Die Sterne über Dalaran - Part 10

Melian

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Dairean erblickte sie sofort in der Menge. Das Kleid in einem königsblauen Farbton, welches einfach geschnitten war, stand ihr hervorragend. Er schmunzelte. Er selber war in unscheinbare Grautöne gehüllt, das Beste, was sein Kleiderschrank herzugeben hatte, um seine Tarnung nicht auffliegen zu lassen. Rot und Gold waren definitiv nicht Farben, die ein Quel’dorei tragen würde, was ihm ein prüfender Blick in den Raum bereits zu Beginn des Abends sofort verraten hatte. Einzelne Verzierungen zeigten sich in der Farbe des Blutes, aber sie waren nicht die hauptsächlich vorzufindende Farbe, wie man dagegen auf einem Ball der Sin’dorei erwarten hätte können.
Er stand in einer Ausbuchtung eines Fensters, etwas abseits vom Trubel, und hielt ein Glas mit einer weiter nicht definierten Flüssigkeit in den Händen, vermutlich Wein. Man hatte es ihm gereicht, er hatte ein paar Mal offensichtlich daran genippt, wobei natürlich nichts über seine Lippen gekommen war, dann hatte er es nur noch zur Tarnung benutzt. Er hob es leicht, und prostete Ylaria über den Raum hinweg zu, schmunzelte leicht. Er sah, wie sie gerade ansetzte, sich zu ihm zu gesellen, als sie von ihren zwei Begleitern in Beschlag genommen wurde.
„Herr Sonnenhoffnung?“, sprach Imenia Feuerblüte, die sich zusammen mit dem Arkanisten wiederum genähert hatte. „Verzeiht, ich musste einige Leute begrüssen. Wollen wir das Gespräch fortsetzen?“ Sie lächelte ihn an. Dairean erwiderte das Lächeln, und wurde wieder zu seinem eigenen Zwilling.
„Aber natürlich, Lady Feuerblüte. Wo waren wir stehengeblieben in unserer Unterhaltung?“
Dairean schob sich etwas mehr in die viereckige Ausbuchtung in der Wand, die links und rechts zwei kleine Sitzbänke hatte. Diese Art, die Fenster gleichzeitig zu geschützten Oasen zu machen, stammte von der massiven Bauweise der Menschen. In ihren Burgen gab es viele derartiger Erker, in denen vor allem die Damen des Adels und ihre Bediensteten ganze Nachmittage lang sassen, stickend, häkelnd und tratschend.
„Nun, wir waren bei dem Schreiben, welches ihr überbracht habt.“ Imenia zog ein gefaltetes Stück Papier aus ihrem Ausschnitt, betont langsam. Er liess seinen Blick einen Moment auf ihrem Dekolletee ruhen, um ihr die gebührende Aufmerksamkeit zu gewähren, die sie wohl auch erwartete, dann nutzte er den Raum und setzte sich ganz links in die Ecke, blickte kurz einmal aus dem Fenster, doch er erkannte im Dunkeln nichts. Imenia nahm neben ihm Platz, Tyballin setzte sich gegenüber hin, und schwieg weiterhin. Er musste sich vor dem Arkanisten in Acht nehmen, denn er war sich nicht wirklich sicher, ob dieser seine Tarnung vielleicht doch durchschaut hatte. Dairean unterdrückte den Drang, seine Augen zu reiben, zu tasten, ob der Illusionszauber noch intakt war. Einer der ersten Fehler, die man als ungeübter Spion begehen konnte, war es, dDen Sitz seiner Verkleidung, Tarnung, oder in seinem Falle der Illusion ständig zu prüfen.
Er nickte. „Ja, das Schreiben von Arkanist Taelis. Ich hoffe, es war aufschlussreich.“ Zu seinem Aufgabenbereich hatte auch gehört, heikle Dinge unbemerkt zu entwenden. Und so war es ihm natürlich nicht schwergefallen, während seinem Aufenthalt auf dem noch immer chaotischen Turnierplatz an einige Dinge zu kommen. Vermutlich würde Arkanist Taelis niemals begreifen, dass seine persönliche Habe, die er sich hatte nachschicken lassen, wegen Dairean nicht ganz vollständig gewesen war. Da dieser aber geschickt war, hatte er neben dem wichtigen Siegelring und dem Stempel auch noch diverse andere wertvolle Habseligkeiten an sich genommen und sie bei einem niederen Bediensteten deponiert. Taelis würde gar nicht merken, dass jemand in seinem Name Briefe für ihn verfasste. < Einen Brief >, korrigierte Dairean seinen Gedankengang. Er hatte nur einen einzigen Brief gefälscht.
„Nun, es gibt euch sicherlich hervorragende Referenzen. Dennoch wissen wir nicht genau, warum ihr euch an uns gewandt habt.“, fragte ihn Imenia. Des Arkanisten Blick lag weiterhin ruhig auf ihm.
Dairean lächelte, und nippte erneut an seinem Glas Wein. „Es ist so, dass ich selten in Dalaran war, bisher. Mir war nicht klar, an wen ich mich am besten wenden sollte, und der Name Tyballin fiel einige Male, als ich am Turnier stationiert war. Taelis befahl mir dann auch, ich sollte euch das Schreiben überbringen.“
Imenia nickte, und wechselte einen Blick mit Arkanist Tyballin. Der nickte nur. „Der Inhalt des Briefes ist euch nicht bekannt, so schliesse ich daraus.“ Dairean nickte. „Aber tatsächlich hat Taelis mitgedacht. Wir können einen von eurer Sorte gebrauchen.“
„Einen meiner Sorte?“, sprach Dairean mit einem belustigten Unterton in der Stimme. Imenia grinste leicht, ebenso wie Tyballin.
„Nun, Taelis spricht von einem Späher, einem Fährtenleser, aber noch viel eher von einem Haudrauf, der in jeder Situation mindestens drei Lösungen zur Hand hat.“, sprach Imenia, und wedelte mit dem Stück Papier. „Wie schmeichelhaft“, Dairean entfuhr nun wirklich ein Lachen. „Ja, nicht wahr?“, grinste Imenia.
Dairean schaute dann aber wieder ernst: „Ich nehme jede Mission an, Lady Feuerblüte.“
Imenia nickte. „Taelis hat auch eure Einsatzgebiete und Missionen kurz aufgeführt. Ist es korrekt, dass ihr eine Zeitlang in der Drachenöde gedient habt?“
„So ist es. Ich war dort eine Zeitlang in der Feste stationiert, hatte aber vor allem Späh- und Kuriermissionen. Mit meinem Drachenfalken habe viele Male die Lüfte im Norden durchflogen.“
Imenia nickte und strich sich eine der dunkelbraunen Strähne in das geflochtene und zu einer kunstvollen Frisur aufgetürmte Haar zurück. Dairean konnte nur raten, wie lange das Ganze gedauert und wie viel Nerven es ihre Kammerzofe kostet haben musste. Er schätzte eine Weile. Er hatte gar nicht gewusst, dass sich diese Hochelfen immer noch so prunkvoll herrichteten, obwohl sie dies doch gar so verachteten, aber vermutlich färbten die Gewohnheiten der Menschen, die den Elfen immer schon nachgeeifert hatten, auch auf die Silberbundler ab, die doch in Kontakt mit ihnen traten.
Fast hätte er die folgenden Worte von Imenia überhört, als er fasziniert versuchte zu entschlüsseln, wie eine dunkelblaue Glasperle in ihrem Haar befestigt worden war.
„seid ihr also auch fähig, Die Landschaften unter euch zu identifizieren und mit Karten zu vergleichen? Die Tatsache ist, dass wir einen Navigator brauchen. Jemand, der unsere Eskorte zum richtigen Ziel bringen kann. Wir gedenken nämlich zu fliegen, da die Fussreise zu beschwerlich ist, und zu lange bräuchte im Vergleich.“
Dairean zog eine Augenbraue hoch, und nickte dann. Das konnte interessant werden. „Natürlich. Nicht in allen Gebieten kenne ich mich aus, aber in den meisten. Darf man fragen, wohin es euch verschlägt?“
In Imenias Gesicht trat ein Strahlen, als sie laut und klar sprach: „Zum Wyrmruhtempel.“
Dairean reagierte angemessen verblüfft. Für die beiden Quel´dorei musste es so aussehen, als wäre er erstaunt, dass man die Drachen besuchte. „Zu den.. Drachen?“, stammelte er gekonnt. Imenia nickte, weiterhin strahlend. Und Dairean wusste, dass er sofort Magister Hathorel sprechen musste. Er war sich nicht ganz sicher, aber diese Neuigkeit konnte eigentlich nur bedeuten, dass der Silberbund tatsächlich annahm, dass dieses Relikt etwas mit den Schwesterklingen zu tun hatte.
„Ja, wir bemühen uns um eine Audienz bei einem der Drachen, bevorzugt ein Rotdrache. Aber alles Weitere müssen wir euch leider vorerst verschweigen, denn es ist geheim. Ihr habt euch nur um die sichere Führung zu kümmern, und zu sehen, dass wir alle gut versorgt sind.“
Dairean besann sich, und legte einen Finger an die Lippen. „Aber natürlich, Lady Feuerblüte. Ich schätze, wenn wir gut ausgebildete Greifen oder Drachenfalken nehmen, dauert die Reise ungefähr drei bis vier Tage.“
„So lang?“ Imenia schürzte die Lippen.
„Ihr könntet natürlich auch ein Portal öffnen, dann bräuchtet ihr keine Reisezeit“, gab Dairean schnippisch zur Antwort. „Ihr seid doch eine Magierin, oder?“
Imenia kräuselte die Lippen. „Wir haben selbstverständlich Reagenzien dabei, die es für diesen teuren und kraftaufwendigen Zauber braucht, sollte es notwendig sein, dass wir ihn einsetzen müssen. Doch es ist nicht so, dass wir Magier ständig und überall uns hin teleportieren. Wir würden zugrundegehen, wenn wir dies täten. Ausserdem könnte der Feind auf uns aufmerksam werden.“
Dairean nickte. „Es gibt mehrere Möglichkeiten zu reisen. Entweder wir folgen dem zerstörten Pfad der Titanen, der vom Kristallsangwald direkt zum Wyrmruhtempel führt, oder wir nehmen einen Umweg Das Problem ist, dass er die Tiere meistens etwas nervös macht. Der andere Weg würde über die Feste Wintergarde führen. Wir könnten natürlich auch im Osten entlang fliegen, aber dort ist die Horde stärker vertreten.“
Imenia musterte ihn prüfend, dann sprach sie. „Und was empfehlt ihr?“
„Nun, mit dem Weg über die Titanenstrasse könnten wir einen Tag einsparen, doch wir werden keiner bewohnten Siedlung begegnen, und unsere Zelte im Freien aufschlagen müssen. Die Frage ist, ob ihr euch dies zumuten wollt. Bei der andern Route können wir einmal in Windläufers Warte im Kristallsangwald und einmal in der Feste selbst nächtigen, und nur einmal in der Wildnis.“
„Hm.. bei der zweiten Route, wieso denn einmal in der Wildnis?“
„Nun seht.. leider habe ich keine Karte dabei gerade. Aber wenn ihr die Tiere über den Gebirgszug zwingt, werden sie auf der anderen Seite zu müde sein, um noch die drei, vier Stunden bis zur Feste weiterzufliegen. Oder ihr hättet einen Ruhetag, den ihr in der Feste einplanen müsstet, was ärgerlich wäre.“
Imenia nickte daraufhin und seufzte. „Ich sehe, die Entscheidung hängt an mir. Aber ihr habt euch durchaus bewährt, Leyan Sonnenhoffnung. Ihr werdet uns auf unserer Expedition begleiten.“
„Vielen Dank, Lady Feuerblüte.“
„Ach, dankt mir erst, wenn ihr blaue Zehen habt und erfroren seid“, grinste diese, bevor sie wieder Ernst wurde. „Ich möchte übermorgen starten. Bitte bringt mir eine Liste mit den Dingen, die notwendig sind, und die man auf 6 Flugtiere packen kann. Ihr habt euer eigenes, nehme ich an?“
„Sechs Flugtiere? Wer begleitet uns denn noch?“
„Das werdet ihr dann sehen. Morgen, zur zehnten Stunde des Tages, im Aufenthaltsraum. Man wird euch den Weg weisen. Und nun verzeiht uns. Wir müssen noch mit einigen hier sprechen. Ihr könnt euch ja etwas amüsieren.“ Imenia stand auf, und Tyballin, der bisher noch nichts gesagt hatte, sprach in einem ruhigen Ton: „Möge das Licht euch leiten.“ Dairean verbeugte sich tief, und unterdrückte die aufsteigende Galle, als er die Antwort sprach: „Euch ebenso, Lady Feuerblüte, Arkanist Tyballin.“ Erneut spürte er den Drang, seine Illusion zu prüfen, als er Tyballins starren Blick auf ihm spürte. Er liess sich nichts anmerken, lächelte tapfer. Als die beiden sich schliesslich abwandten, und durch das Gedränge sich wieder zu Ylaria, Verian und Leireth gesellten, die irgendwie leicht deplatziert unter der Schar illustren Gäste wirkten, fühlte er sich dennoch erleichtert. Er würde Hathorel morgen um einen doppelt starken Illusorischen Zauber bitten, und er würde sich auch eine Erklärung zurechtlegen, warum man eventuelle Reste von Felenergie an ihm spüren konnte. Falls etwas schiefging. Falls.
Es durfte nichts schief gehen, doch er wollte auf alles vorbereitet sein. Und notfalls hatte er immer noch seine Dolche.

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