[RP]Ruhepause..

Melian

Dungeon-Boss
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Er musste sich sehr beherrschen. Gerade in diesen Zeiten verfluchte er innerlich, dass er nicht ein einfacher Söldner war, ein einfacher Soldat irgendeiner Einheit. Dass er sich erneut hatte Verantwortung aufladen lassen – oder sich selbst aufgeladen. Jemand hatte in einem Gespräch einmal zu ihm gesagt, es wäre sein Schicksal, anzuführen.

„Schicksal.. pha..“, murmelte er, während er seine Hand betrachtete. Die leicht bläuliche Haut an den Fingerknöcheln war aufgeplatzt, dickes, eher schwarzes als rotes Blut füllte träge und langsam die Wunden, und spülte mehr schlecht als recht einige Holzsplitter der Baumrinde weg, die noch in der Haut gesteckt hatten. Er spürte den Schmerz kaum, es war ein billiger Ersatz für seine Mordlust, die ihn in den letzten Tagen immer mehr durchtränkt hatte. Seine Wut und sein Hass krochen öfters in ihm hervor, als es ihm lieb war, gerade in den letzten Tragen. Es schien, als ob der Ring sie zurückgedrängt hatte, indem er Solean aufgezeigt hatte, dass es auch noch anderes ausser Hass, Wut und eiskalte Berechnung gab.
Der Ring..

Nein. Er würde ihn nicht wieder anziehen. Auch wenn dies bedeutete, dass er vermehrt gegen die einzigen verbliebenen Emotionen kämpfen musste, die noch in ihm existierten.
Einzig und allein der Wille, Silbermond zu dienen, hielt ihn noch aufrecht.

Solean verzog das Gesicht. Silbermond.. „Der Sumpf scheint endlos“, dachte er. Hörte es denn nie auf? Er erinnerte sich an eine Geschichte, die man ihm einst erzählt hatte von einem Ungeheuer mit vielen Köpfen. Wenn man dem Ungeheuer einen abgeschlagen hatte, wuchsen auf der Stelle zwei neue nach. Ein endloser Kampf, wenn man sich nicht bemühte, das Herz der Bestie zu treffen.

Er lachte – der Laut hörte sich fast ein wenig nach Verzweiflung an. Er – Solean – führte ebenso einen Kampf gegen eine mehrköpfige Bestie. Wo er einen Verräter mühselig enttarnt hatte, wuchsen auf der Stelle zwei Nachfolger aus dem Boden. Und wenn dies nicht geschah, fielen ihm eigene Leute in den Rücken, oder der Sonnenzorn, der nichts Besseres zu tun hatte, als Intrigen zu spinnen.

Solean betrachtete seine Hand. Das Blut hatte aufgehört zu fliessen, es schein sowieso nur noch zu Alibizwecken durch seinen Körper zu fliessen. Eher zu schleichen als zu fliessen. Er wischte sich das Blut aus Gewohnheit mit einem Tuch von den Knöcheln, kümmerte sich dann nicht weiter darum. Gewohnheit.. Er atmete aus lauter Gewohnheit. Zwar hatte er es noch nicht getestet, ob er wirklich ohne Atmen auskam, aber er konnte den Atem bedenkenlos einige Minuten stoppen. Jemand hatte ihn gefragt, warum er dennoch atmete. Gewohnheit.
Und es machte die Lebenden etwas lockerer, wenn sie sahen, dass sich sein Brustkorb hob und senkte – es machte den Anblick seiner stocksteif dastehenden Gestalt, die eine lange zeit genau in der gleichen Haltung dastehen konnte, und der eisblauen, starren Augen etwas erträglicher.

Er verspürte einen solchen Hass gegenüber diesen Personen, und war im gleichen Augenblick froh, dass ihm sein Zustand erlaubte, nahezu jeglichen Ausdruck aus seinem Gesicht verschwinden zu lassen. Jede Emotion. Er konnte gut schauspielern. Wenn Miellyn gewusst hätte, was er am liebsten mit ihr getan hätte, wäre sie entsetzt zurückgewichen, und hätte ihre Wachen auf ihn gehetzt.

Das erste Mal fühlte er Bedauern, dass er nicht mehr unter der Herrschaft des Lichkönigs stand. Denn dann hätte er über solche Dinge nicht mehr nachzudenken gebraucht. Er hätte einfach nur gemetzelt. Er hätte sie alle umgebracht, mit einem irren Grinsen auf den Lippen, seine Klinge hätte sich an ihren Seelen gelabt, und ihn gestärkt, seine Runen aufgeladen. Er hätte zerstückelt, mit Genuss die unheiligen Energien in die toten leichen..
Solean zwang seine Gedanken krampfhaft in eine andere Richtung, und starrte wie paralysiert auf eine einfache, rote Blume, die am Fusse des mächtigen Baumes wuchs, an dessen Rinde er sich gerade lehnte.

Es war verführerisch, brutale Gewalt walten zu lassen. Er sah es auch in den Augen von Durás, obwohl der ebenso bemüht gewesen war, jegliche Emotion zu verstecken. Äusserlich und seinen Taten nach hätte er einen ebenso skrupellosen Runenkrieger abgegeben, wie man es erwartet – aber in seinem Innern tobten Gefühle. Niemand war davor sicher.

Als die Blütenblätter der Blume mit einem eisigen Raureif überzogen wurden, blickte Solean in eine andere Richtung.

Und wieder fragte er sich die Frage, die sich wie ein Wiederhaken bewehrter Pfeil in seine Gedanken gebohrt hatte.
„Warum tue ich dies? Warum tue ich dies immer noch? Warum.. kämpfe ich?“

Einzig und allein der Wille, Silbermond zu dienen, hielt ihn noch aufrecht.
 
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