Seelenverrat - Eine Kurzgeschichte

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Es regnete nun schon seit drei Tagen ununterbrochen. Die Nässe hatte die kleine Lichtung, auf der die beiden Wanderer ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten, in braunen, feuchten Morast verwandelt.
Dennoch war es hier unter freiem Himmel besser als im Wald, der sie umgab. Minanye setzte sich auf einen Morschen Baumstamm, zog die Beine an den Körper und schlang ihre Arme um die Unterschenkel um möglichst wenig Fläche zu bieten, von der aus die Wärem aus ihrem Körper weichen könnte. Ihre Kleidung war inzwischen komplett durchnässt und ihr rotes, schulterlanges Haar klebte in dicken feuchten Strähnen in ihrem Gesicht. Geisteabwesend strich sie es mit einer matten Handbewegung aus den Augen. Sie beobachtete ihren Begleiter, der verzweifelt versuchte irgendwie ein Feuer zu entzünden. Sie selbst hatte dieses Unterfangen bereits vor einer viertel Stunde aufgegeben. Was nutzte es eine Schwester der Flamme zu sein, wenn es nichts Trockenes gab, das man hätte mit Magie entzünden können. Sie lies ihre Gedanken schweifen und suchte nach einem Anhaltspunkt, wie sie Ihre Reise fortsetzen sollte. Irgendein Gefühl, dass ihr sagte, sie sei auf dem richtigen Weg, doch Minanye fühlte nichts. Sie schloss ihre Augen und versuchte die Kälte aus ihrem Körper zu vertreiben. Konzentriert auf die Meditation der inneren Wärme, merkte sie nicht, dass ihr Begleiter sich näherte und neben ihr auf dem Baumstamm Platz nahm.

„Wir müssen unsere Zelte aufschlagen, es wird sehr kalt und ungemütlich diese Nacht werden.“, gab er zu verstehen.
Minanye erwiderte ohne die Augen zu öffnen: „So wie in den drei Nächten davor und die Tage waren auch nicht besser.“
„Dann müsstest du wissen, worauf es ankommt, also raff dich auf und hilf mir.“

Die Schwester der Flamme öffnete die Augen und richtete ihren Blick auf Barish. Der große, hagere Mann war für sie immer noch ein Rätsel, obwohl es bereits vier Wochen her ist, dass sie zusammen von Kél Dulas aufgebrochen sind. Barish war ein Nekromant, soviel wusste sie. Sein voller Name lautete Barish Shadowcaster und er war Mitglied des Inneren Zirkels der Nekromantengilde. Ein hohes Tier also. Aber mehr wusste sie auch nicht von ihm. Er war selbst für einen Totenbeschwörer ein sehr schweigsamer und in sich gekehrter Mann. Sie sah ihm nach, als er zu seinem Gepäck ging und das Zelt auspackte. Seine Schwarze Robe flatterte als der Wind daran zerrte, ebenso wie seine weisen, dünnen Haare. Es wirkte, als würde der Regen von ihm abprallen, denn selbst bei stärkstem Niederschlag wie heute hatte er eine Aura der Trockenheit an sich. Staubtrocken und modrig zugleich. Wie eine Grabkammer. Seine blasse Haut und das eingefallene Gesicht taten ihr übriges zum Gesamteindruck. Barish war kein Mensch, der Nekromantie gebraucht. Er verkörperte sie.

Nachdem er fast fertig war mit seinem Zelt, erhob sich Minanye, schlurfte zu ihrem Rucksack und machte sich an den Aufbau des ihrigen. Eine halbe Stunde später saß sie im Trockenen und zog sich um. Wenigstens gibt es diese Nacht kein Gewitter, dachte sie bei sich, so kann ich zumindest in Ruhe schlafen. Sie lag noch eine ganze Weile wach und dachte über ihre bisherige Reise nach. Sie waren aufgebrochen, um die Träne Solumans zu suchen. Ein faustgroßer Diamant und eine heilige Reliquie der Schule des Wassers. Bis heute fragte sie sich, warum gerade sie und Barish ausserwählt wurden dieses Artefakt zu suchen, immerhin war sie eine Schwester der Flamme und damit Mitglied der Schule des Feuers und Barish gehörte der Schule des Todes an. Zwei der Gegenschulen des Wassers, dennoch wandte sich der Erzmagier der Wellen persönlich an Barish um ihn auf die Suche zu schicken und Minanye Stormfire sollte ihn begleiten. So berichtete es zumindest Barish selbst. Sie selbst hatte nie mit dem alten Erzmagier gesprochen und so langsam begann sie an der Aufrichtigkeit ihres Begleiters zu zweifeln. Sie nahm sich vor die Sache morgen früh anzusprechen. Kurze Zeit später war sie eingeschlafen.

Als Minanye Stormfire am nächsten Morgen erwachte, stand die Sonne bereits am Himmel. Es hatte tatsächlich aufgehört zu regnen und sie spürte die Wärme der Lichtstrahlen, die ihr Zelt trafen. Erleichtert trat sie ins Freie. Ihr Begleiter hatte es inzwischen geschafft ein Feuer zu entfachen und begann damit nasses Brot über den Flammen zu trocknen so dass es genießbar wurde. Sie wollte gerade zu einer Begrüßung ansetzen, als Barish plötzlich hochschreckte und das Brot in die Flammen fallen lies. Minanye wagte es nicht sich zu rühren, der Totenbeschwörer starrte gebannt in den Wald. Unerwartet wirbelte er herum und rief der Feuermagierin zu:

„Lauf, wir wurden entdeckt! In den Wald!“

Mit einem riesen Satz war der Nekromant zwischen den Bäumen verschwunden. Bevor Minanye begriff was geschah, hörte sie ein Knacken aus der Richtung in die Barish geschaut hatte. Ein leises Knurren war zu vernehmen und sie spürte, dass sich Böses näherte. Die Schwester der Flamme fackelte nicht lange und setze ihrem Begleiter nach, der bereits tief in den Wald gelaufen war. Sie hatte bereits einige hundert Meter zurückgelegt, als sie merkte, dass sie die Orientierung verloren hatte. Verzweifelt blieb sie stehen und sah sich schwer atmend um. Jedoch konnte sie kein Anzeichen von Barish oder ihrem Verfolger erkennen.

Völlig unerwartet schnellte auf einmal eine Hand herab, packte Minanye am Kragen und zog sie ruckartig in die Höhe. Wild um sich strampelnd wurde sie auf einem Dicken Ast circa drei Meter über dem Boden abgesetzt.

„Hör auf rumzufuchteln und kletter höher.“, vernahm sie eine gereizte Stimme. Es war Barish. Sie versuchte sich zu beruhigen und nickte ihn stumm an. Der Totenbeschwörer wandte sich wortlos ab und begann den Aufstieg in die Baumkrone. Minanye Stormfire, Schwester der Flamme folgte ihm zitternd.

Nachdem sie etwa 10 Meter geklettert waren hielt Barish inne. „Das ist hoch genug.“, lies er verlauten ohne sich umzudrehen. „Verhalte dich still und schau nach unten.“

Langsam senkte sie ihren Blick dem Waldboden zu. Doch erst nach einigen Augenblicken entdeckte sie etwas. Eine dunkelgraue, wolfsähnliche Gestalt näherte sich ihnen. Der Körper war ausgezerrt und an einigen stellen trat der blanke Knochen durch das verfilzte Fell. Die Augen leuchteten dunkelrot und von den gelben Zähnen tropfte grünlicher Sabber. Von dieser Gestalt ging also das Knurren aus, was sie kurz vorher an der Lichtung gehört hatte. Die Kreatur hatte zwar wolfsähnliche Züge, war aber so groß wie ein Pferd.

„Was ist das?“, fragte Minanye.
„Das ist ein Dalrog.“, antwortete Barish emotionslos, „Ein Seelensucher. Die Bluthunde Kazuul’s.“

Minanyes Hände ballten sich bei dem Klang dieses Namens zu Fäusten. Kazuul, der grausame Kriegsherr, Beherrscher und Tyrann der Dark Lands und die machtgierigste und böseste Kreatur auf Djeneb. Aus welchem Grunde könnte er einen seiner Spürer in diesen Wald schicken?

„Er sucht dich.“, beantwortet Barish die unausgesprochene Frage, „Dalrogs spüren die Existenz von Seelen und verfolgen diese bis zum Ende. Sie fressen nicht, sie atmen nicht, sie werden niemals müde. Es sind untote Kreaturen, geschaffen mit der Magie des Todes und des Chaos.“, der Nekromant wandte den Blick Minanye zu und ein Funkeln lag in seinen Augen, dass sie erschauern lies. Mit hoffnungsloser Stimme sagte er: „Dieser Dalrog hat deine Seele gespürt, und er wird nicht eher von dir ablasssen, bis er sie in seinem Seelenkristall gespeichert hat und seinem Herren bringen kann.“
„Seelenkristall?“
„Das ist ein kleiner kristalliner Knochen im Nacken.“
„Aber warum ich?“
„Er weiß, dass du Solumans Träne suchst. Er will sie für sich. Warum weiß ich nicht. Nur soviel ist klar. Wenn Kazuul etwas haben will, dann setzt er alles daran es zu bekommen.“
„Aber es muss doch eine Möglichkeit geben, diesen Dalrog aufzuhalten?“

Barish dachte angestrengt nach, dann antwortete er leise: „Ich glaube eine Möglichkeit gibt es, auch wenn sie dir nicht gefallen wird.“
„Sag es.“, erwiderte Minanye heftig.
„Wir müssen einen Teil deiner Seele in ein anderes Lebewesen übertragen, welches der Dalrog dann töten kann. Nur dann wird er seine Jagd beenden.“

Sie sah ihn mit ängstlichem Blick an. „Gibt es keine andere Möglichkeit?“
„Ich fürchte nein.“, er wandte den Blick gen Boden. Der Dalrog kam immer näher. „Du solltest dich schnell entscheiden.“
Minanye schluckte heftig. „Okay. Wir machen es!“
Barish nickte stumm und sah sich um. Plötzlich schnellte seine Hand in das Laub des Baumes. Als er sie zurück zog, hielt er einen vor Angst piepsenden Vogel in der Hand. Er schaute zu Minanye.
„Eins muss ich dir noch sagen. Wenn der Teil deiner Seele in diesem Tier steckt wirst du alles spüren was der Vogel spürt. Bis zu dessen qualvollen Tode. Bist du bereit dazu?“
Die Feuermagierin atmete tief durch und schloss die Augen. „Tu es.“, sagte sie mit grimmiger Entschlossenheit.

Barish sah sie noch einmal kurz an und begann dann einen leisen Singsang heraufzubeschwören. Irgendetwas tief in Minanye begann an ihr zu zerren, es war ein unerträgliches Gefühl, als wollte man ihr die Organe aus dem Leib reißen. Ihr Atem stockte, dann ein scharf stechender Schmerz im ganzen Körper und...

Nichts mehr. Es war vorbei. Sie öffnete den Augen und sah Barish, der noch immer den Vogel in seiner Hand hielt. Dieser strahlte jedoch Ruhe aus und zeigte keine Spur von Angst mehr.

„War es das?“, fragte sie unsicher.

Barish nickte. „Ich habe dem Vogel vorher einen seiner Flügel gebrochen. Wenn wir gleich vom Baum steigen werde ich den Vogel hier zurücklassen sodass der Dalrog ihn sich holen kann. Dann müssen wir laufen um uns soweit wie möglich zu entfernen.“

Sie spannten ihre Muskeln an uns sprangen vom Baum. In einer einzigen fließenden Bewegung warf Barish den Vogel zu Boden, drehte sich um und rannte los. Minanye folgte ihm knapp dahinter. Sie liefen ungefähr 500 Meter als sie plötzlich einen stechenden Schmerz in ihrer Brust spürte. So als würden sich Reißzähne in sie bohren. Sie verlor das Gleichgewicht, taumelte und stürzte zu Boden. Barish war sofort neben ihr.

„Es geht los.“, keuchte sie. Und schrie plötzlich auf vor Schmerzen.
„Wenn der Vogel stirbt. Wirst du eine weile Bewusstlos werden, aber wenn du wieder aufwachst wird der Dalrog verschwunden sein“, sagte Barish.
„Gut, ich vertraue dir.“, keuchte sie.
„Das solltest du nicht.“, gab er finster zurück. „Ich habe schon mal meine Nächsten verraten und ich werde es wieder tun.“
Sie schaute ihn verwirrt an, jedoch bevor sie ihn fragen konnte wie er das meine umkam sie ein so heftiger Schmerz, dass ihr schwarz vor Augen wurde. Dann glitt sie hinab in die Bewusstlosigkeit.

Als sie wieder erwachte dämmerte bereits der nächste Morgen. Erstaunlicherweise fühlte sie sich frisch und ausgeruht. Sie setze sich auf und sah sich um. Barish war weg. Enttäuschung und Furcht machten sich in Minanye breit. Was wenn der Dalrog nun doch noch kommen würde? Sie beschloss zuallererst zu der Stelle zurückzugehen, wo sie den Vogel zurückgelassen hatten.

Der blutige Kadaver des Vogels lag an der Stelle die Minanye erwartet hatte. Er war übel zugerichtet von Zähnen und Klauen. Minanye trauerte um ihn, dann viel ihr etwas im Augenwinkel auf. Dort lag noch ein Kadaver. Als sie näher hinsah erkannte sie eine wolfsähnliche Gestalt. Der Dalrog. Verwirrt ging sie langsam auf ihn zu. Er war tot. Kein Zweifel. Doch etwas machte sie stutzig. Und dann sah sie es: Dem Dalrog war der Nacken mit einem scharfen Dolch aufgeschnitten und etwas war im entnommen worden. Der Seelenkristall. Ihr Atem stockte und sie wurde bleich vor entsetzen, als sie Begriff was Barish mit seinem letzten Satz gemeint hatte...

Traurig schaute er auf den blutigen Kristall in seiner Hand. Er hatte seinen Auftrag erfüllt. Er hatte die Seele von Minanye Stormfire. Nun ja, einen Teil davon. Aber dieser Teil reichte aus um seine Pläne in die Tat umzusetzen. Warum also war er traurig? Sollte sie ihm letzten Endes doch etwas bedeuten?

Er wischte diese Gedanken mit einem Kopfschütteln beiseite. Es war keine Zeit für Sentimentalität. Ein Krieg stand bevor. Und so machte er sich auf den langen Weg in die Dark Lands zu seinem Meister Kazuul...
 
oha..traurige Geschichte
Aber war es Zufall das Barish und sie ausgewählt worden waren gemeinsam auf die Reise zu gehn und Kazuul dies ausnutzte oder ist der Meister der Wellen selbst auch ein Handlanger von Kazuul?
 
Wieder eine sehr schöne Geschichte, Kompliment!
 
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