Ms. Miep
Rare-Mob
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Das Massaker in Blacksburg, VA-USA hat ja wohl jeder mitbekommen, gehe ich mal von aus ... also zumindestens die Leute, die nicht völlig blind und taub durch die Welt laufen.
Heute Mittag dann Nachrichten geschaut auf RTL (ja, ich weiss ... RTL, wuhuu...) und gestern ging das 'Manifest' von Cho Seung-Hui bei NBC ein.
Hätte wohl schon früher da sein sollen, aber Cho hatte eine falsche Adresse. Und einen falschen Namen angegeben.
Was wohl besser war, denn sonst hätte sich das ein Postbote unter den Nagel gerissen und für teuer Geld verkauft ...
... Wo wir auch schon beim Thema wären.
Auf RTL wollte ich mir ja den Ausschnitt des Manifests anschauen, hab ich dann auch getan (für alle anderen könnt ihr euch das hier anschauen Cho Seung-Hui's Manifest) und wollte dann schon einen Blog schreiben, bei Youtube gesurft und erstmal nichts gefunden, und dann auf die NBC Seite.
Da hab ich dann den originalen Beitrag gefunden und noch ein paar weitere zu dem Thema, und während ich noch darüber nachdachte, ob diese Tat daraus entwachsen ist, dass Cho krank war oder krank gemacht wurde, hörte ich dann solche Dinge wie 'Ohja, und wir sind so wahnsinnig betroffen, dass wir damit hinein gezogen wurden, denn es gibt ja absolut keine Zusammenhänge zwischen NBC und Cho'.
Uhm. Ja... ? Ein Nachrichtensender, der immer unter den Ersten ist, die am Tatort sind, der immer gut vorne mit bei ist wenn Schlachten um Dramen entbrennen pikiert sich darüber, dass sie das Exklusivmaterial bekommen haben?
Die müssen da nichtmal Geld für bezahlen und sind nicht nur verwundert, dass Cho NBC als Sprachmedium ausgewählt hat, sondern regen sich sogar darüber auf?
Dann kamen da noch so Dinge wie 'Wir haben das Material natürlich sofort an das FBI übergeben' ... na klar. Deswegen gabs und gibts auch Auszüge aus dem Manifest. Sowohl aus dem PDF, als auch aus den Videos.
Natürlich ging alles ans FBI, das hätten die wohl auch kaum behalten dürfen, schliesslich ist das Material wichtiger Bestandteil der Ermittlungen. Aber was mich am meisten aufregt ist diese Heuchlerei.
Wer selber gerne sehen möchte, was ich meine, hier ist der Link zu NBC's Reportage, samt Videomaterial und einige Auszüge aus dem PDF.
Trotzdem stellt sich mir immer noch die Frage "War er wirklich krank, oder wurde er krank gemacht".
Wo der Unterschied liegt? Es gibt psychische Krankheiten, die 'Wahnvorstellungen' und 'Paranoia' auslösen, ohne, dass irgendetwas Schlimmes passiert sein muss in der Vergangenheit.
Die bekannteste Überschrift wäre hier Schizophrenie. Und zu groß das Thema, um das alles hier zu erklären.
Im Kunsttherapiestudium hatte ich damals eine Freundin, deren Mutter schizophren war, und sie konnte mir so einen kleinen Einblick geben in die paranoide Welt dieser Menschen.
Das ist zumindestens eindeutig eine Krankheit für mich.
Aber krank gemacht werden hängt damit zusammen, dass viele Erlebnisse die eigene Person so verändert haben, dass es nicht mehr 'normal' ist. Dass man Hürden überwindet, wie das Leben eines anderen Menschen zu nehmen.
Cho selber möchte sich gerne als Märtyrer sehen, was natürlich die Medien zu verhindern versuchen.
Es kommt zwar die Frage auf, ob das so sei, aber wie alles im Leben sollte man Informationen von zwei Seiten betrachten (danke an meine Geschichtslehrerin ).
Edit: Cho war der Sohn koreanischer Immigranten und in Centreville aufgewachsen, einem Vorort der Hauptstadt Washington. /edit
Für mich war damals die USA ein extremer Kulturschock.
2000 war ich in den USA, an der Westküste, und wie wohl viele hatte ich ein völlig anderes Bild von den USA. Sogar ein verklärtes. Mit rosaroter Brille und allem drum und dran.
Die Realität war ziemlich hart, vor allen Dingen wie Menschen dort behandelt werden.
Wenn man dort Obdachlos ist, dann ist man wirklich Obdachlos. Es gibt niemanden, der einen auffängt, alles was man hat ist ein Einkaufswagen und die ganze Habe befindet sich darin.
Jedesmal, wenn ich vom Einkaufen kam (und ich musste ja 3km laufen (ja, kein Auto)), standen oder saßen die ganzen Obdachlosen in der Nähe des Supermarkts.
Ich hab dann einer Frau immer Brot mitgegeben, also sogar extra Brot für sie gekauft.
Unterhalten hab ich mich nie mit ihr, aber das war auch gar nicht notwendig. Ich hätte nichts für sie tun können, und für das Brot war sie auch so dankbar.
Das Schlimmste allerdings, was ich dort erlebt hatte war, als ich mit dem Bus von Berkley nach Oakland City bin ... das werd ich sicherlich mein Lebtag nie vergessen!
Ich sitz also im Bus, will zur Greyhound Busstation und irgendwann mittendrin steigt ein ziemlich verwahrloster Mann ein.
Er hatte durchaus ein Busticket und ging nach hinten durch. Ich saß so mittig Vorne. Irgendwann kam ein Tumult von hinten und da sah ich dann, wie die anderen Passagiere den Mann anpöbelten und richtig dissten.
Dieser Mann stank nämlich, und zwar ziemlich extrem. Das war schon nicht angenehm, und es zog auch durch den gesamten Bus, aber so menschenverachtend behandelt zu werden ist einfach krank.
Der Bus hielt dann an der nächsten Haltestelle und es stiegen zwei Busbeamte zu, die zu dem Mann gingen und ihn nach seinem Ticket fragten. Das hatte er natuerlich, und meinte, dass er nicht mehr weit fahren wolle. Nur bis in die City rein (vllt. so 3-4 Stationen), aber die Beamte forderten ihn auf den Bus zu verlassen.
Das wollte er natürlich nicht (was ich auch verstehen kann, er hatte schließlich ein Ticket), und ohne großen Aufhebens packte der andere Beamte dann eine Spraydose aus und besprayte den Mann von oben bis unten.
"Wenn Sie nicht aussteigen, müssen Sie halt wenigstens gut duften."
Lautes Gelächter brach dann aus und mir lief einfach nur ein Schauer über den Rücken.
Wenn ich jetzt noch daran zurück denke, kommen in mir Wuttränen hoch ...
Natürlich kann man in einem öffentlichen Verkehrsmittel niemandem so einen Geruch zumuten, aber so extrem menschenverachtend behandelt zu werden, auch nicht.
Der Gestank hat mich ja auch gestört, aber wenn ich mir vorstelle, wie oft es in Zügen der deutschen Bahn gestunken hat, oder mitten im Sommer in den öffentlichen Bussen hier, dann lernt man halt die Nase zuzumachen.
Argh.
Naja, auf jeden Fall kann ich verstehen, dass solche Situationen einen Menschen zerstören können. Selbst ich hab meine Vorurteile gegenüber 'den USA', obwohl man das so an sich ja auch nicht sagen kann, da die USA viel zu groß sind, um alle Einwohner in einen Topf zu schmeissen.
Ausserdem hab ich dort immer noch Freunde, von denen ich weiss, dass sie nicht das Klischee erfüllen, oder meine Klischees... aber dennoch ... Einige Details von Cho's Ansichten über die USAmerikanische Kultur kommen mir sehr vertraut vor, weil ich es genauso sehe.
Deswegen interessiert mich auch sehr, wie das Manifest im Detail aussieht, und was Cho letztendlich dazu gebracht hat diese Tat zu planen und zu vollenden. Wie er in Beziehung mit den Opfern stand und welchen familiären und sozialen Hintergund er hatte.
Nein, und nicht jeder, der ähnlich denkt wird gleich Amok laufen. Denn was Cho gefehlt hat war das innerliche distanzieren von seinen Eindrücken. Die Erlebnisse in einem größeren Zusammenhang zu sehen (also im Sinne von 'woher kommt das, warum ist das passiert, was hab ich damit zu tun' und nicht 'wieso tut Gott sowas und welche Aufgabe hat er für mich'). Und letztendlich sich Hilfe zu suchen, weil er offensichtlich nicht mehr alleine zurecht kam mit seinen Problemen.
Einen Satz, den er sagte, lautete in etwa so:
"Ich musste es nicht tun. Ich hätte gehen können. Ich hätte fliehen können. Aber nein, ich werde nicht länger wegrennen."
Sich Hilfe suchen, wenn es nicht mehr geht, ist keine Flucht. Es bedeutet eine Zukunft zu haben.
V98VkdNkdlU
Bis dann,
Miepsche
Heute Mittag dann Nachrichten geschaut auf RTL (ja, ich weiss ... RTL, wuhuu...) und gestern ging das 'Manifest' von Cho Seung-Hui bei NBC ein.
Hätte wohl schon früher da sein sollen, aber Cho hatte eine falsche Adresse. Und einen falschen Namen angegeben.
Was wohl besser war, denn sonst hätte sich das ein Postbote unter den Nagel gerissen und für teuer Geld verkauft ...
... Wo wir auch schon beim Thema wären.
Auf RTL wollte ich mir ja den Ausschnitt des Manifests anschauen, hab ich dann auch getan (für alle anderen könnt ihr euch das hier anschauen Cho Seung-Hui's Manifest) und wollte dann schon einen Blog schreiben, bei Youtube gesurft und erstmal nichts gefunden, und dann auf die NBC Seite.
Da hab ich dann den originalen Beitrag gefunden und noch ein paar weitere zu dem Thema, und während ich noch darüber nachdachte, ob diese Tat daraus entwachsen ist, dass Cho krank war oder krank gemacht wurde, hörte ich dann solche Dinge wie 'Ohja, und wir sind so wahnsinnig betroffen, dass wir damit hinein gezogen wurden, denn es gibt ja absolut keine Zusammenhänge zwischen NBC und Cho'.
Uhm. Ja... ? Ein Nachrichtensender, der immer unter den Ersten ist, die am Tatort sind, der immer gut vorne mit bei ist wenn Schlachten um Dramen entbrennen pikiert sich darüber, dass sie das Exklusivmaterial bekommen haben?
Die müssen da nichtmal Geld für bezahlen und sind nicht nur verwundert, dass Cho NBC als Sprachmedium ausgewählt hat, sondern regen sich sogar darüber auf?
Dann kamen da noch so Dinge wie 'Wir haben das Material natürlich sofort an das FBI übergeben' ... na klar. Deswegen gabs und gibts auch Auszüge aus dem Manifest. Sowohl aus dem PDF, als auch aus den Videos.
Natürlich ging alles ans FBI, das hätten die wohl auch kaum behalten dürfen, schliesslich ist das Material wichtiger Bestandteil der Ermittlungen. Aber was mich am meisten aufregt ist diese Heuchlerei.
Wer selber gerne sehen möchte, was ich meine, hier ist der Link zu NBC's Reportage, samt Videomaterial und einige Auszüge aus dem PDF.
Trotzdem stellt sich mir immer noch die Frage "War er wirklich krank, oder wurde er krank gemacht".
Wo der Unterschied liegt? Es gibt psychische Krankheiten, die 'Wahnvorstellungen' und 'Paranoia' auslösen, ohne, dass irgendetwas Schlimmes passiert sein muss in der Vergangenheit.
Die bekannteste Überschrift wäre hier Schizophrenie. Und zu groß das Thema, um das alles hier zu erklären.
Im Kunsttherapiestudium hatte ich damals eine Freundin, deren Mutter schizophren war, und sie konnte mir so einen kleinen Einblick geben in die paranoide Welt dieser Menschen.
Das ist zumindestens eindeutig eine Krankheit für mich.
Aber krank gemacht werden hängt damit zusammen, dass viele Erlebnisse die eigene Person so verändert haben, dass es nicht mehr 'normal' ist. Dass man Hürden überwindet, wie das Leben eines anderen Menschen zu nehmen.
Cho selber möchte sich gerne als Märtyrer sehen, was natürlich die Medien zu verhindern versuchen.
Es kommt zwar die Frage auf, ob das so sei, aber wie alles im Leben sollte man Informationen von zwei Seiten betrachten (danke an meine Geschichtslehrerin ).
Edit: Cho war der Sohn koreanischer Immigranten und in Centreville aufgewachsen, einem Vorort der Hauptstadt Washington. /edit
Für mich war damals die USA ein extremer Kulturschock.
2000 war ich in den USA, an der Westküste, und wie wohl viele hatte ich ein völlig anderes Bild von den USA. Sogar ein verklärtes. Mit rosaroter Brille und allem drum und dran.
Die Realität war ziemlich hart, vor allen Dingen wie Menschen dort behandelt werden.
Wenn man dort Obdachlos ist, dann ist man wirklich Obdachlos. Es gibt niemanden, der einen auffängt, alles was man hat ist ein Einkaufswagen und die ganze Habe befindet sich darin.
Jedesmal, wenn ich vom Einkaufen kam (und ich musste ja 3km laufen (ja, kein Auto)), standen oder saßen die ganzen Obdachlosen in der Nähe des Supermarkts.
Ich hab dann einer Frau immer Brot mitgegeben, also sogar extra Brot für sie gekauft.
Unterhalten hab ich mich nie mit ihr, aber das war auch gar nicht notwendig. Ich hätte nichts für sie tun können, und für das Brot war sie auch so dankbar.
Das Schlimmste allerdings, was ich dort erlebt hatte war, als ich mit dem Bus von Berkley nach Oakland City bin ... das werd ich sicherlich mein Lebtag nie vergessen!
Ich sitz also im Bus, will zur Greyhound Busstation und irgendwann mittendrin steigt ein ziemlich verwahrloster Mann ein.
Er hatte durchaus ein Busticket und ging nach hinten durch. Ich saß so mittig Vorne. Irgendwann kam ein Tumult von hinten und da sah ich dann, wie die anderen Passagiere den Mann anpöbelten und richtig dissten.
Dieser Mann stank nämlich, und zwar ziemlich extrem. Das war schon nicht angenehm, und es zog auch durch den gesamten Bus, aber so menschenverachtend behandelt zu werden ist einfach krank.
Der Bus hielt dann an der nächsten Haltestelle und es stiegen zwei Busbeamte zu, die zu dem Mann gingen und ihn nach seinem Ticket fragten. Das hatte er natuerlich, und meinte, dass er nicht mehr weit fahren wolle. Nur bis in die City rein (vllt. so 3-4 Stationen), aber die Beamte forderten ihn auf den Bus zu verlassen.
Das wollte er natürlich nicht (was ich auch verstehen kann, er hatte schließlich ein Ticket), und ohne großen Aufhebens packte der andere Beamte dann eine Spraydose aus und besprayte den Mann von oben bis unten.
"Wenn Sie nicht aussteigen, müssen Sie halt wenigstens gut duften."
Lautes Gelächter brach dann aus und mir lief einfach nur ein Schauer über den Rücken.
Wenn ich jetzt noch daran zurück denke, kommen in mir Wuttränen hoch ...
Natürlich kann man in einem öffentlichen Verkehrsmittel niemandem so einen Geruch zumuten, aber so extrem menschenverachtend behandelt zu werden, auch nicht.
Der Gestank hat mich ja auch gestört, aber wenn ich mir vorstelle, wie oft es in Zügen der deutschen Bahn gestunken hat, oder mitten im Sommer in den öffentlichen Bussen hier, dann lernt man halt die Nase zuzumachen.
Argh.
Naja, auf jeden Fall kann ich verstehen, dass solche Situationen einen Menschen zerstören können. Selbst ich hab meine Vorurteile gegenüber 'den USA', obwohl man das so an sich ja auch nicht sagen kann, da die USA viel zu groß sind, um alle Einwohner in einen Topf zu schmeissen.
Ausserdem hab ich dort immer noch Freunde, von denen ich weiss, dass sie nicht das Klischee erfüllen, oder meine Klischees... aber dennoch ... Einige Details von Cho's Ansichten über die USAmerikanische Kultur kommen mir sehr vertraut vor, weil ich es genauso sehe.
Deswegen interessiert mich auch sehr, wie das Manifest im Detail aussieht, und was Cho letztendlich dazu gebracht hat diese Tat zu planen und zu vollenden. Wie er in Beziehung mit den Opfern stand und welchen familiären und sozialen Hintergund er hatte.
Nein, und nicht jeder, der ähnlich denkt wird gleich Amok laufen. Denn was Cho gefehlt hat war das innerliche distanzieren von seinen Eindrücken. Die Erlebnisse in einem größeren Zusammenhang zu sehen (also im Sinne von 'woher kommt das, warum ist das passiert, was hab ich damit zu tun' und nicht 'wieso tut Gott sowas und welche Aufgabe hat er für mich'). Und letztendlich sich Hilfe zu suchen, weil er offensichtlich nicht mehr alleine zurecht kam mit seinen Problemen.
Einen Satz, den er sagte, lautete in etwa so:
"Ich musste es nicht tun. Ich hätte gehen können. Ich hätte fliehen können. Aber nein, ich werde nicht länger wegrennen."
Sich Hilfe suchen, wenn es nicht mehr geht, ist keine Flucht. Es bedeutet eine Zukunft zu haben.
V98VkdNkdlU
Bis dann,
Miepsche