Geschichte einer Bauerntochter - 5. Kapitel

Melian

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5. Kapitel – Probleme über Probleme

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Wütend zerriss Rose den Brief in tausend Schnipsel. Er stammte von ihrem Bruder, der sie erneut aufgefordert hatte, nach Hause zurückzukehren. Das kannte sie ja.
Aber dieses Mal schlich ein beklemmendes Gefühl in ihr Herz. Er hatte geschrieben, dass er in Silbermond wäre, und dass er sie finden würde, egal, wo sie sich befand. Sie schaute sich nervös auf dem weitläufigen Platz um, der auch als „Der Basar“ bekannt war. Es war natürlich niemand zu sehen. Sie seufzte etwas genervt. Sie hatte kaum den Schmerz des Abschieds von Farlem überwunden, das musste sie sich bereits wieder mit einem neuen Problem herumschlagen.

Langsam ging sie zum Hintereingang der Taverne und dachte darüber nach. Drinnen angekommen setzte sie sich auf ein Sofa, schlang ihre Arme um ihre Beine und stützte den Kopf auf.

Was sollte sie tun? Sie wusste, dass sie Yoran niemals würde überzeugen können. Er war schon immer gegen ihren Wunsch, eine Blutritterin zu werden, gewesen. Er hatte sie geneckt, hatte sie aufgezogen und ihr immer wieder das Gefühl gegeben, zu nichts weiter als einer Bauernfrau bestimmt zu sein. Sein Brief hatte sehr wütend geklungen, er hatte ihr regelrecht gedroht. Er würde es niemals akzeptieren, dass sie hier bleiben wollte, dass sie ihre Ausbildung fortsetzen wollte.

Sie dachte an die Ereignisse des letzten Tages. Sie hatte eine wichtige Aufgabe erfolgreich gemeistert, und war in den Rang eines Adepten des Blutritterordens aufgestiegen. Wie sie sich gefreut hatte! Und nun wollten die hohen Herren ihr sogar helfen, eine aussergewöhnliche Waffe zu bekommen, für die sie jedoch Zutaten aus der ganzen Welt zusammensuchen musste. Sie hatte bereits erfolgreich einen Dämon im Flammenschlund beschworen, und seinen Händen ein wertvolles Artefakt, eine Phiole Blut des Hasserfüllten, entrissen,
Danach hatte sie in Begleitung eines Taurenjägers nagapriesterinnen und Nagazauberinnen bei der tiefschwarzen Grotte im Eschental gejagt, und hatte schliesslich, nach endlosen Kämpfen, in der Tasche einer Gezeitenpriesterin einen geläuterten Koredelstein gefunden.

Noch heute wollte sie sich aufmachen, um ein Material zu finden, was später die Grundlage der Waffe sein würde. Doch dazu musste sie sich in die gefährlichen Hallen der Burg Schattenfang begeben. Der einzige Schmied, der imstande wäre, Blöcke eines Erzes zu schmieden, das für ihre Waffe geeignet war, wurde von den Worgs in dieser Burg gefangen genommen.

Sie seufzte leicht, und holte dabei auch ihre Insignie hervor, die sie ebenfalls gestern aus der Tasche der Leiche eines edlen Blutritters geholt hatte, der in der Todesfestung einen ehrenvollen Tod gestorben war. Da diese Insignien nur von einem Ritter zum nächsten übergehen und nicht neu geschmiedet werden, hatte man ihr den Auftrag gegeben, ihre Insignie von ebendiesem Leichnam zu holen. Es sollte nicht verloren gehen, sondern in die Hände eines neuen Ritters gelegt werden.

Rose schüttelte energisch den Kopf, während sie das Medaillon in ihren Händen hielt. Sie war so nahe dran. So nahe dran, sich weitere Achtung im Orden zu verschaffen und sie würde sich nicht abhalten lassen. „Nein, Yoran, du wirst mich nicht dazu kriegen, wieder zurückzukehren.“, sagte sie zu sich selbst.

Offenbar etwas zu laut, denn plötzlich fragte sie ein Elf, den sie bisher gar nicht beachtet hatte: „Wilddornrose, hast du was gesagt?“ Sie erschrak etwas, beruhigte sich aber schnell wieder. „Oh, hallo Doru, entschuldige, ich habe dich gar nicht gesehen. Ich.. Ich habe mit mir selbst gesprochen“, sagte sie und errötete etwas. Es war ihr peinlich, gerade vor Doru Selbstgespräche geführt zu haben. Sie mochte den Elf nicht besonders. Er war nämlich der Anlass zu einem Streit zwischen ihr und Farlem gewesen, einen Tag bevor er auf seine Mission aufbrechen musste. Das Ganze hatten sie immer noch nicht richtig geklärt, und es bereitete ihr Kopfschmerzen.

Sie dachte an den Abend zurück. Doru wollte Farlem für seine Vereinigung gewinnen, doch sie war bei dem Treffen nicht erwünscht. Es herrschte ein feindseliger Ton und vor lauter Sorge um Farlem hatte sie sich betrunken. Das war albern gewesen, aber sie hatte in dem Moment nicht gewusst, wie sie sich ablenken sollte. Als Farlem schliesslich wiederkam, unzufrieden und wütend, weil das Treffen nicht gefruchtet hatte und die Vereinigung ihn beleidigt, war er empört, und drehte sich weg von ihr. Sie fing an zu weinen und schluchzte in den Armen einer Freundin, dass er sie ja sowieso nicht verstehe, dass sie sich nur Sorgen gemacht habe. Zum Glück hatte er das gehört und nach einer tränenreichen Stunde hatte sich das Missverständnis schliesslich geklärt. Aber dennoch, sie mochte Doru nicht wirklich, weil er ja insgeheim der Grund für dieses Zerwürfnis.

Doru lächelte sie an und nickte. „Stehst du schon lange da und beobachtest mich?“ fragte Rose scharf. Doru lachte leise und erwiderte: „Keine Sorge, ich werde schon niemandem davon verraten, dass du Selbstgespräche führst. Denn sonst käme ich ja gar nicht mehr dazu, deine Schönheit zu bewundern, da du meine Gesellschaft meiden würdest.“ Rose blickte Doru etwas verwirrt an und sagte dann schärfer: „Hast du nichts besseres zu tun, als mich hier lächerlich zu machen?“ „Ach Wilddornrose, ich mache dich doch gar nicht lächerlich. Ich habe dich nur etwas betrachtet. Wer würde es mir verübeln?“, er lächelte und fuhr dann fort: „Ach, übrigens, wo ist denn Farlem?“.

Rose seufzte entnervt. Sie hatte zwar damit gerechnet, dass sie diese Frage noch öfters hören musste, aber es schmerzte sie dennoch, sie jetzt wirklich zu hören. Und vor allem von Doru, der sie zusätzlich noch mit diesem Schalk und etwas weiterem, undefinierbaren in seinem Blick von oben bis unten musterte. Sie rutschte etwas nervös auf dem Sofa herum und suchte nach einer guten Formulierung.
„Farlem ist.. er musste verreisen.. Auf eine wichtige Mission.“, beendete sie ihren Satz lahm und ärgerte sich, dass sie gestottert hatte. Es hörte sich wie eine billige Ausrede an. „Wenn du meinst“, antwortete Doru lächelnd. Sie fauchte zurück: „Was meinst du damit? Glaubst du, ich lüge?“ Doru lächelte sie nur an. „Du bist süss, wenn du wütend bist, weisst du das?“ „Lenk nicht vom Thema ab, Doru. Er.. Er hat mich nicht verlassen, er ist wirklich nur auf einer Mission.“ „Ich habe nichts dergleichen behauptet, Rose.“, erwiderte er lächeln.
Rose zuckte zusammen, als er zum ersten Mal die Abkürzung ihres Namens brauchte, er hatte sie sonst immer Wilddornrose genannt. „Möchtest du etwas zu trinken, Rose?“, fragte er sanft und reichte ihr, ohne auf ihre Antwort zu warten, ein Glas Melonensaft. „ich habe gesehen, wie du diesen Saft trankst. Ich hoffe, er schmeckt dir.“
Etwas besänftigt dankte sie ihm und trank einen Schluck. Sie wusste nicht recht, ob sie ihm böse sein, oder ob sie einfach seine Gesellschaft geniessen sollte. „Immerhin“, dachte sie, „wenn ich mich etwas mit ihm unterhalte, vergesse ich vielleicht meine Sorgen für ein paar Minuten.“
Sie spürte seinen Blick auf ihr und wandte sich zu ihm: „Sag mal.. Warum.. Warum glaubt mir eigentlich keiner? Selbst von dir spüre ich das doch.“ „Nun, ich würde sagen, dass dein ‚Freund’“, er betonte das Wort Freund etwas abschätzig, „von wenigen Elfen hoch angesehen ist. Immerhin ist er ein Strassenjunge, und verkehrt mit der Zunft der Diebe. . Ich traue ihm nicht. Ich habe ihm die Chance gegeben, in unsere Vereinigung einzutreten, aber er hat abgelehnt, was kein Elf mit gutem Gewissen machen könnte. Es ist für viele fraglich, ob man solchen Leuten trauen kann.“, er ballte etwas die Faust, als er davon erzählte, „Von wo weisst du denn, dass er dich nicht verlassen hat?“ „Ich.. ich vertraue ihm.“, sagte sie leise und fühlte sich dennoch etwas unsicher dabei. Wenn sie es so herum betrachtete, wusste sie wirklich nicht viel von ihm.
„Lass uns doch von etwas anderem reden, bitte“, bat sie ihn mit einem flehenden Ausdruck in ihren Augen. Doru nickte und trank noch einen Schluck von seinem Melonensaft.

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