TV-Ausgrabungen, die dritte: Halloween-Specials

win3ermute

Welt-Boss
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Was machten die Leute früher am Abend, als es noch keinen Fernseher gab? Sie hörten Radio; so selbstverständlich auch am 30. Oktober 1938, als plötzlich eine Sondersendung das Programm unterbrach:
Das Unvorstellbare war geschehen, feindselige Ausserirdische schickten sich an, die Welt zu erobern. Berichte über die Massenpanik, die angeblich in Teilen von New York ausbrach, sind zwar mit Vorsicht zu geniessen, aber unbestreitbar ist, daß dieses "Halloween-Special" von Orson Welles der Startschuß für sogenannte "Pseudo-Dokumentationen" war. "War of the Worlds" wurde für Welles und seine Truppe zum Karrieresprungbrett; die heutigen bekanntesten "Pseudo-Dokus" wie "Blair Witch Project" (1999) oder "Cloverfield" (2008) sind direkte Nachfahren.

Lange Zeit versuchte sich niemand an einer filmischen Umsetzung dieses Konzeptes. Der erste mir bekannte Beitrag zu diesem Subgenre ist Peter Watkins' erschreckender "The War Game" (1965). Im Stile einer Nachrichtensendung entwirft der Film ein realistisches Szenario für die Zeit nach einem Atombombenabwurf über England. Ursprünglich für das Fernsehen gedreht, verweigerte die BBC auch auf Drängen der Regierung eine Ausstrahlung - zu real; man wollte keine weiteren Atombomben-Gegner generieren. Nur in einigen Kinos wurde "The War Game" gezeigt und erhielt 1966 einen Oscar - absurderweise als "bester Dokumentarfilm"!

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Trotz dieser eher unangenehmen Erfahrung konnte es die BBC nicht lassen. Ursprünglich als Aprilscherz 1977 gedacht, gelangte "Alternative 3" erst Monate später in der Ausstrahlungsliste - und das beste an dem Ding um geheime Marskolonien und Klimaerwärmung ist, daß er selbst heute noch von einigen Verschwörungsirren als "wahr" angesehen wird, obwohl einige bekanntere Darsteller mitmischten und im Abspann auch mit Namen aufgeführt werden. Das ist das Gefährliche an "Pseudodokus": Nicht selten werden sie von den Leuten ernst genommen!

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Halloween 1992 hatte die BBC - sie konnten es einfach nicht lassen - dann wieder ein besonderes Schmankerl im Angebot: Als Einstimmung auf eine Grusel-Filmnacht sendete man eine "Live-Show", in der ein bekanntes Reporterteam aus einem notorischen Spukhaus berichtete. Im Studio, in dem auch Anrufe entgegen genommen wurden, unterhielt sich ein populärer englischer Talkmaster mit "Parapsychologen" und "Skeptikern"; zwischendurch schaltete man in das "Spukhaus" und auf einen weiteren Reporter, der sich mit Leuten aus der Nachbarschaft unterhielt.
Für ca. 45 Minuten ist das typische locker-leichte TV-Unterhaltung - und man hat sogar anscheinend den "Spuk" als Hoax entlarvt, was die anwesende "Fachfrau für Übersinnliches" in arge Erklärungsnot bringt. Wo aber kommen die Geräusche her, die das Team im Haus plötzlich vernimmt? Und das ist nur der Anfang...

Ich wünschte, in meiner Jugend hätte es hierzulande ein solches Programm gegeben! Als englisches Äquivalent zu "War of the Worlds" geriet ein Teil der Zuschauer in Panik; massenweise Blagen durften danach in therapeutische Behandlung (was haben die auch nach 9 Uhr vor dem Bildschirm zu suchen?). Die BBC durfte sich Vorwürfe wegen Frühgeburten und posttraumatischen Stresszuständen anhören; selbst ein Selbstmord wurde ihr zur Last gelegt. Das dürfte der Grund sein, warum man auf jede weitere Ausstrahlung der Sendung verzichtete - erst jetzt ist sie auf (Import-)DVD zu haben; wenn auch nicht ganz günstig.
Als Einstiegsfilm für eine Hollywood-Filmparty ist "Ghostwatch" ideal: Dank des "TV-Formats" kann man sich nebenbei wunderbar unterhalten und anfangen, die alkoholischen Getränke zu dezimieren. Erst in den letzten 30 Minuten geht's richtig zur Sache - und der Schluß ist geradezu brilliant; vor allen Dingen, wenn der leichtgläubige Zuschauer glaubt, das Geschehen dort sei real.

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Was die Engländer können, das schaffen wir doch auch, dachten sich die Amis 1994. Natürlich zu Halloween wurde der Horror-Film "Without Warning" von einer Sondermeldung unterbrochen: Drei Asteroidensplitter seien fast zeitgleich über die Welt verteilt eingeschlagen. Der in den USA bekannte Nachrichtensprecher Sander Vanocur nebst Aussenreporterin Bree Walker berichten "live" vom Geschehen. Im Laufe der Sendung wird es immer mysteriöser, denn irgendwas scheint mit den Asteroiden nicht zu stimmen, senden sie doch ein Störsignal aus. Und ein weiterer Steinhaufen ist im Anflug; wieder genau über dem Nordpol...
Vor und nach jeder Werbepause blendete man zwar ausdrücklich die Warnung ein, daß es sich hier um Fiktion handele - half alles nix; manche Zeitgenossen hielten diese Hommage auf "War of the Worlds" mal wieder für echt, mummelten sich in ihre Decken und glaubten, das Ende der Welt sei gekommen (keine Angst: Außerirdische wissen längst, daß es auf dieser Erde kein intelligentes Leben gibt - die kommen erst gar nicht; die Demenz mancher Einwohner könnte immerhin ansteckend sein).
Wie auch "Ghostwatch" ist "Without Warning" ein wunderbarer Einstieg in die Party-Filmnacht - man muß nicht konzentriert zuschauen, sondern kann das Ding nebenher genießen, ohne Angst haben zu müssen, den wirklich netten "Schlußtwist" zu verpassen. Leider ist er nur auf VHS erschienen - aber auch youtube oder google helfen bei beiden Filmen mit Sicherheit weiter
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Im Laufe der Woche werde ich wohl noch ein "Halloween-Film-Special" mit Standards und Tipps veröffentlichen - stay tuned!

Wer solche Pseudo-Dokus mag, der sei noch auf "Special Bulletin" (1983) hingewiesen (und natürlich gerieten wieder einige Zuschauer in Panik). Der behandelt jedoch ein eher ernstes Thema; nämlich Terrorismus in Verbindung mit einer Atombombe. Sehr, sehr spaßig ist außerdem Peter Jacksons wunderbarer "Forgotten Silver" - da geriet zwar keiner in Panik, aber etliche Leute, die sich blamierten, waren danach sehr sauer auf Jackson
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