Drei Filme von William Castle

win3ermute

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"Wer ist denn bitteschön William Castle?" werden sich wahrscheinlich die meisten Leser dieses Blogs fragen. Hören sie dann Titel wie "13 Ghosts" oder "House on haunted hill" klingeln dann eventuell ein paar Glocken; unwissend, daß es sich hier um (schlechte) Remakes des "Gimmick-Master of B-Movies" handelt.
"Gimmicks" im Film? Wie hat man sich das vorzustellen? Nun, stellt euch spezielle Brillen vor, die ihr aufsetzen müßt, um die Geister in einem Film zu sehen. Oder Kinositze, die mit einem Vibrationsgerät versehen sind, das an bestimmten Stellen des Filmes in Aktion versetzt wird. Karten, mit denen ihr über den Ausgang des Filmes abstimmen könnt.

Hört sich nach einer Menge Spaß an und ihr wollt mehr wissen? Willkommen im William-Castle-Fan-Club!

Tatsächlich war Castle in den USA der '50er und '60er ein sehr bekannter Regisseur. Ähnlich wie Hitchcock pflegte er sein Image, indem er in Trailern und vor und nach seinen Filmen "persönlich" von der Leinwand heraus vor sein Publikum trat. Bei Premierenfeiern war er meist selbst anwesend und begrüßte sein Publikum schon, als es noch vor den Ticket-Buden anstand - nicht selten meterlang.

Castles Werk als Regisseur umfasst mehr als 60 Titel, wobei nur weniger als ein Drittel als "echte Castles" durchgehen. Angefangen hat er bei der Columbia als reiner Auftragsregisseur, wo einen B-Film nach dem anderen abdrehen mußte, während er auf seine Chance auf einen richtig guten Film wartete, der ihn in die A-Liste katapultieren sollte. Er drehte alles: Von Western über Horror bis Sandalenfilme; sogar mindestens ein 3D-Streifen im ersten Hype dieses angeblich "kinorettenden" Phänomen, das glücklicherweise schnell vorbeiging, gehört zu seinem frühen d'oeuvre.

Ende der '50er gab er seinen Traum auf, innerhalb des Studiosystems tatsächlich aufsteigen zu können und machte sich selbständig. Darauf folgte eine der witzigsten und auch irrsinnigsten Karrieren als Regisseur und Produzent, die Hollywood bis heute gesehen hat.

Macabre (1958)

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Für seinen ersten selbständig produzierten Film verpfändete Castle sein Hab und Gut, um 100.000,- Dollar aufzubringen. Der Streifen selbst ist ein absoluter Schnellschuß mit einer interessanten Story: Einem Arzt mit vielen Feinden wird mitgeteilt, daß er nur noch fünf Stunden habe, um seine lebendig vergrabene Tochter zu finden.
Sehr schnell nur im Studio gedreht hat der Streifen bedeutende Schwächen: Das Thema selbst ist nur für ein 25-minütiges TV-Format wie "Alfred Hitchcock presents" geeignet; Castle blies es auf 65 Minuten auf. Dementsprechend hat der Film einige Längen trotz der kurzen Laufzeit; lediglich die atmosphärischen Schwarz/Weiß-Aufnahmen machen einiges wieder wett.
Trotz des interessanten Themas hätte dieses B-Movie auch damals kaum jemand hinter dem Ofen hervorgelockt; das wußte auch Castle. Um seinen Film zu einem Erfolg zu machen, ließ er sich etwas einfallen, das dann zu einem Markenzeichen werden sollte: Das "Castle-Gimmick"! Er schloß einen tatsächlichen Vertrag mit einer Versicherung ab und konnte so etwas einmaliges jedem Kinozuschauer garantieren: Sollte jemand bei einer Vorführung aus Angst sterben, so erhielten die Angehörigen 1.000,- Dollar als Entschädigung.
Vor jedem Kino konnte also jeder, der sich den Film anschauen wollte, eine "Police" unterschreiben und seine "Erben" eintragen lassen. Der Gag ging auf; "Macabre" - beileibe nicht mehr als allenfalls eine Fußnote im Horrorfilm wert - spielte über eine Million ein!

(Kurzbemerkung zur DVD von "Subkultur", die zum einen stark limitiert und zum anderen wie alle "Subkultur"-Veröffentlichungen sauteuer ist: Auf DVD1 befindet sich der Film sowohl in englisch als auch deutsch in ungekürzter Fassung; zusätzlich noch die gekürzte deutsche ehemalige Kinoversion als auch die superseltene Super8-Version. DVD2 enthält die superbe Dokumentation "The Spine Tingler" über Castle selbst).

Andere "Gimmicks" folgten: Für "House on haunted hill (1959)" (einem meiner Ansicht nach wirklich langweiligem Stinker; wenn auch wesentlich charmanter als das Remake dank des umwerfenden Vincent Price) erfand Castle das "Emergo". Anders als bei 3D sollten hier wirklich die Bilder von der Leinwand lebendig werden - und das taten sie dann auch in einer Szene mit einem Skelett, als plötzlich sehr niedrig über dem Publikum eine Aufblaspuppe hinwegflog. Das Publikum hatte an solchen Aktionen Spaß und machte auch diesen Castle-Film zum Erfolg.

The Tingler (1959)

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Die Story des "Tinglers" ist wirklich bräsig: Ein Wissenschaftler (hervorragend wie immer: Vincent Price) hat etwas unglaubliches entdeckt: Wenn die Menschen sich fürchten, dann wird ein Organismus, den sie seit Evolutionsbeginn mit sich tragen, immer stärker und legt sich auf das Rückgrat, bis er sie umbringt! Unschädlich machen kann man den "Tingler", der für das "kalt über den Rücken laufen"-Gefühl verantwortlich ist, indem man laut schreit!
Das erste Drittel des Filmes wird bis auf einige umwerfende Dialoge von gähnender Langeweile bestimmt, dann dreht der Streifen jedoch so richtig auf - wenn auch eher in einer durchaus trashiger Hinsicht. Der Gipfel wird allerdings zum Schluß erreicht, als der "Tingler" (ein Gummiviech, bei dem in einigen Szenen sogar die Schnüre zu sehen sind, die ihn "steuern") in einen Kinosaal gerät und sich das Geschehen auf der Leinwand mit dem Erlebnis der Zuschauer vermischt.
So wurden damals in einige der Kinosessel billige "Vibratoren" verbaut, die aktiv wurden, als das Geschehen auf der Leinwand inklusive Filmriss in schwarz überging. Eine Stimme teilte den Zuschauern mit, daß der "Tingler" im Kino umgehe - die Zuschauer sollten schreien, um ihn loszuwerden! Und das taten sie bereitwillig, bis die Durchsage kam, daß der "Tingler" nun paralysiert sei!
Man sollte nicht glauben, daß das Publikum damals so riesenschreckhaft oder naiv gewesen sei - wie auch schon beim fliegenden Skelett aus "House on haunted hill", das von den Leuten mit Popcorn und anderem beschmissen wurde, begriffen die Zuschauer dies als Riesenspaß. Es war ein "Event-Happening" der besonderen Art - und es spielte Unmengen von Geld ein! Nicht zuletzt eventuell wegen einem interessanten Effekt: Das Blut, das in ein Waschbecken und in eine Badewanne fließt, ist in diesem Schwarz/Weiß-Film der einzige farbige Tupfer! Großartig!

13 Ghosts (1960)

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Anfang der '60er war Castle bereits dank seiner ersten drei Filme als familientauglicher "Happening-Regisseur" etabliert. Seine Ansagen vor und nach den Filmen sorgten dafür, daß er beim amerikanischen Publikum ebenso bekannt war wie Hitchcock (damals kannte so gut wie keiner die Leute hinter den Kulissen; allenfalls Castle und Hitchcock schafften es, sich entsprechend - und aufdringlich - zu vermarkten).
In "13 Ghosts" erbt eine Familie ein merkwürdiges Haus von einem entfernten Verwandten. Wer die Neuverfilmung kennt, weiß natürlich, daß dieser Onkel statt vernünftiger Hobbies wie Computer-Spiele- oder mp3-Sammeln nicht alle auf der Semmel hatte und gleich einen Haufen Geister in seinem merkwürdigen Anwesen "versklavt" hat.
Es ist tatsächlich der unterhaltsamste Film meiner bisherigen "Castle-Gesamtwerk-Sichtung". Natürlich ist das nicht sonderlich gruselig: Wann immer ein "Geist" auftritt, erscheint eine Warnung , daß man jetzt durch den speziellen "Illusion-O-Filter" schauen sollte, der dem Zuschauer beim Eintritt ausgehändigt wurde. Dank einem optischen Trick sieht man die Geister auf der Leinwand nur, wenn man durch eine Rot-Folie schaut (für schreckhafte Zuschauer bot sich die darunter befindliche Blaufolie an, mit der man keine Schreckgestalten sieht). Selbstverständlich durfte man die "Geister-Filter" als Souvenir behalten (leider ist das auf der DVD nicht enthalten. Das Bild ist wie seinerzeit blau eingefärbt; die "Geister" - kaum schreckerregend - erscheinen automatisch in rot auf dem Bildschirm. Hoffentlich gibt es mal eine besondere "Castle-Edition" mit Folie und Effekt).
Die "Geister" sind Gimmick; die Story bräsig - ergibt eine Höchstsumme an Entertainment, weil abwechslungsreich und originell! Da kann das Remake trotz interessanter Konzeption und damit verbundener spezieller Bildästhetik (das Glashaus!) nicht mithalten, weil die Geister zwar genausowenig bedrohlich wie hier wirken, aber letztendlich alles nur auf ein Special-Effect-Spektakel hinausläuft, während hier der Spaß weit im Vordergrund steht. Alle Register des herkömmlichen Grusels vom Stöhnen in der Nacht bis zu "Poltergeist"-Effekten (man hält automatisch Ausschau nach den Schnüren, die ich allerdings nicht entdeckt habe) werden gezogen.

Castles sonstige Werke sind meist nur schwer zu bekommen. Auch zukünftig verzichtete er nicht auf seine Gimmicks: In "Homicidal" (einer "Psycho"-Variation) gab es den "Fright Break", in der zu sehr erschreckte Zuschauer vor dem Ende die Vorstellung verlassen durften und dafür ihr Geld zurückbekamen; in "Mr. Sardonicus" konnten die Zuschauer über den Ausgang der Geschichte abstimmen.
Danach war es zwar nicht still um Castle, aber er verzichtete auf seine Gimmicks. Abgesehen von "Strait-Jacket (1964)" (einer Variation des "alte Diva in schrecklicher Situation"-Themas, das Aldrich mit "Whatever happened to Baby Jane?" etablierte) und "I know what you did (1965)" (no, not "last summer", aber ähnlich) war es eher banal, was er da auf die Leinwand zauberte.
Bis zu dem Zeitpunkt, wo er mal wieder sein gesamtes Vermögen investierte und die Rechte eines noch nicht erschienenen Romans aufkaufte. Seine Mitinvestoren von Paramount machten ihm allerdings einen Strich durch die Regisseur-Rechnung - sie wollten einen jungen wilden Filmemacher namens Polanski; Castle durfte "nur" produzieren. Der Film war ein Welthit und machte den Produzent noch viel reicher.
Allerdings erwies sich "Rosemary's Baby" - einer der besten Horrorfilme aller Zeiten - nicht nur als Segen: Castle erhielt Drohbriefe von christlichen Fundamentalisten; ebenso schien ihn der Fluch des "Teufelsfilms" zu erwischen, der erst den Komponisten (plötzliche Krankheit mit Todesfolge) und dann Polanskis schwangere Frau (grausige Ermordung durch den Charles-Manson-Clan) "befallen" hatte: Auch er wurde sehr krank; eine Niere mußte entfernt werden.

Sein letzter Film - nur noch Produktion; nicht Regie - hieß "Bugs (1975)" und handelte von der Invasion von Killerkakerlaken. Leider kam im selben Jahr der erste mit großem Budget versehene B-Film heraus, der bis heute die "Blockbuster-Mentalität" von Hollywood prägt. "Jaws" ("Der weiße Hai") ließ keinerlei Raum für Rivalen an der Kinokasse (siehe auch "Sorcerer" von Friedkin, der gegen "Star Wars" antreten mußte und seither völlig zu Unrecht vergessen ist). Zwei Jahre später verstarb Castle im Alter von 63 Jahren.
 
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