, doch der Mann starrte nur mit fasziniertem Blick auf das sich ausbreitende Feuer.
Abrigar fühlte wie sich der Zauber ausbreitete, und setzte ihn mit gen Himmel gehobenen Händen frei. Eine Welle aus reiner Magie bewegte sich über das Podest und den Scheiterhaufen, dessen Feuer auf der Stelle erlosch, und den Priester unsanft von den Beinen riss. Einen Herzschlag später, war Abrigar schon auf dem Scheiterhaufen und schnitt den bewusstlosen Blutfalken los. Er murmelte einige Worte der Macht, und diese Teleportierten ihn zurück in die Taverne, in der er zuvor so genüsslich gefrühstückt hatte.
Etwa zur gleichen Zeit, tief unter der Erde.
Langsam schleppten sich zwei gedrungene Gestalten durch die düsteren Gänge von Chrinarn. Vereinzelt erhellten Fackeln den Weg. Einige schwarz gefiederterte Pfeile zischten aus dem Dunkeln. Schnell näherten sich die todbringenden Geschosse den beiden Zwergen. Belador und Beladrin schleppten sich weiter, doch plötzlich schrie Beladrin unvermittelt auf, und sackte mit einem langen hölzernen Bolzen zwischen den Schulterplättern zusammen. Auch Belador fühlte einen Schlag in seinem Rücken, doch merkte, dass der Pfeil sich in seinem Schild gebohrt hatte, das er auf dem Rücken trug. Belador schrie auf, ob des Verlustes eines guten Freundes und Schlachtenbruders, er schrie seinen Kummer hinaus in die Weite der Gänge, während er versuchte der Gefahr zu entkommen.
Durch die neue Gefahr angespornt, rannte er um sein Leben. Laut schreiend näherte er sich dem Tor, das seine Rettung verhieß. Das Tor öffnete sich, und er sprang unter Mobilisierung seiner letzten Kräfte durch das halb geöffnete Tor. Dieses wurde sofort wieder geschlossen, und dennoch fanden einige Pfeile ihren Weg durch den sich schließenden Spalt. Glücklicherweise prallten nutzlos an der gegenüberliegenden Wand ab.
"Belador! Was ist geschehen? Wo sind deine Männer?" Fragte Morin Donnerschlag, Lord der Tiefen von Gol Chrinarn, als er den Zwerg vor sich stehen sah. Er blutete aus mehreren Wunden an Armen und Beinen, sein Kettenpanzer war an mehreren Stellen zerrissen. "Es sind Haridra, Herr." Sprach Belador leise mit zitternder Stimme. "Sie haben sich dem Dunklen angeschlossen. Dieser verdammte Drache hat mindestens vierhundert dieser Spitzohren um sich geschart." "Wir müssen ihm Einhalt gebieten." Sagte Morin. "Diese Brut darf sich nicht weiter ausbreiten. Sie halten schon die neunte und zehnte Tiefe besetzt. Wir dürfen nicht zulassen, das sie die Oberfläche erreichen. Holt die Priester und Schamanen, wir müssen unsere Ahnen befragen. Und du Belador mein teurer Freund, lass dich zusammenflicken, ich brauche dich an meiner Seite."
Belador nickte knapp, und ging, von einem Krieger gestützt in Richtung der Heiler davon.
Verwirrt schaute der Wirt Abrigar an, wie er da so vor ihm stand, mit einem bewusstlosen Blutfalken auf den Armen. "Kommt Herr, legt ihn dort auf den Tisch. Was ist mit ihm geschehen? Mir scheint, dass er derjenige war, der auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden sollte." Sprudelte es aus dem Wirt hervor. "Ja das ist er. Ihr solltet lieber die Türe und Fensterläden schließen Wirt, denn falls der Priester und dieser Mob da draußen mitbekommen, das ich ihn hierher gebracht habe, wird es heute mehrere Tote geben. Das kann ich euch versprechen." Sagte Abrigar finster. Eilig schloss der Wirt die Fenster, und verriegelte die Türe. "Kommt, wir bringen den Kerl rauf in eines der Gästezimmer, dort kann er wieder zu sich kommen." Sprach der Wirt, und nahm den jungen Mann auf die Arme. Dabei bemerkte Abrigar den mitleidigen Blick, mit dem der alte Mann den Blutfalken betrachtete, doch er sprach ihn nicht darauf an. Während der Wirt mit dem Bewusstlosen in den ersten Stock verschwand, hörte Abrigar wie der Mob auf dem Marktplatz immer lauter wurde, und vereinzelt vernahm er auch Flüche und Beschimpfungen. Denn ihnen wurde heute Blut versprochen, und darauf wollten sie nicht verzichten. Kurze Zeit später erschien die Stadtwache und räumte den Platz, worauf es wieder ruhiger wurde, man hörte nur noch die Marktschreier, wie sie ihre Waren feilboten.
Als der Wirt wieder in die Gaststube kam, warf Abrigar ihm einen fragenden Blick zu, und der Alte setzte sich mit einem großen Seufzer zu ihm an den Tisch. "Wie mir scheint, kennt ihr diesen Mann." Versuchte Abrigar ein Gespräch anzufangen. "Oh ja, ich kenne ihn." Sprach der Wirt mit leiser Stimme. "Ich habe euch erzählt, dass ich bei den Blutfalken einst Mitglied war. Das stimmt so nicht ganz, ich war nicht nur ein einfaches Mitglied, ich war einer der Großmeister dieser Gilde. Ach ja, ehe ich es vergesse, hier. Das fand ich in einer seiner Taschen. Keine Ahnung warum die Wachen es nicht entdeckt haben." Mit diesen Worten übergab er Abrigar einen Brief mit einem leuchtend Rotem Wachssiegel, das bereits zerbrochen war. Abrigar überflog den Brief. Es war eine Bitte des amtierenden Rates der Blutfalken, um Hilfe in einer schwierigen Angelegenheit. Zu seiner Verwunderung, wurde auch Abrigar in dem Brief genannt. Ansonsten stand in dem Brief nur, das Fendorln, der alte kauzige Wirt, ihnen Nachricht schicken sollte. Der junge Blutfalke würde sie dann überbringen. Doch dieser lag ja nun ohne Bewusstsein in einem Zimmer der Gaststätte.
"Mir scheint, dass sie mich schon seit längerer Zeit beobachtet, oder irre ich mich da etwa?" fragte Abrigar den alten Fendorln. "Ja es ist so mein Freund. Aber jedoch nur, weil sie glauben, das ihr der Schlüssel zu einem großen Problem der Zwerge von Gol Chrinarn seid. Mehr weiß ich auch nicht, und ihr solltet mit mir kommen, wenn ihr genaueres wissen wollt.
Denn ich kann euch mit absoluter Sicherheit sagen, wenn ihr nicht mit mir nach Tren Habrin reist, dass sie einige losschicken werden um euch zu töten." Sagte Fendorln ernst.
Nach kurzem Überlegen sagte Abrigar: "Mir scheint ja keine andere Wahl zu bleiben, will ich nicht meine künftigen Wege mit Blut tränken." Abrigar schloss die Augen, und versuchte in den Geist des alten Wirtes einzudringen, dort jedoch sah er die stärkste geistige Mauer, die er je gesehen hatte, vorsichtig versuchte er sie zu umgehen, doch es gelang ihm nicht. "Nun gut, lasst uns aufbrechen, ich hoffe der Rat kann mir meine Fragen besser beantworten als ihr, mein Freund." Sagte Abrigar, unfähig seinen steigenden Zorn zu verbergen.
Fendorln ging in die Küche, und besorgte ihnen einiges an Proviant. Als er zurückkam, bemerkte Abrigar, das er eine schwarze Lederrüstung, die mit Stahlstreifen verstärkt war, trug. In seinem Gürtel funkelte ein Langschwert und in der Hand hatte er einen langen Ebenholzspeer mit einer Spitze aus funkelndem Stahl.
Und so brachen sie auf. Der alte Großmeister der Blutfalken und Abrigar, der Drachengeboren, sie gingen in eine ungewisse Zukunft, denn keiner wusste was sie in Tren Habrin erwarten würde.
Ende Teil 1