Gedanken über das Opfertier

windtaenzer

Quest-Mob
Mitglied seit
17.09.2007
Beiträge
11
Reaktionspunkte
0
Kommentare
2
Buffs erhalten
2
Auf meinen vielen Streifzügen hat mich bislang treu und ergeben mein Katzen-Freund pünktchen begleitet. Seine Liebe ist grenzen- und bedingungslos, solange ich ihn regelmäßig mit etwas Fisch oder Fleisch füttere. Häufig schicke ich ihn in den Kampf, um nicht selbst angegriffen zu werden und keinen Schaden zu erleiden, und oftmals fühle ich mich dabei ein klein wenig feige. Das Tier teilt dann für mich aus und steckt vor allem auch ein. Ich verbringe mehr Zeit mit ihm als mit jedem anderen Wesen in den Weiten Azeroths. Viele Kämpfe hätte ich ohne meinen Schneeflockenpelz verloren und unzählige Tode wäre ich ohne seine tatkräftige Unterstützung gestorben. Und dann neulich am Lagerfeuer der Ordens-Gemeinschaft…

Nach einem anstrengenden und blutigen Arbeitstag wärmte ich mir die Füße an den glühenden Holzspalten und die Hände an einer großen Schale heißen Tees, als die anderen Jäger aus der Gruppe eintrafen. Wir berichteten von unseren Abenteuern und ich erwähnte, dass es mir sehr weh getan hätte, dass pünktchen heute für mich eines seiner sieben (ich glaube, dieses Tier hat deutlich mehr ;-)) Leben ausgehaucht hätte, während ich feige den Rückzug vor einer Übermacht an Feinden angetreten hätte. Die erfahrenen Männer lachten mich bei diesen Worten aus. Sie konnten nicht verstehen, wie man den Tod eines Tieres betrauern könnte. „Das Pet ist ein Opfertier“, lächelte mich der weise Maximus an und die anderen pflichteten ihm amüsiert bei. Mir war es nicht zum Lachen zumute. Meine Gedanken kreisten und ich verabschiedete mich aus der Runde, um bei einem Spaziergang im Schein des vollen Mondes neben meinem treuen Schneeflockenpelz über das, was ich gehört hatte, nachzudenken.

Ist das Pet ein tatsächlich Opfertier? Sicherlich scheint es einen Sinn dahinter zu geben, dass manche Lebewesen in Azeroth dazu bestimmt sind, andere im Kampf gegen das Böse zu unterstützen, ebenso wie es ja genügend feindlich gesonnene Wesen gibt, die diesen Kampf erst erforderlich machen. Einleuchtend ist auch, dass in diesem Kampf immer wieder Opfer gefordert werden. Aber müsste das Opfer nicht ich sein? Ich bin diejenige, die diesen Kampf auf sich genommen und sich der Verteidigung des Guten verschrieben hat. Ein Glück, dass es das Schicksal so wollte, dass mich pünktchen dabei nun so ergeben unterstützt. Jedoch stellt sich mir die unbeantwortbare Frage, ob er mir oder ich ihm verpflichtet bin? Seine Treue allein mit Futter zu kaufen, erscheint mir schmählich angesichts dessen, dass er mir so oft das Leben rettete. Welcher Art ist die Beziehung, die wir zueinander haben?

Ganz klar, meine Katze macht sich keine Gedanken darüber: Gibt es kein Futter mehr, war es das auch mit der Treue und das Futter wird sich woanders gesucht. Aber hier geht es nur um Futter, das ich dem Tier gebe. Pünktchen hingegen erleichtert mir tagtäglich die Reisen durch Azeroth, bewahrt mich vor Schaden und macht sich anstelle meiner die Pfoten mit dem Töten bösartiger Monster schmutzig. Futter gegen Leben – was wiegt schwerer? Und welches löst die größere Verpflichtung aus?

Von einer anderen Seite betrachtet, ist die Katze mittlerweile ein besonderer Freund für mich geworden. Angenomen, ich hätte einen humanoiden Begleiter, mit dem ich nur halb so viel Zeit verbrächte wie mit dem Schneeflockenpelz und dem ich auch nur annähernd so viel verdankte, würde ich ihn im Kampf sterben lassen? Würde ich es nicht als meine Pflicht betrachten, mich bis zu meinem Tod vor ihn zu stellen und ihn mit allem zu verteidigen und zu beschützen, das ich habe? Würde ich das nicht sogar für jedes andere humanoide Lebewesen Azeroths tun, aus einem Gefühl der Loyalität und Ehre heraus? Wo liegt dann der Unterschied zwischen „menschlich“ und „tierisch“?

Ich weiß keine zufrieden stellenden Antworten auf diese Fragen. Nach langen Grübeleien und vielen Wochen die darüber ins Land gegangen sind, tut es mir immer noch persönlich weh, mein Tier opfern zu müssen und ich bemühe mich stets, dies zu verhindern. Meiner Meinung nach verdient auch ein tierischer Begleiter Respekt und gute Behandlung. Mein Schneeflockenpelz ist kein „Opfertier“, auch wenn die Fähigkeit des „Todstellens“ es leider mit sich bringt, das Tier zu „opfern“. Ich setze sie deshalb nur in den seltensten Fällen ein. Und ich freue mich jeden morgen aufs Neue darüber, nicht allein aufzuwachen und mich beschützt zu wissen.


niênna
Jägerin der Nachtelfen
am 4. Tag des 11. Mondes im Jahr 2007 Darnassischer Zeitrechnung
 
Zurück