Kapitel 20

Evilslyn

Rare-Mob
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Framier stand in der Mitte des Platzes. Seine Kleidung war zerschlissen und an mehreren Stellen Blut getränkt. Teilweise von seinem Eigenen, welches noch immer aus der Wunde an seinem Bein trat, zum größeren Teil jedoch von dem des Worgen. Die Axt wog schwer in seiner Hand. Sein Bein hatte wieder zu pochen begonnen.
Diesen Kampf hatte er gewonnen, doch seine Berserkerwut hatte seinen Muskeln einen hohen Tribut abverlangt. Langsam kroch Müdigkeit wie Säure in seine Gliedmaßen.
Doch er durfte nicht nachlassen, für Ellenora.
Vor seinem Inneren Augen sah er seine Tochter, wie sie aus tränengefüllten Augen zu ihm aufblickte, bevor sie im Nebel verschwand. Sie war so ein tapferes kleines Mädchen.
Innständig hoffte Framier, dass ihre Flucht in den Wald unbeobachtet geblieben war.
Er frage sich ob er wohl sein Versprechen ihr zu folgen, würde halten können.
Auf jeden Fall, würde er ihr Zeit verschaffen, auch wenn es sein Leben kosten sollte.
Er würde es teuer verkaufen.

Als das Heulen anhob, drehte sich Framier langsam um die eigene Achse.
Sein Herz sank bei dem sich bietenden Anblick.
Auf fast jedem Dach, der den Platz umstehenden Häuser, hatten Worgen Position bezogen.
Davon ausgenommen waren nur jene zwei Häuser die mittlerweile komplett in Flammen standen, und die Nacht in einen unheimlichen Schein tauchten.
Framier schloss die Augen und sprach ein kurzes Stoßgebet.
Dann öffnete er die Augen und straffte sich. Einige der Worgen waren von den Dächern gesprungen und kamen langsam näher.
Sollte sie nur kommen. Er war bereit.
Für Lohenscheit.
Für Edina.
Für Ellenora.


Arled war bester Laune an diesem Morgen. Müde zwar, denn er hatte die gesamte Nacht auf dem Dach zugebracht, aber glücklich. Heute war wieder Vollmondnacht.
Sein Vater hatte ihn am Morgen zur Seite genommen, und für die Nacht ein besonderes Vorhaben angekündigt. Arled wusste zwar nicht worum es genau ging, doch doch er nahm an, dass sein Vater ihm das Jagen beibringen wollte.
Wenn seine Prognosen stimmten, müsste Arled die erste Verwandlung bevorstehen. Zumindest die erste an welche er sich am nächsten Morgen auch würde erinnern können.
Arled war mehr als gespannt. Und außerdem hegte er insgeheim die Hoffnung „Sie“ wiederzusehen.
Abgesehen von der Vorfreude auf ihr Erscheinen, gab es auch einige Fragen, die er mit ihr klären musste.

Die Stunden des Tages verstrichen quälend langsam. Arled machte einen ausgiebigen Spaziergang durch die Felder und Wiesen der Umgebung. Statte den Tieren eine Besuch ab. Spielte ein wenig am nahegelegenen Bachlauf. Doch egal was er tat, vor seinem Inneren Auge sah er immer wieder die Scheibe des Mondes, und das Gesicht der Frau in weiß. Nichts vermochte ihn zu zerstreuen, so wie es früher der Fall gewesen war.
Als er am frühen Nachmittag nach Hause kam, teilte ihm sein Vater mit, dass sie bald aufbrechen würden und er sich nicht mehr so weit vom Haus entfernen sollte.
Arled war es nur recht. Wäre es nach ihm gegangen, er währe längst auf dem Weg gewesen.

„Na, wie fühlst du dich heute?“ Flugur brach das Schweigen als erstes, welches seit ihrem Aufbruch geherrscht hatte.
„Naja, ich bin schon aufgeregt. Aber Angst habe ich keine. Ich versuche mir vorzustellen wie es wohl sein wird. Bisher habe ich die Verwandlung ja noch nicht bewusst erlebt. Tut es eigentlich weh?“ Obgleich Arled versuchte den starken Mann zu geben, kannte Flugur seinen Sohn gut genug um die Beunruhigung in der Stimme zu vernehmen.
„Nun ja, es sind nicht wirklich Schmerzen. Aber es ist, wie soll ich sagen, gewöhnungsbedürftig.“
„Gewöhnungsbedürftig, aha.“ Arled zog seine Augenbrauen nach oben, dann nickte er knapp und versank wieder in Gedanken.
Flugur konnte nur zu gut verstehen was nun in ihm vorging. Andererseits hatte Arled wenigstens ihn an seiner Seite, Flugur war allein auf sich gestellt gewesen, und er erinnerte sich nur sehr ungern zurück.

Nachdem sie circa eine halbe Stunde gelaufen waren, stellte Arled fest das sein Vater offenbar nicht den Weg einschlug der zu der kleinen Lichtung führte, auf der sie die letzte Vollmondnacht verbracht hatten. Auf seine Frage hin, wo sie denn hingingen, blieb sein Vater vage. Er sagte nur, dass er für diese Nacht eine bessere Stelle gefunden habe.

Nachdem sie noch fast eine Stunde unterwegs waren erreichten sie eine kleine Talsenke durch die ein Bach floss. Eingebettet zwischen sanften Hügeln, war das Tal mit üppiger Vegetation bewachsen.
Sie schlugen ihr Lager direkt am Bach auf.
Die Bäume, die ein kleines Wäldchen auf dem Hügel hinter ihnen bildeten, reichten hier fast bis an den Bach herunter und schufen einen Windgeschützten bereich.
Schon bald prasselte sein kleines Lagerfeuer. Arled hatte beim Holzsammeln einen Stock gefunden, den er wie so oft mit seinem Schnitzmesser bearbeitet, während sein Vater aus einem langen dünnen Ast und eine mitgebrachten Schnur eine Angel bastelte.

„Glaubst du es gibt eine Chance auf Heilung für uns?“ Arled schaut überrascht auf.
„Woher soll ich denn das wissen?“, fragte Arled. „Ich weis nicht mal ob es eine Krankheit ist. Immerhin sterben wir doch nicht daran. Es ist eher eine Art Fluch würde ich sagen. Wenigstens ist es nichts Schlimmes.“
„Na du bist gut. Wieso ist das nicht schlimmes?“ Flugur sah ihn verblüfft an.
„Nun ja, ich sehe das so. Wir werden stärker, schneller, bekommen schärfere Sinne. So laufen normal doch keine Krankheiten ab. Und die Nachteile, wie die ungezügelte Wut, bekommt man mit der Zeit ja auch in den Griff wie du sagst“
Über Flugurs Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. Die Einfachheit und Unbeschwertheit mit der Arled das Thema behandelte war erfrischend.
Welch gewaltige Willensstärke erforderlich war, den Trieben in seiner Worgenform nicht nachzugeben, würde er noch früh genug erfahren.
Und dieser Moment nahte unaufhaltsam.
Der Himmel war bereits von der der Untergebenden Sonne in blasses Rosa getaucht.
„Wir werden sehn. Wir werden sehn.“ Murmelte er mehr zu sich selbst als an Arled.
 
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