Kapitel 42

Evilslyn

Rare-Mob
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In Karl wallten längst verdrängte Hoffnungen und brandeten gegen jene Wildheit, die ihm in seiner Worgenform zueigen war, auf.
War es denn wirklich möglich?
Konnte es nach all diesen Jahren sein, dass sie noch lebte?
Er erinnerte sich noch rege an jene Zeit der Trauer.
Der Zeit, als er einerseits mit seinem neuen Dasein als Worg klarkommen musste, und andererseits von tiefer Trauer erfüllt, mit dem Tod seiner Freundin.
Als er schließlich ihren Tod akzeptierte, war auch ein großes Stück dessen verloren gegangen, was ihn mit der Menschheit verband.
In seiner Trauer, hatte er der Wut in sich, kaum Einhalt geboten.
Alles war ihm trist erschienen.
Doch nun lag dieser Geruch in der Luft. Dieser Geruch den er nie vergessen hatte, auch wenn er ihn als Kind, nur dann vernommen hatte, wenn sie sich balgten oder gemeinsam in der Sonne lagen, und in die Wolken starrten.
Der Geruch wurde stetig stärker, bis er einen Haufen aus Ästen und Gestrüpp erreichte.
Von hier kam der Geruch, daran bestand kein Zweifel.
Kurz zögerte er, glaubte eventuell an eine Falle. Schaute sich zweimal um, und begann dann die Äste zur Seite zu schieben.
Bereits unter dem ersten Ast kam sie zum Vorschein.
Als habe er einen Geist vor sich, taumelt Karl einen Schritt zurück.
Sie war es, daran bestand kein Zweifel.
Älter zwar, doch unverkennbar.
Ihr braunes Haar fiel in geschwungenen Locken und umrahmte ihr Gesicht.
Die Zeit hatte, einem Bildhauer gleich, das Kindliche abgetragen, und ein Gesicht herausgemeißelt, welches alles an Anmut und Schönheit übertraf, das Karl bisher zu Gesicht bekam. Ihre Haut, glatt und ebenmäßig, spannte sich über ihre gleichmäßigen Züge.
An den Wangen leuchtete sie in zartem rosa.
Ihre Augen, geschlossen, wirkten friedlich, und wurden geziert von sanft geschwungenen Wimpern.
Durch Karls geschärfte Sinne, nahm er es noch klarer Wahr, doch auch mit seinen menschlichen Sinnen, hätte ihn der Anblick hingerissen.
Dann bemerkte er den Blutstropfen der an ihrer Schläfe hinab floss.
Die Gier stieg aus den Tiefen seiner selbst auf. Der Jagdtrieb drängte ihn sich auf sie zu stürzen und seine Fänge in sie zu schlagen.
Doch er kämpfte sie nieder.
Vorsichtig strich er mit seiner Pranke, eine braune Haarsträne beiseite, und legte eine üble Schramme an ihrem Kopf frei. Sie brauchte Hilfe, dass war ihm ebenso klar, wie die Tatsache, dass sie selbige in Lohenscheit nicht zu erwarten hatte.
Er begann behutsam die restlichen Äste von ihr zu entfernen, als er feststellte, dass eines ihrer Beine, unter einem dicken Ast eingeklemmt war.
Beherzt packte er den Stamm, und stemmte sich mit aller Kraft dagegen.
Langsam hob er sich. Trotz seiner enorm gesteigerten Kraft in Worgenform, musste Karl an die Grenzen seiner Belastbarkeit gehen, und keuchte schwer. Doch er würde sie nicht hier liegen, und ihrem Schicksal überlassen.
Als er den Ast weit genug zur Seite gezogen hatte, um ihn problemlos abzusetzen, bewegte sich Ellenora, stöhnte im Schlaf und lag dann wieder still.
Karl stand schwer schnaufend über ihr und blickte auf sie hinab.
Wo konnte sie nur hergekommen sein. War sie etwa zu Fuß unterwegs?
Er streckte seine Nase in den Wind und witterte.
Harzgeruch, von den geborstenen Bäumen und abgefallenen Nadeln, lag schwer in der Luft, und erschwerte das Ausmachen anderer, leichterer Gerüche. Doch seine Nase war nun mal wie dafür geschaffen, und so dauerte es nicht lang bis er den Geruch eines Pferdes erkannte.
Es roch nach Adrenalin und Schweiß.
Der Geruch der Angst.
Ein Geruch der seinen Jagdtrieb erneut weckte.
Doch erneut kämpfte er ihn nieder.
Ellenoras Rettung hatte Vorrang.
Er schaute noch einmal zu ihr, sie lag noch immer friedlich da.
Dann preschte er in jene Richtung davon, aus der der Geruch des Pferdes heran wehte.

Hespa wachte am Bett des Jungen, und flößte ihm mehrmals täglich einen bitteren Trank aus verschiedenen Heilkräutern ein, welche sie in der Nähe von Dämmerungszuflucht zu sammeln pflegte.
Die Natur bot mannigfaltige Wege, zur Kurierung verschiedenster Krankheiten und Verletzungen. Man musste nur wissen, wo man zu suchen hatte.
Ein weiterer Vorteil, neben der Heilwirkung des Trankes, war die Tatsache, dass sie Patienten in einen tiefen gleichmäßigen Schlaf versetzte. So konnten Fleischwunden verheilen, ohne das Patienten, die sich nur allzu oft als unvernünftig herausstellten, ihre Wunden zu früh belasteten.
Im Fall des Jungen, der keinen Bruch oder ähnliches aufwies, musste sie sich jedoch eingestehen den Trank aus Eigeninteresse nicht abzusetzen. Sie wollte verhindern, dass er verschwand ehe sie nicht herausgefunden hatte, was es mit Sonne und Mond auf sich hatte, die wie von Geisterhand auf seiner Haut erschienen waren.
Doch auch nachdem sie all ihre Bücher gewälzt hatte, war sie kein Stück weiter gekommen.
Sie hatte Bücher über fast alles durchsucht. Stammestätowierungen, Runen, okkulte Zeichen, Stammeszeichen der Tauren, der Orcs und Trolle.
Doch nirgendwo waren Sonne und Mond in der Form erwähnt, wie sie an dem Jungen prangten. Wohl oder übel war sie zu dem Schluss gekommen, die Medizin abzusetzen, und darauf zu hoffen, dass er selbst bereit wäre ihr sein Geheimnis zu offenbaren.
Es würde noch dauernd bis sein Organismus den Wirkstoff abgebaut hätte, doch sein Schlaf war nun schon viel unruhiger als er es die letzten Tage über gewesen war.
Sie konnte es kaum erwarten.

Alred driftete durch die Dunkelheit dahin.
Er hätte nicht zu sagen vermocht wie lange schon, doch es war ihm auch egal. Sein Innerstes war erfüllt von einem tiefgreifenden Gefühl der Geborgenheit und Wärme.
Nur träge kam sein Verstand wieder zum laufen, als er sich unvermittelt auf der Lichtung wiederfand. Beim Anblick des kleinen silbrigen Sees, beschlich ihn ein Gefühl, welches dem des Nachhausekommens sehr nahe kam.
Er streckte sich, und gähnte herzhaft.
Wie bereits zuvor, stand sie, als er die Augen nach dem Gähnen wieder öffnete, vor ihm. Obwohl er sich langsam daran gewöhnte, dass sie aus dem nichts erschien, erschreckte er.
Doch ein Blick in ihre friedlichen Augen ließ ihn alle Angst vergessen.
„Arled, es wird zeit. Du musst erwachen. Es geht großes vor. Schon bald wird die Barriere brechen. Aber sieh selbst…“, bei ihren letzten Worten, verschwamm die Realität um Arled, und er schwebte plötzlich über Azeroth, so wie er es in jener Nacht seiner ersten Verwandlung getan hatte.
Das Land glitt unter ihm dahin. Er sah kleine Dörfer, Städte, Wälder und Seen.
Nah einiger Zeit, zeichnete sich am Horizont der Greymanewall ab.
Dunkel und bedrohlich, wirkte er erst wie ein sich erhebender Schatten, nahm dann mehr und mehr Form an, und schälte sich dann aus dem Dunst, welcher über dem Land lag. Der gewaltige Bau beeindruckte Arled schwer. Wenn er sich vorstellte, wie viele Arbeiter bei seinem Bau beteiligt waren, wie viele ihr Leben gelassen hatten, und was sie erreicht hatten, wurde ihm ganz schwindlig. Auf den ersten Blick sah der Wall genauso aus, wie er ihn in Erinnerung hatte. Doch beim Näherkommen offenbarten sich ihm mehr und mehr die Veränderungen.
Risse zogen sich durch das Gestein. Felsblöcke, so groß wie Kutschwagen, lagen auf dem Boden neben der Mauer. Hatten sich zur Hälfte in den Grund gegraben, so heftig war ihr Aufprall gewesen.
Arled schwebte parallel zur Mauer, und entdeckte mehr und mehr Schwachstellen, welche durch die Eruptionswelle entstanden sein mussten.
Dann erreichte er die Stelle, an der das gewaltige Tor in der Mauer prangte.
Viele Mannslängen hoch, und viele Ellen dick, war es für die Ewigkeit gebaut. Doch auch riesige Monument hatte unter den Einwirkungen der Welle gelitten.
Leicht winsch, hing eines der Tore in den Angeln.
Noch war kein Durchlass entstanden, doch es fehlte nicht mehr viel.
Von seiner Position über dem Tor, konnte Arled am Horizont, der von Gilneas abgewandten Seite des Walls, vage Burg Schattenfang erkennen.
Die melodische Stimme der Frau hallte plötzlich wieder durch seinen Kopf.
„Die Burg, dein Ziel. Doch noch bist du nicht bereit. Du wirst Hilfe brauchen. Dein Weg war bisher der richtige. Doch wähle deine Freunde mit bedacht. Sei versichert, nicht jeder der freundlich wirkt, ist es auch.
Sei wachsam junger Worg.
Sei auf der Hut.“
Ihre Stimme wurde leiser und seine Vision begann langsam zu verblassen. Dann vernahm er sie noch einmal.
Ein leises Flüstern. „Wach auf, junger Worg. Wach auf.“
Flatternd öffneten sich seine Lieder.


Ellenora trat aus dem Wald hervor und lief auf die Palisaden Lohenscheits zu. Sie verspürte keine Angst, driftete in einer Blase der Emotionslosigkeit dahin. Auch die Lanzen mit aufgepflanzten Köpfen, welche rechts und links des Haupttores steckten, schreckten sie nicht.
Teilnahmslos stellte sie fest, dass sie die Köpfe kannte.
Da war Rumgar, Lestitus, und in der Mitte, das Gesicht zu einer schrecklichen Fratze verzerrt, sogar Miras Haupt.
Leblos starrten sie aus gebrochenen Augen ins Nichts.
Kurz wunderte sie sich, dass in ihr nicht mehr Emotionen losbrachen, doch da hatte sie die Köpfe auch schon passiert.
Schritt durch die Gassen Lohenscheits, welche genauso aussahen wie damals, bevor sie ihren Heimatort verlassen musste.
Niemand außer ihr war auf den Straßen unterwegs.
Nichts regte sich. Alles lag verlassen.
Dann erreichte sie den Dorfplatz.
Ein grausiger Anblick bot sich ihr da.
Marl und Karl, beide in Worgenform, doch sie wusste mit Gewissheit das es die beiden waren, balgten sich um den arme Tesius, oder was von ihm übrig war.
Jeder hielt einen Arm und sie rissen an ihm wie an einer Puppe. Der untere Teil seines Körpers war ausgefranst, und teilweise konnte man durch das abgenagte Fleisch die Knochen erkennen.
Ellenora hielt in ihrem Schritt inne. Legte den Kopf leicht schief und schaute.
„Lady Ellenora, ich wusste ihr würdet kommen.“
Sie brauchte einen Augenblick um zu begreifen, dass es Tesius war der zu ihr sprach.
Sein Körper war so zerfetzt das er unmöglich noch am Leben sein konnte. Sein Kopf wackelte hin und her, während die Worgen an ihm rissen, doch nun erkannte Ellenora, dass seine Augen wach und lebendig wirkten.
Sie hatte keine Zeit länger darüber nachzudenken, denn in diesem Moment fuhren die Worgen herum und blickten sie Gierig an.
Ihre Schnauzen trieften vor Geifer und Blut, und aus ihren Augen sprach wahnsinnige Gier.
Sie ließen Tesius los, der wie eine Puppe in sich zusammen fiel, und kamen auf sie zu.
Erst langsam, dann immer schneller.
Ellenora stand da, immer noch emotionslos, fühlte keine Furcht.
Dann begann der Boden unter ihren Füßen zu wanken, wie das Deck eines Schiffs.
Die Worgen schienen es nicht zu bemerken, kamen auf schnellen Pfoten auf sie zugestürzt.
Der Worg, in dem Ellenora Marl zu erkennen glaubte, drückte sich ab, und sprang mit aufgerissenem Maul auf sie zu.
Tief in Ellenora durchzuckte sie etwas.
Ein Gefühl des Fremden, unechten.
Die Gewissheit, dass etwas nicht so war wie es schien.
Und dieser Gedanke, ließ die Traumwelt um sie zerfallen.
Das Bild verschwand, und sie öffnete die Augen.
Überrascht stellte sie fest, dass das wanken des Bodens, nicht verschwunden war.
Nur war es nicht der Boden, sondern der Rücken Framiers, auf dem sie vorn übergebeugt saß. In gemächlichem Schritt trottete der Wallach dahin.
Ellenora richtete sich ein Stück auf, und erkannte die Gegend durch die sie ritt.
Sie war nicht mehr in der Nähe Lohenscheits, wie sie es vermutet hatte.
Framier hatte sie fast bis zum Flüchtlingslager getragen.
Erleichterung durchströmte sie.
Die Überlegung wie dies möglich sein konnte, verschob sie fürs erste.
„Framier mein Guter. Bring uns nach Hause.“, flüsterte sie liebevoll.
Dann sank sie nach vorn, und driftete erneut in einen Traum.


...to be continued

MfG
eure Evi
 
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