Hinter hohen Mauern Kapitel 74

Evilslyn

Rare-Mob
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Arled fasste in kurzen Worten die Vorgänge zusammen, die ihn in jener Nacht in die Seitenstraße getrieben hatten. Er berichtete wie er durch den Rauch auf das Kellerfenster aufmerksam geworden war, und von seiner überstürzten Flucht, als ihm bewusst wurde wen, oder was er da vor sich hatte. Später hatte er dann in einem Gespräch das er belauschte, den Namen aufgeschnappt und es schien plausibel, dass Name und Untoter zusammengehörten. Mehr wusste er nicht, und bat Hun – dessen Mundwinkel zwischen Enttäuschung über das ihm entglittene Gespräch und Verwunderung über Arleds Wissen, hin und herzuckten – nun bitte fortzufahren. Augenblicklich war Huns Freude wieder hergestellt.
„Naja, wie du dir denken kannst waren wir alle äußerst irritiert, plötzlich einen Untoten vor uns zu haben. Hätt ihn fast erschlagen.“ Bei diesem Satz zog er den Kopf ein und warf einen Seitenblick auf Ragi, der nur die Augen verdrehte und den Kopf schüttelte. „Aber hab ich nicht. Und das war gut. Denn der Knacker - weist du - der war nicht nur aus Zufall da, der hatte was.“ An dieser Stelle hielt er kurz inne, schaute Ragi um Erlaubnis heischend an. Als Ragi nickte, fuhr er fort.
„Also wie du dir sicher denken kannst, waren wir erst mal echt von den Socken. Ich mein… immerhin befanden wir uns mitten in Gilneas. Jedes Kind wusste, dass die Geißel durch den Greymanewall abgeschnitten war. Aber da stand er. Wenn man es nicht gerochen hätte, hätte man ihn fast noch für lebendig halten können. Erst bei genauerem hinsehen erkannte man, dass hier und da die Knochen aus seiner Haut ragten.“, Hun schüttelte sich beim Gedanken daran. „Und dann dieser Rabe. Immer hat er dieses Vieh bei sich. Starrt einen aus seinen schwarzen Augen an… kann sogar sprechen das Vieh.“
„Ja, ja. Und Fliegen und Krächzen und Scheißen.“, unterbrach ihn Ragi. „komm endlich zum Punkt oder willst du über jeden Käfer berichten der hier und da aus seinem Hemdskragen gekrabbelt kommt!?“
Hun schluckte und sammelte sich kurz, dann fuhr er fort. „Also dieser Knacker stand da, und wir wussten erst mal nicht so recht was wir tun sollten, doch recht schnell machte er uns klar, dass er nicht mit bösen Absichten zu uns gekommen sei. Naja, zumindest schnell, wenn man bedachte, dass für einen Untoten die Zeit wohl eh unbedeutend sein sollte. Vorerst steckten wir ihn selbstredend in einen Käfig. Dort verbrachte er knapp eine Woche, und wurde so jede Nacht aufs Neue Zeuge unserer Verwandlung. Am siebten Tag, es war kurz vor Vollmond, bat er darum mit unserer Heilerin sprechen zu dürfen. Wie es schien hatte er gleich erkannt, das diese eine bessere Kontaktperson darstellen würde, als der Bürgermeister.“
„Der alte Hitzkopf wollte ihn ja auch am ersten Tag direkt in Einzelteilen im Wald verstreuen.“, streute Ragi trocken ein.
„Na jedenfalls hat sich Hespa bereit erklärt mit ihm zu sprechen. Und so konnte uns Knacker seine ganze Geschichte offenbaren; Er kam tatsächlich aus der Gegend von jenseits des Walls, müsst ihr wissen. Meinte, eine mit ihm befreundete Magierin habe ihn nach Gilneas gebracht. Und warum das Alles? Tja, wie es schien wusste er bereits von der Seuche die sich unter uns ausbreitete. Sein wissen war beachtlich. Obwohl er uns erst eine Woche beobachtet hatte, wusste er um den Verlauf der Seuche. Unseren Zorn, die Wildheit die mit jeder Verwandlung heißer lodernd in unseren Herzen brannte.“ Hun rieb sich bei diesen Worten unbewusst die Stelle, an welcher ihm Ragi, offensichtlich in Rage eine klaffende Wunde zugefügt hatte. „Und wie lehrte er euch, den Zorn im Bann zu halten?“, hakte Arled interessiert nach. „Wieso gelehrt? Gebraut meinst du wohl eher.“, antworte Ragi für Hun. „Hat uns beauftragt alle möglichen Kräuter in den umliegenden Wäldern zu sammeln. Meinte, wenn wir ihn frei ließen, und mit allem versorgten was er benötige, würde er im Gegenzug dafür sorgen das uns die Wildheit nichts mehr anhaben könne.“ „Aber das konnte er nicht?“, harkte Arled nach der den missmutigen Zug um Ragis Mund bemerkt hatte. „Naja, doch. Er brauchte eine Woche, dann war sein Gebräu fertig gestellt. Nun brauchte er jemanden der bereit war es zu testen.“ Arled kam zwar vom Dorf, doch selbst an ihm waren Geschichten über Alchemie versuche nicht vorbei gegangen. Er war äußerst gespannte, was wohl mit dem armen Versuchskaninchen geschehen war. Vermutlich hatten sie es an einer Kuh, oder einem armen Köter ausprobiert.
„Unsere Wahl fiel, aus wohl nachvollziehbaren Gründen, auf unseren guten Hun hier.“, fuhr Ragi fort. Hun verzog sein Gesicht als ihm die Erinnerung an jenen Tag einen Schauder über den Rücken trieb. „Er war einer derer, die am meisten mit ihrer Wildheit zu kämpfen hatte. Zum anderen war er für uns alle, aufgrund seiner Größe, am schwersten zu kontrollieren. Und nicht zuletzt waren wir überzeugt, dass seine Rossnatur am besten mit dem Gebräu zu Rande kommen würde.“ Dabei klopfte er Ragi auf seine breite Schulter.
„Ja, und sein langsame Art über Dinge nachzudenken kam auch wohl auch gelegen.“, dachte ich Arled, sagte es jedoch nicht. Stattdessen wand er sich direkt an Hun, „Und? Was ist geschehen.“
„Naja,“ entgegnete Hun, „im Grund nichts. Außer das es WIDERLICH schmeckte. Ein weiterer Schauder durchfuhr ihn. „Die beste Medizin ist nun mal bitter, mein Dicker.“, tröstete in Ragi, mit viel Mitgefühl in seiner Stimme und einem weiteren freundschaftlichen Schulterklopfen, warf dabei jedoch Arled ein belustigtes Lächeln zu. „Ja, unser Hun, er ist einfach eine gute Seele, hat sich einfach diese Plörre in den Hals geleert. Hätte ja sonst was passieren können.“ „DAS, klang damals aber anders. Du hast gesagt da passiert schon ni…“, brach es aus Hun hervor, wurde jedoch von Ragi direkt abgeschnitten, der unbeirrt weiter sprach. „Ich glaube aber der Geschmack war das schlimmste. Nachdem er kräftig mit Ale nachgespült hatte, um selbigen zu vertreiben, passiert dann erst mal nichts. Ich sehe es noch vor mir. Wir standen um unser Dickerchen herum und betrachteten ihn, als müssen ihm jeden Moment Hörner wachsen, oder Beulen, aber nicht dergleichen geschah. Dann kam die Nacht.“ „Und, habt ihr einen Unterschied bemerkt?“ Ragi ließ nur ein Wölfisches Grinsen seine Lippen verziehen. „Wie stellst du dir das vor? Wir hatten ja gar nichts getrunken. Ich erinnere mich zu dieser Zeit des Öfteren am Morgen erwacht zu sein, ohne irgendeine Erinnerung an die Vorgänge der Nacht. Es war als würde mein menschliches Begreifen mehr und mehr in den Hintergrund verbannt, je dominanter der Wolf in mir wurde. Erst am nächsten Morgen dann bemerkten wir die Wirkung.“ Ragi warf Hun einen Seitenblick zu, „Soll ich es erzählen oder magst du lieber selbst?“, fragte er den Hünen. „Nur zu, ich weis doch wie gern du diese Story erzählst. Musstest es ja sogar immer und immer wieder im Dorf breit treten, obwohl es dort ohnehin jeder schon wusste.“, grollte Hun. Ragi schüttelte ein Kicheranfall als er die gegrollte Verstimmung Huns hörte. „Drei mal dürft ihr Raten wo wir ihn fangen…“, es war Ragi deutlich anzusehen das er mit sich Rang nicht loszuprusten. „Ach da kommt ihr eh nicht drauf. IN EINEM SCHRANK!“, könnt ihr euch diesen Riesen vorstellen, wie er in einen Schrank gezwängt dasitzt? Zusammengekauert, umhängt mit Kleidern, und mit Bettwäsche auf dem Kopf. „Musst du das immer so breittreten.“, zischte Hun, der offensichtlich gerne im Boden versunken wäre. „Arled, du machst dir ja keine Vorstellungen wie es zu dieser Zeit in Dämmerungszuflucht zuging! Sie waren wie Tiere! Ich versuchte mit Ragi zu sprechen nachdem wir uns verwandelt hatten, doch hinter dem goldenen Feuer seiner Augen war nichts mehr das ich kannte. Es war … Wahnsinn der in ihm tobte. Manche fielen übereinander her, und trieben es mitten auf der Straße. Andere verschwanden im Dunkel, und kurze Zeit später erklangen aus der Dunkelheit Schreie. Es waren die Schreie von Tieren, und man hörte förmlich ihr Leiden während ihnen bei lebendigem Leib das Fleisch von den Knochen gerissen wurde. Es war …“ „Schlimm. Ja ich glaube das hat Arled auch so schon kapiert. Jedenfalls hatte sich unser, „Ich-halte-eine-Zweihandaxt-mit-einer-Hand-und-zerdrücke-rohe-Kartoffeln-zwischen-meinen-Zehen-Hun hier, in ein Empfindelchen gewandelt, und sich aus Angst vor uns rohen Wilden in einen Schrank verkroch.“ – „Hun, kannst du den Schrei noch nachmachen den du losgelassen hast als wir die Schranktür öffneten?“ Huns Erwiderung bestand nur aus einem tödlichen Blick.
„Also hat das Mittel offenbar gewirkt.“, löste Arled die angespannte Situation. „Ja kann man so sagen. Ich weis nicht, vielleicht war es etwas stark dosiert, aber generell war der Test ein Erfolg. Danach richteten wir Knacker jenes Labor ein, dass du ja bereits gesehen hast, und machten ihn zu unserem Stadtapotheker. Jeder im Dorf bekam eine genau auf ihn abgestimmte Ration an Gegenmittel, und so wurde es uns möglich ein Leben zu führen, so wie früher. Nur das wir eben unsere Gestallt wandelten. Das hörte nicht auf.“
„Und das heißt, seit ihr Dämmerungszuflucht verlassen habt, fehlt euch der Nachschub.“, schlussfolgerte Arled, der längst ahnte worauf die Geschichte hinauslaufen würde.
„Genau, gut kombiniert. Im Grunde ist das-„ Ragi griff in seine Tasche und förderte eine kleine Phiole zu Tage, in der eine rötliche Flüssigkeit umher schwappte. Die Phiole war bereits über die Hälfte geleert. “, das Letzte was uns geblieben ist.“ „Wisst ihr denn, wie ihr euch selbst etwas davon herstellen könntet?“, wollte Arled wissen während er die kleine Phiole, welche ihm Ragi zur näheren Betrachtung übergeben hatte, nachdenklich beäugte. „Nein, keine Ahnung.“, seufzte Hun resignierend. „Aus dem Grund haben wir uns ja auch des Nachts meist von euch getrennt. Einerseits konnten wir das Gebräu nicht verschwenderisch Nutzen, und andererseits konnten wir es nicht wagen euch in Gefahr zu bringen.“ „Also seid ihr ohne Das hier“ Arled schüttelte die Phiole während er sie gegen das schwindende Sonnenlicht hielt, „seid ihr nicht Herr eurer Sinne, könnt euch nicht beherrschen? Nach all der Zeit?“ „Ich glaube nicht, dass es mit Beherrschung zu tun hat, Arled. Es scheint fast, dass ohne das Mittel, der Worg in uns zur Zeit unserer Verwandlung die Kontrolle übernimmt. Meist kann ich mich gar nicht, oder nur bruchstückhaft an Dinge erinnern die zu dieser Zeit vorkamen. Teilweise kommen die Erinnerungen oft erst Tage später wieder, und dann driften sie ins Bewusstsein, wie eine Erinnerung an einen Traum.“ „Am Besten würde ich sagen, probierst du es einfach aus. Ich denke heute Abend sollten wir uns ohnehin alle ein Schlückchen genehmigen. Diese Menschen hier befinden sich in ständiger Alarmbereitschaft. Ich glaube kaum, dass wir große Chancen bekämen uns zu erklären, sollte einer von uns sich heute Nacht in einen Worgen verwandeln.“, bei diesen Worten nickte Ragi in Richtung der aufgepflanzten Worgenschädel, die sie aus leere Höhlen anzustarren schienen. Hun folgte seiner Kopfbewegung und grunzte beim Anblick der Schädel angewidert auf, bevor er den Blick wieder auf das kleine Lagerfeuer richtete. Arled, der noch immer die Phiole in Händen hielt, packte den kleinen Korkdeckel, drehte und zog. Mit einem leisen „Plopp“ löste sich der Korken. Unverzüglich quoll rosafarbener Rauch aus der kleinen Öffnung. Zögerlich näherte Arled seine Nase dem Dampf und schnüffelte. Der Geruch war überraschend angenehm. Nicht annähernd so beißend wie Arled es aufgrund des Qualms und der roten Farbe erwartet hätte. Allerdings verblieb ein seltsamer Nachgeschmack im Hals, nachdem der erste Duft schon längst verflogen war. „Wie viel braucht man von diesem Zeug, damit es richtig wirkt?“
„Das hängt von verschiedenen Faktoren ab“, Ragi zeigt auf Hun, „unser Dickerchen hier braucht etwas mehr als wir, doch es macht nicht viel aus. Recht harter Tobak dieses Gebräu.“ Bei diesen Worten nahm er Arled das Fläschchen ab und griff in den Ausschnitt seines Hemds. An einer Kette um seinen Hals, trug er ein kleines Amulett, das sich Arled schon gesehen, jedoch nie näher betrachtet hatte. Es hatte die Form eines kleinen Kelchs, war aus einem silbrig glänzenden Metall gefertigt, und offenbarte bei näherem Hinsehen eine erhebliche Detailverliebtheit, war er doch über und über mit winzigen eingravierten Verzierungen bedeckt. Das Fassungsvermögen des Minikelchs betrug nicht viel mehr als einige Tropfen, doch nach seinem Schluck reichte Ragi den Kelch direkt an Hun weiter, welcher sich den Becher zweimal füllte, bevor er ihn an Arled reichte. Arled zögerte kurz, seine Verwandlungen fanden nicht annähernd so regelmäßig statt wie jene von Hun und Ragi. Vielleicht würde ohnehin nichts passieren diese Nacht. Doch konnte er das riskieren? Sein Blick schweifte hinüber zu dem Flüchtlingslager, wo überall geschäftige Hände das Lager für die Nacht vorbereiteten. Wachen bezogen ihre Posten, Barrikaden wurden überprüft, Zeltleinen noch einmal nachgespannt. Überall blitzte Stahl in den Strahlen der untergehenden Sonne. Ja, Ragi und Hun hatten wohl Recht. Sollte er sich ausgerechnet heute Verwandeln, würde es mit Sicherheit zu ernsten Konsequenzen kommen. Das durfte er nicht riskieren. Er füllte den Becher, und trank. Die Flüssigkeit, schien kaum in seinem Mund schon in ihn einzusickern. Schien den Umweg über den Magen zu umgehen, und direkt durch seine Schleimhäute in sein Blut zu sickern. Ein Schaudern überlief ihn, und dann war es auch schon vorbei. Er fühlte sich kein bisschen anders. „An den Nachgeschmack gewöhnt man sich mit der Zeit.“, kommentierte Ragi seinen wenig begeisterten Gesichtsausdruck und klopfte ihm auf die Schulter. Kommt, lasst es uns bequem machen, die Nacht ist nah, und morgen gibt es viel zu tun.“
Wenige Minuten später lag Arled in eine Decke gehüllt neben dem Feuer und blickte in den Himmel, an dem die ersten Sterne erschienen. Seine Gedanken schweiften zu Vodan, der gerade irgendwo im Wald sein Nachtlager aufgeschlagen hatte. Er hoffte Vodan würde eine ruhige Nacht erleben, ohne auf unliebsame Geschöpfe der Nacht zu treffen. Nun ja, der Taure würde sich schon zu helfen wissen. Dann Gähnte Arled herzhaft, streckte sich, rollte dann auf die Seite und versuche Schlaf zu finden. Das leise prasselnde Lagerfeuer säuselte ihm eine Schlafmelodie.

… to be continued

Eure Endule
 
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