Kapitel 58

Evilslyn

Rare-Mob
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Ragi, Arled und Hun, deren Körperkraft und Schnelligkeit stark von ihrer Worgenform profitierten legten ein beachtliches Tempo vor. Immer weiter gen Nordosten rannten sie, Vodan hielt aufgrund seiner Größe gut mit. Fiel er doch einmal zurück, dann warteten die anderen kurz bis er zu ihnen aufgeschlossen hatte, und eilten dann weiter. Das Land um sie herum ächzte und stöhnte. Alles war in Bewegung. Was sich unter der Erde bereits angekündigt hatte, war nun in vollem Umfang auch hier zu spüren. Wenngleich nicht ganz so heftig wie in der Schneise die Todesschwinge Flugroute gezeichnet hatte, so beeinflusste seine Macht das Land auch hier beachtlich. An manchen Stellen riss die Erde über mehrere Steinwurf weit auf, und drückte sich nach Oben. So bildeten sich Kliffs, mitten in der Landschaft. Die Bergkuppe eines nahegelegenen Berges, platzte wie ein über reifer Pickel, und Lava Massen strömten daraus hervor und ergossen sich über die grünen Hänge. Die aus dem Krater hervor steigende Aschewolke verdunkelte weite Teile des Himmels. Es schien, als wolle er die zögerliche Morgendämmerung im Keim ersticken.
Der Gruppe kamen ihre Instinkte zu gute, denn mehr als einmal wurde die Erde von heftigen Beben erschüttert, die einen Menschen leicht von den Beinen hätte reißen können.
Arleds Atem ging heftig, seine Nüstern waren geweitet. Jeder Atemzug trug ihm Informationen zu, die weit über das Sichtbare hinaus gingen. Der Geruch nach Schwefel war allgegenwärtig. Als ob die Erde ihre inneren Faulgase ausstieße. Seine Ohren hörten nicht nur das Getöse umfallender Bäume, rollender Felsen und zischen des Feuers, sondern auch das Knirschen unter seinen Füßen welches von der arbeitenden Erde kam.
„Arled!“, die Stimme klang von recht weit hinter ihm zu kommen. Es war die Stimme Ragis. Alred bremste, brauchte jedoch etwas bis er aus vollem Lauf zum stehen kam. Als er sich umwandte, brauchte er etwas bis er Ragi sah. Der kleine Mann, stand weit entfernt und winkte Arled er solle zurück kommen. Der kleine Mann? Arled schaute auf seine Hände. Sie waren noch immer von weißem Fell bedeckte Pranken. Seine Finger endeten noch immer in langen, gebogenen Krallen. Er blickte wieder zu Ragi. Neben Ragi sah er nun auch Hun, der sich gerade von den Knien erhob. Auch er war wieder ein Mensch. Wie konnte das sein?
Arled setzte sich in Bewegung und rannte zurück.
„Puh. Ich dachte schon du rennst immer weiter.“, empfing ihn Ragi keuchend. „Ich wollte dich schon früher rufen, doch das ist gar nicht so einfach wenn dein Schädel gerade dabei ist seine Form zu ändern.“, setzte er mit einem schiefen Grinsen hinzu.
„Warum habt ihr euch zurück verwandelt? Was ist passiert?“, Verwirrung klang in Arleds Worten mit. Der weiße Worg stand schwer schnaufend vor denn beiden Männern und blickte sie aus goldenen Augen fragend an.
„Wieso wir uns zurück verwandelt haben? Nun ja, das könnte mit dem Mond zusammenhängen.“, Ragi nickte in die Richtung in welcher der Mond stand.
Arled wandte sich um und folgte seinem Blick. Nichts. Der Himmel verfärbte sich mehr und mehr vom silbrigen Schein des Morgens, in sein gewohntes Blau. Die Scheibe des Mondes war nicht mehr zu sehen. Arled wand sich wieder Ragi zu, nun verwirrter als zuvor.
„Ja aber…“, setzte er an.
„Eben. Es ist wohl eher die Frage: Warum bist du nicht wieder ein Mensch?“, Ratlosigkeit lag in Ragis Zügen.
Vodan der sich die ganze Zeit über ruhig verhalten hatte, stand hinter Ragi und Hun und beäugte Arled neugierig. Schien jedoch auch keine Antwort parat zu haben.
Dann begann er in seiner riesigen Büchertasche herum zu kramen. Er holte ein Buch hervor und begann darin zu lesen. Für Arled waren diese Tauren einfach ein Buch mit sieben Siegeln. Wie konnte es sein, dass Angesichts des Chaos welches sie umgab, Vodan Zeit zum lesen fand.
Doch es war definitiv nicht der richtige Augenblick sich um so etwas Gedanken zu machen. Sie brauchten einen Unterschlupf. Als Menschen wäre es Ragi und Hun unvergleichbar schwerer sich auf den Beinen zu halten. „Wir sollten uns einen Platz zum Rasten suchen. So kommen wir nicht mehr schnell vorwärts, und wenn ihr euch etwas brecht, verlieren wir nur noch mehr Zeit. Vielleicht gibt es hier ja irgendwo eine Höhle.“, gerade als Arled die Worte gesprochen hatte, ertönte aus der Tiefe unter ihm ein Grollen und Krachen sich gegenseitig zermalmender Steine. „Nun ja, vielleicht wäre eine weite Wiese die bessere Wahl. Kommt lasst uns schauen ob wir ein passendes Plätzchen finden.“
Sie fanden es, und hatten das Glück während ihrer Rast, nicht von sich auftuenden Spalten, heran fliegenden Felsbrocken oder dergleichen behelligt zu werden.
„Wenn das Schlimmste vorbei ist, setzen wir unseren Weg fort.“, sagte Arled in die Runde, mehr um überhaupt etwas zu sagen, als dass es einer Diskussion bedurft hätte. Sie würden wohl kaum auf dieser Wiese sitzen bis ans Ende aller Tage, aber er wollte das Schweigen brechen welches sich über die Gruppe gelegt hatte. Alle saßen da, und beobachteten das schreckliche Schauspiel welches um sie herum stattfand. Es war gewaltig, es war beeindruckend, und es war von einer wilden Schönheit. Man hätte es fast bewundern können, hätte es nicht eine Gefahr für das eigene Leben dargestellt.
Wenigstens hier schien es relativ sicher. Die nächsten Bäume waren weit genug entfernt um nicht auf sie zu stürzen, und auch Berge welche zu Vulkanen hätten werden können waren keine zu sehen. Arled atmete tief durch. Erst jetzt bemerkte er das Ausmaß seiner Erschöpfung. Die Flucht aus Dämmerungszuflucht, dann die Nacht mit Vodans Bier, und schließlich die erneute Flucht, hatte die Erschöpfung tief in seine Knochen getrieben. Er saß im Schneidersitz und atmete tief durch. Plötzlich durchlief ihn eine Welle. Seine Knochen begannen zu ziehen und zu knacken. Er hob seine Hände und sah, wie seine Krallen begannen zu schrumpfen, das Fell schien von seinem Körper eingesaugt zu werden. Seine Rückratwirbel krachten lautstark als sie in eine andere Position sprangen. Arled verdreht die Augen, und stöhnte. Dann war es auch schon wieder vorbei. Er öffnete sie wieder und blickte an sich herab. Rosa Haut, Fingernägel. Menschenbeine - Haarig jedoch ohne Fell - und normale Füße. Er war wieder ein Mensch. Er blickte auf, direkt in Huns fragendes Gesicht. „Wie?“, der überraschte Blick des Hünen sprach Bände.
Arled wünschte er hätte eine Antwort darauf gehabt, doch er wusste selbst nicht, was nun verzögert doch noch zu seiner Rückverwandlung geführt hatte.
Ragi schien es sich denken zu können, denn er fragte Arled erst gar nicht. Vodan war immer noch mit seinem Buch beschäftigt, in welches er mit Hilfe einer Feder irgendwelche Notizen machte. Offenbar hatten sich die Anhänger des Irdenen Rings so sehr der Anhäufung von Wissen verschrieben, das es selbst in Extremsituationen für sie Priorität hatte.
Arled rieb sich seine Arme welche von Gänsehaut überzogen waren. Ohne Fell war er in Ermangelung eines Hemds, den wehenden Winden schutzlos ausgesetzt. Er würde sich darum kümmern müssen bald Ersatz zu finden.
„Hier, die könntest du brauchen.“, Ertönte hinter ihm eine dröhnende Stimme. Er dreht sich um, und Vodan stand da, hielt ihm eine Decke entgegen die er wohl aus seiner Tasche zum Vorschein gebracht hatte. Dann war es wohl auch er gewesen der die Hemden von Ragi und Hun mit sich getragen hatte. Arled war vor Aufregung entgangen sich die Frage zu stellen, warum sie bekleidet waren, nachdem sie ihre Worgengestallt verlassen hatten.
Dankend nahm er die Decke von Vodan an, und legte sie sich um die Schultern.
„Lasst uns eine wenig ruhen, dann müssen wir weiter.“, Arled richtete das Wort an seine Begleiter, und legte sich dabei die Decke um. „Es ist noch ein gutes Stück bis wir den Wall erreicht haben. Ich denke wenn wir heute den halben Tag zügig gehen, und in der Nacht, als Worgen gut voran kommen, dann sollten wir den Wall morgen Abend erreichen können. Allerdings weis ich nicht ob ich mich überhaupt wieder werde Verwandeln können. Wenn nicht, haben wir ein Problem.“
„Wenn nicht, dann trage ich dich.“, brummte Vodan.
„Ich verstehe nur nicht was wir dort eigentlich wollen? Der Wall ist unüberwindbar. Und selbst wenn wir es schaffen könnten; wollen wir etwa die Sicherheit Gilneas eintauschen, gegen die Gefahren der Geisel, gegen die Bedrohung der Verlassenen, die Trolle, Orcs und welches Gezücht noch alles dort draußen herum schleicht. Ist es nicht besser hier zu bleiben, und abzuwarten? Die Erde wird sich schon wieder beruhigen.“, obgleich Ragis Mut nicht zur Diskussion stand, wirkte er beim Gedanken Gilneas zu verlassen doch unwohl.
„Mir wäre es auch lieber.“, in Arleds Worten lang pure Aufrichtigkeit. „Ich wünschte ich könnte einfach nach Hause gehen, und alles wäre wieder wie früher. Doch das geht nicht. Soviel hab ich gelernt. Es gibt Dinge die getan werden müssen. Und aus irgendeinem Grund scheinen wir die Richtigen zu sein. Ich weis nicht wieso. Ich weis nicht ob wir zurück kehren oder wie lange es dauert. Aber was ich weis ist, dass wenn wir nichts unternehmen, es keine Heimat mehr geben wird in die wir zurück kehren können. Glaubt mir, die Macht die für all das hier“, er machte eine die gesamte Umgebung umfassende Geste, „verantwortlich ist. scherte sich nicht um unsere Sorgen und Nöte. Wir müssen ihm Einhalt gebieten.“
„Wer ist „ihm“?“, Hun blickte Arled fragend aus großen Augen an.
„Ihm, dem Verantwortlichen. Dem bösen das hinter all dem Steckt. Man, man, man Hun! Dass man dir aber auch die einfachsten Sache immer erklären muss“, keifte Ragi aufbrausend.
Arled hatte Mitleid als er den getroffenen Gesichtsausdruck des Hünen sah, beschloss aber nichts weiter zu sagen. Ragis Ausbruch kam ihm gerade recht. Er befürchtete, wenn er seinen noch so neuen Freunden direkt von seinen Visionen erzählte. Wenn er von Burg Schattenfang und dem Buch des Beschwörers erzählte, und noch schlimmer von Todesschwinge, und seinem Flug zu den Fischmenschen, dann würde er ganz schnell allein Unterwegs sein. Er wusste es war nicht fair, aber er hatte einfach Angst davor von seinen Begleitern allein gelassen zu werden. So schwieg er, und auch Hun traute sich nicht mehr nach zu haken.
Vodan, der noch immer in sein Buch vertieft war, schien all dies nicht zu bemerken.
Arled setzte sich, wickelt die Decke enger um sich, und legte sich dann auf die Seite. Er schloss die Augen, und lauschte dem Grollen der Erde. Es war ein bedrohliches Schlaflied welches sie ihm sang. Und die Verheißungen großer Taten schwangen zwischen den Tönen mit.

…to be continued

Mit freundlichen Grüßen
Eure Evi
 
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