Die Sterne über Dalaran - Part 8

Melian

Dungeon-Boss
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„Kommt schon, ihr wisst doch, wie es ist, gegen Feinde zu kämpfen. Also.. Stellt euch doch vor, ich wäre so einer.“ Ylaria biss sich auf die Unterlippe und liess das Übungsschwert sinken, blickte den Elfen vor sich an, der sein Schwert selber in einer verteidigenden Position hielt. Er war ein Meister seines Faches, das musste sie zugeben. „Und dann legt ihr eure ganze Kraft in den Schlag.“ Sie seufzte, strich sich wie wohl zum hundertsten Male an diesem noch jungen Tag die Strähnen aus dem Gesicht, und hob das Schwert wieder an. Ohne ihren hölzernen Kampfstab fühlte sich die zweite Hand seltsam leer an, und sie war versucht, mit ihr auch noch an den Griff des Übungsschwerts zu greifen, doch Leyan war ein strenger Lehrer. Jedes Mal in den vergangenen zwei Stunden, als sie dies instinktiv versucht hatte, hatte er sie davon abgehalten, während er ihr die elementarsten Griffe und Schläge mit dem Einhänder beibrachte. Sie blickte sehnsüchtig zu ihrem Kampfstab, der ungebraucht in einer Ecke stand, doch dann konzentrierte sie sich. Leyan stand vor ihr und grinste, wie er es bereits die ganzen letzten zwei Stunden getan hatte. Einen Feind vorstellen. Feind. Sie seufzte erneut. „Ich kann das nicht so.. Ich stelle mir nie Feinde vor beim Kämpfen.“ Leyan liess die Übungsklinge sinken, und rieb sich mit den Fingern über das Kinn, eine Geste, die sie nun schon das zweite Mal beobachtet hatte, wohl eine Art Macke von ihm. „Nun, dann machen wir es anders. Ihr seid wohl eher nur defensiv ausgebildet worden?“ „Nein, nicht wirklich.“ „Hm.. Oder aber, ihr habt offensiv nur gekämpft, wenn ihr von der Defense da hinein gedrängt worden seid?“ „Das schon eher“, murmelte sie, und wurde erneut rot. Bei der Güte des Lichts, was war bloss mit ihr los? „Ihr konntet mich doch beobachten.“
Leyan drehte seinen Körper um eine Vierteldrehung und kam leicht abgewandt von ihr zu stehen, blickte von ihr weg. Dann sprach er, ohne sie anzusehen. „Das konnte ich wahrlich. Nun wir machen es anders. Stellt euch jemanden vor, der euch furchtbar aufgeregt hat und dem ihr gerne eine Lektion erteilen wollt. Auf den ihr wütend seid..“ Ylaria starrte zuerst eine Weile verwirrt auf den anderen, ehe sie dann nickte. Und dann hatte sie das richtige Gesicht vor den Augen.
Der Schlag, den sie nun ausführte, war härter als all diejenigen, die sie in den Stunden zuvor ausgeübt hatte. Die Technik, mit einem Einhandschwert zuzuschlagen, war grundlegend anders als die Handhabung eines Dolches, doch wie sie üblicherweise den langen Stab dazu führte, gab ihr einen kleinen Wissensvorsprung gegenüber einer völlig unwissenden Person. „Hyjaaa“, rief sie, und kam sich im gleichen Moment albern vor, als sie ihr Schwert hochriss, nachdem Leyan ihren Schlag natürlich pariert hatte, nur um sogleich eine Vergeltung zu starten. Sie parierte den Schlag mühsam, und vermisste ihren Stab erneut, mit dem dies noch besser geklappt hätte. Dann dreht e sie eine Viertelpirouette, schoss ihm im gleichen Moment einen kleinen Frostblitz ins Gesicht, und schlug mit dem Schwert nach ihm, nachdem sie an seiner Seite gelandet war.
Sie erwartete alles, nur nicht dieses schallende Lachen, das von den Wänden widerhallte, als ihr Schlag ins Leere traf, sie ihr Gleichgewicht verlor und stolperte. „Himmel“, murmelte sie, und fing sich nur ganz knapp, nachdem sie einen Moment lang ernsthaft drohte, zu Boden zu fallen. Das hölzerne Übungsschwert glitt ihr aus den Händen.
Leyan befand sich auf mysteriöse Art und Weise nun plötzlich hinter ihr. Sie drehte sich um, und funkelte ihn an. „Madame, ihr spielt mit unfairen Mitteln. Das kann ich auch“, er schmunzelte. „Aber es zeigt, dass ihr auf dem richtigen Wege seid.“ „auf dem richtigen Weg?“, sie klaubte das Schwert vom Boden auf und blickte ihn verständnislos an. Was meinte er bloss damit? „Um wahrlich offensiv kämpfen zu können, braucht es Wut.“ „Wut?“, wiederholte sie das Wort, und kam sich im gleichen Moment dämlich vor. Wie einer der Senegal-Papageien, die die Blutsegelpiraten züchteten, und die manchmal fähig waren, die Sprachen ihrer Besitzer zu imitieren.
„Kommt. Für heute habt ihr definitiv genug trainiert. Setzen wir uns doch wieder.“ Sie nickte, verstaute beide Übungsschwerter auf dem Waffenständer. Dann gingen sie gemeinsam wieder zu der Bank zurück, auf die sie sich auch schon vorher gesetzt hatte.
Kaum hatten sie sich darauf niedergelassen, erklang auch schon wieder die erstaunlicherweise immer noch ruhige Stimme Leyans. „Wie ich schon sagte, um wahrlich offensiv kämpfen zu können, braucht ihr Wut.“ „Aber ist Wut nicht etwas Schlechtes?“ „Nur wenn sie unkontrolliert ist.“ Seine Finger fuhren durch sein Haar. „Unkontrollierte Wut bedeutet, dass ihr selber unkontrolliert seid. Aber da ihr als Magierin wohl kaum je unkontrolliert in einen Kampf geht, wisst ihr, was der Unterschied ist.“ Ylaria nickte. „Wut dient jedoch dazu, euch auch überwinden zu können, tatsächlich anzugreifen. Am besten funktioniert es, wenn ihr einen Moment, eine Person oder sonst etwas, was euch wütend gemacht habt, konserviert, ein Bild vor eurem Inneren Augen entstehen lässt, dass ihr immer wieder aufrufen könnt.“
„Um sie zu benutzen, wenn’s mal notwendig ist?“ „Genau, so ist es“, Leyan lächelte sie an. „Das hat ja vorhin schon ganz gut geklappt. Darf man fragen, was ihr euch vorgestellt habt?“ „Ach.. nur.. nur eine bestimmte Person“, sprach Ylaria bemüht kontrolliert. Dann wandte sie das Gesicht ab.
Sie konnte einem Wildfremden kaum erzählen, wer sie so wütend machte, auch wenn der Fremde durchaus nett zu ihr gewesen war, und ihr Schicksal teilte. Es ging niemanden etwas an, dass Verians Gehabe ihr so sehr auf die Nerven ging, dass seine Verehrung für Leireth sie einfach nur noch wütend machte, und dass ihr Herz jedes Mal ein Stückchen mehr starb, wenn er für sie keinen Blick mehr übrig hatte, weil seine Augen an Leireth klebten wie die klebrigen Überreste von Spinnenseide an den Kleidern. „Ah“, sprach Leyan, auf dessen Gesicht sich erneut ein Schmunzeln zeigte. Bildete Ylaria sich dies ein, oder war das Lächeln fast schon wissend? Schnell fuhr sie sich mit der Hand über das Gesicht.
„Uff.. aber ich muss sagen, das hat sich gelohnt. Auch wenn ich mich vermutlich ziemlich ungeschickt angestellt habe, hm?“, versuchte sie vom Thema abzulenken. „Ungeschickt? Nicht wirklich. Man merkt nur, dass Ihr anderes gewohnt seid. Ihr solltet den Schwertkampf mit eurem Stab verbinden. Man könnte daraus sicher eine für euch optimal zugeschnittene Kampftechnik entwickeln. Ich denke da an eine Art, die Waffe in Kombination mit dem Stab je in Halbkreisen zu führen, so dass euch niemand mehr nahe kommt.“ Dankbar stürzte sich Ylaria in das Thema, und so sprachen sie beide noch eine ganze Weile über Schwertkampf und offensive Magie, bis die Sonne sich bereits gen Abend neigte.
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