Review: Need for Speed - Undercover (Wii)

Khanor

Dungeon-Boss
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Ganz heimlich, still und leise hatte ich mir eine Beschäftigung für die frühen Morgenstunden der letzten Zeit gesucht. Ich habe es ja bereits häufig in der Vergangenheit erwähnt: nach dem Aufstehen nehme ich mir gern die Zeit zum Wachwerden um bei einer gemütlichen halben Kanne voll frischem Kaffee auf die Mattscheibe zu blicken und meiner Spiellust zu fröhnen.

Ich bin seit vielen Jahren Freund und Liebhaber der Need for Speed Reihe. Das fing irgendwann auf einem uralten PC eines Freundes an, wobei ich mich aber kaum an Einzelheiten erinnere, sondern nur daran, dass mich dieses Spiel aufgrund des Fahrverhaltens fasziniert, aufgrund der Umgebung in Staunen und wegen der auftretenden Polizei sowie dem ansonsten auftretenden Verkehr begeistert hat. Für mich selbst erfolgte diverse Jahre später der Einstieg mit Hot Pursuit 2 auf dem GameCube. Seither habe ich keinen Teil ausgelassen.

Mehr oder weniger.

Es hatte sich einfach nicht ergeben, dass ich Undercover in meine Sammlung aufgenommen hatte. Es gab Zeiten, da war mir einfach nicht so sehr nach Rennspielen, daher flog es an mir vorbei. Das letztjährig erschienene neue Hot Pursuit allerdings hatte mich in der Umsetzung für die Wii so sehr enttäuscht, dass ich es nach dem Durchspielen zurück geschickt habe und mir als Ersatz Undercover ins Haus holte.

Mit Einleitung des "neuen Zeitalters" von Need for Speed mit individuellem Modding, Tuning und diversen neuen Renntypen sowie dem "freie Fahrt Modus" brachten Underground und Underground 2 ganz neue Ansichten und Möglichkeiten, die in meinen Augen Standards setzten und in jedes weitere neue Spiel miteinflossen - und fließen mussten.

Wie es oftmals so ist schreibt die Vergangenheit in goldenen Buchstaben und alles neue wird bei vielen Menschen immer an den Maßstäben des alten gemessen. Vielleicht geschieht das manchmal zu Unrecht, doch glaube ich sollte das jedem selbst überlassen bleiben. Für mich sind die "Undergrounds" noch immer die Spiele, die den Maßstab definiert haben und alle Nachfolger nur Versuche, das Altbekannte in ein neues Gewand zu stecken. Das muss nicht schlecht sein, im Gegenteil. Es muss nicht immer alles komplett inovativ, neu und unverwandt zu dem Vorhergegangenen sein um wirklich gut sein zu können, schließlich schätzen viele Spieler die Kontinuität von Reihen, oftmals ist auch genau das eine Kaufentscheidung.

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Wir haben es mit Undercover mit einem eher schwachen Vertreter der Need for Speed Reihe zu tun. Meine trotzdem relativ hohen Bewertungen für das Spiel insgesamt und den Spielspaß (beides 7 von 10) resultieren zum Teil aus dem direkten Vergleich zu dem neuen "Hot Pursuit", nach welchem man wirklich erfreut darüber sein kann hier wieder so richtig in Sachen Need for Speed unterwegs zu sein, wie man es gewohnt ist.

In einen Renntitel eine Story hineinzubekommen ist äußerst schwer, da man irgendwie rechtfertigen muss die ganze Zeit sinnlos mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs zu sein. Dass man nach drei bis vier Titeln der "New Gen NfS" auch nicht mehr einfach sagen kann "arbeite dich in deinem Bezirk an die Spitze der Blacklist" ist auch klar. Doch auch wenn man für dieses Spiel Maggie Q (unter anderem bekannt aus Stirb langsam 4.0 und Mission: Impossible III) als Hingucker ins Boot geholt hat bleibt die abzuarbeitende Story doch eher äußerst dünn. Auch die ins Spiel gepresste Konkubine für den Helden (also den Spieler) wirkt sehr deplatziert. Sie ist in der harten Racer-Szene zuhause, wirkt aber ehr als würde sie noch mit Puppen tägliche Tee- und Schminkparties feiern, während sie regelmäßig weinerlich in die Kamera blickt. Sehr anstrengend, sie ertragen zu müssen.

Man wird Undercover eingesetzt, da eine höhere kriminelle Energie hinter den Racern vermutet wird. Anfangs erhascht man ein wenig Respekt durch gewonnene Rennen, bis man etwas tiefer in die Szene eingeführt wird. Hier lernt man einige Typen kennen, die sich ganz schön wichtig nehmen aber doch eher peinlich wirken. Irgendwann steht man dann - oh wunder - einem skrupellosen Ex-Cop gegenüber, dessen Gunst man auch noch erlangen muss, daraus resultieren noch Fahrerjobs wie "mach die Bullen auf dich aufmerksam und verzieh dich dann" oder "klau dem seinen Wagen". Es taucht aber noch ein Schurke auf und man bekommt Hinweise, dass Maggie Q selbst auch nicht ganz sauber ist, so arbeitet man sich also an den nächsten Bösewicht heran und steht ihm plötzlich gegenüber. Maggie Q erschießt ihn und haut selbst ab, man jagd sie, schnappt sie und plötzlich ist das Spiel vorbei...

Ups. Hab ich was verpasstß?

Die Rennen an sich bieten nicht viel neues. Zwischen "gewinne durch Erreichen von Vorsprung X", dem ganz normalen 2-, 3-, 4-Runden-Rennen und den "Copkillers" gibt es, wie erwähnt, auch noch kleinere Fahrerjobs, die zwar anders heißen, im Endeffekt aber doch wieder das gleiche sind wie die Copkillers - nur, dass man nicht mit seinem eigenen Wagen fahren darf. Zerstöre X Streifenwagen, umfahre X Nagelbänder, durchbrich X Straßensperren, richte X Schaden an - und flüchte.

Neuerungen sind nur durch die Rennen zu finden, in denen man andere Fahrer aufhalten muss. Man rammmt die Gegner also so oft bis deren Energiebalken (normalerweise gut sichtbar über dem Fahrzeug) auf null gesunken ist. Natürlich gibt es auch Flucht-Rennen, bei denen man selbst einen solchen Balken besitzt, wobei hier zu bemerken ist, dass man selbst durch einen kleinen Rempler der Cops mehr Energie verliert als man selbst mit Vollgas in die Seite eines gegnerischen Fahrzeugs in der Lage auszuteilen ist.

Kleinigkeiten waren hier inovativ für die Reihe, wurden aber nicht weiter verfolgt. "Bringe einen Mercedes von A nach B und lass ihn ganz", soweit so gut. Die Kiste hält nicht viel aus, es ist aber machbar. Schön ist, dass man unbegrenzt Nitro zur Verfügung hat, doch vorsicht: Dauerbrenner überhitzt den Motor und das Rennen ist gelaufen. Das taucht ein einziges Mal (!) im Spiel auf. An anderer Stelle soll man einen Komplizen befreien und das zu rammende Fahrzeug ist ausnahmsweise kein aufgemotzter Straßen- oder Streifenwagen sondern tatsächlich ein Kleinlaster - mit verchromten Felgen.

Die Anpassungsmöglichkeiten der Autos ist in Ordnung, wie ich finde, wenn auch nicht mehr mit diesem Charme behaftet, den Underground mit sich brachte - schließlich war die Option damals neu und lohnte ausgereizt zu werden. Lackieren, Karosseriekits, Einzelteile zum selbst Dimensionieren (also "wähle diese vorgegebene Motorhaube, aber verändere die Lufteinlässe auf die für dich gewünschte Größe"), Leistung - alles drin. Man bekommt die Sachen nur recht schnell und kann auch ohne sie leben. Auch hier wieder im Vergleich zu den Underground-Titeln gesprochen, wo man sich noch wirklich anstrengen musste um endlich die Kiste etwas aufzuwerten und diese Leistungsupgrades dann auch unbedingt erforderlich waren, um mit den Gegnern mithalten zu können.

Ich bin nicht so begeistert davon, wenn mir ein Spiel größere Entscheidungen aufzwingt. In Need for Speed - Underground habe ich alle Rennen mit meinem geliebten 206 locker gewonnen, bis auf ein einziges Beschleunigungsrennen, für das ich mir extra einen TT gekauft und aufgerüstet habe, weil bei meinem Franzosen der Motor jedes Mal hochgegangen ist. Danach wurde der TT nie wieder gebraucht, alles weitere ging auch mit dem 206. Am Anfang waren nicht viele andere Wagen zur Auswahl, aber ich wollte diesen Wagen trotzdem behalten und fahren. Hier ist es leider etwas anders, denn so sehr man auch tuned halten die Wagen nicht alles aus. Klar, den Mitsubishi vom Anfang wollte ich auch nicht zwingend behalten und hab ihn gegen einen Vanqish eingetauscht, doch auch der konnte irgendwann ganz und gar nicht mehr mithalten und ich habe trotz gerader Strecke, vollem Nitro und perfektem Start nicht einmal den ersten Checkpoint erreichen können, bevor die Zeit des Rennens abgelaufen war. Weitere Tuningmöglichkeiten: Fehlanzeige, in der Karre waren sämtliche erhältlichen Upgrades schon unter der Haube. Also doch wieder zum Autohändler, den Ford GT gekauft - danach war alles kein Problem mehr. Das mag ja schön und gut sein, aber ich mochte meine vorherigen Wagen und hätte sie von Optik und Fahrverhalten gern weiterhin als meine Hauptfahrzeuge behalten.

Mit dem GT bekam man bei unglaublicher Beschleunigung, Handling, Fahrverhalten und Kontrolle das Gefühl in einem Autoscooter zu sitzen, nicht mehr ein Auto zu fahren. Klar, "Realitätsnähe" ist sowieso etwas anderes, aber dennoch war hier plötzlich einfach nur noch der Gasknopf relevant, alles andere wurde dadurch kompensiert. Lenken war sehr gut (fast schon außerirdisch) möglich trotz 180°-Kehre und 300 km/h auf dem Tacho, aber warum vom Gas gehen oder Bremsen, wenn es die Randbegrenzungen genauso gut schaffen?

Die Cops in diesem Spiel sind einfach nur Hohl. Zum Glück sind sie nicht so hartnäckig und aggressiv wie in Most Wanted, dafür aber surrealer. Man schaut auf die Karte, denkt schon geflüchtet zu sein bis aus dem buchstäblichen Nichts drei bis vier Wagen in unmittelbarer Nähe auftauchen. Man benutzt einen Verfolgungsstopper (Tankstelle zerstören, Schildbrücken zertrümmern o.ä.) und die Verfolger gehen zwar daran zugrunde, zuuufällig ist aber immer dann, nachdem die Videosequenz beendet ist, direkt vor einem eine Straßensperre aus der sich die nächsten Cops lösen und die Verfolgung aufnehmen.

Die Nagelbänder sind eine positive Überraschung. Erwischt man sie mit einer Seite bekommt man Schlagseite und der Wagen zieht in die jeweilige Richtung, sind beide Seiten platt ist das wieder ausgeglichen, aber man kann noch bis zu 180 km/h schaffen und auch aus dem Stand wieder beschleunigen und den Cops immer wieder entkommen - nur im Schneckentempo eben.

Im Bereich zwischen 60 und 85 % Spielfortschritt wird es allerdings sehr anstrengend, weil man nach jedem Rennen noch 10 Minuten Verfolgungsjagd hinter sich bringen muss, was auf Dauer einfach keine Freude bereitet. Hier geht eindeutig viel des Spielspaßes verloren, weil man sich schließlich auf festgelegten Strecken mit anderen (oder einfach sich selbst) messen möchte, nicht aber durch die halbe Stadt eiern, Haken schlagen, Cops rammen und sich irgendwo verstecken in der Hoffnung, dass man nicht doch wieder entdeckt wird auf dem Weg zum nächsten Rennen und man weitere 10 Minuten sinnlos alles niederwalzen muss um nicht gesiebte Luft atmen zu müssen.

Die Grafik ist okay, auf einem 50" Plasma allerdings mit mindestens 3 Metern Abstand zu empfehlen. Die Straßen glänzen permanent als wären sie nass und viele viele viele Abschnitte der Stadt erkennt man an den Straßenzügen aus Vorgängern - hier wurde stark recycled, hatte aber wohl gehofft, dass es aufgrund des Tageszeitenwechsels von Nacht (in den Vorgängern) auf Tag nicht auffällt. Im Vorfeld wurde eine riesige Stadt angepriesen, wobei ich ehrlich keine sonderliche Vergrößerung der Map zu den Vorreitern feststellen kann - und dann ist sie auch größtenteils noch identisch.

Ärgerlich ist, dass sich die Wii nach zwei bis drei Stunden Spielzeit gern einmal aufhängt, weil die Ladeübergänge ziemlich hart ruckeln. Das ist aber dank dem automatischen Speichern nur ein kurzes Problem. Ärgerlich sind Ladefehler wie z.B. in meinem ersten Pursuit, in dem ich einen Wagen stoppen musste, das aber vorher nicht angekündigt war und der gegnerische Wagen auch keine Energieleiste über sich abgebildet bekam. Ich fuhr nur im Schneckentempo hinter ihm her und sah die Zeit von sechs Minuten ablaufen ohne überhaupt zu wissen worum es geht.

Die Steuerung an sich ist in Ordnung. Das Handling der Wagen ist wie das in Vorgängern, vielleicht noch ein Stück besser (also wieder mehr Videospielorientiert) und mit der Wii sind natürlich wieder viele Steuerungsgeräte wählbar. Die Wahl zwischen Remote, Remote mit Nunchuck, GameCube- oder Classic-Controller fiel bei mir auf letzteres Exemplar. Damit lässt sich umgehen, jedoch bleibt mir Schleierhaft, wieso seit zig Jahren keine freie Belegung der Tasten mehr in die Spiele implementiert wird. sO liegt die Handbremse an einer derart unpassenden Stelle, dass man schon einige Rennen Übung braucht bis man sie effektiv einsetzen kann.

Über den Sound mag man geteilter Meinung sein. Die Motorengeräusche und Soundeffekte sind ganz okay, auch wenn es meiner Meinung nach einen Unterschied macht, ob man die Stütze einer Schildbrücke zertrümmert und diese zusammenfällt oder aber durch eine Tankstelle brettert. Der Soundtrack selbst... nun, ich habe gelesen, dass ein Lied der Nine Inch Nails mit dabei ist, aber die Einstellungsmöglichkeiten des Sounds sind recht unbrauchbar. Eine Zeitlang hatte ich alle Spielsounds auf 50 % gestellt und lediglich die Rennmusik und die Stimmen auf 100 % gelassen, doch ging die Musik dummerweise noch immer im Getöse unter. Die Stimmen der Cops aus dem Funkgerät waren bei dieser Einstellung unerträglich laut, die Stimmen in den (viel zu kurzen und nichtssagenden) Videosequenzen so leise, dass ich die Hälfte nicht verstehen konnte.

Als besonderer Extra-Minus-Punkt sollten sowieso die Funksprüche der Cops erwähnt werden. Die Labern ununterbrochen, wenn man sich auf der Flucht befindet. Und sie labern Schwachsinn. Die Dame in der Leitzentrale beispielsweise sollte man einfach nur rausschmeißen. Keine Richtungsangabe über Funk bleibt ohne Korrektur ("Der Verdächtige fährt in südlicher, nein, in westlicher Richtung (...)" u.v.m.), das Kreischen der Fahrzeugführer in ihre Mikros ist teilweise peinlich und überhaupt einfach nur viel zu viel und unangebracht. Wenn ich einen Kaffeeklatsch halten möchte und meinen Kollegen von einem Pickel am Hintern erzählen mag tue ich das in der Mittagspause, aber nicht über Funk.


Fazit:
Insgesamt hat mir das Spiel selbstverständlich Spaß gemacht und ich würde es jederzeit wieder kaufen, zumindest für unter 25 €uro. Als Lückenfüller ist es perfekt geeignet, aber auch als eigenständiges "Hauptprojekt" annehmbar. Mit seinem überschaubaren Spielinhalt habe ich nur gut eineinhalb Wochen mit nicht immer täglich zwischen 30 und 120 Minuten aufgewendeter Zeit benötigt um es einem Ende entgegen zu treiben und habe es auch gern am nächsten Tag wieder in die Konsole gelegt.

Erneuter Spielwunsch? Nein, nicht wirklich. Einmal durch ist es ein relativ alter Hut, da gibt es motivierendere und erfreulichere Teile der Reihe.

Ansonsten hoffe ich aber, dass für kunftige Wii-Titel dieser Reihe etwas mehr an den kleinen Ecken und Kanten geschliffen und ein runderes Produkt geliefert wird. Wir sind ja hier nicht auf der Restebank.
 
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